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Ein kleiner Ausschnitt aus meinem
Naturparadies. Einer der beiden Weiher ist auf dem
Bild zu sehen. Der natürliche und auch der naturnahe
Weiher („Natur aus zweiter Hand“) gilt als unser
artenreichstes Gewässer. Und so trägt auch mein
kleiner Weiher dazu bei, bestandsgefährdete
Pflanzen- und Tierarten zu erhalten und weiteren
wildlebenden Organismen in der Kulturlandschaft
Lebensmöglichkeiten zu bieten. |
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Weltweiter Tag des Wassers
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
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Der Weltwassertag, der insbesondere die
breite Öffentlichkeit auf die Bedeutung des Wassers für die
Menschheit hinweist, wird jährlich am 22. März begangen. Alle
Länder sind von den Vereinten Nationen aufgefordert, sich dem
Weltwassertag zu widmen und geeignete, konkrete Maßnahmen auf
nationaler Ebene durchzuführen – und das zu Recht! Wasser ist
der Quell jeglichen Lebens. Das Leben ist im Wasser entstanden
und ohne Wasser gäbe es die Erde, wie wir sie heute kennen,
nicht.
Es gibt den Weltwassertag bereits seit 1993. Er ist ein Ergebnis
der Weltkonferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) von 1992
in Rio de Janeiro und wird seit 1993 jährlich aufgrund einer
Resolution der UN-Generalversammlung vom 22. Dezember 1992
gefeiert. Seit seiner ersten Ausführung hat der Weltwassertag
erheblich an Bedeutung gewonnen. Der Schutz unserer
Wasservorkommen und deren nachhaltige Nutzung – man soll nur so
viel sauberes Wasser verbrauchen wie die Natur uns wiedergibt –
soll am Weltwassertag besonders ins Bewusstsein der Bevölkerung
gerückt werden.
Jedes Jahr übernimmt eine der vielen UN-Agenturen, die mit dem
Thema Wasser befasst sind, die Leitung bei der Förderung und
Koordinierung internationaler Aktionen für den Weltwassertag. Er
steht jedes Jahr unter einem anderen Schwerpunktthema, welches
durch die Vereinten Nationen festgelegt wird. Die Leitthemen der
vergangenen 5 Jahre lauteten:
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- 2009 „Grenzüberschreitende Gewässer“
- 2010 „Reines Wasser für eine gesunde Welt“
- 2011 „Wasser für die Städte: Antwort auf urbane
Herausforderungen“
- 2012 „Wasser und Nahrungssicherheit“
- 2013 „Wasser und Zusammenarbeit“.
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Im Jahre 2014 konzentrieren sich die
Feierlichkeiten zum Weltwassertag auf das Motto „Water and
Energy“, einem Schwerpunktthema, das sich mit dem Zusammenhang
von Wasser und Energie befasst. Die United Nations University
(UNU) und die United Nations Industrial Development Organization
(UNIDO) übernehmen im Auftrag von UN-Water die Koordination. |
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Sauberes Trinkwasser wird ein zunehmend
knappes Gut.
Deshalb: Jeder Wassertropfen zählt! |
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Kampf ums Wasser
Der „Kampf ums Wasser“ bleibt regional und global eines der
bestimmenden Themen der Zukunft. Durch Bevölkerungswachstum,
wirtschaftliches Wachstum und die Urbanisierung wird der Bedarf
nach Nahrungsmitteln, Wasser und Energie weltweit steigen. Die
Deckung des steigenden Nahrungsmittelbedarfs und des damit
einhergehenden Energiebedarfs wird zu einem deutlichen Anstieg
des Wasserbedarfs und einer weiteren Degradierung von
Wasserressourcen und Ökosystemen durch Übernutzung und
Verschmutzung führen. Es droht eine deutliche Lücke zwischen
verfügbaren Wasserressourcen und Bedarf, die die
Versorgungslücke in den wasserärmeren Regionen verschärft,
gleichzeitig sich jedoch auch zum Engpassfaktor für die
Nahrungsmittelproduktion und die Energieerzeugung entwickelt.
Hieraus ergeben sich drei wesentliche Handlungsfelder für eine
nachhaltige Entwicklung: |
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- Die soziale Dimension - Zugang zur Basisversorgung mit
Wasser
- Die ökumenische Dimension - mehr Wohlstand mit weniger
Ressourcen
- Die ökologische Dimension - Investitionen zum Erhalt der
Ökosysteme und deren Ökodienstleistungen.
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Man erkennt, welche vielschichtige
interdisziplinäre Herangehensweise die kritischen Wasserthemen
unserer Zeit erfordern. Und wer ist für die Umsetzung dieser
Ergebnisse von der Wissenschaft in die Praxis zuständig und sind
wir in diesem Punkt schon bei einer wirklichen
Transdisziplinarität angelangt?
Auch wenn in Deutschland und Westeuropa die Situation zur
Wasserknappheit derzeit weitgehend entspannt ist, kann das nicht
darüber hinwegtäuschen, dass wir uns bereits mitten in einer
globalen Wasserkrise befinden. Die Organisation World Wide Fund
for Nature (WWF) zählt seit der Jahrtausendwende 2000 weltweit
über 50 gewaltsame Konflikte, bei denen es um die
Wassernutzung ging. Denn gerade in Grenzregionen ist häufig
ungeklärt, wem die Verwendung von Wasserflächen zusteht.
Internationale Dekade „Water for Life“
Die Vereinten Nationen haben den Zeitraum 2005 bis 2015 zur
internationalen Dekade für die Aktion „Water for Life - Wasser
für das Leben“ erklärt. Die Dekade begann mit dem Weltwassertag
am 22. März 2005, der unter dem gleichen Leitthema stand, und
wird am 22. März 2015 enden. Mit dem Datum, an welchem
voraussichtlich der fünfte Weltwasserbericht veröffentlicht
werden wird. Koordinierendes Gremium der internationalen
Aktionsdekade ist UN-Water.
Die Wasserdekade hat die verstärkte Umsetzung von Programmen und
Projekten zur Verbesserung der Wasserversorgung und die
Fortentwicklung der hierfür notwendigen Zusammenarbeit zum Ziel.
Ebenso soll die Dekade genutzt werden, weltweit
Entscheidungsträger und die breite Öffentlichkeit für das Thema
Wasser zu sensibilisieren und darauf hinwirken, dass bereits
getroffene Verpflichtungen in die Wirklichkeit umgesetzt werden.
Die Aktionsdekade „Wasser für das Leben“ verweist darauf, dass
im laufenden Jahrzehnt große Anstrengungen nötig sind, diese
Verpflichtungen zu erfüllen. Besondere Aufmerksamkeit gilt den
Frauen, da sie weltweit eine zentrale Rolle im Wassermanagement
und in der Wasserversorgung spielen. Wichtige Themen für die
Dekade sind: Wasserknappheit, Zugang zu sanitären Einrichtungen
und Gesundheit, Wasser und Frauen, Kapazitätenaufbau,
Finanzierung, Bewertung, integriertes
Wasserressourcenmanagement, grenzüberschreitende Fragen, Umwelt
und biologische Vielfalt, Katastrophenvorsorge, Ernährung und
Landwirtschaft, Wasserverschmutzung und Energieerzeugung. |
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Wachsender Bedarf, schwindende Vorräte
„Ohne Wasser kein Leben.“ Diese Kurzformel hebt die
unvergleichbare Bedeutung des Wassers als Lebenselement hervor.
Wasser ist die Grundlage unserer Existenz. Ausreichend sauberes
Wasser ist die Voraussetzung für ein gesundes Leben. Es geht
nicht nur darum, die Ressource Wasser in Schwellen- und
Entwicklungsländern zu sichern und zu schützen. Auch in den
Industrieländern wird Wasser knapp und seine Trinkwasserqualität
ist gefährdet. Selbst das Grundwasser, bisher noch am
saubersten, ist gefährdet. In vielen Städten reicht es zur
Wasserversorgung nicht mehr aus und muss mit Oberflächenwasser
künstlich angereichert werden.
Zudem hat sich die Weltbevölkerung im letzten Jahrhundert
verdreifacht, doch der weltweite Verbrauch an Süßwasser hat sich
in diesem Zeitraum versiebenfacht. Und angesichts eines weiter
zu erwartenden Anstiegs der Weltbevölkerung von derzeit 6,9
Milliarden Menschen auf 8 Milliarden im Jahr 2025 und 9,2
Milliarden im Jahr 2050 rücken vor allem drei essenzielle Themen
stärker als bisher in den Vordergrund:
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- Wasser
- Nahrungsmittel
- Energie
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Viele Regionen leiden schon jetzt unter
Wasserknappheit. Das Bevölkerungswachstum wird dieses Problem
weiter verschärfen. Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr
2025 rund zwei Drittel der Menschheit mit den Problemen des
Wassermangels zu kämpfen haben. Nur ein Bruchteil des gesamten
Wassers auf der Erde, etwa 2,6 Prozent, ist Süßwasser, das für
den Menschen lebensnotwendig ist. Davon liegt der weitaus größte
Teil festgefroren im Eis der Pole und Gletscher. Süßwasser, das
für die Trinkwassergewinnung in Frage kommt, macht nur 0,3
Prozent der Gesamtwassermenge aus. Es findet sich in Seen,
Flüssen und im Grundwasser. |
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Der Bodensee als Trinkwasserspeicher. Rund 5
Millionen Bewohner von Baden-Württemberg trinken
Bodensee-Wasser. |
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Bei einer Analyse des gegenwärtigen Trends
wird weltweit 70 Prozent des Trinkwassers in der Landwirtschaft
verwendet und bis zum Jahr 2025 wird die Nachfrage nach
Süßwasser um etwa 40 Prozent anwachsen.
Die Wassergewinnung wird sich deshalb in Zukunft vor allem auf
Technologien zur Entsalzung, auf die Aufreinigung von Süßwasser
sowie auf die Wiederaufbereitung von Abwasser konzentrieren
müssen.
Sorge um unser Wasser
Das Wasser hat, vor allem in unseren Breitengraden, viel von
seiner ursprünglichen Bedeutung und Wertschätzung verloren. Ein
Blick auf die antike Literatur zeigt, welch besondere Bedeutung
die Völker der Antike dem Wasser in ihrem Weltbild zugewiesen
haben. Es war eines der vier Grundelemente (Feuer, Wasser, Luft,
Erde) und einige philosophische Lehren erhoben es sogar zum
alleinigen Urprinzip des Seins. Diese Vorstellung behielt ihre
Bedeutung noch bis Ende des Mittelalters. Doch dann hat das
Verhältnis des Menschen zum Wasser in den letzten Jahrhunderten
eine vollkommene Wandlung durchgemacht. Es ist für uns heute
selbstverständlich, das Wasser zum täglichen Gebrauch mühelos
zur Verfügung zu haben.
Die Anschauung von der „geistigen Erfülltheit“ des Wassers
verblasste, bis es zuletzt nur noch als Stoff und als Transport-
und Energieträger behandelt wurde. Der Mensch lernte, sich das
Wasser mit einer imposanten Technik zu unterwerfen und nutzbar
zu machen. Er bändigt heute die Kraft des Wassers, staut es
hinter mächtigen Dämmen und lässt es als fließende Energie in
die Turbinen der Kraftwerke stürzen. Er versteht es, ihm seine
physische Kraft mit erstaunlichen Wirkungsgraden abzunehmen.
Schien es zunächst wirtschaftlich und nützlich, Moore und
Feuchtgebiete auszutrocknen und daraus Ackerland zu gewinnen,
Aue-Wälder abzuholzen, Bäche und Flüsse zu regulieren, Hecken,
Raine und Feldgehölze zu entfernen und Landschaften zu
verändern, so wird man heute gewahr, dass damit vielfach
wesentliche Lebensfunktionen im Gesamtorganismus der Natur
empfindlich getroffen und verletzt worden sind. So gehören die
Aquafauna und -flora, und hier besonders die Fischbestände, zu
den ganz großen Verlierern in der Umgestaltung der Fließgewässer
und mitteleuropäischen Landschaften.
Auf vielen Gebieten bahnt sich heute erfreulicherweise ein
Wandel an. Die Erkenntnis der ökologischen Zusammenhänge gewinnt
immer mehr Raum. Man entdeckt, dass die lebendigen Kreisläufe
nicht ohne schwerwiegende Folgen gestört werden dürfen und dass
das Wasser mehr ist als bloßer Energiefluss und geeigneter
Transportstoff. Die Menschheit hat nicht nur das Wesenhafte des
Wassers verloren, sondern ist in Gefahr, auch dessen physische
Substanz zu verlieren. Die bedrohliche Gewässerverschmutzung und
das Vesiegen unzähliger Quellen über die ganze Erde hin, sind
Beweise genug für diese Entwicklung.
Besonders freuen würde ich mich, wenn Sie, lieber Leser, zu
Erkenntnissen kämen, die Sie dazu veranlassen, Ihre
Lebensgewohnheiten im Hinblick auf die vorhandenen und
zukünftigen Wasser-Probleme zu überdenken und wenn nötig zu
ändern. Ich möchte Ihnen Mut machen zu einem anderen Umgang mit
Natur und Landschaft und somit mit unseren eigenen
Lebensgrundlagen. Das Lebenselement Wasser steht dabei
stellvertretend für alle natürlichen Ressourcen. Wir müssen
lernen, mit unseren Lebensgrundlagen vernünftig und
haushälterisch umzugehen. |
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Kleine Gewässer - Große Wirkung:
Über die wahren Ursachen von
Hochwasser-Katastrophen
und deren Vermeidung
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
Wasserbau und Kulturmaßnahmen
Die geradezu revolutionären
Entwicklungen in der Landwirtschaft ziehen sich durch alle
Bereiche der Landnutzung. In ganz besonderem Maße äußerten sie
sich im Wasserbau. Die großen Flusskorrekturen des 19ten
Jahrhunderts dienten noch vorwiegend oder ausschließlich der
Schifffahrt, später auch zur Nutzung der Wasserkraft. Die
Flussbegradigung hatte praktisch keinen Einfluss auf Häufigkeit
und Stärke der Hochwässer, außer dass die Flut schneller
flussabwärts vorankam, dafür aber auch schneller wieder ablief.
Erst die massive Eindämmung der Flüsse in ihren früher
weitläufigen Auen bewirkte ein starkes Ansteigen der
Hochwasser-Höhen, weil sich die Pegel-Durchfluss-Beziehungen zu
Ungunsten des natürlichen Abflussgeschehens veränderten. Die
einst regelmäßig, aber unvorhersehbar überschwemmten Auen, die
nur als Weideland genutzt werden konnten, ließen sich jetzt
durch die Damm- und Deichbauten in Ackerland und nutzbares
Bauland umwandeln. Ein regelrechter Erschließungsboom setzte
ein, weil Bauland in den Flussauen in der Regel attraktiv (weil
in Flussnähe), einfach zu nutzen (weil eben) und billig ist.
Innerhalb weniger Jahre verwandelten sich dann die ehemaligen
Flussauen zu Siedlungs- und Industriegebieten. Diese neue
Landnahme entzog den Flüssen ihre Überschwemmungsflächen. Die
Seitenausdehnung der Wassermassen war durch den Fluss- und
Tal-(Auen)-Verbau massiv beeinträchtigt und ließ die Pegelstände
erhöhen. Das verschärfte die Hochwässer in den am Fluss
gelegenen Städten ganz erheblich, weil flussaufwärts die
Rückhalteräume fehlen. Hier wurden und werden in der Bau- und
Landnutzungsplanung regelmäßig Fehler gemacht mit teilweise
verheerenden Auswirkungen.
So hat sich die Anzahl der einem möglichen Hochwasser
ausgesetzten privaten Gebäuden sowie der gewerblichen und
industriellen Anlagen seit Beginn des 20sten Jahrhunderts
erheblich vergrößert. Durch die Ansiedlung des Menschen in
Gewässernähe und der damit verbundenen Anhäufung von riesigen
materiellen Werten sind jetzt enorme Hochwasserschäden die
Folge. Verheerende Schäden an Privateigentum, kommunalen
Gebäuden, Kulturdenkmälern, Infrastruktur und
gewerblich-industriellen Einrichtungen sowie an Kultur- und
Naturflächen sind zu beklagen. Durch die Wasserfluten werden
Menschenleben bedroht und Arbeitsprozesse behindert. Kurzum,
immense Werte werden vernichtet.
Hauptursache für Hochwasser-Katastrophen
Die weitaus größeren
Veränderungen erzeugte jedoch der Ausbau der Gewässer dritter
Ordnung im Rahmen des landwirtschaftlichen Wasserbaus. Ein
Großteil der kleinen Flüsse, Bäche und sogar der Rinnsale oder
nur zeitweise wasserführenden Gräben wurde mit immensem Aufwand
an Geld so ausgebaut, dass das Niederschlags- oder Sickerwasser
schnellstmöglich ab- und in die großen Flüsse eingeleitet wurde.
Dadurch laufen die Hochwasserwellen tendenziell erheblich
schneller ab und bilden höhere Spitzen. |
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Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir
das Wasser in kanalisierten Rinnen möglichst schnell
an die Unteranlieger weiterleiten oder den
Wasser-Rückhalt in der Fläche fördern und dadurch
neue Lebensräume für eine Gewässerfauna und –flora
schaffen. |
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Ziel der Kulturmaßnahmen war es,
auf allen landwirtschaftlichen Produktionsflächen auch möglichst
gleichartige Produktionsbedingungen zu schaffen.
Standortnachteile sollten behoben werden. Frühere
Grenzertragsflächen, deren Bewirtschaftung im Vergleich zum
Aufwand kaum Erträge erwarten ließ, konnten durch die
Kulturmaßnahmen in die landwirtschaftliche Produktion mit
einbezogen werden.Als eine der Hauptwirkungen dieser
landesweiten Entwässerung der Fluren verschwanden weithin die
Unterschiede in den Lebensbedingungen der Natur. Besonders groß
wurden die Verluste bei den Feuchtgebieten. Moderne, von starken
Motoren getriebene Maschinen ermöglichten die Entwässerung von
Mooren, Feuchtwiesen und Sümpfen. Die Verlegung von
Drainagerohren und das Ausbetonieren von Abzugsgräben gehörte
zum Standard des Kulturwasserbaus. Der Ausbau der Gewässer
dritter Ordnung verschlang jene Summen an Steuermitteln, die
dringend benötigt worden wären, die Hochwasser-Probleme bleibend
zu lösen.Auewälder wurden gerodet. In der Zeit von 1950 - 1975
verloren die mitteleuropäischen Flüsse den größten Teil der noch
verbliebenen Auen. Seither gibt es durchschnittlich nur noch
etwa 5 Prozent der früheren Auwaldflächen des unregulierten
Zustandes. Auwälder, Sümpfe und Moore gehören zu den ganz großen
Verlierern in der Umgestaltung der mitteleuropäischen
Landschaften.Ein Großteil der Hochwasser-Schäden, die Ende des
20sten Jahrhunderts und vor allem in den letzten Jahren zustande
gekommen sind, beruht auf diesen Maßnahmen. Für wenige Hektar
hochwasserfrei angelegter Auen, die landwirtschaftlich genutzt
werden können, haben die Anwohner flussabwärts und die
Steuerzahler insgesamt unverhältnismäßig hohe Schäden
abbekommen. Niederschläge normaler Größenordnungen, die
keineswegs über Regenmengen früherer Jahrhunderte hinausgehen,
schwellen zu nicht mehr kontrollierbaren Fluten an, weil
praktisch alle Rinnsale, Gräben, Bäche und Flüsse das Wasser
schnellstens ableiten. Die eingeschnürten Flüsse können diese
Fluten natürlich nicht mehr fassen.Der Autor dieses Berichtes
ermittelte die Gewässerstrecken der Fließgewässer dritter
Ordnung in Deutschland, um das riesige Potenzial an
Gewässerläufen quantitativ abzubilden. Dabei wurden alle
Kleingewässer ab einer Breite von einem halben Meter bestimmt
und dies bei einer mittleren Wasserführung. Eine Gewässerstrecke
von mehr als 480 000 Kilometer der Gewässer dritter Ordnung
wurde für Deutschland ermittelt.Das riesige Potenzial an diesen
unzähligen kleineren Fließgewässern mit ihren Regulierungen
bewirken in ihrer Summe die eigentlichen
Hochwasser-Katastrophen. Anhand der so genannten „Elbeflut" vom
August 2002 soll das verdeutlicht werden. Der Begriff „Elbeflut"
weist in eine völlig falsche Richtung, denn im Elbetal selbst
entstand nur ein Bruchteil der Schäden. Die großen Verwüstungen
traten an den Zuflüssen der Elbe auf, oft an kleinen Bächen und
harmlos dahin plätschernden Rinnsalen, die in kürzester Zeit zu
reißenden Strömen wurden. Und hier muss stets das immense
Potenzial an Kleingewässern im Bewusstsein bleiben. Denn kleine
Gewässer sind quantitativ und qualitativ die „Kinderstube" der
großen Bäche und Flüsse. Deshalb können diese immer nur so gut
sein, wie es die vielen kleinen Gewässer im Einzugsgebiet
zulassen.So wurde die Stadt Grimma in Sachsen nicht durch die
Elbe vier Meter hoch überflutet, sondern durch den Nebenfluss
Mulde. Der Ort Weesenstein wurde durch das Flüsschen Müglitz
regelrecht zerstört und selbst der Sturzbach durch den Dresdener
Hauptbahnhof hatte nichts mit dem Hochwasser der Elbe zu tun,
sondern wurde durch die Weißeritz verursacht. Dieser Bach stand
mit einem 100-jährlichen Abfluss von 350 m³/s zu Buche, der
jetzt ankommende Scheitelabfluss lag bei 600 m³/s. Die
Weißeritz, die im Stadtgebiet Dresdens heute teilweise
unterirdisch fließt, war diesen Wassermassen nicht mehr
gewachsen. Das überschießende Wasser suchte seinen alten Weg -
und auf diesem steht mittlerweile Dresdens Hauptbahnhof.
Das Fazit ist: Kleine Gewässer - Große Wirkung!
Und so ist eine der
Hauptursachen für die Hochwasser-Katastrophen, dass man die im
19ten Jahrhundert begonnene Regulierung der Flüsse konsequent im
20sten Jahrhundert bis in die Quellbezirke zu Ende führte. Die
davon ausgelösten Hochwasser-Katastrophen sind keine Folge einer
in Gang gekommenen Klimaerwärmung, sondern hausgemachte
Ergebnisse des landwirtschaftlichen Wasserbaus, dessen
Verantwortung an den jeweiligen Flurstücken oder spätestens an
den Grenzen des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes endet. Auch
wenn in der Vergangenheit überregionale Kommissionen für
Hochwasserschutzmaßnahmen gebildet wurden, so ist der Gedanke,
sich um die Gemeinwesen flussabwärts zu kümmern, immer noch
weitgehend fremd.Und hier muss radikal umgedacht werden. Was der
Mensch durch den Wasserbau zerstört und gefährdet hat und durch
den Klimawandel verstärkt wird, wird ein Wassermangel in Europa
sein. Sauberes Wasser droht zu einem knappen Gut zu werden. Auch
das Grundwasser, bisher noch am saubersten, ist gefährdet: In
vielen Städten reicht es zur Wasserversorgung nicht mehr aus und
muss mit Oberflächenwasser künstlich angereichert werden.
Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz"
in die Schul- und Lehrbücher sowie in die Gewässer relevanten
Gesetzeswerke eingeführt werden:
Das Wasser
zurückzuhalten muss oberste Priorität haben.
Für eine realistische Lösung der
gesamten Hochwasserproblematik im Binnenland gibt es nur einen
Weg, nämlich die Wasserrückhaltung in der Landschaft des
gesamten Einzugsgebiets eines Gewässers. Denn der Raum, den die
Flüsse im unregulierten Zustand früher eingenommen hatten, ist
längst anderweitig genutzt und nicht mehr wieder
zurückzugewinnen.
Anhand einfacher Grundlagen der Hydrologie können Niederschlag,
Wasserabfluss, Verdunstung und Wasserspeicheränderung
quantitativ bewertet werden. Hierbei nimmt der Wasserabfluss in
der Hydrologie eine Schlüsselstellung ein. Da die Verdunstung
insgesamt für ein größeres Gebiet nicht zu erfassen ist, geht
die Hydrologie von den Abflussmengen aus, die an den
Fluss-Pegeln allgemein seit Beginn des 19ten Jahrhunderts
gemessen werden.
Hochwasser-Katastrophen vermeiden
Die Bilanzierung von
Wasserumsätzen erfolgt auf der Grundlage des
Massenerhaltungssatzes. Die hydrologische Bilanzgleichung lautet
in ihrer einfachsten statischen Form:
Die Größe N
bedeutet den auf ein umgrenztes Gebiet (hydrologisches
Einzugsgebiet) fallenden Niederschlag, A die
Wassermenge, die ober- und unterirdisch abfließt und V sämtliche
Arten der Verdunstung (Evapotranspiration), also die
Gesamtverdunstung aus Evaporation, Interzeption und
Transpiration. Die 4. Größe berücksichtigt die
Wasserspeicheränderung ΔS. Die
Wasserspeicherung kann als Eis, Schnee, Oberflächenwasser und
unterirdisches Wasser (Boden- und Grundwasser) erfolgen. Die
Bewertung der Wasserumsätze durch Niederschlag, Abfluss,
Verdunstung und Speicheränderung erfolgt als Volumen pro
Flächen- und Zeiteinheit, z.B. mm/d.Die Formel der
hydrologischen Bilanzgleichung besagt, dass die Summe der Mengen
aus Abfluss, Verdunstung und Speicheränderung eines
hydrologischen Einzugsgebietes in einem gewählten Zeitabschnitt
(z.B. monatlich) die Niederschlagsmengen ergeben. Damit spielt
die Wasserbilanz eine wesentliche Rolle für die Ermittlung der
Wasserspeicherkapazität von Niederschlägen in einem
Einzugsgebiet. Die hydrologische Bilanzgleichung spiegelt
weiterhin in einem gewissen Grad das landschaftliche Milieu des
Einzugsgebietes eines Flusses wieder. Denn Art, Intensität und
Dauer des Abflusses hängen von der Morphologie des
Flussgebietes, der Beschaffenheit des Bodens, des Untergrundes
sowie der Vegetation ab.Ebenso können sich die menschlichen
Eingriffe in Gestalt von Flussbegradigungen, Kanalisierungen,
Eindeichung, Erhöhung der Abflussgeschwindigkeit von Bächen und
Flüssen, Versiegelung der Böden, ansteigender Auenverbau und
zunehmende Besiedlungsdichte signifikant, teilweise sogar
entscheidend auf die Abfluss-Bilanz eines Flusses auswirken, wie
durch die hydrologische Bilanzgleichung innerhalb eines
bestimmten Zeitabschnitts beschrieben werden kann:
A = Abfluss
N = Niederschlag
V = Verdunstung
ΔS = Wasserspeicheränderung
Alle Terme werden in Volumen pro Flächen- und Zeiteinheit
gemessen und beziehen sich auf das hydrologische Einzugsgebiet.
Diskussion der hydrologischen Bilanzgleichung
Fall 1: Es wird
eine extrem große Niederschlagsmenge N in einem
begrenzten Einzugsgebiet und innerhalb eines bestimmten
Zeitabschnitts angenommen. Dann ist die Abflussmenge A
primär abhängig von der Niederschlagsmenge N
sowie von der Verdunstung V und
Änderung der Wasserspeicherung ΔS. In einer
Kulturlandschaft mit geringer Wasserspeicheränderung oder einer
urbanen Region mit hoher Bodenversiegelung sind die beiden Terme
V und ΔS klein. Damit wird die
Abflussmenge eines Gewässers im Wesentlichen durch die
Niederschlagsmenge N bestimmt. Sintflutartige
Regenfälle bedingen dann einen extremen Anstieg des Abflusses.
Ergebnis Fall 1: Eine
Flutwelle baut sich auf. Verheerende Hochwasserschäden werden
die Folge sein.
Fall 2: Wie im
Fall 1, wird von einer extrem großen Niederschlagsmenge
ausgegangen. In einer naturbelassenen Landschaft kann die
Verdunstung V und die Änderung der
Wasserspeicherung ΔS hoch sein. Die
Abflussmenge A eines Gewässers wird dann
wesentlich durch die beiden Terme Verdunstung V
und Speicheränderung ΔS bestimmt. Der
Aufbau einer gefährlichen Flutwelle wird generell vermieden. Es
kommt zu einem kontinuierlichen Anstieg des Wasserpegels. Ein
„normales" Hochwasser als völlig natürliche Erscheinung ist die
Folge.
Ergebnis Fall 2:
Verheerende Überflutungsschäden wie im Fall 1 werden ausbleiben.
Das Resultat der hydrologischen Bilanzierung ist, dass
vorbeugender Hochwasserschutz grundsätzlich machbar ist.
Grundlegendes Wissen ist hierzu vorhanden. Jedoch beschränkte
sich der Hochwasserschutz in der Vergangenheit weitgehend auf
bautechnische Maßnahmen. Integrierende Präventionsmaßnahmen
wurden bislang nicht oder nur wenig realisiert.
Die praktische Umsetzung
Eine sehr große Zahl an
Experten, Universitätsinstituten, Behörden, Landesämter,
Bundesanstalten und Staatsregierungen, dann Komitees für
Katastrophenvorsorge und die Initiativen zur Verbesserung der
Hochwasservorsorge sowie zahlreiche andere Einrichtungen
beschäftigen sich seit Jahrzehnten intensiv mit der
Hochwasserproblematik. Viele der dort erarbeiteten Konzepte
mögen richtig und wertvoll sein, doch die Tatsache bleibt, dass
in den letzten 20 Jahren die Schäden durch Flutkatastrophen
verheerende Ausmaße angenommen haben.
Dieser Sachverhalt wurde vom
Autor zum Anlass genommen, ein einfaches, praktikables,
ökologisch und ökonomisch sinnvolles Konzept zu entwickeln,
welches die durch Hochwasser verursachten immensen Schäden im
Binnenland signifikant mindert oder gar gänzlich verhindert.
Die grundlegende sowie naheliegende Idee ist, das
Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in
großdimensionierten, geraden Gerinnen wegzuschaffen, sondern das
Niederschlagswasser muss von Anfang an und unmittelbar im
Einzugsgebiet eines Gewässers unter optimaler Nutzung aller
natürlichen Speichermöglichkeiten zurückgehalten werden.
Natürliche Speicher sind Waldungen, Moore, Seen, Tümpel, Weiher,
Senken und Überschwemmungsgebiete.
Dränage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit
einem Gefälle von 1 bis 2 % zum Vorfluter (= Bach, Fluss) hin
verlaufen, erhalten ein „negatives" Gefälle. Sie werden
„gekippt" und zur Senke ausgebildet, um die
Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen
Drainagegraben signifikant zu erhöhen. Die Sohle eines solchen
Grabens, hier Grabenspeicher genannt (= Graben
für Wasserspeicherung), liegt damit grundsätzlich tiefer als die
Sohle des Vorfluters. Die Absenkung im Grabenspeicher soll
mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Sohle des Fließgewässers
betragen. Damit ist gewährleistet, dass der Grabenspeicher
ganzjährig mit Wasser gefüllt ist.
Das Ziel muss sein, jeden bisherigen Drainagegraben oder jedes
Rinnsal zu reaktivieren und als Grabenspeicher auszubauen, um
möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog.
Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken,
Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit
dem Vorfluter hydraulisch vernetzt sein müssen, für eine
natürliche Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden.
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein
Retentionsnetz aufgebaut, um die Flutwelle im Bach oder Fluss zu
kappen und in die Breite abzuleiten. Dadurch wird der
Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt.
Der Schutz und die Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger
und naturnaher Kleingewässer wird zukünftig nicht nur eine
wesentliche Aufgabe der Wasserwirtschaft sein, sondern erfordert
ebenso eine intelligente Zusammenarbeit mit den verschiedensten
Verbänden und Organisationen.
Die hohe ökologische Bedeutung solcher alternativen
Grabenspeicher ist beachtenswert. Durch den ganzjährig hoch
anstehenden Wasserspiegel und das Anlegen von
Gewässerrandstreifen können neue Lebensräume von höchster
Qualität entstehen, auch für Kleinfisch-Habitate (Beispiel:
Karausche). Und oftmals sind solche Grabenspeicher die einzigen
aquatischen und amphibischen Biotope in einer monotonen
Kulturlandschaft. |
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Ein Beispiel für einen naturnah
geschaffenen Retentionsraum durch Ausbau eines
ehemaligen Drainagegrabens zu einem Grabenspeicher
und Aufweitung am Grabenende zu einem Tümpel. Hier
können, je nach Grabenlänge, mehrere 100 m³ Wasser
gespeichert werden und darüber hinaus entsteht ein
neuer Lebensraum für eine Wasserfauna und –flora. |
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Weitere Retentionsräume wären
Stauseen-Ketten, aber auch Mühlen- und Fischteiche. Es ist
vorhersehbar, dass Stauseen-Ketten mit entsprechend großen
Flutungsflächen die Natur künftig mitprägen werden. Die besten
natürlichen Vorbilder für eine solche Stauseen-Kette sind unter
anderem der Bodensee, Genfer See und Chiemsee.
Synergien
Es bedarf keiner langen
Erklärungen, dass durch die gezielte Speicherung von
Niederschlägen und Hochwasser sich zahlreiche Synergien für
Natur und Landschaft (Biodiversität und Biotopbildung),
Wasserwirtschaft (Infiltration) , Landwirtschaft (Fruchtbarkeit)
und Mensch (Trinkwasser) ergeben. Wesentlich ist dabei auch die
soziale Verantwortung hinsichtlich
Hochwasserschäden gegenüber den Anwohnern flussabwärts
(präventiver Hochwasserschutz). Denn Schadenshochwässer zu
vermeiden, gebietet die Menschlichkeit.
Das Lebenselement Wasser steht hier stellvertretend für alle
natürlichen Rohstoffe. Wir müssen lernen, mit unseren
Lebensgrundlagen vernünftig und haushälterisch umzugehen.
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Wald- und Torfbrände in Russland
Eine einfache Möglichkeit zur effizienten
Bekämpfung der Feuersbrunst
von
Dr. Erich Koch
Altshausen
Es wird ein
praktikables, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Konzept
beschrieben, um die jährlich wiederkehrenden, zum Teil
verheerenden Wald- und Torfbrände in Russland zu minimieren. Die
Idee besteht im Aufbau einer Vielzahl kleiner, hydrologisch
vernetzter Retentionsräume zur Wasserrückhaltung in der Fläche,
indem die bereits vorhandenen Drainagegräben in ihrem Gefälle
gekippt und zu Wasserspeichern ausgebaut werden. Dadurch
entstehen millionenfach kleinere Löschwasserteiche, welche mehr
oder weniger gleichmäßig über die gefährdeten Regionen verteilt
sein werden. Das notwenige Löschwasser kann jederzeit mittels
mobiler Pumpen relativ einfach und vor allem schnell zu jedem
Punkt einer Brandstelle gebracht werden.
1 Ursachen für die Wald- und Torfbrände
Wald- und Torfbrände gehören zu den
unberechenbarsten Katastrophen und der Kampf gegen die Flammen
ist oft verzweifelt und aussichtslos. Ausgelöst werden diese
Naturkatastrophen durch Blitzeinschläge in Kombination mit
langen Dürre- und Trockenperioden. Doch die meisten Waldbrände
werden inzwischen allerdings vom Menschen ausgelöst. Und
Russland macht da keine Ausnahme. Viele Wälder sind übersät mit
wilden Feuerstellen, an denen Schaschlik gegrillt wird. Auch
achtlos weggeworfene Zigaretten oder Streichhölzer haben dabei
schon eine Vielzahl von schweren Bränden verursacht. Weiterhin
sind gezielte Brandstiftung und purer Vandalismus weltweit immer
öfter schuld an Brandkatastrophen. Experten gehen davon aus,
dass nur noch 15 Prozent aller Waldbrände auf eine natürliche
Entzündung durch Blitze zurückzuführen sind.
In Russland brennt allerdings nicht nur der Wald, sondern auch
der Torfboden, auf dem die Bäume stehen. Torf ist ein
organisches Sediment, das überwiegend aus Torfmoosen besteht. Im
getrockneten Zustand ist Torf ein exzellenter Brennstoff, genau
wie Heu oder Stroh, und erreicht einen Heizwert von 20–22 MJ/kg,
ähnlich wie Braunkohle. Und so hält der torfige Untergrund die
Feuer in Gang.
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Entwässerte Sümpfe begünstigen Brände
Solange die
Sümpfe in ihrem ursprünglichen Zustand nass waren, konnten sie
nicht brennen. Doch in den letzten 100 Jahren, vor allem nach
1930, sind sie nach und nach trockengelegt worden. Die
gewaltigen Landflächen konnten jetzt als Äcker, Wiesen oder
Wälder genutzt werden. Und das sind mehr als 10 Prozent der
Fläche Westrusslands, was ungefähr dem 1,2fachen der Fläche
Deutschlands entspricht.
Durch eine Grundwasserabsenkung wurde Torf in großen Mengen
abgebaut, um ihn als Brennstoff zu nutzen oder als Rohmaterial
für den Gartenbedarf nach Mitteleuropa zu exportieren.
So sind im europäischen Russland Region entstanden, in der es
die größten Torfflächen der Welt gibt und damit sind die
Voraussetzungen für verheerende Wald- und Torfbrände vorhanden.
In der Regel wird Torf dort in Brand geraten, wo das Grundwasser
künstlich abgesenkt worden ist, kein Regen in der Trockenperiode
fällt und wo ein Waldbrand wütet. Hohe Lufttemperaturen, geringe
Luftfeuchtigkeit sowie Wind begünstigen die Entzündung. So kam
es 2010 in Russland zu mehreren dieser riesigen Torffeuern.
Torffeuer sind weltweit ein Dauerproblem. Vor
allem in den mächtigen Mooren Südostasiens können sie mehrere
Jahre schwelen. In Russland gehen die Brände derzeit nur an
wenigen Stellen in tiefere Bodenschichten. Aber auch da braucht
es ungeheure Mengen an Löschwasser, um einen solchen Brand in
den Griff zu bekommen.
3
Verlauf der Wald- und Torfbrände in Russland 2010
Insgesamt
brannten auf einer Fläche von 196 000 Hektar zwischen Karelien,
Woronesch und der Region südöstlich von Moskau geschätzte 700
Feuer. Es waren zeitweise über 240.000 zivile Rettungskräfte,
davon 162.000 Feuerwehrleute und mehr als 2.000 Armee-Angehörige
sowie 54 Löschflugzeuge im Einsatz. Weiterhin stellte die
russische Regierung alle 300 Löschfahrzeuge ihres Heeres zur
Verfügung.
Des Weiteren wüteten große Torffeuer in den Moorlandschaften um
Moskau, was die Lage zusätzlich verschärfte. In weiten Teilen
Russlands herrschte von Ende Juni bis Mitte August 2010 die
größte Hitze seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130
Jahren. So wurden am 2. August in der Stadt Woronesch 44 Grad
Celsius gemessen, in der Region entlang des Stromes Wolga 42 °C,
einem der Hauptzentren der Brandkatastrophe. Die schnelle
Ausbreitung der Brände wurde durch den vertrockneten torfigen
Untergrund begünstigt.
Die Auswertung von Bildern der NASA-Satelitten Aqua und Terra
ergaben Anfang August bis zu 564 tagesgleiche Brände, welche
sich am 9. August auf 442 Brände reduzierten. Am 14. August 2010
wurden jedoch immer noch 368 Wald- und Torfbrände in Russland
registriert. So erklärte das russische Katastrophenministerium
im August 2010, dass wohl 239 bestehende Feuer gelöscht wurden,
jedoch innerhalb der vergangenen 24 Stunden 247 neue Brände
ausgebrochen sind. Damit ist die Dramatik dieser katastrophalen
Brände nicht mehr zu überbieten. Selbst der russische
Ministerpräsident Wladimir Putin hat sich am 10. August 2010
höchstpersönlich als Feuerbekämpfer erfolgreich betätigt, indem
er als Co-Pilot die Wasserladung eines Löschflugzeuges zielgenau
über einer Feuerbrunst im Gebiet Rjasan, ca. 150 km südöstlich
von Moskau, abwarf.
4
Schadensbilanz
Laut offiziellen Angaben forderten die großflächigen Wald- und
Torfbrände in Westrussland im Juli und August 2010 mindestens 62
Tote, wobei Hilfsorganisationen von mehr Opfern ausgehen. Ganze
52 Dörfer und 3.200 Häuser wurden vernichtet. Nach längerem
Zögern räumten die russischen Behörden ein, dass die Brände auch
in radioaktiv verstrahlten Gebieten wüteten. Allein in der
Region Brjansk wurden 28 Wald- und Torfbrände auf einer Fläche
von 269 Hektar am 06. August 2010 gezählt. Diese Umgebung, nahe
dem Grenzgebiet zur Ukraine und Weißrussland, gehört zu den
gefährlichsten Gebieten der Welt. Bekanntlich kam es dort 1986
zur Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl. Zudem hatte es auch
in anderen radioaktiv verstrahlten Gegenden gebrannt, wie etwa
in Tscheljabinsk am Ural, wo sich ebenfalls mehrere
Atomreaktor-Anlagen befinden.
Die wochenlang andauernden Wald- und Torfbrände hatten darüber
hinaus alarmierende Folgen für das Weltklima. Nach Schätzungen
des GeoBio-Centers der Ludwig-Maximilians-Universität in München
wurden bis zu 100 Millionen Tonnen klimaschädigendes
Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Das entspricht ca. 12 Prozent der
Jahresemission Deutschlands.
Verheerende Auswirkungen hatten insbesondere die Torfbrände,
deren Schadstoffbelastung um ein Vielfaches höher ist als die
aus brennenden Wäldern. Der dichte Qualm aus brennenden Mooren
enthält neben dem Kohlenstoffdioxid das äußerst giftige Gas
Kohlenstoffmonoxid. Hinzu kommt noch eine extreme
Feinstaubbelastung, welche vermutlich Tausende von Menschen das
Leben kostete.
Doch der Feinstaub der Torfbrände hatte nicht nur schlimme
Auswirkungen für die Menschen und Tiere in der
Katastrophen-Region. Die Gefahr für das Klima wird durch die
freigesetzten Rußpartikel zusätzlich verstärkt. Denn die extrem
feinen Rußpartikel halten sich sehr lange in der Atmosphäre und
können bis zur Arktis getragen werden, wo sie die Eisschmelze
weiter beschleunigen.
Der Heizwert des verbrannten fossilen Materials liegt bei ca.
500 PetaJoule, das sind 500 Billiarden Joule. Rechnet man diese
Energiemenge äquivalent auf Heizöl um, dann ist ein
Energiepotenzial in Höhe von ca. 12 Milliarden Euro nutzlos
verbrannt worden.
Russland gehört neben der Europäischen Union, Australien und der
USA zu den weltgrößten Getreide-Exporteuren mit einem
Exportumfang von jährlich rund 22 Millionen Tonnen. Die
russische Regierung verhängte am 5. August 2010 ein Exportverbot
für Getreide aufgrund der Dürren und Bränden. Der russische
Getreideausfall durch Brände und Dürren lag bei rund 30 Prozent,
was einer Tonnage von mehr als 30 Millionen entspricht. Dadurch
stiegen die Weltmarktpreise für Getreide, insbesondere bei
Weizen, ab Juli 2010 rasant an. Die Brotpreise sind innerhalb
kurzer Zeit um deutlich über 20 % gestiegen, teilweise um bis zu
35 %.
Experten aus Russland, ebenso aus Westeuropa, schätzen den
materiellen und volkswirtschaftlichen Schaden durch die Wald-
und Torfbrände im Sommer 2010 in Westrussland auf mehr als 30
Milliarden Euro.
Neben den Waldbränden im europäischen Russland standen auch im
Fernen Osten des Landes weite Gebiete in Flammen. Nach Angaben
der Umweltorganisation Greenpeace seien landesweit den Flammen
mindestens 12 Millionen Hektar zum Opfer gefallen und damit eine
Fläche größer als der gesamte Waldbestand Deutschlands.
Greenpeace schätzt die Waldschäden 2010 in Russland auf mehr als
200 Milliarden Euro, also deutlich höher als von den russischen
Behörden angegeben. Nach amtlichen Angaben hat es landesweit
etwa 30.000 Waldbrandherde auf einer Fläche von mehr als 1,246
Millionen Hektar gegeben.
Die Katastrophe könne sich in Russland jederzeit wiederholen,
warnte Greenpeace Ende August 2010. Tatsache ist, dass seit
Beginn des Jahres 2011 landesweit 11.060 Naturbrände
ausgebrochen sind, welche bereits eine Gesamtfläche von 618.000
Hektar Wald zerstörten. Das ist nahezu dreimal mehr als im
Vergleichszeitraum Januar bis Mai des Vorjahres 2010, teilte das
Zivilschutzministerium Russlands am 07. Juni 2011 mit. Besonders
kompliziert war die Lage in der Region Krasnojarsk und dem
Gebiet Irkutsk. Dort loderten neun größere Brände auf einer
Fläche von 11.590 Hektar. Die Brände wurden nach Aussage des
sibirischen Zentrums des Zivilschutzministeriums hauptsächlich
von Aktivitäten der örtlichen Einwohner verursacht, obwohl von
den sibirischen Behörden rund 1.500 Posten eingerichtet worden
sind, die den Zugang zu den Wäldern einschränken und die Lage
beobachten.
5
Hauptproblem für die Brandbekämpfung ist fehlendes Löschwasser
Die Löschwasserversorgung für die Feuerwehren ist
unzureichend. Ein Teil der Wald- und Torfbrände wütete fernab
jeglicher Zivilisation und schlecht erreichbaren Regionen. Die
vorjährigen Erfahrungen zeigen, dass die meisten Brände auf
verlassenen Feldern entstanden waren. Es handelte sich
ursprünglich um Grasbrände, die sich erst später auf die Wälder
ausbreiteten. Dort, wo die Landwirtschaft gut funktioniert, gab
es keine solchen Feuerkatastrophen im Gegensatz zu den
Brachlandflächen. Diese begünstigen die Feuerbildung erheblich
und zudem ist fatalerweise in solchen Gebieten die erforderliche
Löschwasservorhaltung in aller Regel nicht gegeben.
Wasserentnahmestellen aus Bächen, Kanälen oder Wassergräben
waren dort entweder nicht vorhanden oder vertrocknet. So musste
das dringend benötigte Löschwasser durch Tankfahrzeuge und
Löschflugzeuge teilweise über weite Strecken an die
verschiedenen Brandherde aufwändig herangeführt werden. Dadurch
konnten sich die Flammen meist ungehindert kilometerweit durch
Russlands Felder und dann durch die Wälder fressen.
Dies ist einer der Hauptgründe, weshalb selbst nach mehr als
zwei Monaten die etwa 250.000 Rettungskräfte die verheerenden
Feld-, Wald- und Torfbrände immer noch nicht in den Griff
bekamen. Auch die Effizienz des Einsatzes der 54 Löschflugzeuge
und der 300 Löschfahrzeuge wurde deutlich überschätzt. Gegen
solche Katastrophenfeuer, wie sie 2010 im europäischen Russland
herrschten, können Löschflugzeuge und Löschfahrzeuge nur in
einem sehr geringen Umfang einen effizienten Beitrag zur
Brandbekämpfung leisten.
Bei der Bekämpfung von Feld-, Wald- und Torfbränden ist
schnelles Handeln entscheidend, denn hier zählt jede Sekunde.
Deshalb ist es erforderlich, in dichten Abständen
Wasserentnahmestellen für eine kontinuierliche und ausreichende
Löschwasserversorgung der Feuerwehren bereitzustellen.
6 Eine
salomonische Lösung:
Alte Drainagegräben zu neuen Wasserspeichern ausbauen
Die naheliegende wie einfache Idee ist, das Drainagewasser der
Moore und das Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in
kanalisierten Rinnsalen und Drainagegräben in einen Vorfluter (=
Bach, Fluss) abzuleiten, sondern das Wasser, eines unserer
wichtigsten Lebens- und Gebrauchsgüter, von Anfang an und
unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers zurückzuhalten.
Drainage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit
einem Gefälle zum Vorfluter hin verlaufen, erhalten ein
„negatives“ Gefälle. Sie werden „gekippt“ und zur Senke
ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem
konventionellen Drainagegraben signifikant zu erhöhen. Die Sohle
eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher oder auch
Grabenteich genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer
als die Sohle des Vorfluters. Die Absenkung soll bei mindestens
0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle liegen, bei geeigneten
hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen
größer. Damit ist gewährleistet, dass der Grabenspeicher
ganzjährig mit Wasser gefüllt ist.
Das Ziel muss sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu
reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst
ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu
erreichen. Ebenso können Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen,
Sölle, Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter
vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des
Niederschlagswassers benutzt werden. Durch die vorstehend
beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz
aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge und des
Hochwassers zu speichern.
Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume mit dem
Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung. Die Wasserableitung aus
dem Vorfluter (Bach, Fluss, Strom, See) erfolgt durch die
vorstehend beschriebenen Grabenspeicher, auch Grabenteiche
genannt. Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt,
wenn wieder ausreichend Kapazität im Vorfluter gegeben ist. Dann
wirken die Grabenspeicher als Wasserspender. |
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Ein Beispiel für einen Grabenspeicher. Seine Länge
von rund 200 m wird durch den natürlichen
Uferbewuchs überdeckt. Hier können bis zu 1 000 m³
Wasser gespeichert werden, welche ganzjährig zur
Bewässerung von Kulturen oder als Löschwasser bei
Bränden zur Verfügung stehen. Und „ganz nebenbei“
entsteht ein neues Biotop für die Aquafauna und –flora.
Naturschutz kann damit auch gleichzeitig Brand- und
Klimaschutz
sein. |
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7 So
kann die technische Umsetzung aussehen
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind
bereits Drainagegräben vorhanden, meist entlang von
Parzellengrenzen, dann vielfach auch in Waldstandorten, jedoch
meistens mit einem Gefälle zum Vorfluter hin ausgebaut und nicht
als Senke ausgelegt. Diese bereits millionenfach in Russland
vorhandenen Drainagegräben beanspruchen in der Regel ca. 2 % der
land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit
einfachen technischen Mitteln, zum Beispiel einem mittelschweren
Bagger, zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut werden. Die
Kosten für das Anlegen eines Grabenspeichers liegen bei
durchschnittlich ca. 2 Euro pro lfd. Meter. Alle 10 bis 12 Jahre
muss eine Entschlammung der Grabenspeicher sowie der anderen
Rückhalteräume durchgeführt werden.
Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die
Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der
Grabensohle 1 Meter betragen. Am Ende oder je nach Grabenlänge,
kann beispielsweise alle 100 Meter durch Aufweiten und Vertiefen
des Grabenprofils ein kleiner Teich mit abgeflachten Ufern für
die Wasserentnahme entstehen. Bewährt haben sich Wasserflächen
von 20 bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von zwei und mehr
Metern.
8 Grabenspeicher mit bivalenter
Funktion: Wasserspeicher und
Wasserspender für die Land- und Forstwirtschaft |
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Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und
Frühjahr oder bei extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der
zur Senke ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher.
Zum Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in
solchen Grabenspeichern, je nach Länge und Profil, mehrere
tausend Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil
dieser Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation
ganzjährig zur Verfügung, insbesondere während den
Trockenperioden. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten
kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für
eine natürliche Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die
konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher
schafft die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation
angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des
kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen
konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige
Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg
insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel
zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie
zum Beispiel an der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten
Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Grabenspeicher in den Sommermonaten
überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem
Wiesen und Äckern sowie dem Waldboden das so wichtige
Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg zugeführt werden.
Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der
Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies ist dann
besonders wertvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit nach der
Heuernte auftritt und wenn der Boden bei starker
Sonneneinstrahlung und geringem Schutz durch die Pflanzendecke
besonders schnell austrocknet. Landwirte und Agrar-Experten
kennen die Bilder aus den Grünlandgebieten, wo in solchen Fällen
über Wochen hinweg fast keine Phytomasse-Entwicklung
stattfindet.
In Dürrezeiten kann das gespeicherte Wasser ebenso für eine
künstliche Bewässerung oder Beregnung der Kulturflächen (Äcker,
Wiesen, Wald) eingesetzt werden. |
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Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen
Wasser-Rückhalteraumes durch Vertiefung und
Aufweitung des Profils eines Grabenspeichers zu
einem Grabenteich als Maßnahme für eine
Katastrophenvorsorge. Eine
Wasserentnahme für die Bewässerung von Kulturflächen
oder als Löschwasser ist stets gewährleistet. |
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9 Ein
neuer Lebensraum entsteht |
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Sehr schnell werden solche Grabenteiche von
Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue
Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen. Und ohne Zutun
des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“, eine so
genannte „Natur aus zweiter Hand“. Für Amphibien und für viele
Wasserpflanzen wie untergetauchte, schwebende, aufrechte und an
der Oberfläche schwimmende, sind diese ökologisch ausgebauten
Grabenteiche mit ihrem fast stagnierenden Wasser ein exzellenter
Lebensraum.
Die Expertise zeigt, dass es mit einfachen Mitteln und einem
überschaubaren Aufwand möglich ist, einerseits Wald- und
Torfbrandkatastrophen sowie Dürren durch die Anlage von Lösch-
und Bewässerungsteichen deutlich zu minimieren und dass
andererseits so „ganz nebenbei“ neue Gewässer-Biotope entstehen.
Aufgrund der hydraulischen Vernetzung ist gewährleistet, dass
die Speichergräben ganzjährig mit Wasser gefüllt sind und
dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen
Abflusssituationen gewährleistet ist. Die Erfahrung zeigt, dass
ein permanent anstehender Wasserspiegel in den Grabenspeichern
und Teichen die Voraussetzung ist für die Entwicklung von
Lebensräumen mit hoher ökologischer Qualität. Die Schaffung und
der Schutz solcher neuen Lebensräume sichern vielen Tieren und
Pflanzen das Überleben. Es wird hiermit auch ein wichtiger
Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet, weil hier
oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse,
sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche
und nährstoffarme Kleinlebensräume aneinanderstoßen.
Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese
vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines
vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens auch inmitten
einer durchaus als monoton und uniform bezeichneten
Kulturlandschaft zu liegen kommen |
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10
Grabenspeicher für die Löschwasserversorgung |
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Durch die hydrologische Vernetzung des
Grabenspeichers sowie der anderen Retentionsräume mit dem
Fließgewässer (Bach, Fluss) ist ein permanenter Wasserspeicher
gewährleistet (perennierendes Gewässer), was bei den bislang
vorhandenen Drainagegräben und Wassergräben nicht gegeben ist.
Diese sind deshalb für eine Wasserspeicherung nicht geeignet,
weil sie im Allgemeinen periodisch und vor allem in den
Sommermonaten über einen längeren Zeitraum trockenfallen
(temporäres Gewässer).
Die Grabenspeicher und anderen Retentionsräume führen als
perennierendes Gewässer deshalb ganzjährig Wasser, weil deren
Sohle grundsätzlich tiefer liegt als die Sohle des Vorfluters
(Fließgewässer), also des Baches oder Flusses (siehe hierzu
Kapitel 6).
Selbst bei einer stunden- oder tagelang anhaltenden
Wasserentnahme für eine Brandbekämpfung würde die
Löschwasserversorgung nicht zusammenbrechen, weil einmal ständig
Wasser aus dem Bach, Fluss, Strom oder See nachfließt und zum
anderen wegen der stetig vorhandenen hohen Wasserkapazität im
Retentionsnetz selbst.
Die Wasserkapazität des Grabenspeichers kann dadurch erhöht
werden, dass am Ende oder in der Mitte durch Aufweiten und
Vertiefen des Grabenprofils ein Grabenteich für die
Wasserentnahme zur Bewässerung landwirtschaftlich genutzter
Felder oder für die Löschwasserentnahme im Brandfall entsteht.
Bewährt haben sich Wasserflächen von 20 bis 200 Quadratmetern
und einer Tiefe von zwei und mehr Metern.
Die weitergehende Vernetzung und der Ausbau mit bereits
natürlich vorhandenen Retentionsräumen wie Mulden, Senken,
Tümpeln, Rigolen, Sölle, Teiche und Weiher schaffen zusätzliche
Wasserspeicherkapazitäten, um selbst gegen größere
Naturkatastrophen wie Dürren, Wald- und Torfbrände in einer
professionellen Weise angehen zu können.
Die bisherige Nutzung der ehemaligen Torfmoorgebiete wird durch
den Umbau der millionenfach vorhandenen Drainagegräben zu
Speichergräben in keinster Weise eingeschränkt, sondern das
Gegenteil wird eintreten, indem die Infrastruktur eindeutig
verbessert und die Katastrophengefahr signifikant gemindert
wird.
Die beiden folgenden Schemazeichnungen sollen die
grundlegende Idee zur naturnahen Wasserspeicherung
verdeutlichen. Die Idee beruht auf dem physikalischen
Gesetz der kommunizierenden Röhren.
Die hier beschriebenen Grabenspeicher und Löschteiche stellen
Maßnahmen im Sinne einer Katastrophenvorsorge dar und können mit
den früher üblichen Dorfteichen verglichen werden. Der Dorfteich
gehörte früher zu jeder Siedlung, um im Brandfall Löschwasser
zur Verfügung zu haben. Heute besitzen solche Feuerlöschteiche
in der Dorfmitte oder am Dorfrand nur noch Seltenheitswert. |
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11
Synergien für Natur, Landwirtschaft und Mensch
Dem permanent
mit Wasser gefüllten Grabenspeicher und Grabenteich sowie den
Retentionsnetzen lassen sich noch weitere Vorteile zuschreiben.
Die gezielte Speicherung von Sickerwasser, Niederschlägen und
Hochwasser in den Grabenspeichern, Grabenteichen und
kleinmaschigen Retentionsnetzen dient dem Landbau zur
Bewässerung seiner Kulturflächen, der Wasserwirtschaft
zur Grundwasseranreicherung (Infiltration) und nimmt
insgesamt als stabilisierender Faktor einen positiven Einfluss
auf den Wasserhaushalt. So bleibt beispielsweise bei
extremen Niedrigwasserzeiten der Fließcharakter des Baches
(Vorfluters) weitgehend erhalten, weil aus dem Retentionsnetz
Wasser für das Fließgewässer gespendet wird.
Weiterhin wird ein wichtiger Beitrag zum präventiven
Hochwasserschutz geleistet, indem die Flutwelle im Vorfluter
gekappt und in die Breite abgeleitet wird. Dadurch wird der
Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt. Hier wird eine
soziale Verantwortung gegenüber den Anwohnern flussabwärts
wahrgenommen, indem Schadenshochwässer vermieden oder wenigstens
gemindert werden.
Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in
verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird
gefördert und ein Beitrag zur Verringerung der
Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die Fließgewässer
geleistet.
Ebenso werden Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes
unterstützt. Weiterhin trägt der Aufbau eines kleinmaschigen
Retentionsnetzes zur Stabilisierung des Naturhaushaltes einer
Landschaft bei. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird
aufgrund der Schaffung neuer Biotope und der Biotop-Vernetzung
erheblich zunehmen (Biodiversität).
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12
Ausblick
Wald- und Torfbrandkatastrophen sind Ereignisse, die nicht
vermeidbar sind. Moderne Löschfahrzeuge und Löschflugzeuge sowie
zusätzliches Personal lösen das Problem der Wald- und Torfbrände
in Russland nur wenig. Entscheidend bei der Bekämpfung dieser
Brandkatastrophen ist eine breit angelegte und jederzeit
verfügbare Löschwasserversorgung. Hierzu soll die vorliegende
Projekt-Studie einen Beitrag leisten, um zukünftige Wald- und
Torfbrände in Russland besser unter Kontrolle zu bekommen.
Immense materielle Schäden werden dadurch gemindert und
menschliches Leid gelindert. Parallel dazu werden die riesigen
Mengen an freigesetztem Kohlenstoff, welcher signifikant in
seiner gasförmigen Modifikation als Kohlenstoffdioxid zur
Erderwärmung beiträgt, deutlich reduziert (Klimaschutz). |
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Wasser – eine lebenswichtige
Ressource wird knapp
Ein Praxis-Bericht zur naturnahen Wasserspeicherung als
Anpassungsstrategie zum Klimawandel
Von
Dr. Erich Koch, Altshausen |
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Nach den aktuell vorliegenden
Klimamodellen für die Zukunft in Deutschland ist mit verstärkten
Extremwetterereignissen sowie wärmeren und trockeneren Sommern
einerseits und milderen und feuchteren Wintern andererseits zu
rechnen. Diese Phänomene sind derzeit überall in Deutschland und
Mitteleuropa bereits zu beobachten. Unmittelbare Auswirkungen
auf Landwirtschaft und Forstwirtschaft, Garten- und Weinbau
sowie Fischerei und Teichwirtschaft sind die Folge. So werden
Bauern und Forstwirte, Gärtner und Weinbauern, Fischer und
Teichwirte mit einem zunehmenden Wasserdefizit während des
Sommers konfrontiert. Dem gegenüber steht ein Wasserüberschuss
im Herbst, Winter und Frühjahr. Im vorliegenden Bericht wird ein
einfaches, naturnahes Verfahren beschrieben, wie einem
zunehmenden Trockenstress in der Vegetationsperiode einerseits
und den zunehmenden Niederschlägen im Winter andererseits in der
Praxis begegnet werden kann. |
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Wasserbau und Kulturmaßnahmen
Gestern wie heute plant und führt der Mensch wasserbauliche
Maßnahmen aus, um Wasser zu nutzen und sich gegen Hochwasser zu
schützen. Doch er schafft dadurch neue Gefahrenherde und
Risiken. Die größten Veränderungen im vergangenen Jahrhundert
wurden im Rahmen des landwirtschaftlichen Wasserbaus durch den
Ausbau der Gewässer III. Ordnung erzeugt. Ein Großteil der
kleinen Flüsse, Bäche und sogar Rinnsale oder nur zeitweise
wasserführenden Gräben wurde mit immensem Aufwand an Geld so
ausgebaut, dass die Niederschlags- oder Sickerwasser
schnellstmöglich ab- und in die großen Flüsse eingeleitet wurden
(„Beschleunigungsrinnen“). Dadurch laufen die Hochwasserwellen
tendenziell erheblich schneller ab und bilden immer höhere
Spitzen. Ein Großteil der Hochwasserschäden, die Ende des 20sten
Jahrhunderts und vor allem in den letzten Jahren zustande
gekommen sind, beruht auf diesen Maßnahmen. Für wenige Hektar
„hochwasserfrei“ angelegter Auen, die landwirtschaftlich genutzt
werden können, haben die Anwohner flussabwärts und die
Steuerzahler insgesamt unverhältnismäßig hohe Schäden
abbekommen. Niederschläge normaler Größenordnungen, die
keineswegs über die Regenmengen früherer Jahrhunderte
hinausgehen, schwellen zu nicht mehr kontrollierbaren Fluten an,
weil praktisch alle Rinnsale, Gräben, Bäche und Flüsse das
Wasser schnellstens ableiten. Die eingeschnürten Flüsse können
diese Fluten natürlich nicht mehr fassen.
Hinzu kommt oftmals ein weiteres Problem: Wenn sich die
Hochwasserscheitel von Nebenflüssen mit dem des Hauptflusses
ungünstig überlagern, dann führt dies zu einem Staueffekt mit
immer dramatischeren Überschwemmungen. Diesen Staueffekt kann
man beispielsweise jährlich in der bayerischen Donau-Stadt
Passau beobachten. Denn hier fließen bekanntlich drei Flüsse aus
drei Himmelsrichtungen zusammen: Donau, Inn und Ilz. Hier muss
die Flut förmlich über die Ufer springen. Damit sind
Hochwasser-Katastrophen oftmals von Menschen gemachte
Schadenskatastrophen.
Geht man der Frage nach, wie viele Fließgewässer es in
Deutschland gibt, und hierbei nur die natürlichen
Gewässersysteme berücksichtigt, wie sie in den Topographischen
Karten 1 : 25.000 enthalten sind, gibt es allein in Deutschland
etwa 680.000 Kilometer Fließgewässerstrecken. Rechnet man die
zahlreichen kleinen, künstlichen Fließgewässer wie Gräben,
Kanäle usw. hinzu, kommt man auf eine Gewässerlänge von über
einer Million Kilometern.
Dieses riesige Potenzial an unzähligen kleineren
Fließgewässern mit ihren Regulierungen bewirkt in ihrer
Akkumulation der Abflussmengen und Abflussgeschwindigkeiten die
eigentlichen Hochwasser-Katastrophen.
Die hohe Bedeutung gerade dieser kleinen Fließgewässer ist in
der Vergangenheit ausnahmslos missachtet worden. Denn vor allem
kleinere Gewässer mit einem hohen Anteil an versiegelten Flächen
können sich innerhalb kurzer Zeit in reißende Flüsse verwandeln,
bei denen der Wasserstand sich verzehnfacht, punktuell und bei
Extremsituationen sogar mehr als verzwanzigfacht.
Dieses Hochwasser verursachende Gewässer-Potenzial soll anhand
der sog. „Elbeflut“ vom August 2002 verdeutlicht werden. Der
Begriff „Elbeflut“ weist in eine völlig falsche Richtung, denn
im Elbetal selbst entstand nur ein Bruchteil der Schäden. Die
großen Verwüstungen traten an den Zuflüssen der Elbe auf, oft an
kleinen Bächen und harmlos dahin plätschernden Rinnsalen, die in
kürzester Zeit zu reißenden Strömen wurden. Und hier muss das
immense Potenzial an Kleingewässern stets im Bewusstsein
bleiben. Denn kleine Gewässer sind quantitativ und qualitativ
die „Kinderstube“ der großen Bäche und Flüsse. Deshalb können
diese immer nur so gut sein, wie es die vielen kleinen Gewässer
im Einzugsgebiet zulassen.
So wurde die Stadt Grimma nicht durch die Elbe vier Meter hoch
überflutet, sondern durch den Nebenfluss Mulde. Der Ort
Weesenstein wurde durch das Flüsschen Müglitz regelrecht
zerstört und selbst der Sturzbach durch den Dresdner
Hauptbahnhof hatte nichts mit dem Hochwasser der Elbe zu tun,
sondern wurde durch die Weißeritz verursacht. Dieser Bach stand
mit einem 100-jährlichen Abfluss von 350 m³/s zu Buche, der
jetzt ankommende Scheitelabfluss lag bei 600 m³/s. Das Flussbett
der Weißeritz, die im Stadtgebiet Dresdens heute teilweise
unterirdisch fließt, war diesen Wassermassen nicht mehr
gewachsen. Das überschießende Wasser suchte seinen alten Weg –
und auf diesem steht mittlerweile Dresdens Hauptbahnhof.
Das Fazit ist: Kleine Gewässer - Große Wirkung!
Eine der Hauptursachen für die
Hochwasser-Katastrophen ist, dass man die im 19ten Jahrhundert
begonnene Regulierung der Flüsse konsequent im 20sten
Jahrhundert bis in die Quellbezirke der Gewässer zu Ende führte.
Die davon ausgelösten Hochwasser-Katastrophen sind damit keine
Folge einer in Gang gekommenen Klimaerwärmung, sondern
hausgemachte Ergebnisse des landwirtschaftlichen Wasserbaus. Die
Verantwortung hierfür endet an den jeweiligen Flurstücken oder
spätestens an den Grenzen des hier zuständigen
Wasserwirtschaftsamtes. Weiterhin wurden und werden in der Bau-
und Landnutzungsplanung regelmäßig Fehler gemacht. Die
Missachtung hydrologischer Bilanzierungen und ökologischer
Sachverhalte sind oft die Ursachen für Schadenshochwässer mit
teilweise verheerenden Auswirkungen. |
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Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir
weiterhin das Wasser in kanalisierten Rinnen
möglichst schnell an die Unteranlieger weiterleiten
oder den Wasserrückhalt in der Fläche fördern und
damit einen Beitrag zur Eindämmung von
Hochwasserschäden leisten sowie neue Lebensräume für
eine Gewässerfauna und -flora schaffen. |
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Radikales Umdenken gefordert
Jährlich fließen Steuermittel von mehr als einer Milliarde Euro
zu einem großen Teil den Flurbereinigungsbehörden zu, um
vorhandene Wassergräben, Tümpel und Senken zu verfüllen sowie
Flurgehölze, Brachland- und Feldgehölzinseln zu roden, damit
größere Flächeneinheiten für landwirtschaftliche Großbetriebe
geschaffen werden. Die Flurbereinigung dient primär dem Ziel, im
Interesse der industriellen Landwirtschaft möglichst hohe
Ertragssteigerungen zu erzielen. Deshalb strebt die
Flurbereinigung an, das Oberflächenwasser auf direktem Wege
rasch in Kanäle und andere Vorfluter abzuleiten.
Ähnliche Maßnahmen werden auch von den Wasserverbänden,
Straßenbauämtern, Land- und Forstwirten sowie von Bauherren
durchgeführt, um anfallendes Regenwasser direkt in den nächsten
Vorfluter und diesen in die Täler abzuleiten. Um die Strömung
der Bäche und Flüsse zu beschleunigen, werden Bachbette tiefer
gelegt und zum Teil gepflastert. Weiterhin zählt zum üblichen
Standard-Programm der Wasserbaumaßnahmen das Begradigen der
Gewässer (sog. „Wasser-Rennstrecken“), ebenso die Verrohrung
kleiner Fließgewässer. Uferbewuchs erscheint als unnötiges
Hindernis und fällt den Ausbaumaßnahmen zum Opfer. Weiter
flussabwärts führen diese Maßnahmen durch den Staueffekt immer
wieder zu katastrophalen Verhältnissen und Überflutungen, welche
immense Schäden in Milliardenhöhe zur Folge haben können.
Blicken wir in der Geschichte zurück: Im Verlauf des 15ten bis
19ten Jahrhunderts legte man im Gebiet des Landkreises
Ravensburg rund 2.400 Weiher an. Im Rahmen der in den Jahren
1978 bis 1981 im Landkreis Ravensburg durchgeführten
Feuchtgebietskartierung wurden lediglich noch 659 der 2.409
Weiher und ehemaligen Weiher aufgenommen. Der Rest war trocken
gelegt worden. Damit wurde der allergrößte Teil der früheren
Weiher aus dem Bild und dem Verbund der Kulturlandschaft völlig
eliminiert. Dadurch verlor man 25 bis 30 Millionen Kubikmeter
an Speicherraum für das Niederschlagswasser. Und dies allein
nur im Landkreis Ravensburg. Die daraus resultierenden Probleme
für den Landschaftswasserhaushalt sind allgemein bekannt:
Absinken der Grundwasserstände, mangelnde Grundwasserneubildung,
schnelle und starke Hochwasserabflüsse durch Kanalisierung und
Auslegung des Bachbettes mit Sohlplatten, allgemein stark
schwankende Wasserführungen der Fließgewässer sowie zunehmende
Überschwemmungen mit immensen materiellen Schäden und
Todesopfern. So stellt sich die Frage, ob wir aus der Geschichte
wirklich nicht lernen können.
Und hier muss radikal umgedacht werden. Was durch den
Klimawandel erfolgt, wird ein Wassermangel in Mitteleuropa sein.
Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz“ postuliert
werden: |
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Das Wasser
zurückzuhalten muss oberste Priorität haben. |
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Problemlösung: Natürliche Wasserspeicher
nutzen
Die ehemaligen Auenlandschaften, in denen sich die Wasserfluten
ausbreiten konnten, sind weg, zugebaut, verbraucht und können
nicht mehr zurück gewonnen werden. Wo kein Platz mehr ist, kann
man keine Deiche rückverlegen, keine Auenlandschaften gründen
und keine neuen Mäander-Strukturen schaffen. Der Gedanke an eine
Renaturierung unserer Flussauen muss daher oftmals leider
„Naturromantik des 18ten Jahrhunderts“ bleiben.
Die gebetsmühlenartig geforderte Herstellung von Auenwäldern und
Mäanderstrukturen ist nur dann für den Hochwasserschutz und die
Anreicherung von Grundwasser wirksam, wenn diese das Gewässer
von der Quelle bis zur Mündung begleiten. Nur zwischendrin
Auewälder und Mäanderstrukturen für teures Geld zu errichten,
bringt so gut wie nichts. Allgemein werden die
Renaturierungsmaßnahmen in ihrer Wirksamkeit überschätzt oder
falsch dargestellt. Sie können in der Regel kein wirkliches
Katastrophen-Hochwasser verhindern, es sogar oft nicht einmal
signifikant mindern. Dazu sind die Wassermassen einfach zu
riesig, die an den großen Flüssen bei Extremereignissen
anfallen.
Die grundlegende sowie nahe liegende Idee ist, das
Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in kanalisierten
Bachläufen abzuleiten („Beschleunigungsrinnen“), sondern das
Wasser, eines unserer wichtigsten Lebensgüter, von Anfang an und
unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers unter optimaler
Nutzung aller natürlichen und künstlichen Speichermöglichkeiten
zurückzuhalten. Natürliche Speicher sind Waldungen, Moore, Seen,
Tümpel, Weiher, Senken und Überschwemmungsgebiete.
Das Gefälle umkehren!
Dränage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit
einem Gefälle zum Vorfluter hin verlaufen, erhalten ein
„negatives“ Gefälle. Sie werden zur Senke ausgebildet, um die
Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen
Dränagegraben signifikant zu erhöhen. Dadurch wird eine
natürliche Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst erreicht.
Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt,
liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters.
Die Absenkung im Grabenspeicher soll bei mindestens 0,2 %
Gefälle gegenüber der Bachsohle des Vorfluters liegen, bei
geeigneten hydrotopographischen oder geomorphologischen
Verhältnissen auch mehr (> 1 m). Damit ist gewährleistet, dass
der ehemalige Wasserabzugsgraben ganzjährig mit Wasser gefüllt
ist und dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei
allen Abflusssituationen gegeben ist. Neue Lebensräume von
höchster Qualität für Aquafauna und -flora können sich dadurch
entwickeln.
Der Autor dieses Berichtes möchte aufgrund
seiner rund 40jährigen Erfahrung allen Bauern, Forstwirten,
Gärtnern und Weinbauern sowie Fischern und Teichwirten Mut
machen, bisherige Dränagegräben und Rinnsale zu reaktivieren und
sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an
Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso
können Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen, Weiher, Mühlen- und
Fischteiche für eine natürliche Speicherung des
Niederschlagswassers benutzt werden. Die hydrologische
Vernetzung der Speicherräume mit dem Vorfluter, eine
Grundvoraussetzung, muss geschaffen werden. Weiterhin ist zu
prüfen, ob alle Maßnahmen zur Verzögerung des Wasserabflusses
erfolgt sind. Denn zugespülte Weiher, verschlammte Gräben und
Teiche oder vermurte Bäche sind nicht mehr für einen
Wasserrückhalt wirksam.
Künstliche Wasserspeicher wären Stauseen-Ketten, aber auch
Mühlen- und Fischteiche. Es ist vorhersehbar, dass
Stauseen-Ketten mit entsprechend großen Flutungsflächen die
Natur zukünftig mitprägen werden. Die besten natürlichen
Vorbilder für eine solche Stauseen-Kette sind unter anderen der
Bodensee, Genfer See und Chiemsee.
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein
breitflächiges Retentionsnetz an Kubaturen (Geländehohlformen)
aufgebaut, um den überwiegenden Teil von Niederschlägen zu
speichern. Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume
erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im
Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die Speicherräume als
Wasserspender.
Die Nährstoffauswaschung wird reduziert
Die gezielte Speicherung von Niederschlägen oder Hochwasser
dient dem Landbau zur Bewässerung, der Wasserwirtschaft zur
Grundwasser-anreicherung (Infiltration) und wirkt als
präventiver Hochwasserschutz, indem die Flutwelle im
Fließgewässer gekappt und in die Breite abgeleitet wird („Hochwasser
zu Breitwasser!“). Die Wiederherstellung natürlicher
Wasserverhältnisse in verschiedenen grundwasserbeeinflussten
Ökosystemen wird gefördert.
Die Grabenspeicher sowie allgemein das Retentionsnetz bewirken
eine erhebliche Verminderung der Fließgeschwindigkeit des Drän-
und Oberflächenwassers und leisten damit einen deutlich
messbaren Beitrag zur Verringerung der Auswaschungsverluste von
Nährstoffen in die Fließgewässer. Insbesondere wird der
Nitrat-Eintrag durch die Selbstreinigungsvorgänge im
Retentionsnetz reduziert. Wasserorganismen, Protozoen und
Wasserpflanzen nehmen das im Wasser gelöste Nitrat auf, bauen es
als körpereigenen Stoff ein und im Stoffwechsel wird das Nitrat
zu Eiweißsubstanzen umgewandelt und fixiert.
Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes werden unterstützt und
als solche besonders im Sinne der Wasserrahmenrichtlinien
nachhaltig verfolgt.
Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird durch den Aufbau eines
solchen Retentionsnetzes erheblich zunehmen. Denn stehende
Kleingewässer, wie Tümpel und krautreiche Gräben, sind Heimat
und Lebensgrundlage für weit über 1 000 Tierarten, besonders
Fische, Vögel, Amphibien (z.B. Frösche, Kröten, Molche),
darunter viele Kleintiere, und für über 200 Pflanzenarten.
Auch wird eine soziale Verantwortung hinsichtlich
Hochwasserschäden gegenüber den Anwohnern flussabwärts
wahrgenommen. Denn Schadenshochwässer zu vermeiden gebietet die
Menschlichkeit. Das „Hydrologische Sankt Florian Prinzip“
darf es nicht mehr geben.
Technische Realisierung
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits
Dränagegräben vorhanden, teilweise auch in Waldstandorten,
jedoch mit einem Gefälle zum Vorfluter ausgebildet und nicht als
Senke ausgelegt. Diese bereits vorhandenen Dränagegräben, welche
meist entlang den Parzellengrenzen verlaufen, beanspruchen in
der Regel ca. 1 bis 2% der land- und forstwirtschaftlich
genutzten Flächen und können mit einfachen technischen Mitteln,
z. B. einem Minibagger, zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut
werden. Die Kosten für das Anlegen eines Grabenspeichers liegen
bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd. Meter. Alle 10 bis 12
Jahre muss eine Entschlammung der Grabenspeicher sowie der
anderen Rückhalteräume durchgeführt werden. Als Grabenprofil hat
sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone
soll mindestens 2 Meter, an der Grabensohle 1 Meter betragen. Zu
Beginn des Grabenspeichers kann ein kleiner Weiher für eine
eventuelle Wasserentnahme in den Sommermonaten entstehen. Der
Weiher kann nicht leerlaufen, weil er stets mit dem
Fließgewässer vernetzt ist. Bewährt haben sich Größen von 20 bis
100 Quadratmetern für den Weiher und einer Tiefe von 1 bis 2
Metern. Sehr schnell wird ein solches Stillgewässer mit seinen
abgeflachten Ufern von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt und
ohne Zutun des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“,
eine sogenannte „Natur aus zweiter Hand“. Wasservögel besuchen
ein solches Biotop stundenweise, zum Teil wird auch gebrütet und
selbst Bachforellen gehen dort auf Froschfang. |
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Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen
Wasser-Rückhalteraumes („Biotop aus zweiter Hand“)
mit einer krautreichen Wasserflora und zugleich
Schaffung eines Habitats für gefährdete
Kleinfischarten, wie zum Beispiel der Karausche. |
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Bei Hochwasser von 1 m über Normalnull können
in solchen Grabenspeichern, je nach Länge, mehrere 100
Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Ein Teil dieser
Wassermengen steht den Feldern und der Vegetation ganzjährig zur
Verfügung. Der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten kann jetzt
während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für eine
Bewässerung sinnvoll genutzt werden.
Die konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die
Grabenspeicher bedingt eine weitgehend geregelte
Evapotranspiration aufgrund des kapillaren Wasseraufstiegs im
Boden. Bei den bisherigen konventionellen Dränagegräben bricht
dieses wichtige Wasserversorgungssystem durch den kapillaren
Aufstieg insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von
Wassermangel zusammen. Dies führt zu einer Austrocknung des
Oberbodens, der Krume bei Ackerböden und dem durchwurzelten
Horizont bei Grünlandböden. Deshalb darf die Frage erlaubt sein,
ob die seit rund 200 Jahren auf den land- und
forstwirtschaftlichen Kulturflächen millionenfach angelegten
Dränagegräben richtig konzipiert sind, wenn sie während den
Sommermonaten, also genau zur Hauptvegetationszeit, meistens
kein Wasser führen.
Klimawandel
Unstrittig ist, dass bei einem Temperaturanstieg die Atmosphäre
mehr Wasserdampf aufnehmen kann und es demzufolge grundsätzlich
auch zu höheren und damit extremen Regenmengen innerhalb eines
Regenereignisses kommt. Über das Jahresmittel wird jedoch die
absolute Niederschlagsmenge tendenziell abnehmen. Ebenso hat
sich auf breiter wissenschaftlicher Front die Erkenntnis
durchgesetzt, dass der beobachtete weltweite Temperaturanstieg
von etwa 0,7 °C in den letzten hundert Jahren zu einem
wesentlichen Teil vom Menschen verursacht ist. Wir stehen
allerdings erst am Anfang einer wirklich bedrohlichen
Entwicklung mit einem globalen Temperaturanstieg innerhalb
dieses Jahrhunderts um voraussichtlich bis zu 6 °C, auch wenn
die internationale Politik bemüht ist, den Temperaturanstieg auf
2 °C bis zum Jahre 2050 zu begrenzen.
Für die landwirtschaftliche Produktion in Mitteleuropa bedeutet
dies: |
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- Zunahme an Wärme
- Konstanz an Sonnenlicht
- Abnahme an Wasser
- Abnahme an Bodenfruchtbarkeit
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Eine intensive landwirtschaftliche Nutzung
kann nur erfolgen, wenn alle vier Faktoren überreich vorhanden
sind. Bei Mangel einer der vier Faktoren bricht bereits nach
wenigen Jahren eine Überschussproduktion zusammen. Wollen wir
auch zukünftig ernten, um uns ernähren zu können, so muss alles
getan werden, fruchtbaren Boden zu erhalten und zu mehren sowie
Wasser zu speichern. Machen wir uns bewusst, dass lediglich 0,3
% des Wasservorrats der Erde uns zur Verfügung stehen. Deshalb
ist es töricht, ein solch kostbares Lebensgut in kanalisierten
Bach- und Flussläufen auf schnellstem Wege abzuleiten. Nach
kurzer Zeit ist das wertvolle Süßwasser als Salzwasser
„verbraucht“. Deshalb muss es oberstes Ziel sein, so viel Wasser
wie möglich und so lange wie möglich in der Fläche zu halten.
Das Lebenselement Wasser steht dabei stellvertretend für alle
natürlichen Rohstoffe. Wir müssen lernen, mit unseren
Lebensgrundlagen vernünftig und haushälterisch umzugehen. |
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Moorlandschaften und Feuchtgebiete aufwerten
und neue Fischhabitate schaffen
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In Deutschland haben sich Moore nach Ende
der letzten Eiszeit vor gut 10 000 Jahren gebildet. Ursprünglich
waren etwa 4 Prozent der Landesfläche (= 15 000 km²) von Mooren
bedeckt. Gerade einmal 5 Prozent dieser Moore können heute noch
als intakt angesehen werden. Früher wurden Moore als wertlos und
„öde“ angesehen. Heute entdeckt man ihre große Bedeutung als
Lebensraum für hochspezialisierte Pflanzen und Tiere, für den
Wasserrückhalt und den Klimaschutz. Moore sind wichtige
Kohlenstoff- und Stickstoffspeicher.
Viele Fehler aus früherer Zeit können mit geringem Aufwand
wieder rückgängig gemacht werden. Dafür gibt es hoffnungsvolle
Ansätze im Sinne der Anwendung des Paragrafen 1(3)
Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) für einen ausgeglichenen
Niederschlags-Abflusshaushalt. Die vorliegende Expertise ist ein
Maßnahmenbeispiel für einen solchen Ansatz, erlittenen Schaden
wenigstens zu begrenzen. Und ganz nebenbei, quasi als
Nebeneffekt, würden zahlreiche Mikrobiotope und Fischhabitate
entstehen. Dies wäre ein möglicher großer Erfolg für die
Ichthyologie. |
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von
Dr. Erich Koch,
Altshausen |
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Den Mooren das Wasser abgegraben
Die Urbarmachung von Mooren und Sumpfgebieten war eine große
Herausforderung im 19ten Jahrhundert. In den Sümpfen und Mooren
steckten die letzten Landreserven für die damalige Bevölkerung,
die sich kaum selbst ernähren konnte. In den Feuchtgebieten
verbargen sich noch ungenutzte Möglichkeiten, insbesondere
nährstoffreiche Böden, sofern es sich um Flachmoore und Auwälder
handelte. Das Zuviel an Wasser schränkte die Nutzung dieser
Böden ein. Deshalb wurden Moorkultivierungsprogramme und
Gewässerregulierungen in großem Stil in Angriff genommen. Den
Sümpfen und Mooren Kulturland abzuringen war gleichbedeutend mit
hoher Leistung, Einsatzbereitschaft und Gemeinsinn. Denn der
Einzelne wäre machtlos gewesen. Nur in der gemeinschaftlichen
Anstrengung konnte es gelingen, die Feuchtgebiete
trockenzulegen. Der kontrollierte Wasserentzug legte lockere,
sich gut erwärmende und leicht zu bewirtschaftende, humusreiche
Böden frei, die viele Jahre lang gute Erträge brachten.
Die Torfmoore lieferten außerdem Brennmaterial für den
Hausbrand, umgewandelt in Torfkohle zum Heizen in zahlreichen
gewerblichen Betrieben sowie zum Verfeuern in Dampflokomotiven.
Weiterhin war Torf das Ausgangsmaterial für Aktivkohlen,
Textilien bis hin als Kultursubstrat für den Garten- und
Landschaftsbau.
Zwar sind die Bedeutung von Moor- und Sumpflandschaften für den
Naturhaushalt heute bekannt und diese Biotope zum Teil
geschützt, doch die Gefährdung bleibt bestehen: durch eine
zunehmend industrialisierte Landwirtschaft, ebenso durch den
zunehmenden Tourismus und Freizeitbetrieb.
Naturlandschaft - Kulturlandschaft
Mit eigenen Augen können wir sehen, wie unsere Landschaften sich
verändern, mit einer Geschwindigkeit wie nie zuvor. Landschaft,
verstanden als der ganzheitliche Zusammenhang von belebter und
unbelebter Natur, von Mensch, Tier und Pflanze, als Lebensraum
und Sozialraum, war immer in Veränderung, mal schneller, mal
langsamer, aber nie so tiefgreifend wie in den vergangenen sechs
Jahrzehnten. Der Mensch hat immer umgestaltend eingegriffen,
sodass es heute bei uns eigentlich fast keine Naturlandschaften
mehr gibt: Alle Landschaft ist letztlich Kulturlandschaft, vom
Menschen gestaltet, nach seinen Bedürfnissen und
Zielvorstellungen. Ziel war die Steigerung des Nutzens, der
Produktivität.
Der gegenwärtige Zustand der Moore und Feuchtgebiete – egal, ob
man ihn als zufriedenstellend oder besorgniserregend bezeichnet
– ist eben das Ergebnis jahrhundertelanger menschlicher
Eingriffe und Manipulation. Spät, vielleicht zu spät reifte die
Erkenntnis, dass man des Guten auch zu viel tun konnte und dass
die Erhaltung von Mooren und Feuchtgebieten in anderer Weise
bedeutsam ist. Tatsache ist, ob in Bayern oder in der
norddeutschen Tiefebene, dass mehr als 90 Prozent der Moore
kultiviert sind und der verbleibende Rest ist so stark von außen
beeinträchtigt, dass sich nur noch an wenigen Stellen
einigermaßen funktionstüchtige Moorkomplexe halten können. Dies
ist durch die Langsamwüchsigkeit der Moore bedingt. Als
Durchschnittswert für die Torfablagerung in einem Moor ist ein
Mittelwert von einem Millimeter pro Jahr anzusetzen. Vereinzelt
sind auch bis zu 10 Millimeter bekannt. So benötigte die
Entstehung des bekannten norddeutschen Teufelsmoores bei
Worpswede etwa 8000 Jahre. Und aufgrund der schweren Eingriffe,
welche eine Entwässerung bedeutet, können sich die Moore meist
nicht mehr erholen.
Noch stärkere Verluste gab es bei den Feuchtwiesen entlang der
Flüsse und Bäche. Das vorhandene Neigungsgefälle der Landschaft
reicht zumeist aus, um über Drainagen die feuchten Quellhänge
trockenzulegen, die Wiesen maschinengerecht herzurichten und im
Verbund mit regulierten Gräben und Bächen eventuelles Hochwasser
auf schnellstem Wege abzuleiten. Da die Bäche zumeist
kanalisiert wurden, schicken diese das Hochwasser ohne
Verzögerung in die Flüsse weiter, wo sich stromabwärts eine
Hochwasserwelle aufbaut, die kaum mehr unter Kontrolle zu
bringen ist.
Mit umgekehrtem Vorzeichen gilt dies für die niederschlagsarmen
Perioden. Die Böden trocknen immer schneller aus, weil keine
Speicherkapazitäten in Feuchtgebieten mehr vorhanden sind, die
bei anhaltender Dürre ihr gesammeltes Überschusswasser
wohldosiert abgeben könnten.
Wie kann es weitergehen?
Das Ziel verschiedener Naturschutzverbände, „200 Jahre
menschliche Eingriffe ungeschehen zu machen!“ ist
schlichtweg unrealistisch. Eine 200-jährige Kultur- und
Naturgeschichte kann man nicht ungeschehen machen. Heute werden
die meisten Moorstandorte land- oder forstwirtschaftlich
genutzt.
Um wenigstens die Reste einer Naturlandschaft mit ihren
herausragenden Lebensräumen zu sichern, können die folgenden
Maßnahmen eingeleitet werden: |
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- Degradierte Flächen verbessern
- Vorräte schützen
- Verluste eindämmen
- Neue Biotope schaffen.
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Es ist unzweifelhaft, dass intakte Moore
faszinierende Landschaften mit einer besonderen Eigenart und
Schönheit sind. Ihre scheinbare Unberührtheit, die
großflächigen, weiten Feucht- und Auengrünlandbereiche sowie die
Allgegenwart des Urelementes Wasser üben eine enorme
Anziehungskraft aus. Deshalb müssen wir Maßnahmen ergreifen,
diesen unersetzlichen Reichtum verschiedenartiger und zugleich
unverwechselbarer Landschaftsbilder mit ihrer Flora und Fauna
auch kommenden Generationen zu erhalten. |
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Moore haben die Menschen wohl zu allen Zeiten
fasziniert und geängstigt. Auch wenn die Menschen
von heute nicht mehr an Elfen und Moorgeister
glauben, brauchen wir doch eine neue Ehrfurcht vor
diesen letzten Urlandschaften in Deutschland. |
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Das Kubaturen-Modell am Beispiel des
Königsauer Mooses in den bayerischen Isar-Auen
Das Königsauer Moos liegt in Niederbayern im Unteren Isartal. Es
hat eine Fläche von 1300 ha und bildet eines der letzten großen
Niedermoorgebiete in Bayern. Das Königsauer Moos kann die
Funktion einer intakten Moorlandschaft nur noch sehr
eingeschränkt erfüllen aufgrund der nahezu 200-jährigen
intensiven Eingriffe in den Naturhaushalt des Riedes. Vor allem
die Kanalisierung und Eintiefung der Isar Ende des 19ten
Jahrhunderts bewirkte eine starke Entwässerung der Moorböden.
Von dem etwa 1300 Hektar großen Königsauer Moos sind 130 ha als
Biotopflächen und 270 ha als Vertragsnaturschutzflächen
ausgewiesen. Der überwiegende Teil des Niedermoorgebietes wird
landwirtschaftlich genutzt. Deshalb können für eine
Renaturierung des Königsauer Mooses nur eingeschränkte und
differenzierende Maßnahmen durchgeführt werden.
Da die Nutzungsfunktionen des Königsauer Mooses auch weiterhin
für die Bewohner des Rieds und seines Umfelds in den Isar-Auen
einen bedeutenden Stellenwert behalten werden, ist eine
räumliche Differenzierung für eine Renaturierung zwingend
erforderlich. Daher werden hierfür vier Entwicklungszonen mit
von außen (kulturgeprägtes Moor) nach innen (naturnahes Moor)
abnehmendem menschlichen Einfluss flächenhaft abgegrenzt: |
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- Regenerationszone (naturnahes Moor, keine Nutzung)
- Stabilisierungszone (bedingt naturnahes Moor, Pflege im
weitesten Sinne)
- Extensivierungszone (kulturbetontes Moor, extensive
Landwirtschaft)
- Bewirtschaftungszone (kulturgeprägtes Moor, angepasste
Land- und Forstwirtschaft)
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Das im Folgenden beschriebene Kubaturen-Modell zur
Moorschonung und Moorerhaltung beschränkt sich auf die
Bewirtschaftungszone, ist graduell aber auch auf die
Extensivierungszone anwendbar.
Extensivierungszone
Die Extensivierungszone umfasst Moorökosysteme mit vorwiegend
kulturbetonten Lebensgemein-schaften. In der Praxis ist dies
landwirtschaftlich extensiv genutztes Grünland. Der
Wasserhaushalt soll in der Weise optimiert werden, dass eine
starke Schonung des bestehenden Torfkörpers gewährleistet wird.
Die Extensivierungszone nimmt die randlichen Bereiche des
Moorkerngebietes ein. Besucherverkehr und Besucherinformation
sind unter Beachtung der Nachhaltigkeit möglich.
Bewirtschaftungszone
Die Bewirtschaftungszone mit dem größten menschlichen Einfluss
(Land- und Forstwirtschaft) bildet den äußeren Rand des gesamten
Moorkomplexes. Hier befinden sich fast ausschließlich
kulturgeprägte Lebensgemeinschaften. Der Wasserhaushalt soll so
optimiert werden, dass eine weitgehende Schonung des Torfkörpers
und damit eine langfristige Nutzbarkeit erreicht wird. In dieser
Zone soll sich die naturnahe Erholung konzentrieren.
Seit 1900 ein 100 Kilometer langes Entwässerungsnetz
Die Ende des 19ten Jahrhunderts begonnene Isar-Regulierung und
ihre Eintiefung schufen die Grundlage für ein ausreichendes
Neigungsgefälle, um den Moorkomplex zur Isar hin zu entwässern.
So entstand in den vergangenen 100 Jahren im Königsauer Moos ein
engmaschiges Netz an Entwässerungsgräben und Vorfluter mit einer
Länge von etwa 100 Kilometern, um dem Moor Kulturland
abzuringen.
Moore sind Kinder des Wassers. Es sind nasse, mit niedrigen
Pflanzen bewachsene Lebensräume. Das heißt, Moore sind für ihr
Wachstum und Überleben dauerhaft auf einen Überschuss an Wasser
angewiesen, entweder auf Grund- oder Überflutungswasser aus der
umgebenden Landschaft oder im Falle der Hochmoore überwiegend
auf Niederschlagswasser. Der ständige Wasserüberschuss bedeutet
Sauerstoffmangel und führt zu einem unvollständigen Abbau des
abgestorbenen pflanzlichen Materials, welches als Torf
abgelagert wird. |
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Der ständige Wasserüberschuss ist der
entscheidende Standortfaktor, der intakte Moore und
ihre Lebewelt prägt. |
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Die Entwässerung von vormals
wassergesättigten Torfen als den wesentlichen „baulichen“
Bestandteilen von Mooren führt zu deren Belüftung. Das
konservierte pflanzliche Material zersetzt sich, weil es unter
Sauerstoffeinfluss oxidiert und als gasförmiges
Kohlenstoffdioxid (CO2) entweicht (Mineralisation).
Zusätzlich wird das im Vergleich zu CO2 etwa 310-mal
klimaschädlichere Lachgas (N2O) freigesetzt. Diese
Belüftung verursacht darüber hinaus komplexe, teilweise
irreversible Veränderungen der Torfe infolge von Prozessen wie
Sackung, Schrumpfung und Mineralisation, die unter dem Begriff
Moorschwund zusammengefasst werden. Moorschwund zeigt
sich in einer kontinuierlichen Abnahme der Höhenlage der
Mooroberfläche, die bis zu 10 Millimeter pro Jahr betragen kann,
in besonderen Fällen sogar 2 cm! Über den Zeitraum eines
Jahrhunderts kann der Moorschwund leicht Meterdimensionen
erreichen, wie an Brückenbauwerken oder Stelzwurzeln ehemaliger
Bruchwalderlen beobachtet werden kann. |
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Das Niveau der Brücke zeigt das Ausmaß einer
Moorsackung durch Entwässerung in den vergangenen
100 Jahren. Der Niveauverlust beträgt etwa einen
Meter. |
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Degradiertes Königsauer Moos
Für das Wachstum der torfbildenden Vegetation – überwiegend
bestimmte Moose, Sauergräser und Schilf – und damit des Moores
ist es wichtig, dass sich der Grundwasserspiegel dauerhaft
ganzjährig nahe der Mooroberfläche bewegt. Dazu sollte die
Wasserzufuhr wie Oberflächenwasser, Grundwasser und
Niederschlagswasser möglichst während des ganzen Jahres
gleichmäßig verteilt und größer als die Verdunstung sein.
Dadurch ist gewährleistet, dass ständig ein natürlicher Abfluss
des Überschusswassers möglich ist. Liegen solche Verhältnisse
vor, ist die Wasserbilanz „positiv“, also im Sinne eines
intakten Moores.
In intakten Mooren schwankt somit der Wasserspiegel
oberflächennah und in engen Grenzen. Bei entwässerten Mooren
liegt der mittlere Grundwasserstand tiefer und schwankt meist in
einer deutlich größeren Amplitude. Wesentlicher Auslöser für
derartige Veränderungen sind die Entwässerungsgräben und
Dränagen. Deshalb ist es wichtig, alle derartigen Einrichtungen
einschließlich ihrer Fließrichtung genau zu erfassen, weil diese
zu einem schnellen Wasserabfluss führen, beispielsweise bei
Tauwetter.
Bis Mitte des 20sten Jahrhunderts hat die bis dahin
praktizierte, eher extensive Landwirtschaft zwar durchaus eine
nachhaltige Beeinträchtigung verursacht, in der Summe hat sie
jedoch durch die großflächige, eher pflegende Bewirtschaftung
der blumenbunten Feucht- und Nasswiesen zur biologischen
Vielfalt des Königsauer Mooses beigetragen. Erst mit dem
Übergang zu intensiveren Nutzungsmethoden seit den 1960er Jahren
hat sich das Bild im Königsauer Moos entscheidend gewandelt.
Durch Systemdrainage und Meliorationsdüngung (starke
Vorratsdüngung) entstanden hochertragsreiche Vielschnittwiesen.
Der rasante Wandel in der Landwirtschaft mit hoher
Spezialisierung führte schließlich zu einer Konzentration
intensiv genutzten, artenarmen Grünlands.
Und noch immer wird dem Königsauer Moos das Wasser abgegraben,
um vermehrt Feuchtwiesen in Ackerflächen umzuwandeln. Beide
Tendenzen, Grünland- wie Ackerbewirtschaftung, führten zu einer
starken Beeinträchtigung des in naturnahem Zustand weitgehend
von mageren Verhältnissen geprägten Nährstoffhaushalts des
Moores. Nährstoff-Ungleichgewichte aufgrund starker
Stickstoff-Düngung sind heute kennzeichnend für weite
landwirtschaftlich genutzte Flächen des Königsauer Mooses. Die
blumenbunten und artenreichen Heu- und Streuwiesen sind heute
nur mehr rudimentär vorhanden. Ein austrocknender, in
Ackerfläche umgewandelter Moorboden zersetzt sich, gibt
klimaschädigende Gase wie Kohlenstoffdioxid und Lachgas ab und
setzt darüber hinaus grundwasserschädliches Nitrat frei.
Manche Auswirkungen von Eingriffen in den Wasserhaushalt von
Mooren treten erst nach vielen Jahren zutage, wenn die
Grundwasserpegel abgesunken sind, das Grundwasser mit
Schadstoffen kontaminiert ist oder unzeitgemäße Stürme
fruchtbare, aber zu trocken gewordene Ackerkrume wegblasen und
damit die Aquafauna und -flora von Gewässern belasten. Wenn man
mit Händen greifen kann, wie die Arten- und Lebensraumvielfalt (Biodiversität)
schwindet, dann haben wir keine Zeit mehr zu verlieren: es muss
gehandelt werden.
Das sind nur einige der wichtigsten Gründe, sich für den
Lebensraum Königsauer Moos in vielfältiger Weise einzusetzen.
Den Moorschwund eindämmen und degradierte Flächen verbessern
Das Königsauer Moos umfasst ein rund 100 Kilometer langes
Entwässerungsnetz. Der nahe liegende Gedanke ist, das seit mehr
als 100 Jahren bestehende Entwässerungsnetz ökologisch
aufzuwerten.
Die bisherigen Entwässerungsgräben wurden meist mit einem
Gefälle von ca. 1 Prozent zum Vorfluter, dem Fließgewässer,
angelegt und letztendlich das Wasser in die Isar abgeleitet. Vor
allem in den Sommermonaten treten in den Entwässerungsgräben
stärkere Wasserstandsschwankungen auf und ein periodisches,
längeres Trockenfallen ist die Folge. Dies beeinträchtigt nicht
nur die Qualität als Lebensraum erheblich, sondern besonders
auch den Erhalt des Torfkörpers.
Die Erfahrung zeigt, dass nur Gräben und Grabensysteme mit einem
permanent anstehenden Wasserspiegel die Voraussetzung sind für
die Entwicklung von Lebensräumen mit hoher ökologischer
Qualität. So stellt sich die Frage, wie mit einfachen Mitteln
dem Trockenstress in den Sommermonaten begegnet werden kann,
welcher ein ganzes Bündel an negativen Konsequenzen für das Moor
bewirkt. Das primäre Ziel ist es, den Moorschwund einzudämmen,
die degradierten Flächen zu verbessern und eine Stabilisierung
des Natur- und Wasserhaushaltes zu erreichen.
Das Kubaturen-Modell: „Raum statt Fläche“
Die grundlegende Idee des Kubaturen-Modells ist, das
Niederschlags- und Drainagewasser nicht durch ein Gefälle der
Grabensohle zum Fließgewässer (Vorfluter) hin schnellstmöglich
abzuleiten, sondern das Wasser zu speichern, indem das Gefälle
„gekippt“ und der Entwässerungsgraben zum Grabenspeicher
(Kubatur) ausgebaut wird. Durch das „Kippen“ des Gefälles im
Grabensystem erhalten die Drainagegraben ein „negatives“ Gefälle
und werden zu Senken ausgebaut. Hiermit wird eine natürliche
Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst erreicht: eine
Maßnahme des Raumes. Die Sohle eines solchen Grabenspeichers
liegt damit grundsätzlich tiefer (> 1 m) als die Sohle des
Fließgewässers. Damit ist gewährleistet, dass der ehemalige
Wasserabzugsgraben ganzjährig mit Wasser gefüllt ist und sich
hierdurch neue Synergien entwickeln können. So beispielsweise
die flächige Durchnässung des Torfkörpers (Torfkonservierung)
bis hin zur Bildung neuer Lebensräume von höchster Qualität
aufgrund der hergestellten Durchwanderbarkeit für die
Gewässerorganismen.
Das Ziel muss sein, bisherige Wasserabzugsgräben und Rinnsale zu
reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst
ein Maximum an Rückhaltevolumen, so genannten Retentionsräumen,
zu erreichen („Raum statt Fläche“). Ebenso können
Geländehohlformen (Kubaturen) wie Mulden, Senken, Nasswiesen,
Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit
dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine natürliche
Speicherung des Niederschlags- und Sickerwassers genutzt werden.
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein
breitflächiges Retentionsnetz an Kubaturen aufgebaut, um einen
Großteil der Niederschläge, des Sickerwassers und auch des
Hochwassers zu speichern. Die hydrologische Vernetzung der
Speicherräume mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung. Das
bedeutet einen permanenten Kontakt mit dem Fließgewässer. Die
teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder
ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im Vorfluter gegeben
ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender. Das
Retentionsnetz ist im Prinzip mit einer „Wasserschaukel“
vergleichbar.
Die Schemazeichnung „Gewässer-Systeme“ soll die
grundlegende Idee des Kubaturen-Modells zur naturnahen
Wasserspeicherung verdeutlichen. Die Idee beruht auf dem
physikalischen Gesetz verbundener Gefäße (Kubaturen). Das Gesetz
besagt, dass in allen kommunizierenden Gefäßen (= vernetzte
Gefäße) die Oberflächen einer ruhenden Flüssigkeit in einer
Ebene liegen. Für das Konzept des Retentionsnetzes (Kubaturen-Modell)
bedeutet dies, dass alle natürlichen und künstlichen
Wasserspeicher (Kubaturen) wie Mulden, Senken, Tümpel, Weiher,
Teiche u.ä.m. durch ein vernetztes Grabensystem mit dem
Fließgewässer (Vorfluter) verbunden sein müssen. Dann ist der
Wasserspiegel im gesamten Retentionsnetz gleich hoch. Hiermit
wird eine natürliche Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst
erreicht. |
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Aus alten Gräben entstehen neue Biotope
Am Anfang eines Grabenspeichers kann, falls möglich, durch
Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein kleiner
Grabenteich mit abgeflachten Ufern geschaffen werden. Dies
verbessert die Lebensverhältnisse der Limno-, Amphibien- und
Avifauna. Sehr schnell wird ein solcher Grabenteich von
Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue
Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen, wie
beispielsweise für die stark gefährdete Karausche.
Und ohne Zutun des Menschen bildet sich aus dem Grabenteich bald
ein „Froschweiher“, eine so genannte „Natur aus zweiter Hand“.
Für Amphibien und für viele Wasserpflanzen wie untergetauchte,
schwebende, aufrechte und an der Oberfläche schwimmende, sind
diese ökologisch ausgebauten Grabenteiche mit ihrem fast
stagnierenden Wasser ein exzellenter Lebensraum, ein Mosaik
unterschiedlichster Funktionsräume auf engstem Raum. Das
begründet die Artenvielfalt (Diversität) und die
Individuendichte (Abundanz).
Das Kubaturen-Modell zeigt, dass es mit einfachen Mitteln
und einem überschaubaren Aufwand möglich ist, eine Verbesserung
der Lebensräume von devastierten Moorgebieten zu schaffen. Vor
allem an kleineren Gewässern, wie am Wiesengraben, lassen sich
innerhalb eines kurzen Zeitraums sichtbare Erfolge erzielen.
Aufgrund der hydraulischen Vernetzung ist gewährleistet, dass
die Speichergräben ganzjährig mit Wasser gefüllt sind und
dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen
Abflusssituationen gewährleistet ist. Die Schaffung und der
Schutz solcher neuen Lebensräume sichern vielen Tieren und
Pflanzen das Überleben. Dadurch wird ein wichtiger Beitrag zur
Sicherung der Biodiversität geleistet, weil hier oftmals in
kleinräumiger Abfolge limnische, nasse, sickerfeuchte,
wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche und
nährstoffarme Kleinlebensräume aneinanderstoßen.
Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese
vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines
vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens inmitten einer
degradierten Moorlandschaft zu liegen kommen. |
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Ein Beispiel für einen naturnah geschaffenen
Wasserrückhalteraum durch Aufweitung und Vertiefung
des Profils eines ehemaligen Wasserabzugsgrabens zu
einem Grabenteich. Neue Biotope für
bestandsgefährdete Pflanzen- und Tierarten werden
geschaffen, ebenso neue Fischhabitate. Durch den
Wasserrückhalt wird weiterhin ein wesentlicher
Beitrag zur Eindämmung von Hochwasserschäden
geleistet. |
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Laichgründe entstehen
Es ist offenkundig: Die meisten Bäche und Flüsse in Europa haben
trotz vielfach verbesserter Wasserqualität weder ihren früheren
Artenreichtum, noch ihre einstige Produktivität wiedererlangt.
Bereits in den 1970er Jahren wurde deutlich, dass eine gute,
chemisch zu messende Wasserqualität nicht ausreicht. Die
bisherige Nutzung der Bäche und Flüsse hat diese früher reich
besiedelten Lebensräume vielerorts in verödete, unbewohnbare
„Linien in der Landschaft“ verwandelt. Fische wurden daran
gehindert, aufwärts zu ihren Laichplätzen zu wandern und früher
gewundene Gewässer verwandelten sich zu eintönigen Kanälen, die
unnötig hart unterhalten werden. Die Zerstörung von Lebensräumen
im und am Gewässer ist offenkundig. Die einst reiche Natur der
Gewässer verarmte. Und so kommt gerade den kleineren Gewässern
eine besondere Bedeutung zu, vor allem den Bachoberläufen mit
ihren verzweigten Grabensystemen und den kleineren Flüssen für
die Vernetzung der Landschaft aufgrund ihrer sehr großen
Streckenlänge.
Durch den möglichen Umbau der ehemaligen Drainagegräben zu
Grabenspeichern, Grabenteichen und kleinen Weihern wird ein Netz
an naturnahen Wasserrückhaltespeichern für Mensch und Technik,
aber ebenso für Natur und Landschaft entstehen. Dieses
kleinmaschige Gewässernetz aus krautreichen Gräben und
Grabenteichen schafft eine ökologisch wertvolle
Biotopvernetzung, welche den Graslaichern hervorragende
Möglichkeiten bietet, ihren Laich abzulegen. Die ausgeschlüpften
Brütlinge von Hecht, Barsch und Cypriniden finden dann ideale
Habitate in solchen Grabensystemen. Diese seichten und vielfach
auch gut strukturierten Kleingewässer eignen sich auch deshalb
als hervorragende Laichplätze, weil sich in solchen
Gewässernetzen die Brutfische, geschützt vor Hochwasser und
Fraßdruck, ungestört entwickeln können um dann, wenn sie größer
werden, ins Hauptgewässer abzuwandern. Nur die Herstellung von
Laichgründen, verbunden mit der Wiederherstellung von
geschützten Jungfischhabitaten, kann die verloren gegangene
Selbstreproduktion wieder zurückbringen.
Synergien für Natur, Klima, Landwirtschaft und Mensch
Der gezielte Ausbau des im Königsauer Moos vorhandenen
Grabensystems zu Grabenspeichern und Grabenteichen, was aus
topografischen Gründen in der Isar-Aue einfach durchführbar
wäre, ergäbe eine Reihe von Synergien:
1. Moorschwund eindämmen
Die Regeneration eines Niedermoores ist weniger aufwändig als
die eines Hochmoores. Handelt es sich jedoch um Gebiete, die
jahrelang landwirtschaftlich genutzt wurden, sind sie, aufgrund
der Düngung und intensiven Bodenbearbeitung, nicht mehr für eine
Renaturierung geeignet. Dies sind vor allem die
Bewirtschaftungszonen, in abgeschwächter Form auch die
Extensivierungszonen, also ein vom menschlichen Einfluss
geprägtes Moorgebiet. Und hier findet das Kubaturen-Modell
mit dem kleinmaschigen Retentionsnetz für eine Wasserrückhaltung
seine Anwendung, um zumindest die Funktion als Pufferzone zu
übernehmen.
Grabenspeicher und Grabenteich zeichnen sich durch eine
permanente Wasserspeicherung aus (perennierendes Gewässer),
im Gegensatz zum herkömmlichen Drainagegraben. Beim
Drainagegraben liegen stärkere Wasserstandsschwankungen und im
Allgemeinen ein periodisches, längeres Trockenfallen vor (temporäres
Gewässer). Der Wasserstand schwankt meist mit einer großen
Amplitude. Dies führt zu einer Mineralisation des Torfkörpers (=
Moorschwund) und klimaschädigende Gase werden freigesetzt.
Grabenspeicher und Grabenteich führen dagegen als perennierendes
(ganzjähriges) Gewässer ausdauernd Wasser. Der Wasserspiegel
schwankt in engen Grenzen und bewirkt eine flächige Durchnässung
des Torfkörpers (Moorkonservierung). Dies sichert den im Moor
vorhandenen Kohlenstoffvorrat. Damit wird ein wichtiger Beitrag
zum Klimaschutz geleistet.
Die periodische Einleitung von Hochwasserspitzen aus dem
Fließgewässer in die Grabenspeicher und Grabenteiche bewirkt
eine zusätzliche Wiedervernässung des Moorkörpers und leistet
zusätzlich einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des
Hochwasserschutzes. Die Synergien mit dem Hochwasserschutz gilt
es verstärkt zu nutzen.
Durch diese Sicherungsmaßnahmen in den Randzonen des Moores
können sich dann langfristig im Kerngebiet natürliche und
naturnahe Biotope und Biozönosen aufbauen.
2. Natur- und Landschaftsschutz
Durch die Grabenspeicher und Grabenteiche werden nicht nur
neue Kleingewässer geschaffen, sondern es wird ein Netz an
naturnahen Wasserrückhaltespeichern entstehen. Die Schaffung und
der Schutz solcher neuen Lebensräume mit ihrer Biotop-Vernetzung
kommen übrigens nicht nur gefährdeten Fischarten zugute, sondern
sichern vielen anderen Arten (Vögel, Amphibien, Libellen u.a.),
die durch menschliche Eingriffe in die Gewässerstrukturen in
ihrem Fortbestand gefährdet sind, das Überleben. Vermutlich
kommen im Projektgebiet zwischen 10 und 20 Fischarten vor. Eine
umfassende Bestandsaufnahme der Fischfauna ist sehr erwünscht.
Denn Fischbestände sind eine der vier Qualitätskomponenten der
Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL 2000) zur
Beurteilung des ökologischen Zustandes von Fließgewässern.
Sicherlich werden solche technisch einfach durchführbaren
Maßnahmen zur Biotoperhaltung und Biotopneuschaffung im Sinne
der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sein, deren erklärtes
Ziel es ist, die Oberflächengewässer in einen mindestens
„guten ökologischen und guten chemischen Zustand“ zu
bringen.
Der Schutz und die Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger
und naturnaher Kleingewässer wird zukünftig nicht nur eine
wichtige Aufgabe der Wasserwirtschaft sein („nationales
Bachprogramm“), sondern erfordert ebenso eine intelligente
Zusammenarbeit mit den verschiedensten Verbänden und
Organisationen. Das Königsauer Moos bietet hierzu eine breite
Palette an Möglichkeiten, biologische Vielfalt und Klimaschutz
mit dem Hochwasserschutz zu verbinden. Es gibt wohl keine
schönere und beglückendere Möglichkeit, technische Funktionen
mit der Schaffung vielfältigster naturnaher Lebensräume zu
verknüpfen.
3. Präventiver Hochwasserschutz
Die wirkungsvollste Möglichkeit, Hochwasserschäden zu
begrenzen, ist der Rückhalt von Hochwasserspitzen bereits im
Einzugsgebiet von Bächen und Flüssen unter optimaler Nutzung
aller natürlichen und künstlichen Speichermöglichkeiten („Raum
statt Fläche“). Durch den Aufbau einer Vielzahl naturnaher,
hydrologisch vernetzter Retentionsräume (Grabenspeicher,
Grabenteiche, Geländehohlformen) im Königsauer Moos kann ein
wichtiger Beitrag zur dezentralen Hochwasserprävention geleistet
werden, indem die Flutwelle im Vorfluter gekappt und in die
Breite abgeleitet wird. Dadurch wird der Wasserabfluss räumlich
und zeitlich entzerrt. Hier wird eine soziale Verantwortung
gegenüber den Anwohnern flussabwärts der Isar und Donau
wahrgenommen, indem Schadenshochwasser vermieden oder wenigstens
gemindert werden.
4. Wasser zu speichern – ein Segen für die Landwirtschaft
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei
extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke
ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum Beispiel
können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in einem
Grabenspeicher, je nach Länge und Profil, tausend und mehr
Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser
Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation ganzjährig
zur Verfügung. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten
kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für
eine Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die konstante,
ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher schafft
die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation
angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des
kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen
konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige
Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg
insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel
zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie
zum Beispiel an der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten
Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Grabenspeicher in den Sommermonaten
überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem Wiesen und
Äckern das so wichtige Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg
zugeführt werden. Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das
Wachstum der Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies
ist dann besonders wertvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit
nach der Heuernte auftritt und der Boden bei starker
Sonneneinstrahlung und geringem Schutz durch die Pflanzendecke
besonders schnell austrocknet.
In Dürrezeiten kann das gespeicherte Wasser aus den
Grabenspeichern und Grabenteichen für eine künstliche
Bewässerung oder Beregnung der Kulturflächen (Äcker, Wiesen,
Wald) eingesetzt werden.
Auch das Kleinklima kann von diesen Bedingungen beeinflusst und
nachhaltig verändert werden. Wenn die frostmildernde Wirkung der
Wasserspeicher in der Landschaft fehlt, treten Spätfrostschäden
häufiger auf. Die Pflanzen sind stärkeren Schwankungen
ausgesetzt und sie werden dadurch anfälliger.
Das sind handfeste wirtschaftliche Gründe, die gegen die
Wasserabzugsgräben und für die Grabenspeicher sprechen. So wäre
es für die Land- und Forstwirtschaft eher ein Segen, sich vom
konventionellen Drainagegraben als technische Entwässerungs- und
Wasserbeschleunigungsrinne zu verabschieden und dafür mit dem
Wasser haushälterisch umzugehen: Das Wasser zurückzuhalten,
muss oberste Priorität haben.
Alle sollen gewinnen!
Nicht nur die wild lebenden Tiere und Pflanzen sollen im Moor
überleben – auch die Menschen können ein einzigartiges Stück
Natur zurück gewinnen und damit ein Plus an Lebensqualität. |
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Ein ehemaliger Industrie-Torfstich wurde durch
behutsame Renaturierungsmaßnahmen wieder ökologisch
deutlich aufgewertet. |
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Moore sind Naturkleinode und eine Attraktion
als Erholungsraum für eine ganze Region. Moore kühlen das
Kleinklima und sorgen für Frischluft. Zudem bilden Moore einen
wichtigen Baustein im landesweiten Biotopverbund. Und auch die
Landwirtschaft soll profitieren – durch ein positives Verhältnis
zum Wasser, durch neue Perspektiven und naturverträgliche
Landnutzungskonzepte.
Noch ist es nicht zu spät, unsere restlichen Moore und
Feuchtgebiete so zu schützen, dass sie heute und künftig ihre
Funktionen im Naturhaushalt erfüllen können und gleichzeitig
Reserven für die Zukunft bilden. Noch haben sie die Fähigkeit
zur Regeneration. Gerade jetzt, in einer Zeit des Überflusses,
sollten wir es uns am ehesten leisten können, für die Zukunft
vorzusorgen. Dazu kann jeder seinen Beitrag leisten. |
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Das Kubaturen-Modell |
Das „Kubaturen-Modell“ als naturnaher Hochwasserschutz,
Verbesserung des Wasserhaushalts, Schaffung neuer Lebensräume
und zur Schonung des Klimas
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Von
Dr. Erich Koch, Altshausen |
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Hochwasser-Katastrophen verursachen
Jahr für Jahr in Deutschland immense Schäden, zum Teil in
Milliardenhöhe. Menschliche Fehlplanungen und Handlungen,
Missachtung hydrologischer Bilanzierungen und ökologischer
Sachverhalte sind oft die Ursachen für die immer gewaltiger
werdenden Auswirkungen beim letztlich nicht verhinderbaren
Naturereignis Hochwasser. Nicht Hochwasser, sondern die
Schadenshochwasser müssen von vornherein vermieden werden. Ein
praktikables, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Konzept,
diese jährlich wiederkehrenden Schadenshochwasser zu vermindern,
besteht im Aufbau einer Vielzahl kleiner, vernetzter
Retentionsräume zur Wasserrückhaltung in der Fläche („Kubaturen-Modell“).
Soziale Verantwortung hinsichtlich Hochwasserschäden muss
gegenüber den Anwohnern flussabwärts geleistet werden. Das
„Hydrologische Sankt-Florian-Prinzip“ muss verneint, dafür ein
„nationales Bachprogramm“ sowie darüber hinaus eine
institutionelle und räumliche Grenzen überschreitende
„Hochwasserschutz-Ökoallianz“ für die großen Flüsse und Ströme
gegründet werden. |
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1. Vorwort
Wie so häufig, lassen sich nicht alle Probleme allein mit
technischen Mitteln lösen. Der technische Hochwasserschutz durch
Mauern, Deiche, Schöpfwerke oder Hochwasserrückhaltebecken kann
die Nutzungsbedingungen am Gewässer zwar verbessern, die
Hochwassergefahr als solche aber nicht beseitigen. Jeder
technische Hochwasserschutz hat immer nur eine sektorale
Wirkung. Es wird der lokale Hochwasserschutz verbessert,
aber oftmals wird damit die Hochwasser-Problematik weiter
flussabwärts verlagert.
Die Erfahrungen aus den Hochwasser-Katastrophen der letzten 30
Jahre brachten den eindeutigen Beweis, dass der technische
Hochwasserschutz an seinen Grenzen angelangt ist. Wir können
Hochwasser nur mindern helfen, wenn wir die natürlichen
Funktionen des Wasserrückhaltes in der Fläche nachhaltig
fördern. Extreme Hochwasser mit Sicherheit zu verhindern, ist
letztlich unmöglich, doch die Hochwasserschäden mit einem Bündel
an dezentralen Maßnahmen zu begrenzen, ist sehr wohl zu
erreichen. Eine solche Einzelmaßnahme aus einem Bündel anderer
Möglichkeiten ist das „Kubaturen-Modell“, welches hier
vorgestellt werden soll.
2. Hausgemachte Verschärfung der Hochwasserereignisse
Neben den natürlichen Hochwasserursachen wird das
Hochwassergeschehen auch durch den Menschen beeinflusst. Durch
die Eingriffe des Menschen laufen die Hochwasserwellen heute
schneller ab und bilden höhere Spitzen. Dies ist unter anderem
eine Folge der Flussbegradigung und Kanalisierung, durch die die
Flüsse natürliche Rückhalteräume in Form von
Überschwemmungsgebieten verlieren und die Fließgeschwindigkeit
erhöht wird. Ebenfalls haben Deichbau, Baugebiete und
Verkehrswege in Überschwemmungsgebieten die natürlichen
Überflutungsflächen bis zu vier Fünftel reduziert und den
Hochwasserablauf weiter beschleunigt.
Die weitaus größeren Veränderungen im Wasser-Kulturbau erzeugte
jedoch der Ausbau der Gewässer dritter Ordnung (kleine
Flüsse, Bäche, Gräben) im Rahmen des landwirtschaftlichen
Wasserbaus. Generationen von Wasserbau-Ingenieuren haben daran
gearbeitet, das Wasser immer schneller aus unserem Land
herauszubringen. So wurde ein Großteil der kleinen Flüsse, Bäche
und sogar Rinnsale oder auch nur zeitweise Wasser führenden
Gräben mit immensem Aufwand an Geld so ausgebaut, dass das
Niederschlags- oder Sickerwasser schnellstmöglich ab- und in die
großen Flüsse eingeleitet wird („Beschleunigungsrinnen“).
Damit erhöhte sich die Entwässerungsgeschwindigkeit von früher 1
m/h auf heute bis zu 4000 m/h, zusätzlich bedingt durch eine
verringerte Wasseraufnahme-Kapazität von Böden und Wäldern sowie
eine immer noch zunehmende Flächenversiegelung durch Siedlung,
Gewerbe, Industrie und Verkehr.
Geht man der Frage nach, wie viele Fließgewässer es in
Deutschland gibt, und hierbei nur die natürlichen
Gewässersysteme berücksichtigt, wie sie in den Topographischen
Karten 1 : 25.000 enthalten sind, gibt es allein in Deutschland
etwa 680.000 Kilometer Fließgewässerstrecken. Rechnet man die
zahlreichen kleinen, künstlichen Fließgewässer wie Gräben,
Kanäle usw. hinzu, kommt man auf eine Gewässerlänge von über
einer Million Kilometern.
Dieses riesige Potenzial an unzähligen kleineren
Fließgewässern mit ihren Regulierungen (=
„Beschleunigungsrinnen“) bewirkt in ihrer Akkumulation der
Abflussmengen und Abflussgeschwindigkeiten die eigentlichen
Hochwasser-Katastrophen.
Die hohe Bedeutung gerade dieser kleinen Fließgewässer ist in
der Vergangenheit ausnahmslos missachtet worden. Denn vor allem
kleinere Gewässer mit einem hohen Anteil an versiegelten Flächen
können sich innerhalb kurzer Zeit in reißende Flüsse verwandeln,
bei denen der Wasserstand sich verzehnfacht, punktuell und bei
Extremsituationen sogar mehr als verzwanzigfacht.
3. Ein symptomatisches Beispiel für den Verlust an
Speicherraum
Blicken wir in der Geschichte zurück: Im Verlauf des 15ten bis
19ten Jahrhunderts legte man im Gebiet des Landkreises
Ravensburg (Baden-Württemberg) rund 2.400 Weiher an. Im Rahmen
der in den Jahren 1978 bis 1981 im Landkreis Ravensburg
durchgeführten Feuchtgebietskartierung konnten nur noch 659 der
2.409 Weiher und ehemaligen Weiher aufgenommen werden. Der Rest
war trocken gelegt und oftmals verfüllt worden. Damit wurde der
allergrößte Teil der früheren Weiher aus dem Bild und dem
Verbund der Kulturlandschaft völlig eliminiert. Dadurch
verlor man 25 bis 30 Millionen Kubikmeter an Speicherraum für
das Niederschlagswasser. Und dies allein nur im Landkreis
Ravensburg. Die daraus resultierenden Probleme für den
Landschaftswasserhaushalt sind allgemein bekannt: Absinken der
Grundwasserstände, mangelnde Grundwasserneubildung, schnelle und
starke Hochwasserabflüsse durch Kanalisierung und Auslegung des
Bachbettes mit Sohlplatten, allgemein stark schwankende
Wasserführungen der Fließgewässer sowie zunehmende
Überschwemmungen mit immensen materiellen Schäden und
Todesopfern. So stellt sich die Frage, ob wir aus der Geschichte
wirklich nicht lernen können.
Und hier muss radikal umgedacht werden. Was durch den
Klimawandel erfolgt, wird ein Wassermangel in Süd- und
Mitteleuropa sein. Deshalb muss ein neues „hydrologisches
Grundgesetz“ postuliert werden:
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Das Wasser zurückzuhalten muss oberste
Priorität haben. |
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4. Problemlösung: Natürliche
Wasserspeicher nutzen
Die notwendige Rückverlegung von Deichen, verbunden mit einer
möglichst weitgehenden Rückgewinnung von verlorenem
Retentionsraum (Gewässerauen) mit natürlicher
Überflutungsdynamik, bleibt oftmals nur Wunschdenken. Der Raum,
den die Flüsse und Bäche im unregulierten Zustand einnahmen, ist
längst anderweitig genutzt und oft nicht mehr zurück zu
gewinnen. Weniger als 20 % ihrer natürlichen
Überschwemmungsgebiete stehen den Flüssen nur noch zur
Verfügung.
Für eine realistische Lösung der gesamten Hochwasserproblematik
im Binnenland gibt es nur einen Weg, nämlich die
Wasserrückhaltung in der Landschaft des gesamten Einzugsgebiets
eines Gewässers. Denn der Anteil des Niederschlags, der direkt
abflusswirksam ist, ist für die Hochwasserentstehung
verantwortlich. Das Abflussgeschehen wird durch die
Wechselwirkungen vieler verschiedener Faktoren bestimmt. Dazu
gehören sowohl natürliche Gegebenheiten wie das
Wasserspeichervermögen der Böden oder die zeitliche wie
räumliche Verteilung der auftreffenden Regenmassen, als auch vom
Menschen beeinflusste Veränderungen wie Bebauung und Nutzung der
Flächen oder Gestaltung der Wasserläufe und Auen.
Wie groß der Anteil dieses Direktabflusses ist, hängt von dem
Rückhaltevermögen des Einzugsgebietes ab. Maßgebend für diesen
so genannten Gebietsrückhalt und damit für die Abflussbildung
sind die Speichermedien Bewuchs, Boden, Gelände und Gewässernetz
einschließlich der Gewässerauen. Dabei ist der Boden das
leistungsfähigste Speicherelement. So weist die Bodenmatrix von
Grünlandstandorten die günstigsten Infiltrations- und
Speichereigenschaften auf.
Ein weiteres Speicherelement kann als flankierende Maßnahme mit
einfachen Mitteln durch die bereits millionenfach vorhandenen
Drainagegräben geschaffen werden. Der Drainagegraben ist
bekanntlich ein Zweckbau im Sinne eines Entwässerungsgrabens,
welcher Bodenwasser, Grundwasser, Hangwasser oder Quellwasser
sammelt und in einen anderen Graben oder Bach (Vorfluter)
abführt. Sein Verlauf ist meistens gestreckt, allenfalls leicht
gekrümmt. Die Breite reicht von wenigen Dezimetern bis zu
mehreren Metern und sein Profil ist meist kasten- oder
trapezförmig. Vielfach markieren solche Gräben die Grenzen von
landwirtschaftlichen Flurstücken.
Zweckbau heißt, dass ökologische Überlegungen oder die
Überlegung, möglichst naturnah zu gestalten, beim Bau überhaupt
keine Rolle gespielt haben. So hat der Drainagegraben primär
eine technisch-ökonomische Bedeutung und dient der
Sicherstellung eines hinreichenden Wasserabflusses (Dränung).
Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (=
Graben, Bach, Fluss) vorausgesetzt, das heißt, der
Drainagegraben muss genügend Gefälle zum abführenden Gewässer
besitzen. In der Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 %
angelegt.
5. Gefälle umkehren! - Das Kubaturen-Modell
Die nahe liegende, wie einfache Idee ist, den bisherigen
Drainagegraben als Wasserabflussgraben in einen
Wasserspeichergraben (= Grabenspeicher) umzubauen, indem
sein Gefälle „gekippt“ wird. Die Drainage- und Wassergräben
verlaufen bislang mit einem Gefälle zum Vorfluter, um das
Sicker- und Niederschlagswasser schnellstmöglich in den
Vorfluter abzuleiten. Durch das „Kippen“ des Gefälles im
Grabensystem erhalten die Drainagegräben ein „negatives“ Gefälle
und werden zu Senken ausgebildet, um das Wasser von
Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers
zurückzuhalten. Hiermit wird eine natürliche
Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst erreicht.
Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher
genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des
Vorfluters. Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle
gegenüber der Bachsohle liegen, bei geeigneten
hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen mehr
(> 1m). Damit ist gewährleistet, dass der ehemalige
Wasserabzugsgraben ganzjährig mit Wasser gefüllt ist und dadurch
eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen
Abflusssituationen gegeben ist. Neue Lebensräume von höchster
Qualität für Aquafauna und -flora können sich dadurch
entwickeln.
Das Ziel sollte sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu
reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst
ein Maximum an Rückhaltevolumen, so genannten Retentionsräumen,
zu erreichen. Ebenso können Geländehohlformen (Kubaturen) wie
Mulden, Senken, Nasswiesen, Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts,
Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter
vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des
Niederschlagswassers genutzt werden. Durch die vorstehend
beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz
an Kubaturen aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge und
des Hochwassers zu speichern. Die hydrologische Vernetzung
der Speicherräume (Kubaturen) mit dem Vorfluter ist eine
Grundvoraussetzung. Das bedeutet einen permanenten Kontakt mit
dem Fließgewässer. Die teilweise Entleerung dieser
Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität zur
Wasseraufnahme im Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die
Grabenspeicher als Wasserspender. Das System kann mit
einer „Wasserschaukel“ verglichen werden. Das
Retentionsnetz wirkt als stabilisierender Faktor für den
Wasserhaushalt bis hin zur Milderung der Austrocknung von Bächen
und Flüssen in Trockenzeiten.
6. Umweltwirkung
Das Ausmaß und die Art der Umweltwirkungen sind aufgrund der
zahlreichen Synergien durchweg positiv. Das Retentionsnetz ist
auf eine naturnahe Weise in die Landschaft integriert.
Grabenspeicher, Grabenteich sowie die anderen natürlichen
Kubaturen (Kleinrückhaltespeicher) führen als perennierndes
(ganzjähriges) Gewässer ausdauernd Wasser und sind somit in der
Lage, eine dauerhaft aquatische Lebensgemeinschaft zu
beherbergen. Die so wichtige ökologische Durchgängigkeit zum
Fließgewässer ist für die Aquafauna, wie Fische und Wirbellose,
gewährleistet.
7. Das Kubaturen-Modell und seine hydrologische Wirkung
Die Idee des Kubaturen-Modells beruht auf dem
physikalischen Gesetz verbundener Gefäße (Kubaturen). Das Gesetz
besagt, dass in allen kommunizierenden Gefäßen (= vernetzte
Gefäße) die Oberflächen einer ruhenden Flüssigkeit in einer
Ebene liegen. Für das Konzept des Kubaturen-Modells
bedeutet dies, dass alle natürlichen und künstlichen
Wasserspeicher (Kubaturen) wie Mulden, Senken, Tümpel, Weiher,
Teiche u.ä.m. durch ein vernetztes Grabensystem mit dem
Fließgewässer (Vorfluter) verbunden sein müssen. Dann ist der
Wasserspiegel im gesamten Retentionsnetz gleich hoch. Eine
natürliche Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst wird
dadurch erreicht. Die hydrologische Wirkung entspricht dem eines
ungesteuerten Retentionsspeichers. Es wird Einfluss genommen auf
Abflussbildung, Abflussvolumen und Wellenablauf im
Fließgewässer.
Das Kubaturen-Modell (Kleinrückhaltespeicher,
Geländehohlformen) als wirksame dezentrale
Hochwasserschutzmaßnahme zeichnet sich durch seine Einfachheit
aus, sowohl in der Erstellung wie danach in seiner Wirkung:
naturnah und ohne menschliche oder technische Steuerung. Es ist
eine mögliche Maßnahme für einen dezentralen
Hochwasserschutz aus einem ganzen Bündel anderer Möglichkeiten.
Gerade diese Summeneffekte sind für das hohe Retentionspotenzial
dezentraler Hochwasserschutzmaßnahmen von großer Bedeutung und
bewirken ihre Nachhaltigkeit.
Literatur:
Koch, E.: „Breitwasser statt Hochwasser!“. AFZ-Fischwaid, Heft
4, S. 14-19 (2013). Offenbach/M.
8. Drosseln als wertvolle Bausteine für das Kubaturen-Modell
Um ein frühzeitiges Ausufern des Fließgewässers bei Hochwasser
in die Grabenspeicher zu ermöglichen, wurden schmale
Gehölzstreifen als Drosseln in die Uferböschung des
Fließgewässers gepflanzt. Als vorherrschende Holzart verwendete
man die Schwarz- oder Roterle (Alnus glutinosa) sowie
einige Baumweiden wie Bruchweide (Salix fragilis),
Fahlweide (Salix rubens) und Silberweide (Salix alba).
Auf reicheren Böden eignen sich als Ufergehölze die Esche (Fraxinus
excelsior) und Traubenkirsche (Prunus padus). Zu
ihnen gesellen sich Sträucher wie Hasel (Corylus avellana),
Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus), Heckenkirsche (Lonicera
xylosteum) und Bluthartriegel (Cornus guinea).
Durch den ingenieurbiologischen Uferverbau wurde ein natürliches
Profil mit Drosselfunktion in das Fließgewässer eingebaut, um
ein Gleichgewicht zwischen dem Abfluss im Fließgewässer und der
Wasserspeicherung im Retentionsnetz herzustellen. Sobald der
Wasserstand über die Mittelwasserlinie hinaus ansteigt, wird das
Fließgewässer eingestaut und die Retentionsräume
(Grabenspeicher) in der Aue aktiviert. Die hydrologische Wirkung
ist damit vergleichbar der eines ungesteuerten
Hochwasserrückhaltebeckens, jedoch ein äußerst kostengünstiges
Ausführungsmodell und insbesondere naturnah.
Als Drosseln eignen sich beispielsweise je nach örtlicher
Gegebenheit auch Flussbausteine, Störsteine und Steinbuhnen,
ebenso Weidengeflechte oder schräg zum Ufer installierte
Pfahlbuhnen sowie auch nur aus wenigen Pfählen bestehende
senkrecht zum Ufer eingeschlagene Pfahlreihen.
9. Vorteile des Kubaturen-Modells:
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- kostengünstig, da keine bautechnischen Maßnahmen
erforderlich
- geringer Flächenverbrauch durch eine kubisch angelegte
Maßnahme („Raum statt Fläche!“)
- minimaler Planungsaufwand
- ökologisch wertvoll
- Synergien für Mensch, Natur und Umwelt durch eine
Verbesserung der Strukturgüte und des Landschaftsbildes
- Ertragssteigerungen in der Land- und Forstwirtschaft
durch Verbesserung der Bodenstruktur.
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10. Historisches
Das Kubaturen-Modell wurde 1973 von Dr. Erich Koch
begründet und auf seinen eigenen land- und forstwirtschaftlich
genutzten Flurstücken auf der Gemarkung Altshausen des
Landkreises Ravensburg, Bundesland Baden-Württemberg, in die
Praxis umgesetzt. Ausgangspunkt waren die mehrfachen jährlichen
Überflutungen der Flurstücke durch ein angrenzendes kleines
Fließgewässer. Eine sinnvolle Bewirtschaftung der Flächen war
nicht mehr gegeben.
Die Schadensursache war aufgrund des Beobachtens der
Naturgewalten eindeutig zu ermitteln. Es war die spontan
auftretende Flutwelle im Fließgewässer. Hierbei handelt es sich
physikalisch um eine extrem ansteigende potenzielle Energie. Die
nahe liegende Idee war, diese schadensverursachende potenzielle
Energie zu mindern. Dies wurde dadurch erreicht, dass die vor
ungefähr 200 Jahren angelegten und alle etwa 30 Meter
vorhandenen Drainagegräben mit Schaufel und Spaten auf eine
Länge von zirka 100 Metern ausgehoben wurden. Der ehemalige
Drainagegraben wurde in seinem Gefälle deutlich gekippt und zur
Senke ausgebildet (Flutungsgraben). Die Sohle eines solchen
Grabens, hier als Grabenspeicher bezeichnet, liegt damit
grundsätzlich tiefer als die Sohle des Fließgewässers
(Vorfluter). Mit dieser einfachen Maßnahme einer erheblichen
Laufwegverlängerung sowie dem Einbau einiger Drosseln (Erlen und
Weiden) am Uferrand des Fließgewässers traten seit rund 40
Jahren keine Überschwemmungsschäden mehr an den Flurstücken auf.
Als einer von mehreren Synergieeffekten konnte bereits nach
wenigen Jahren eine deutliche Zunahme an Biodiversität in den
Grabenspeichern und deren Einzugsgebiet festgestellt werden. |
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„Moorgeister und Elfen im
Pfrunger-Burgweiler Ried:
Kritische Anmerkungen eines Steuerzahlers“
Vortrag von Dr. Erich Koch, Altshausen, gehalten am 02. Juni
2010 in Laubbach, Gemeinde Ostrach.
Meine Damen und Herren!
Manche von Euch kennen mich seit
rund 60 Jahren, einige kennen mich noch nicht. Deshalb möchte
ich mich kurz vorstellen.
Mein Name ist Erich Koch, ich bin hier in Ostrach aufgewachsen
und zur Schule gegangen.
Jeden Morgen, wenn ich die hölzernen Fensterläden von unserem
Kinderzimmer öffnete und abends wieder verschloss, richtete sich
mein Blick nach Laubbach.
Wir wohnten vor rund 60 Jahren im Bahnhofsgebäude von Ostrach
und das damalige 50 Seelendorf Laubbach lag genau im Blickwinkel
von unserem Kinderzimmer, allerdings ganze 2 Kilometer weiter
südlich, idyllisch am Hang gelegen.
Und so verbinden mich angenehme und schöne Erinnerungen an
Laubbach, vor allem dann, wenn ich an die nette Mädele von
Birkhofers und Müllers denke.
Das Pfrunger Ried und vor allem der „Halder-Weiher“ waren damals
beliebte Ziele für uns Buben am Nachmittag nach der Schule.
Der „Halder-Weiher“ wurde so von den Ostrachern genannt, die
Burgweiler sagen dazu „Burgweiler Baggersee“ und in der
Amtssprache heißt er „Fünfeckweiher“.
Für mich als Bub war das Ried riesig und unendlich. Wie von
magischen Kräften wurde ich von den Sümpfen und Mooren
angezogen, dem morastig riechenden Boden und dem Duft der
zahlreichen wilden Blumen.
Das waren einst Kindheitserlebnisse vor rund 60 Jahren,
mittlerweile bin ich Rentner und nach wie vor Steuerzahler und
damit wie Sie, verehrte Zuhörer, Mitfinanzierer der
Ried-Stiftung, wenn auch nur zu einem kleinen Bruchteil.
Und so möchte ich mit ihnen
zusammen als Bürger und Steuerzahler einige Facetten der
Vernässungsaktionen hinterfragen.
Damit soll das Thema meines
Referates lauten:
„Moorgeister und Elfen im
Pfrunger-Burgweiler Ried:
Kritische Anmerkungen eines Steuerzahlers“
Meine Damen und Herren,
schon immer umgibt Sümpfe und Moore etwas Geheimnisvolles. Kein
Wunder, dass sich um diese Lebensräume Sagen ranken und an fast
jeder deutschen Schule gehört das Gedicht vom
Erlkönig von Johann Wolfgang Goethe zum
Pflichtprogramm im Deutschunterricht:
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind; Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.
„Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?“
„Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron und Schweif ?“
„Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.“
Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.“
„Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?“
„Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind.“
„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehen?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“
„Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort?“
„Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau,
Es scheinen die alten Weiden so grau“.
„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“
„Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan!“
Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not; In seinen Armen das Kind war tot.
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Das Gedicht beschreibt, ohne es
direkt beim Namen zu nennen, das beklommene Gefühl, das viele
Menschen beim Thema Moor und Sumpf über Jahrtausende hinweg
hatten.
Ein eigenartiger Respekt wurde diesen Landschaften
entgegengebracht, in denen Moorgeister und
Elfen vermutet wurden.
Auch wenn die Menschen von heute
nicht mehr an Elfen und Moorgeister von damals glauben, so
möchte ich dennoch einen Bezug zwischen Goethes Gedicht vom
Erlkönig und den heutigen aktuellen Verhältnissen im
Pfrunger-Burgweiler Ried herstellen.
Der Erlkönig
mit seinen Moorgeistern und Elfen, das könnte die
Stiftung Naturschutz Pfrunger-Burgweiler Ried sein.
Denn vor allem im Stiftungsvorstand gibt es Moorgeister, welche
in der Vergangenheit sehr verlockende Versprechungen für die
Bevölkerung machten:
• Alle werden gewinnen
• Es entsteht ein Plus an Lebensqualität für die Riedanwohner
• Ein einzigartiges Natur-Juwel wird entstehen
• Eine abwechslungsreiche und vielgestaltige Natur- und
Kulturlandschaft entsteht
• Die gesamte Region profitiert von der Attraktivität als
Erhlolungsraum
• Die Landwirtschaft soll profitieren durch neue Perspektiven.
• Blühende Landschaften mit blumenreichen Wiesen entstehen
• Und das Klima wird gerettet: Denn durch die Wiedervernässung
von Mooren wird die Freisetzung großer Mengen von Kohlendioxid
und Stickstoff
verhindert.
In der Vaterrolle, da sehe ich
die politisch Verantwortlichen, wie die Bürgermeister,
Ortsvorsteher, die meisten Mitglieder der Gemeinderäte, den
Stiftungsrat, dann die 41 Mitglieder aus verschiedenen
regionalen und nationalen sowie privaten Institutionen, welche
die
Projektbegleitende Arbeitsgruppe (PAG) bilden.
Deren Stimme sagt:
„Bleib ruhig, mein Bürger, bleib
ruhig. Das ist deine erste Pflicht. Es geschieht dir nichts. Es
wird alles gut.
Der Erlkönig, die Moorgeister und Elfen, das sind alles gute
Leut‘. Die wollen nur das Beste für euch, Bürger aus Waldbeuren,
Burgweiler und Laubbach“.
Dann das Kind aus Goethes
Gedicht. Es ist der eindeutige Verlierer:
„Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.“
Mit dem Kind in Goethes Gedicht ist vergleichbar:
• Die
Riedanwohner. Konkret: Die Bürger von Waldbeuren, Burgweiler und
Dichtenhausen
• Die Natur und Landschaft
• Der Steuerzahler
Auch der Allgemeinheit wird
dieses traurige Schicksal angedroht, denn im Internet wird von
den Moorgeistern gewarnt:
Achtung Legensgefahr!
Eine Begehung der wiedervernässten Bereiche ist
lebensgefährlich!
Das heißt für Ostracher Bürger,
wenn sie einen sonntäglichen Spaziergang oder Radausflug ins
Pfrunger-Burgweiler Ried unternehmen, dass sie dieses
Naturerlebnis eventuell mit dem Tode bezahlen müssen, so wie der
Knabe in Goethes Gedicht „Der Erlkönig“.
Denn es wird ja ausdrücklich gewarnt von den Verantwortlichen
der Stiftung Naturschutz: Achtung – Lebensgefahr!
Und diese Moorgeister, die vor
einem lebensgefährlichen Ausflug warnen, und sich dabei heroisch
Naturschützer nennen, haben sich in einer
Stiftung Großprojekt Pfrunger-Burgweiler Ried
vereinigt, deren Hauptaufgabe es offensichtlich ist, sauer
erarbeitetes Geld der Bauersleut, von Arbeitern und Handwerker
in Millionenhöhe in das Moor hineinzustopfen und dazu noch die
Ried-Anwohner zu ängstigen.
Dann haben wir es mit weiteren,
modernen Moorgeistern zu tun. Es sind allerdings keine aus
Fleisch und Blut, sondern aus Glas und hartem Stahl.
Der eine von den Moorgeistern, der verursacht einen Höllenlärm,
wenn fliegende Baumstämme über das Moor im Pfrunger-Burgweiler
Ried transportiert werden.
Und der andere, ebenfalls ein technisierter Moorgeist, ist
genauso schwergewichtig und mit einem langen Arm ausgestattet,
welcher alle Wasserläufe mit Querbauwerken von bis zu 65 Metern
Breite verriegelt, alles perfekt wasserdicht macht, damit
Pflanzen und Milliarden über Milliarden an Bodentieren sterben,
qualvoll, dafür aber lautlos.
Das ist der Grund, weshalb die
Bürgerinitiative aus Waldbeuren und Burgweiler zu dieser
Veranstaltung heute Abend hier nach Laubbach eingeladen hat, um
zu hinterfragen, ob es überhaupt solche Moorgeister gibt, welche
die jetzige Natur regelrecht ersäufen wollen, um eine andere,
ganz spezielle Natur heran zu züchten, die vielleicht einmal in
Hunderten oder gar Tausenden von Jahren entstehen könnte.
Doch das weiß keiner so genau.
Sicher ist nur, dass der
Arbeiter und Bauer mit seiner Hände Arbeit und seinen
Steuergeldern in Millionenhöhe diese Ideologie einiger Weniger
bezahlen muss. Tatsache ist, dass Millionen an Steuergelder
ausgegeben werden, damit eine über Jahrzehnte, ja, sogar über
zwei Jahrhunderte gewachsene Kultur- und Naturlandschaft
ausgelöscht wird.
Aber um einen sicheren
Schülertransport für unsere Kinder von Burgweiler nach
Wilhelmsdorf zu organisieren, dafür ist seit Jahren kein Geld
vorhanden.
Das soll ein normal
denkender, arbeitender und brav steuerzahlender Bürger noch
verstehen!
Werte Bürger aus dem
Ostrachtal, ich verstehe es auf jeden Fall nicht!
Unser Protest
Kommen wir zur Sache. Unser
Protest richtet sich nicht gegen die jahrzehntelangen Bemühungen
des Schwäbischen Heimatbundes (SHB) zur Erhaltung des
Pfrunger-Burgweiler Riedes, welcher bereits 1939 größere
Moorflächen für Naturschutzzwecke erworben hat. Auch die
Leistungen des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) in
Zusammenarbeit mit Patienten und Arbeitstherapeuten der
Suchtklinik und dem Fachkrankenhaus Ringgenhof wissen wir sehr
zu schätzen. Denn wir Bürger und Naturfreunde halten Moore für
äußerst wertvolle Lebensräume.
Und wir treten nachhaltig für den Erhalt „unseres“
Pfrunger-Burgweiler Riedes ein, gestaltet nach unseren
Bedürfnissen und Zielvorstellungen, weil dies unser Wohn- und
Lebensraum bedeutet. Hier sind wir aufgewachsen, hier leben und
arbeiten wir, hier wohnen wir mit unseren Familien und dies ist
unsere angestammte Heimat.
Deshalb wehren wir uns vehement
gegen eine Unterwerfung der Natur durch eine Stiftung, welche
nach jetziger Sachlage für 10 Jahre vorgesehen ist (2002 – 2012)
und deren Mitglieder und Verursacher dann sang- und klanglos
untertauchen und dabei möglicherweise einen nicht finanzierbaren
„Scherbenhaufen“ hinterlassen, welchen dann wir Anwohner von
Burgweiler und Waldbeuren über Jahre und Jahrzehnte wegzuräumen
haben und der Bürger mit seinen Steuergeldern diese unseligen
Hinterlassenschaften bezahlen muss.
Es ist eine seit Jahrtausenden
vom Menschen gemachte Erfahrung, dass die Natur nicht alles mit
sich machen lässt. Bei allem Willen zur Herrschaft über sie,
über Nacht aus Wiesen und Wäldern, aus einem Niedermoor ein
Hochmoor im Pfrunger-Burgweiler Ried schaffen zu wollen, das
kann ein Frevel an der Natur sein.
Wenn jemand nur einfache, elementare Kenntnisse über
Naturprozesse besitzt, so wie es meine Generation vor rund 60
Jahren im Fach Naturlehre an der damaligen Volksschule in
Ostrach von unseren verehrten Lehrern Martin Bucher, Hans Mayer
und Fidelius Teufel gelernt hat, dann muss man sich der
Natur anpassen und man muss vor allem mit ihr schonend umgehen.
Wenn das aufgrund einer ideologischen Verbrämtheit nicht
eingesehen wird, dann kommt es unweigerlich zu Katastrophen.
Welche Katastrophen ereignen
sich
durch die Vernässung?
Die erste Katastrophe, welche
durch die Vernässung angerichtet wird, wird von der
Allgemeinheit nicht bemerkt, weil sie sich lautlos, aber
qualvoll vollzieht. Es ist die Bodenzerstörung.
Das Leben im Boden ist bekanntlich unvorstellbar vielfältig und
artenreich. Bereits in einem Fingerhut, gefüllt mit Erde,
befinden sich mehrere Milliarden von Lebewesen. Denn der
Boden ist das größte Reservoir für biologische Vielfalt auf
unserer Erde.
Boden und die darin
lebenden Organismen gehören untrennbar zusammen. Dies ist ein
Grundgesetz der Biologie.
Der Boden, so wie wir ihn
vorfinden, ist weitgehend ein Produkt seiner Bewohner. Und ein
gesunder Boden hat Hohlräume, die für das Leben darin und für
einen ständigen Stoffaustausch, wie zum Beispiel den
Luftaustausch , zwingend notwendig sind.
Durch die Vernässungsaktionen
wird die Bodengare und damit die Bodenbiologie in wenigen
Augenblicken nahezu vollständig zerstört. Innerhalb kürzester
Zeit wird ein auf Sauerstoffbasis aufgebautes Edaphon, also das
Bodenlebewesen, regelrecht zerstört und in ein
lebensfeindliches, anaerobes Milieu umgewandelt, in ein Milieu
ohne Luftsauerstoff. Die biologische Aktivität des Bodens wird
erheblich beeinträchtigt, indem die Tätigkeit der vorwiegend
aerob lebenden Mikroflora wie die Nitratbildner,
Stickstoffsammler, Schwefelbakterien und vieles anderes, ebenso
wie die der Bodentiere massiv gehemmt wird.
Myriaden, das heißt unendlich viele Bodenlebewesen werden durch
die Vernässung abgetötet bis hin zu den Kleinsäugern, die
lautlos, aber qualvoll durch die
High-tec-Hubschraubervernässungsaktionen sterben.
Für uns Naturfreunde aus
dem Ostrachtal ist das eine Vergewaltigung der Natur, weil hier
Leben vorsätzlich zerstört wird.
Auch verstößt die Riedstiftung gegen bestehende Gesetze, wie dem
Bundesnaturschutz-Gesetz, weil hier zum Beispiel geschützte
Bodentiere und Kleinsäuger getötet werden sowie die
Lebensgrundlage für geschützte Pflanzen entzogen wird.
Naturfreunde aus dem Ostrachtal
wissen, dass die Stabilität im Landschaftshaushalt weitgehend
durch biologische Vielfalt in der Landschaft gewährleistet wird.
Vielfalt, das bedeutet eine gewisse Mannigfaltigkeit von
Biotopen und damit ein Reichtum an Pflanzen- und Tierarten.
Durch die Vernässungsaktionen werden zahlreichen Tieren und
Pflanzen ihr angestammter Lebensraum durch die Vernässung brutal
zerstört. Und es sind eine große Anzahl an Tieren und Pflanzen,
welche als gefährdet oder stark gefährdet auf den „Roten Listen“
aufgeführt sind und damit gesetzlich geschützt werden müssen.
Die biologische Vielfalt
wird durch die Vernässung erheblich zusammenbrechen, was auch
die berechtigten Bedenken des Kreisnaturschutzwartes sind.
Doch die Moorgeister der
Riedstiftung sind da anderer Meinung. Es muss alles platt
gemacht werden, mit Kosten in Millionenhöhe an Steuergeldern,
damit Sonnentau, Wollgras und Torfmoos gedeihen können, was
jedoch niemand garantieren kann und eventuell bis zu mehreren
tausend Jahren für das Aufwachsen des Moores dauern kann, wie
der Moor-Experte Dr. Alois Kapfer seinem Buch „Sümpfe und
Moore“ auf Seite 12 beschreibt. Er schreibt, dass unter
bestimmten Bedingungen, und ich zitiere jetzt wörtlich aus dem
Buch von Dr. Kapfer „so können daraus leicht 10 000 Jahre
werden.“
Viele von Ihnen wissen, dass Dr. Kapfer ein anerkannter Fachmann
auf diesem Gebiet ist und selber den Pflege- und
Entwicklungsplan (PEPL) für die Ried-Stiftung
Pfrunger-Burgweiler Ried erstellt hat.
Ganz allgemein, der Beginn der Moorbildung des
Pfrunger-Burgweiler Riedes reicht bis in die Anfänge der
Nacheiszeit vor über 10 000 Jahren zurück. Und dies ist auch der
Grund, weshalb das Bayerische Landesamt für Umwelt in ihrer
Broschüre „Entwicklungszeiträume von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen – Arbeitshilfen zur Entwicklung und Erhaltung
von Ökoflächen“ regelrecht auf den Seiten 6 und 7 davor warnt,
Hochmoore wieder herzustellen.
Ich halte einige dieser Broschüren für Interessierte kostenlos
bereit.
In der amtlichen bayerischen Broschüre wird regelrecht mit drei
Ausrufezeichen davor gewarnt, zu versuchen, Hochmoore wieder
herzustellen, weil sie als „nicht regenerierbar“
deklariert werden.
Die Begründung ist, weil das Wiederherstellungsrisiko von
Hochmooren von vielen Faktoren abhängig ist, welche vom Menschen
überhaupt nicht beherrschbar sind. Und je länger ein Lebensraum
zur Entwicklung benötigt, wie beim Hochmoor von mehreren tausend
Jahren, umso größer ist sein Wiederherstellungsrisiko
und umso unsicherer ist der Erfolg.
Was heißt das im Klartext?
Es werden Steuergelder in
Millionenhöhe ausgegeben, um eine über Jahrzehnte gewachsene
Natur- und Kulturlandschaft mit hoher biologischer Vielfalt
auszulöschen, damit eine eventuelle ganz spezielle,
hochspezialisierte und höchst anfällige monotone Vegetation mit
einem extrem hohen Herstellungsrisiko in etwa 10 000 Jahren
entstehen könnte.
Jeder normal denkende Mensch würde ein solches Ansinnen als
absurd bezeichnen. Doch es sind ja „nur“ die Steuergelder des
arbeitenden Menschen, welche da in einer verantwortungslosen
Weise für Hubschrauber-Vernässungsaktionen und sehr kostspielige
Oberflächen-vermessungen für ein digitales Terrainmodell per
Flugzeug durchgeführt wurden, man eine Brücke für 300 000 Euro
baute und hinterher feststellte, dass sie für den
landwirtschaftlichen Einsatz um einen halben Meter zu schmal
ist, während auf der anderen Seite der Staat mit fast 2
Billionen Euro verschuldet ist.
Dürfen moderne Moorgeister und
Elfen derart verantwortungslos mit dem Geld des Bürgers umgehen?
Ich meine, über diese zentrale Frage sollte jeder Einzelne
einmal nachdenken.
Zur Gesundheit der Bürger von
Waldbeuren und Burgweiler
Durch die Vernässung wird sich
das Mikroklima für die Bewohner von Waldbeuren und Burgweiler
erheblich verschlechtern. Dicke Nebelschwaden hängen an vielen
Tagen des Jahres schwer über dem morastig riechenden Boden. Die
Sicht wird im Frühjahr und Herbst gerade mal ein paar Meter weit
reichen und selbst wenn die Sonne ab und an mal durchbricht,
bekommt man dann im Landschaftsbild einige verkrüppelte Birken
zu sehen.
Die Schnakenplage im Sommer wird
für die Bewohner zum Alptraum und die Atemwegserkrankungen der
hiesigen Bevölkerung wird aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit
eindeutig zunehmen.
Das Grundwasser wird durch Schwermetall-Ionen sowie toxische
organische Derivate aufgrund der einsetzenden Anaerobie der
Bodenhorizonte kontaminiert und damit besteht auch die
berechtigte Sorge, dass die Trinkwasser-Qualität abnimmt.
Die Atemluft wird durch die entstehenden Faulgase aufgrund der
Vernässung durch toxische Gase verunreinigt, vor allem durch das
giftige Gas Schwefelwasserstoff und das globale Klima wird durch
die Entstehung von Treibhausgasen wie Kohlenstoffdioxid, Methan,
Wasserstoff, Schwefelwasserstoff, Stickoxide wie das Lachgas
N2O geschädigt.
Alternativen zur geplanten
Vernässung
Um das Moor zu konservieren,
würde der logisch denkende Mensch in der Tal-Aue der Ostrach
beginnen, einmal aus topographischen Gründen und zum anderen,
weil dort die größte Moormächtigkeit von bis zu 8 Metern
vorliegt. Die technische Durchführung in der Bachaue ist relativ
einfach, weil man hier sämtliche Drainagegräben „kippen“ und zu
Senken ausbilden kann. Dadurch wird der Wasserhaushalt
verbessert (Infiltration), der Natur- und Landschaftsschutz
durch Biotop-Vernetzung ökologisch aufgewertet, die
Biodiversität durch Schaffung neuer Lebensräume erheblich
erweitert. Es werden Retentionsräume geschaffen und damit ein
signifikanter Beitrag zum präventiven Hochwasserschutz
geleistet, damit flussabwärts Hochwasserschäden vermieden
werden.
Die Grünlandfluren werden den Bauern mehr Ertrag liefern und die
Befahrbarkeit durch die landwirtschaftlichen Maschinen wird
verbessert.
Und es können auch Kosten in einem erheblichen Umfang eingespart
werden. Wir haben eine Kosteneinsparung von mehr als 80 %
gegenüber den bereits jetzt verursachten Kosten abgeschätzt.
Worüber wir uns auch wundern,
ist, dass die klugen Moorgeistger gerade dort mit ihrer Arbeit
beginnen, wo es kaum Moor gibt und wo es viel Geld kostet,
nämlich an der Hanglage, also dort, wo es gut 20 Meter aufwärts
geht und direkt vor der Wohnungstür der Waldbeurener
Dorfbewohner, damit es so richtig Ärger mit der Bevölkerung
gibt und die Kosten für dieses provokative und unsinnige
Abenteuer um ein Vielfaches höher liegen als unten in der Talaue
der Ostrach.
Deshalb kann ich als
Außenstehender gut verstehen, weshalb die hiesigen Dorfbewohner
derart aufgebracht sind und sich gegen eine Vernässung in
unmittelbarer Nähe ihrer Wohnhäuser wehren.
Auch mir sind diese Aktionen seitens der Ried-Stiftung
unverständlich und scheinen mir doch sehr provokativ zu sein.
Ich frage mich auch, weshalb man nicht den einfachen Weg wählte,
sondern einen sehr kostspieligen Weg, führt ein Experiment
durch, aus einem Niedermoor ein Hochmoor zu konstruieren, wovor
Fachleute warnen, beunruhigt und provoziert obendrein noch die
Anwohner des Riedes, was selbstredend zu einer erheblichen
Störung des Dorffriedens beiträgt.
Wo bleibt hier das menschliche Fingerspitzengefühl der
verantwort-lichen Personen aus der Ried-Stiftung?
Meine Damen und Herren, diese
Negativ-Liste lässt sich noch weiter ausbauen und mancher
Fachmann kann hier noch zahlreiche weitere Beweise aufführen,
wie unsinnig und überflüssig diese Vernässungs-aktionen sind.
Doch auf eine Absurdität möchte
ich noch hinweisen:
Hier im Pfrunger-Burgweiler Ried werden große Flächen vernässt,
mit dem Ziel, 200 Jahre menschliche Eingriffe ungeschehen zu
machen und ein Hochmoor zu züchten.
Wenn Sie rund 20 Kilometer
östlich gehen nach Ebenweiler, Eichstegen und Boms, dann finden
Sie am Wegesrand oder entlang der Bundesstraße B 32 zahlreiche
weiß-blaue Schilder auf denen mit schwarzer Aufschrift steht:
Flurneuordnung.
„Hier investiert Europa in die
ländlichen Gebiete im Rahmen des Maßnahmen- und
Entwicklungsplanes Ländlicher Raum Baden-Württemberg 2007 –
2013.
Als weitere Behörden wirken das
Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum Baden-Württemberg
und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz mit.
Und was wird hier mit einem
Millionenaufwand getan?
Es werden unter anderem Moore trocken gelegt, Feuchtgebiete mit
Drainageschläuchen und -rohren entwässert, Bäche und Gräben in
Betonschalen gezwängt, damit das Sicker- und Oberflächenwasser
sehr schnell mit ca. 2 m/sec in den nächsten Bach oder Fluss
abfließen kann. Die nächsten immensen Hochwasserschäden sind
damit flussabwärts eindeutig vorprogrammiert.
Zahlreiche kleinere Weiher und Tümpel in der dortigen Landschaft
sind völlig trocken gelegt worden und ehemaligen Riede sind
jetzt in Ackerflächen für den Maisanbau umgewandelt worden.
Wer soll das noch verstehen?
Hier im Pfrunger-Burgweiler Ried
werden Millionen ausgegeben, um eine Landschaft zu vernässen,
ein paar Kilometer weiter werden ebenfalls Kosten in
Millionenhöhe ausgegeben, um Riede trocken zu legen und daraus
Ackerflächen für den Maisanbau zu machen.
Und eine Moorlandschaft
in eine Ackerlandschaft für den Maisanbau umzuwandeln, das ist
eine der fatalsten Methoden, unser Klima und unsere Natur zu
ruinieren.
Aber das scheint der Wille der EU zu sein, und unsere Bundes-
und Landesministerien unterstützen dabei noch einen solchen
Unfug.
Unser konkreter Protest
Unser Protest richtet sich
ausschließlich gegen die Flurvernässungen in Nachbarschaft von
unseren Wohnsiedlungen und gegen die Vernässung und
Beeinträchtigung von seit Jahrzehnten genutzten
land-wirtschaftlichen Flächen sowie gegen den sorglosen Umgang
öffentlicher Gelder durch die Ried-Stiftung, welche im Jahre
2002 für das Naturschutz-Großprojekt gegründet wurde und vorerst
auf 10 Jahre beschränkt ist.
Bereits jetzt, kurze Zeit nach
den ersten Hubschrauber-Vernässungskampagnen, sind die ersten
Fehlentwicklungen für jedermann zu erkennen und es wird eine
nicht übersehbare und dauerhafte Kostenlawine an laufenden
Betriebskosten in Gang gesetzt, wie sie verhängnisvoller nicht
mehr sein kann.
Wir haben deshalb große Sorge,
wer zukünftig die Landschaftspflege durchführen und bezahlen
soll.
Der Staat als
Landschaftspfleger? - Nicht bezahlbar!
Wir möchten damit zum Schluss unser Anliegen mit drei Worten
zusammenfassen:
Stopp der Riedvernässung!
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Drainagegraben als
Wasserspeicher nutzen
und zusätzliche Lebensräume schaffen
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
Vor dem Hintergrund
eines sich abzeichnenden Klimawandels lohnt es sich, darüber
nachzudenken, inwieweit Drainagesysteme als Wasserspeicher
genutzt werden können und zusätzliche Lebensräume für Tiere und
Pflanzen geschaffen werden.
Der Drainagegraben ist eine Form der Entwässerung zur
Trockenhaltung von meist landwirtschaftlich genutzten Böden und
fand seit Anfang des 19ten Jahrhunderts bis heute in Europa
breite Anwendung. So wurden noch vor rund 50 Jahren etwa 10 000
Hektar Fläche allein in Westdeutschland jährlich neu dräniert.
Die Dränung wird vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt,
damit die Bearbeitungsflächen mit Stau- oder Haftwasser früher
abtrocknen und die Vegetationszeit (früher trocken im Frühjahr,
länger trocken im Herbst) verlängert werden kann, bedingt durch
eine Verbesserung der Belüftung des Bodens und des
Wärmehaushaltes. Das Ziel der Dränung ist, möglichst deutliche
Mehrerträge zu erhalten.
Die Dränung wird auf (Teil-) Flächen durchgeführt, die ohne
Drainage überhaupt nicht landwirtschaftlich nutzbar wären. Dies
ist vor allem unter zunehmendem Maschineneinsatz wichtiger
geworden, da eine Befahrung bei zu hoher Wassersättigung des
Bodens zu erhöhter Bodenverformung führt. Extreme Fahrspuren
sind die sichtbare Folge, weiterhin die Zerstörung der
Porenkontinuität durch Scherung und die Homogenisierung durch
„Kneten“. Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte
Vorflut (= Bach, Fluss) vorausgesetzt, das heißt, der
Drainagegraben muss genügend Gefälle zum abführenden Gewässer
besitzen. In der Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 %
angelegt. Dadurch wird die Wasserbewegung innerhalb des Grund-
und Stauwassers in Richtung auf den nächsten Wasserlauf
beschleunigt und die Fließzeit verkürzt. Für die volle
Wirksamkeit eines Dränsystems mittels offener Gräben sind die
Dräntiefe und der Dränabstand entscheidend.
Die Drainage nimmt also direkten Einfluss auf den
Grundwasserspiegel, auf den Wasserhaushalt und dadurch auch auf
den Stoffhaushalt. Dies sind die Gründe, weshalb die Wirkungen
von Drainagen kontrovers diskutiert werden.
Wassermangel durch Klimawandel?
Studiert man die aktuell vorliegenden Klimamodelle für die
Zukunft in Deutschland, so muss die bisherige Rolle des
Drainagegrabens kritisch hinterfragt werden. Denn nach den
allgemein anerkannten Klimamodellen ist mit verstärkten
Extremwetterereignissen sowie wärmeren und trockeneren Sommern
einerseits und milderen und feuchteren Wintern andererseits zu
rechnen. Diese Phänomene sind derzeit überall in Deutschland und
Mitteleuropa bereits zu beobachten. Unmittelbare Auswirkungen
auf Landwirtschaft, Forstwirtschaft sowie Garten- und Weinbau
sind die Folge. So werden die Bauern und Forstwirte, die Gärtner
und Weinbauern mit einem zunehmenden Wasserdefizit während des
Sommers konfrontiert. Dem gegenüber steht ein Wasserüberschuss
im Herbst, Winter und Frühjahr.
Für die landwirtschaftliche
Produktion bedeutet dies:
Eine intensive
landwirtschaftliche Nutzung kann nur erfolgen, wenn alle vier
Faktoren überreich vorhanden sind. Bei Mangel einer der vier
Faktoren bricht bereits nach wenigen Jahren eine
Überschussproduktion zusammen. Wollen wir auch zukünftig ernten
um uns ernähren zu können, so muss alles getan werden,
fruchtbaren Boden zu erhalten und zu mehren sowie Wasser zu
speichern.
Machen wir uns bewusst, dass lediglich 0,3 % des Wasservorrats
der Erde uns zur Verfügung stehen. Damit stellt sich die Frage,
wie einem zunehmenden Trockenstress in der Vegetationsperiode
einerseits und den zunehmenden Niederschlägen im Winter
andererseits in der landwirtschaftlichen Praxis begegnet werden
kann? |
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Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir
das Wasser in kanalisierten Rinnen möglichst schnell
aus unserem Land herausbringen oder den
Wasser-Rückhalt in der Fläche fördern. |
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Das Wasser vor Ort
zurückhalten
Der grundlegende sowie naheliegende Gedanke ist, das
Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in kanalisierten
Rinnsalen und Drainagegräben in einen Vorfluter abzuleiten,
sondern das Wasser, eines unserer wichtigsten Lebensgüter, von
Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers
zurückzuhalten.
Drainage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit
einem Gefälle zum Vorfluter (= Bach, Fluss) hin verlaufen,
erhalten ein „negatives“ Gefälle. Sie werden „gekippt“ und zur
Senke ausgebildet, um die
Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen
Drainagegraben signifikant zu erhöhen. Die Sohle eines solchen
Grabens, hier Speichergraben genannt, liegt
damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters. Die
Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der
Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder
geomorphologischen Verhältnissen größer. Damit ist
gewährleistet, dass der Speichergraben ganzjährig mit Wasser
gefüllt ist.
Ziel sollte es sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu
reaktivieren und sie als Speichergräben auszubilden, um
möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sogenannte
Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken,
Tümpel, Rigolen, Teiche, Weiher, welche mit dem Vorfluter
vernetzt sein müssen, für eine natürliche
Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden. Man prüfe,
ob alle Maßnahmen zur Verzögerung des Wasserabflusses erfolgt
sind. Denn zugespülte Weiher, verschlammte Gräben und Teiche
oder vermurte Bäche sind nicht mehr für einen Wasserrückhalt
wirksam.
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein
breitflächiges Retentionsnetz aufgebaut, um einen Großteil der
Niederschläge zu speichern. Die hydrologische Vernetzung
der Speicherräume mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung.
Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn
wieder ausreichend Kapazität im Vorfluter gegeben ist. Dann
wirken die Speichergräben als Wasserspender.
Synergien für Natur, Landwirtschaft und Mensch
Die gezielte Speicherung von Niederschlägen und Hochwasser dient
dem Landbau zur Bewässerung, der
Wasserwirtschaft zur Grundwasseranreicherung
(Infiltration) und wirkt als präventiver
Hochwasserschutz, indem die Flutwelle im Vorfluter
gekappt und in die Breite abgeleitet wird. Dadurch wird der
Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt.
Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in
verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird
gefördert und ein Beitrag zur Verringerung der
Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die
Fließgewässer geleistet. Das erhöhte Wasserspeichervermögen
durch das Retentionsnetz und die dadurch reduzierte
Wasserpermeabilität in Böden wirkt erniedrigend auf die
Sickerwassermenge und somit verringernd auf die Auswaschung von
Nährstoffen in die Fließgewässer.
Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes werden
unterstützt und als solche besonders im Sinne der
EU-Wasserrahmenrichtlinie nachhaltig verfolgt.
Der Aufbau eines kleinmaschigen Retentionsnetzes trägt zur
Stabilisierung des Naturhaushaltes einer Landschaft bei. Die
Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird durch den Aufbau eines
solchen Retentionsnetzes erheblich zunehmen. Denn stehende
Kleingewässer, wie krautreiche Gräben, Tümpel und Weiher, sind
Grundlage für weit über 1000 Tierarten, besonders Fische, Vögel,
Amphibien (z.B. Frösche, Kröten, Molche), darunter viele
Kleintiere, und für über 200 Pflanzenarten.
Auch wird eine soziale Verantwortung
hinsichtlich Hochwasserschäden gegenüber den Anwohnern
flussabwärts wahrgenommen. Denn Schadenshochwasser zu vermeiden
gebietet die Menschlichkeit.
So kann die technische
Umsetzung aussehen
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits
Drainagegräben vorhanden, vielfach auch in Waldstandorten,
jedoch mit einem Gefälle zum Vorfluter hin ausgebildet und nicht
als Senke ausgelegt. Diese bereits vorhandenen Drainagegräben,
welche meist entlang den Parzellengrenzen verlaufen,
beanspruchen in der Regel ca. 1 bis 2 % der land- und
forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit einfachen
technischen Mitteln, so mit einem Minibagger, zu Senken (=
Speichergräben) ausgebaut werden. Die Kosten für das Anlegen
eines Speichergrabens liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro
lfd. Meter. Alle 8 bis 10 Jahre muss eine Entschlammung der
Speichergräben sowie der anderen Rückhalteräume durchgeführt
werden. Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die
Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der
Grabensohle 1 Meter betragen. Am Ende kann durch Aufweitung und
Vertiefung des Speichergrabens ein Tümpel für die
Wasserentnahme zur Bewässerung der Felder entstehen. Bewährt
haben sich Wasserflächen von 20 bis 100 Quadratmetern und einer
Tiefe von 1 bis 2 Metern. Sehr schnell wird ein solcher Tümpel
von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt und ohne Zutun des
Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“. Wasservögel
besuchen ein solches Biotop stundenweise und selbst Bachforellen
gehen dort auf Froschfang. Es bildet sich eine sogenannte „Natur
aus zweiter Hand“. |
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Ein Beispiel für einen naturnah
geschaffenen Retentionsraum durch Ausbau eines
ehemaligen Drainagegrabens zu einem Speichergraben
und Aufweitung am Grabenende zu einem Tümpel. Hier
können, je nach Grabenlänge, mehrere 100 m³ Wasser
gespeichert werden und darüber hinaus entsteht ein
neuer Lebensraum für eine Wasserfauna und
Wasserflora. |
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Speichergraben mit
bivalenter Funktion: Wasserspeicher und Wasserspender
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei
extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke
ausgebaute Speichergraben als Wasserspeicher.
Zum Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in
solchen Speichergräben, je nach Länge, mehrere 100 Kubikmeter an
Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser Wassermengen
stehen den Feldern und der Vegetation ganzjährig zur Verfügung.
Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten kann während der
Vegetationsperiode in den Sommermonaten für eine Bewässerung
sinnvoll genutzt werden. Die konstante, ganzjährige
Wasserversorgung durch die Speichergräben bedingt eine
weitgehend geregelte Evapotranspiration aufgrund des kapillaren
Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen konventionellen
Drainagegräben bricht dieses wichtige Wasserversorgungssystem
durch den kapillaren Aufstieg insbesondere in den Sommermonaten
aufgrund von Wassermangel zusammen, was zu einer Austrocknung
des Oberbodens führt, wie beispielsweise bei der Krume von
Ackerböden oder dem durchwurzelten Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Speichergraben in den Sommermonaten
überwiegend die Funktion eines Wasserspenders,
indem Wiesen und Äcker durch den kapillaren Aufstieg bewässert
werden. Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der
Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies ist besonders
dann sinnvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit nach der
Heuernte auftritt und der Boden bei starker Sonneneinstrahlung
und geringem Schutz durch die Pflanzendecke besonders schnell
austrocknet. Landwirte und Agrar-Experten kennen die Bilder aus
den Grünlandgebieten, wo in solchen Fällen über Wochen hinweg
fast keine Phytomasse-Entwicklung stattfindet.
Weiterhin führt der hier seit rund 40 Jahren aus der Praxis
heraus entwickelte Speichergraben zu einer Verbesserung
der Dränung und damit besseren Durchlüftung
des Bodens, weil die Absenkungstiefe des
Speichergrabens über die gesamte Länge konstant bleibt im
Gegensatz zum konventionellen Drainagegraben, bei welchem die
Absenkungstiefe aufgrund des Gefälles der Grabensohle
kontinuierlich abnimmt und am Grabenende gegen Null geht. Dabei
ist die Luft im Boden ein wesentlicher Wachstumsfaktor und
ebenso wichtig wie das Wasser. Die Atmung der Pflanzenwurzeln,
das bedeutet Aufnahme von Luftsauerstoff, ist eine elementare
Vorbedingung für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen durch
die Pflanze.
Die erhöhte Durchlüftung des Bodens führt auch zu einer
Verbesserung des Wärmehaushaltes. Entwässerte Böden sind wärmer,
einerseits wegen des geringeren Wärmeentzugs durch Verdunstung ,
wie andererseits durch eine verringerte Wärmespeicherkapazität.
Damit in Zusammenhang steht eine erhöhte Aktivität von
Bodenorganismen und insgesamt eine Gefügeverbesserung des
Bodens.
Deshalb darf die Frage erlaubt sein, ob die seit rund 200 Jahren
auf den land- und forstwirtschaftlichen Kulturflächen
millionenfach angelegten Drainagegräben richtig konzipiert sind,
wenn sie während den Sommermonaten, also genau zur
Hauptvegetationszeit, meistens kein Wasser führen und in den
niederschlagsreichen Monaten die Dränung und Durchlüftung des
Bodens nicht optimal sind.
Was unterscheidet den
Drainagegraben vom Grabenspeicher?
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Drainagegraben und
Grabenspeicher liegen im Wasserhaushalt und dem
Wasserspeichervermögen begründet, weiterhin in der ökologischen
Bedeutung.
Während der Grabenspeicher sich durch eine permanente
Wasserspeicherung auszeichnet (perennierendes Gewässer), liegen
beim Drainagegraben stärkere Wasserstandsschwankungen und
gelegentliches, im allgemeinen periodisches, längeres
Trockenfallen vor (temporäres Gewässer). Das
Wasserspeichervermögen im Grabenspeicher kann je nach Bauart um
bis zu Faktor 20 höher sein als im konventionellen
Drainagegraben.
Der Grabenspeicher führt als perennierendes (ausdauerndes)
Gewässer ganzjährig Wasser und ist somit in der Lage, eine
dauerhaft eigenständige aquatische Lebensgemeinschaft zu
beherbergen. Aquatische Pflanzen mit einer längeren, teilweise
mehrjährigen Entwicklung im Wasser kommen nur hier vor und
fehlen weitestgehend in den periodisch austrocknenden
Drainagegräben. Analoges gilt weitgehend auch für die Aquafauna.
Dies sind Gründe für die hohe ökologische Bedeutung der
Grabenspeicher.
Wasser – das
Lebenselement der Erde
Es bedarf keiner langen Worte, um die Bedeutung des Wassers im
menschlichen Leben, ja im Leben überhaupt, klarzumachen. So ist
Wasser die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Pflanzen, Tiere
und Menschen könnten ohne Wasser nicht existieren, wären ohne
Wasser nie entstanden.
Was der Mensch durch den Wasserbau gefährdet hat und durch den
Klimawandel verstärkt wird, mündet in einen Wassermangel in
Europa. Sauberes Wasser droht zu einem knappen Gut zu werden.
Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz“ postuliert
werden:
Das Wasser
zurückzuhalten, muss oberste Priorität haben.
Das Lebenselement Wasser steht
dabei stellvertretend für alle natürlichen Rohstoffe. Wir müssen
lernen, mit unseren Lebensgrundlagen vernünftig und
haushälterisch umzugehen. |
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Bald kein Hochwasser mehr in Bad Saulgau?
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
Fast jeder Ort in Deutschland und selbst in Mitteleuropa ist von
Hochwasser bedroht. Für Gebäude und Anlagen in der Nähe von
Gewässern besteht diese Bedrohung regelmäßig, aber auch Bereiche
weitab von Wasserläufen und Seen sind vor Überschwemmungen
durch Sturzfluten nicht sicher.
So stand vor gut 80 Jahren auch der Saulgauer Marktplatz
kniehoch unter Wasser. In den letzten Jahrzehnten häuften sich
die Hochwasser in Bad Saulgau. Nahezu regelmäßig wurden das
Berufsschul-Zentrum, die Hummel-Schule, der Kindergarten und
verschiedene Privathäuser durch das Hochwasser des vorbei
fließenden Stadtbaches („Sießener Bächle“) überschwemmt.
Und dann kommen gebetsmühlenartig dieselben Forderungen: “Gebt
dem Bächle mehr Raum!“. Die weiteren, üblichen Rufworte sind
„Renaturierung“ und „Mäanderung“. Dabei soll immer der Staat,
das Land, die Stadt machen, helfen und bezahlen. Doch wer ist
der Staat, das Land, die Stadt? Das sind wir doch alle!
Das war das Motiv einiger Weniger, selber Initiative zu
ergreifen und nach Lösungen zu suchen, damit nicht regelmäßig
die kommunalen und privaten Gebäude entlang des Stadtbaches
überschwemmt werden. Denn die angerichteten Schäden sind immens,
insbesondere wenn die Energieräume im Keller des Schulzentrums
voll laufen. Falls die bisherige Folge des Zehnjahres-Rhythmus
an Hochwasserschäden in Bad Saulgau anhält, dann tritt
spätestens bis zum Jahre 2016 wieder ein Hochwasser auf, was
sicherlich keiner wünscht. Im Sommer 1996 gab es
Hochwasser-Schäden durch die große Sturzflut, dann zu Winterende
2006 durch die Schneeschmelze und hoffentlich im Jahre 2016 nur
noch ein „normales“ Hochwasser ohne jegliche Schäden.
Für die Initiatoren war klar: Jeder Euro, der in eine
Hochwasserschutzmaßnahme gesteckt wird, kann Schäden in
vielfacher Höhe verhindern. Nur: Welche Vorsorge ist richtig und
welche ist überhaupt machbar?
Seit mehr als 30 Jahren wird in der Stadtverwaltung von Bad
Saulgau diskutiert, geplant, verworfen und nach einer
Hochwasser-Katastrophe von neuem geplant. Die letzten Planungen
ergaben ein Rückhaltebecken für ein Volumen von ca. 100 000
Kubikmeter Niederschlagswasser und einer Deichhöhe von ca. 4
Metern. Doch so einen hohen Damm direkt vor den Fenstern wollte
von den meisten Saulgauern keiner. Und so wurde seit kurzem nach
Alternativen gesucht.
Stephan Burth aus Bad Saulgau, Student für Bauingenieurwesen an
der Hochschule in Biberach, hat sich auf Anregung seines
Professors Dr.-Ing. Anton Nuding spontan bereit erklärt, nach
Alternativen für einen Hochwasserschutz zu suchen.
Drei Dinge waren wichtig:
- ein effektiver Hochwasserschutz muss für Bad Saulgau mit
geringsten finanziellen Mitteln realisiert werden,
- der miserable ökologische Zustand des Sießener und
Zeller Baches muss verbessert werden,
- das Sießener Tal als bevorzugtes Naherholungsgebiet der
Saulgauer Bevölkerung darf nicht beeinträchtigt werden. Ein
Staudamm von 4 Metern Höhe soll hier nicht gebaut werden.
Selbst für einen professionellen Wasserbauingenieur ist es
keineswegs einfach, die Wassermassen von ca. 100 000 Kubikmeter,
welche bei einem Hochwasser im Sießener Tal im Extremfall
entstehen können, zu speichern.
Student Burth schnürte seine Stiefel und untersuchte das gesamte
Einzugsgebiet des Sießener und Zeller Baches mit besonderem
Augenmerk auf Mulden, Gräben, Senken und Tümpel, um diese mit
der Vorflut, also dem Bach, zu vernetzen. Dadurch werden
natürliche Stauräume, sog. Retentionsräume, für das Hochwasser
geschaffen. Dabei hat der Student alle möglichen Maßnahmen
„abgeklopft“ und kam auf ein beachtliches natürliches
Retentionsvolumen von ca. 20 000 Kubikmeter, welche dezentral im
Einzugsgebiet von 7,8 Quadratkilometern bei Hochwasser
zurückgehalten werden können. Dies ist wohl keine
Komplett-Lösung für das Hochwasser-Problem in Bad Saulgau, aber
mit dieser einfachen, ökologisch sinnvollen Methode und mit
geringen finanziellen Mitteln könnten die regelmäßig
auftretenden Hochwasserschäden weitgehend in Griff gebracht
werden. Klar muss auch sein, dass es einen absoluten
Hochwasserschutz nicht gibt.
Stephan Burth wurde bei seiner ehrenwerten Tätigkeit für die
Saulgauer Bevölkerung nicht alleine gelassen. Die gesamte
Verwaltungsspitze der Stadt unterstützte die Untersuchungen des
angehenden Bauingenieurs, allen voran Frau Bürgermeisterin Doris
Schröter, Stadtbaumeister Peter Kliebhan, der Leiter des
Tiefbauamtes, Herr U. Michelberger und der Umweltbeauftragte,
Herr Thomas Lehenherr.
Der ödp-Kreisverband Sigmaringen unterstützt natürlich dieses
sinnvolle Projekt, bei welchem es nicht nur um einen präventiven
Hochwasserschutz geht, sondern zugleich auch neue Biotope im
Einzugsgebiet des Sießener und Zeller Baches entstehen würden.
Auch wünschen wir uns, dass dieses Projekt bald umgesetzt wird
und die profunde Projekt-Studie der Hochschule Biberach nicht in
einer Schreibtisch-Schublade abgelegt wird.
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Auf einen Nenner gebracht:
„Breitwasser statt Hochwasser!“
-
Mehr Raum für Flüsse und Auen -
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
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Hochwasser-Katastrophen verursachen Jahr
für Jahr in Deutschland immense Schäden, zum Teil in
Milliardenhöhe. Menschliche Fehlplanungen und Handlungen,
Missachtung hydrologischer Bilanzierungen und ökologischer
Sachverhalte sind oft die Ursachen für die immer gewaltiger
werdenden Auswirkungen beim letztlich nicht verhinderbaren
Naturereignis Hochwasser. Nicht Hochwasser, sondern die
Schadenshochwasser müssen von vornherein vermieden werden.
Wir leben in einer Zeit, in der sich bisherige Wertmaßstäbe oft
innerhalb weniger Jahre ändern. Besonders deutlich wird dies in
unserem Verhältnis zum Wasser. Jahrtausendelang war das Wasser
ein Feind des Menschen. Natürlich – man trank es, man wusch sich
darin, man tränkte das Vieh und betrieb die Wasserräder zur
Energiegewinnung. Aber was die Grundhaltung der Menschen
bestimmte, waren nicht diese alltäglichen
Selbstverständlichkeiten, sondern die zerstörerische Kraft des
Wassers: Sturmfluten, die die Deiche an den Küsten
überspülten, Überschwemmungen im Binnenland, die Behinderung
der Transportwege durch Flüsse und Sümpfe, die Schwierigkeiten
bei der Kultivierung der Moore. Die Besiedlung Mitteleuropas ist
gleichzeitig auch eine Geschichte des Kampfes gegen das Wasser:
Flüsse wurden in ein neues, schlauchartiges Bett gezwängt,
Deiche immer höher aufgeschüttet, viele Bäche fließen inzwischen
in unterirdischen Röhren, und frühere, großflächig feuchte
Gebiete, wie die Moore, sind bis auf wenige Reste trockengelegt
und werden von der Landwirtschaft genutzt.
Wasserbau und Kulturmaßnahmen
Der Wandel zur modernen Landwirtschaft wirkte sich in allen
Bereiche der Landnutzung aus, besonders aber im Wasserbau. Zu
Beginn des 19-ten Jahrhunderts sind nahezu alle Gewässer in
Mitteleuropa systematisch korrigiert worden. Die stark wachsende
Bevölkerung benötigte Nahrungsmittel und Energie. Es ging darum,
so viel Kulturfläche wie möglich für den landwirtschaftlichen
Anbau zu gewinnen. Unberührte, unkultivierte Natur – das war
eine brachliegende Ressource, geradezu ein Frevel!
Diese gesellschaftliche Notwendigkeit veränderte unsere
Landschaft und führte zu begradigten, oft sterilen
Gewässerstrecken. In vielen Fällen geplant, ausgeführt,
zumindest aber begleitet durch die staatliche
Wasserwirtschaftsverwaltung bzw. deren damalige Vorläufer und
durch die Flurbereinigungsbehörden.
Die großen Flusskorrekturen des 19-ten
Jahrhunderts dienten noch vorwiegend oder ausschließlich der
Schifffahrt, später auch zur Nutzung der Wasserkraft. Die
Flussbegradigung hatte praktisch keinen Einfluss auf Häufigkeit
und Stärke der Hochwasser, außer dass die Flut schneller
flussabwärts vorankam, dafür aber auch schneller wieder ablief.
Erst die massive Eindämmung der Flüsse in ihren früher
weitläufigen Auen bewirkte ein starkes Ansteigen der
Hochwasser-Höhen, weil sich die Pegel-Durchfluss-Beziehungen zu
Ungunsten des natürlichen Abflussgeschehens veränderten. Die
einst regelmäßig, aber unvorhersehbar überschwemmten Auen, die
nur als Weideland genutzt werden konnten, ließen sich jetzt
durch die Damm- und Deichbauten in Ackerland und nutzbares
Bauland umwandeln. Ein regelrechter Erschließungsboom setzte
ein, weil Bauland in den Flussauen in der Regel attraktiv (weil
in Flussnähe), einfach zu nutzen (weil eben) und billig ist.
Innerhalb weniger Jahre verwandelten sich dann die ehemaligen
Flussauen zu Siedlungs- und Industriegebieten. Diese neue
Landnahme entzog den Flüssen ihre Überschwemmungsflächen. Die
Seitenausdehnung der Wassermassen war durch den Fluss- und
Tal(Auen)-Verbau massiv beeinträchtigt und ließ die Pegelstände
erhöhen. Das verschärfte die Hochwasser in den am Fluss
gelegenen Städten ganz erheblich, weil flussaufwärts die
Rückhalteräume fehlten. Hier wurden und werden in der Bau- und
Landnutzungsplanung regelmäßig Fehler gemacht mit teilweise
verheerenden Auswirkungen.
So hat sich die Anzahl der einem möglichen Hochwasser
ausgesetzten privaten Gebäude sowie der gewerblichen und
industriellen Anlagen seit Beginn des 20-sten Jahrhunderts
erheblich vergrößert. Durch die Ansiedlung des Menschen in
Gewässernähe und der damit verbundenen Anhäufung von riesigen
materiellen Werten sind jetzt enorme Hochwasserschäden die
Folge. Verheerende Schäden an Privateigentum, kommunalen
Gebäuden, Kulturdenkmälern, Infrastruktur und
gewerblich-industriellen Einrichtungen sowie an Kultur- und
Naturflächen sind zu beklagen. Durch die Wasserfluten werden
Menschenleben bedroht und Arbeitsprozesse behindert. Kurzum,
immense Werte werden vernichtet.
Hauptursachen für Hochwasser-Katastrophen
Die weitaus größeren Veränderungen erzeugte jedoch der Ausbau
der Gewässer dritter Ordnung (kleine Flüsse, Bäche, Gräben) im
Rahmen des landwirtschaftlichen Wasserbaus. Generationen von
Wasserbau-Ingenieuren haben daran gearbeitet, das Wasser immer
schneller aus unserem Land herauszubringen. So wurde ein
Großteil der kleinen Flüsse, Bäche und sogar Rinnsale oder auch
nur zeitweise Wasser führenden Gräben mit immensem Aufwand an
Geld so ausgebaut, dass das Niederschlags- oder Sickerwasser
schnellstmöglich ab- und in die großen Flüsse eingeleitet wurde
(„Beschleunigungsrinnen“). Damit erhöhte sich die
Entwässerungsgeschwindigkeit von früher 1 m/h auf heute bis zu
4000 m/h, zusätzlich bedingt durch eine verringerte
Wasseraufnahme-Kapazität von Böden und Wäldern sowie eine stetig
zunehmende Bodenversiegelung. Dadurch laufen die
Hochwasserwellen tendenziell erheblich schneller ab und bilden
immer höhere Spitzen.
Ziel der Kulturmaßnahmen war es, auf allen landwirtschaftlichen
Produktionsflächen auch möglichst gleichartige
Produktionsbedingungen zu schaffen. Standortnachteile sollten
behoben werden. Frühere Grenzertragsflächen, deren
Bewirtschaftung im Vergleich zum Aufwand kaum Erträge erwarten
ließ, konnten durch die Kulturmaßnahmen in die
landwirtschaftliche Produktion mit einbezogen werden. Das Ziel
der Flurbereinigung war seit den 1950-er Jahren, die Landschaft
zu maschinenbefahrbaren Produktionsstätten umzugestalten. Daher
sind überall dort, wo neuzeitliche Flurbereinigungen
durchgeführt worden sind, die Elemente der traditionellen
Kulturlandschaft - vor allem die der dritten Dimension wie
Raine, Hecken, Feldgehölze, Mulden, Senken, Gräben, Teiche u. a.
- abgetragen bzw. aufgefüllt worden.
Als eine der Hauptwirkungen dieser landesweiten Entwässerung der
Fluren verschwanden weithin die Unterschiede in den
Lebensbedingungen der Natur. Besonders groß wurden die Verluste
bei den Feuchtgebieten. Moderne, von starken Motoren getriebene
Maschinen ermöglichten die Entwässerung von Mooren, Feuchtwiesen
und Sümpfen. Die Verlegung von Drainagerohren und das
Ausbetonieren von Abzugsgräben gehörten zum Standard des
Kulturwasserbaus. Der Ausbau der Gewässer dritter Ordnung
verschlang jene Summen an Steuermitteln, die dringend benötigt
worden wären, die Hochwasser-Probleme bleibend zu lösen. |
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Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir
das Wasser in kanalisierten Rinnen möglichst schnell
an die Unteranlieger weiterleiten oder den
Wasser-Rückhalt in der Fläche fördern und dadurch
neue Lebensräume für eine Gewässerfauna und –flora
schaffen. |
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Auewälder wurden gerodet. In der Zeit von
1950 - 1975 verloren die mitteleuropäischen Flüsse den größten
Teil der noch verbliebenen Auen. Seither gibt es
durchschnittlich nur noch etwa 5 Prozent der früheren
Auwaldflächen des unregulierten Zustandes. Auwälder, Sümpfe und
Moore gehören zu den ganz großen Verlierern in der Umgestaltung
der mitteleuropäischen Landschaften.
Ein Großteil der Hochwasser-Schäden, die Ende des 20-sten
Jahrhunderts und vor allem in den letzten Jahren zustande
gekommen sind, beruht auf diesen Maßnahmen. Für wenige Hektar
hochwasserfrei angelegter Auen, die landwirtschaftlich genutzt
werden können, haben die Anwohner flussabwärts und die
Steuerzahler insgesamt unverhältnismäßig hohe Schäden
abbekommen. Niederschläge normaler Größenordnungen, die
keineswegs über Regenmengen früherer Jahrhunderte hinausgehen,
schwellen zu nicht mehr kontrollierbaren Fluten an, weil
praktisch alle Rinnsale, Gräben, Bäche und Flüsse das Wasser
schnellstens ableiten. Die eingeschnürten Flüsse können diese
Fluten natürlich nicht mehr fassen. Hinzu kommt oftmals ein
weiteres Problem: Wenn sich die Hochwasserscheitel von
Nebenflüssen mit dem des Hauptflusses ungünstig überlagern, dann
führt dies zu einem Staueffekt mit immer dramatischeren
Überschwemmungen. Diesen Staueffekt kann man beispielsweise
jährlich in der bayrischen Donau-Stadt Passau beobachten. Denn
hier fließen bekanntlich drei Flüsse aus drei Himmelsrichtungen
zusammen: Donau, Inn und Ilz. Hier muss die Flut förmlich über
die Ufer springen. Damit sind Hochwasser-Katastrophen oftmals
von Menschen gemachte Schadenskatastrophen.
Geht man der Frage nach, wie viele Fließgewässer es in
Deutschland gibt, und hierbei nur die natürlichen
Gewässersysteme berücksichtigt, wie sie in den Topographischen
Karten 1 : 25.000 enthalten sind, gibt es allein in Deutschland
etwa 680.000 Kilometer Fließgewässerstrecken. Rechnet man die
zahlreichen kleinen, künstlichen Fließgewässer wie Gräben,
Kanäle usw. hinzu, kommt man auf eine Gewässerlänge von über
einer Million Kilometern.
Dieses riesige Potenzial an unzähligen kleineren
Fließgewässern mit ihren Regulierungen bewirkt in ihrer
Akkumulation der Abflussmengen und Abflussgeschwindigkeiten die
eigentlichen Hochwasser-Katastrophen.
Die hohe Bedeutung gerade dieser kleinen Fließgewässer ist in
der Vergangenheit ausnahmslos missachtet worden. Denn vor allem
kleinere Gewässer mit einem hohen Anteil an versiegelten Flächen
können sich innerhalb kurzer Zeit in reißende Flüsse verwandeln,
bei denen der Wasserstand sich verzehnfacht, punktuell und bei
Extremsituationen sogar mehr als verzwanzigfacht.
Anhand der so genannten „Elbeflut" vom August 2002 und Juni 2013
soll dies verdeutlicht werden. Der Begriff „Elbeflut" weist in
eine völlig falsche Richtung, denn im Elbetal selbst entstand
nur ein Bruchteil der Schäden. Die großen Verwüstungen traten an
den Zuflüssen der Elbe auf, oft an kleinen Bächen und harmlos
dahin plätschernden Rinnsalen, die in kürzester Zeit zu
reißenden Strömen wurden. Und hier muss stets das immense
Potenzial an Kleingewässern im Bewusstsein bleiben. Denn kleine
Gewässer sind quantitativ und qualitativ die „Kinderstube" der
großen Bäche und Flüsse. Deshalb können diese immer nur so gut
sein, wie es die vielen kleinen Gewässer im Einzugsgebiet
zulassen.
So wurde die Stadt Grimma in Sachsen nicht durch die Elbe vier
Meter hoch überflutet, sondern durch den Nebenfluss Mulde. Der
Ort Weesenstein wurde durch das Flüsschen Müglitz regelrecht
zerstört und selbst der Sturzbach durch den Dresdener
Hauptbahnhof hatte nichts mit dem Hochwasser der Elbe zu tun,
sondern wurde durch die Weißeritz verursacht. Dieser Bach stand
mit einem 100-jährlichen Abfluss von 350 m³/s zu Buche, der
jetzt ankommende Scheitelabfluss lag bei 600 m³/s. Die
Weißeritz, die im Stadtgebiet Dresdens heute teilweise
unterirdisch fließt, war diesen Wassermassen nicht mehr
gewachsen. Das überschießende Wasser suchte seinen alten Weg -
und auf diesem steht mittlerweile Dresdens Hauptbahnhof.
Das Fazit ist: Kleine Gewässer - Große Wirkung!
Und so ist eine der Hauptursachen für die
Hochwasser-Katastrophen, dass man die im 19-ten Jahrhundert
begonnene Regulierung der Flüsse konsequent im 20-sten
Jahrhundert bis in die Quellbezirke zu Ende führte. Die davon
ausgelösten Hochwasser-Katastrophen sind keine Folge einer in
Gang gekommenen Klimaerwärmung, sondern hausgemachte Ergebnisse
des landwirtschaftlichen Wasserbaus, dessen Verantwortung an den
jeweiligen Flurstücken oder spätestens an den Grenzen des
zuständigen Wasserwirtschaftsamtes endet. Auch wenn in der
Vergangenheit überregionale Kommissionen für
Hochwasserschutzmaßnahmen gebildet wurden, so ist der Gedanke,
sich um die Gemeinwesen flussabwärts zu kümmern, immer noch
weitgehend fremd.
Und hier muss radikal umgedacht werden. Was der Mensch durch den
Wasserbau zerstört und gefährdet hat und durch den Klimawandel
verstärkt wird, wird ein Wassermangel in Europa sein. Sauberes
Wasser droht zu einem knappen Gut zu werden. Auch das
Grundwasser, bisher noch am saubersten, ist gefährdet: In vielen
Städten reicht es zur Wasserversorgung nicht mehr aus und muss
mit Oberflächenwasser künstlich angereichert werden. Deshalb
muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz" in die Schul-
und Lehrbücher sowie in die Gewässer relevanten Gesetzeswerke
eingeführt werden:
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Das Wasser zurückzuhalten muss oberste
Priorität haben. |
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Hausgemachte Schadenskatastrophen
Innerhalb der vergangenen 15 Jahre gab es an Elbe, Donau, Rhein
und Oder extreme Hochwasserereignisse, bei denen fast 300
Todesfälle zu beklagen waren und die allein in Deutschland mit
Schäden von mehr als 30 Milliarden Euro einhergingen. An den
genannten Flüssen wiederholten sich die schadensreichen
„Jahrhundert-Hochwasser“ bereits nach wenigen Jahren.
Das politische Missmanagement hat in den vergangenen Jahrzehnten
umfassend dazu beigetragen, dass die Gefahren sich potenziert
haben. Ein wesentlicher Teil der Milliardenschäden durch die
Hochwasser der letzten zwei Jahrzehnte ist sprichwörtlich
„hausgemacht“. Die Deiche vermitteln eine trügerische Sicherheit
und verleiten zum Bauen in gefährdeten Gebieten. Kommt es dann
zur Hochwasser-Katastrophe, gibt es oft staatliche Hilfen und
pressewirksame Spendenkampagnen wie beim Elbe-Hochwasser 2013.
So wurden 8 Milliarden Euro für die Flut-Opfer bereitgestellt.
Das ist ein starkes Signal. Nach 6,5 Milliarden Euro im Jahr
2002 und jetzt 8 Milliarden wiederkehrend zu versenken, mag zwar
vereinzelt wie ein Konjunkturprogramm für Baugewerbe und
Handwerk wirken. Aber so darf mit Steuergeldern nicht umgegangen
werden. Auch wenn Hilfsgelder in Milliardenhöhe von Bund und
Ländern gegeben werden, so ist das Problem eines präventiven
Hochwasserschutzes nicht gelöst, auch wenn die Rufe nach einem
sicheren Hochwasserschutz immer lauter werden. Die Deiche
sollten noch höher gebaut, die Flüsse weiter gezähmt werden.
Hochwasserschutz mit fataler Tradition: Der Deichbau
Es ist heute allgemein anerkannt, dass der traditionelle,
technische Hochwasserschutz an seine Grenzen gestoßen ist. Er
kann sogar kontraproduktiv sein, wenn sich die Menschen in
Sicherheit wiegen und große Werte bzw. wichtige oder gefährliche
Anlagen hinter die Deiche stellen. Raumordnung und
Flächennutzungsplanung sollten sich daher nicht an der Kapazität
von Deichen, sondern an den ursprünglichen Überflutungsgebieten
der Flüsse orientieren.
Erste Reaktionen nach den Hochwasserschäden haben jedes Mal -
besonders nach der Elbe-Flut von 2002 – auf Besserung hoffen
lassen. Doch es ist kein Umdenken sichtbar, von wenigen
Projekten abgesehen. Die riskante und kostspielige „Deich- und
Dammbaupolitik“ wird weitergeführt. Abgesehen von wenigen
Renaturierungs- und Deichrücklegungsprojekten geht der
überwiegende Anteil des Geldes in „DIN-gerechte Deiche“,
„multifunktionale Dämme“ oder Schöpfwerke. Hochwasserschutz wird
als Maßnahme zur Ankurbelung der Bauwirtschaft verstanden. Die
Bundesländer Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen und
Sachsen-Anhalt unterstützen das Primat des technischen
Hochwasserschutzes, während die Auenentwicklung sowohl
finanziell als auch in den öffentlichen Erklärungen nur eine
marginale Rolle spielt. Auch das Land Hessen wird bis zum Jahr
2015 etwa 237 Millionen Euro in die Sanierung seiner Deiche
investieren. So sollen 120 Kilometer Deich an Rhein und Main
erneuert und erhöht werden. Ebenso legt das im Jahre 2003
verabschiedete internationale Hochwasser-Schutzprogramm für die
Elbe (IKSE) den Schwerpunkt auf die Deichsanierung.
Doch Beton, Polder und eine weitere Erhöhung der Deiche können
die Bevölkerung und materielle Güter nicht nachhaltig schützen.
Nur die Anpassung an die Natur ermöglicht langfristig die größte
Schadensverminderung. |
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Die Ursachen der Schadenshochwasser lassen
sich nur mit langfristigen Strategien und sinnvollen
Konzepten bekämpfen. Kurzfristig helfen nur
Straßensperrung und Evakuierung. |
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Hochwasserschutz wird in Deutschland
traditionell durch sehr teure technische Großprojekte umgesetzt
(Damm- und Deichbauten, Polderlösungen und Rückhaltebecken,
Schöpfwerke u. a.). Immer nur höhere Deiche an den großen
Flüssen zu bauen, ist regelrecht töricht, wie die Praxis der
vergangenen Jahrzehnte und wiederum das Elbe- und
Donau-Hochwasser im Juni 2013 gezeigt haben. Denn Deiche mit
Millionen-Euro an Steuergeldern zu bauen und hinterher zu
sprengen, zeugt von der Absurdität der technischen Lösungen im
Rahmen des Hochwasserschutzes. Letztlich beeinflussen die
kleinen Fließgewässer wesentlich die Qualität der großen und
tragen durch den Rückhalt in der Fläche maßgeblich zum
Hochwasserschutz bei. Wir benötigen deshalb vorbeugende und
ökologisch integrative Maßnahmen als oberstes Ziel des
Hochwasserschutzes und diese lauten: So viel Wasser wie
möglich, so lange wie möglich auf der Fläche zu halten.
Eine salomonische Lösung:
Alte Gräben zu Wasserspeichern ausbauen
Die notwendige Rückverlegung von Deichen, verbunden mit einer
möglichst weitgehenden Rückgewinnung von verlorenem
Retentionsraum (Gewässerauen) mit natürlicher
Überflutungsdynamik, bleibt oftmals nur Wunschdenken. Der Raum,
den die Flüsse und Bäche im unregulierten Zustand einnahmen, ist
längst anderweitig genutzt und oft nicht mehr zurück zu
gewinnen.
Für eine realistische Lösung der gesamten Hochwasserproblematik
im Binnenland gibt es nur einen Weg, nämlich die
Wasserrückhaltung in der Landschaft des gesamten Einzugsgebiets
eines Gewässers. Denn der Anteil des Niederschlags, der direkt
abflusswirksam ist, ist für die Hochwasserentstehung
verantwortlich. Wie groß der Anteil dieses Direktabflusses ist,
hängt von dem Rückhaltevermögen des Einzugsgebietes ab.
Maßgebend für diesen so genannten Gebietsrückhalt und damit für
die Abflussbildung sind die Speichermedien Bewuchs, Boden,
Gelände und Gewässernetz einschließlich der Gewässerauen. Dabei
ist der Boden das leistungsfähigste Speicherelement.
Ein weiteres Speicherelement kann mit einfachen Mitteln durch
die bereits millionenfach vorhandenen Drainagegräben geschaffen
werden. Der Drainagegraben ist bekanntlich ein Zweckbau im Sinne
eines Entwässerungsgrabens, welcher Bodenwasser, Grundwasser,
Hangwasser oder Quellwasser sammelt und in einen anderen Graben
oder Bach (Vorfluter) abführt. Sein Verlauf ist meistens
gestreckt, allenfalls leicht gekrümmt. Die Breite reicht von
wenigen Dezimetern bis zu mehreren Metern und sein Profil ist
meist kasten- oder trapezförmig. Vielfach markieren solche
Gräben die Grenzen von landwirtschaftlichen Flurstücken.
Zweckbau heißt, dass ökologische Überlegungen oder die
Überlegung, möglichst naturnah zu gestalten, beim Bau überhaupt
keine Rolle gespielt haben. So hat der Drainagegraben primär
eine technisch-ökonomische Bedeutung und dient der
Sicherstellung eines hinreichenden Wasserabflusses (Dränung).
Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (=
Graben, Bach, Fluss) vorausgesetzt, das heißt, der
Drainagegraben muss genügend Gefälle zum abführenden Gewässer
besitzen. In der Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 %
angelegt.
Die nahe liegende, wie einfache Idee ist, den bisherigen
Drainagegraben als Wasserabflussgraben in einen
Wasserspeichergraben (= Grabenspeicher) umzubauen, indem sein
Gefälle „gekippt“ wird. Die Drainage- und Wassergräben verlaufen
bislang mit einem Gefälle zum Vorfluter, um das Sicker- und
Niederschlagswasser schnellstmöglich in den Vorfluter
abzuleiten. Durch das „Kippen“ des Gefälles im Grabensystem
erhalten die Drainagegräben ein „negatives“ Gefälle und werden
zu Senken ausgebildet, um das Wasser von Anfang an und
unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers zurückzuhalten.
Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt,
liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters.
Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der
Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder
geomorphologischen Verhältnissen größer. Damit ist
gewährleistet, dass der Grabenspeicher ganzjährig mit Wasser
gefüllt und die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem
konventionellen Drainagegraben signifikant erhöht ist.
Das Ziel muss sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu
reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst
ein Maximum an Rückhaltevolumen, so genannten Retentionsräumen,
zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken, Nasswiesen,
Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher,
welche mit dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine
natürliche Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden.
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein
breitflächiges Retentionsnetz an Kubaturen aufgebaut, um einen
Großteil der Niederschläge und des Hochwassers zu speichern. Die
hydrologische Vernetzung der Speicherräume (Kubaturen)
mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung.
Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn
wieder ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im Vorfluter
gegeben ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender.
Um ein frühzeitiges Ausufern des Fließgewässers bei Hochwasser
in die Grabenspeicher zu ermöglichen, wurden schmale
Gehölzstreifen als Drosseln in die Uferböschung des
Fließgewässers gepflanzt. Als vorherrschende Holzart verwendete
man die Schwarz- oder Roterle (Alnus glutinosa) sowie
einige Baumweiden wie Bruchweide (Salix fragilis),
Fahlweide (Salix rubens) und Silberweide (Salix alba).
Auf reicheren Böden eignen sich als Ufergehölze die Esche (Fraxinus
excelsior) und Traubenkirsche (Prunus padus). Zu
ihnen gesellen sich Sträucher wie Hasel (Corylus avellana),
Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus), Heckenkirsche (Lonicera
xylosteum) und Bluthartriegel (Cornus guinea).
Durch den ingenieurbiologischen Uferverbau wurde ein natürliches
Profil mit Drosselfunktion in das Fließgewässer eingebaut, um
ein Gleichgewicht zwischen dem Abfluss im Fließgewässer und der
Wasserspeicherung im Retentionsnetz herzustellen. |
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Ein Beispiel für einen Grabenspeicher. Seine
Länge von rund 200 m wird durch den natürlichen
Uferbewuchs überdeckt. Hier können bis zu 400 m³
Wasser gespeichert werden, welche ganzjährig zur
Bewässerung von Kulturen oder als Löschwasser bei
Bränden zur Verfügung stehen. Und „ganz nebenbei“
entsteht ein neues Biotop für die Aquafauna und
-flora. |
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So kann die technische Umsetzung aussehen
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits
Drainagegräben vorhanden, meist entlang von Parzellengrenzen,
dann vielfach auch in Waldstandorten, jedoch meistens mit einem
Gefälle zum Vorfluter hin ausgebaut und nicht als Senke
ausgelegt. Diese bereits millionenfach vorhandenen
Drainagegräben beanspruchen in der Regel ca. 2 % der land- und
forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit einfachen
technischen Mitteln, zum Beispiel einem mittelschweren Bagger,
zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut werden. Die Kosten für
das Anlegen eines Grabenspeichers liegen bei durchschnittlich
ca. 4 Euro pro lfd. Meter. Alle 10 bis 12 Jahre muss eine
Entschlammung der Grabenspeicher sowie der anderen
Rückhalteräume durchgeführt werden.
Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die
Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der
Grabensohle etwa 1 Meter betragen. Am Ende oder je nach
Grabenlänge, kann beispielsweise alle 100 Meter durch Aufweiten
und Vertiefen des Grabenprofils ein kleiner Teich (=
Grabenteich) entstehen, um zusätzliche Wasserkapazitäten zu
speichern, aber ebenso auch gebaut für eine Wasserentnahme in
Trockenzeiten. Bewährt haben sich abgeflachte Ufer, dann
Wasserflächen von 20 bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von
zwei und mehr Metern. Die Grabenlängen können oftmals bei
mehreren hundert Metern liegen, bestimmt durch die
hydrographischen oder geomorphologischen Verhältnisse.
Grabenspeicher mit bivalenter Funktion: Wasserspeicher und
Wasserspender für die Land- und Forstwirtschaft
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei
extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke
ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum
Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in
solchen Grabenspeichern, je nach Länge und Profil, mehrere
tausend Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil
dieser Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation
ganzjährig zur Verfügung, insbesondere während den
Trockenperioden. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten
kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für
eine natürliche Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die
konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher
schafft die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation
angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des
kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen
konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige
Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg
insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel
zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie
zum Beispiel an der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten
Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Grabenspeicher in den Sommermonaten
überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem
Wiesen und Äckern sowie dem Waldboden das so wichtige
Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg zugeführt wird. Durch
die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der Pflanzen in
trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies ist dann besonders
wertvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit nach der Heuernte
auftritt und der Boden bei starker Sonneneinstrahlung und
geringem Schutz durch die Pflanzendecke besonders schnell
austrocknet. Landwirte und Agrar-Experten kennen die Bilder aus
den Grünlandgebieten, wo in solchen Fällen über Wochen hinweg
fast keine Phytomasse-Entwicklung stattfindet.
In Dürrezeiten kann das gespeicherte Wasser ebenso für eine
künstliche Bewässerung oder Beregnung der Kulturflächen (Äcker,
Wiesen, Wald) eingesetzt werden. |
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Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen
Wasser-Rückhalteraumes durch Vertiefung und
Aufweitung des Profils eines Grabenspeichers zu
einem Grabenteich. Neue Biotope für
bestandsgefährdete Pflanzen- und Tierarten werden
geschaffen, ebenso neue Fischhabitate. |
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Hochwasserschutz und Naturschutz verbinden
Sehr schnell werden solche Grabenspeicher und Grabenteiche von
Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue
Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen. Und ohne Zutun
des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“, eine so
genannte „Natur aus zweiter Hand“. Für Amphibien und für viele
Wasserpflanzen wie untergetauchte, schwebende, aufrechte und an
der Oberfläche schwimmende, sind diese ökologisch ausgebauten
Grabenteiche mit ihrem fast stagnierenden Wasser ein exzellenter
Lebensraum.
Aufgrund der hydraulischen Vernetzung ist gewährleistet, dass
die Grabenspeicher und Grabenteiche ganzjährig mit Wasser
gefüllt sind und dadurch eine Anbindung an das größere
Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gewährleistet ist.
Die Erfahrung zeigt, dass ein permanent anstehender
Wasserspiegel in den Grabenspeichern die Voraussetzung ist für
die Entwicklung von Lebensräumen mit hoher ökologischer
Qualität. Die Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume
sichern vielen Tieren und Pflanzen das Überleben. Es wird
hiermit auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der
Biodiversität geleistet, weil hier oftmals in kleinräumiger
Abfolge limnische, nasse, sickerfeuchte, wechselfeuchte,
wechseltrockene, nährstoffreiche und nährstoffarme
Kleinlebensräume aneinander stoßen.
Ein weiterer gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese
vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines
vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens auch inmitten
einer durchaus als monoton und uniform zu bezeichnenden
Kulturlandschaft zu liegen kommen.
Vielfältige Synergien für Natur, Landwirtschaft und Mensch
Den permanent mit Wasser gefüllten Grabenspeichern und
Grabenteichen sowie den Retentionsnetzen lassen sich noch
weitere Vorteile zuschreiben.
Die gezielte Speicherung von Sickerwasser, Niederschlägen und
Hochwasser in den Grabenspeichern, Grabenteichen und
kleinmaschigen Retentionsnetzen dient dem Landbau zur
Bewässerung seiner Kulturflächen, der Wasserwirtschaft
zur Grundwasseranreicherung (Infiltration) und nimmt
insgesamt als stabilisierender Faktor einen positiven Einfluss
auf den Wasserhaushalt. So bleibt beispielsweise bei
extremen Niedrigwasserzeiten der Fließcharakter des Baches
(Vorfluters) weitgehend erhalten, weil aus dem Retentionsnetz
Wasser für das Fließgewässer gespendet wird.
Es wird ein wichtiger Beitrag zum präventiven
Hochwasserschutz geleistet, indem die Flutwelle im Vorfluter
gekappt und in die Breite abgeleitet wird. Dadurch wird der
Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt. Hier wird eine
soziale Verantwortung gegenüber den Anwohnern flussabwärts
wahrgenommen, indem Schadenshochwasser vermieden oder wenigstens
gemindert werden.
Weiterhin werden Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes
unterstützt. Der Aufbau eines kleinmaschigen Retentionsnetzes
trägt zur Stabilisierung des Naturhaushaltes einer Landschaft
bei. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird aufgrund der
Schaffung neuer Biotope und der Biotop-Vernetzung erheblich
zunehmen (Biodiversität). Eine unermesslich große Zahl an
Fischhabitaten könnte entstehen. Dies wäre ein möglicher großer
Erfolg für die Ichthyologie (Fischkunde) allgemein.
Es gibt wohl keine schönere und beglückendere Möglichkeit,
technische Funktionen wie den präventiven Hochwasserschutz mit
der Schaffung vielfältigster naturnaher Lebensräume zu
verknüpfen. Menschen und Natur werden es uns danken. |
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Kleingewässer
Oasen in unserer oberschwäbischen Landschaft
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
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Zahlreiche Tiere und Pflanzen, deren
Existenz in unserer heutigen Kulturlandschaft bedroht ist,
finden nur noch selten angemessene Lebensräume. Kleingewässer
bieten beste Möglichkeiten, ihnen eine neue Heimat zu geben.
Vernachlässigte Kleingewässer
Generationen von Wasserbau-Ingenieuren haben daran gearbeitet,
das Wasser immer schneller aus unserem Land herauszubringen.
Kein Wunder, dass natürliche Bach- und Flussläufe, Seen, Weiher,
Teiche, Tümpel und krautreiche Gräben inzwischen zu einer
Rarität geworden sind. Mit der zunehmenden Begradigung und
Kanalisierung von Bach- und Flussläufen ist bereits vor
Jahr-hunderten ein großer Teil der natürlichen Gewässer aus der
Landschaft verschwunden. Mit erheblichen staatlichen Zuschüssen
wurden in weiten Bereichen unseres Landes über 90 Prozent der
Kleingewässer trockengelegt oder im Zuge der Flurbereinigung
beseitigt. Durch den Großmaschineneinsatz in der Landwirtschaft
sah man viele Kleingewässer als Hindernisse für die
Bewirtschaftung an. Sie wurden kurzerhand dräniert, verfüllt und
einplaniert.
Oftmals wurden auch die Kleingewässer in der irrigen Absicht,
Brutstätten von Ungeziefer zu vernichten, mit Bauschutt, Müll
und Gartenabfällen verfüllt und eingeebnet. Auch verwandelten
sich diese Biotope über Nacht in Friedhöfe für ausgediente
Autoreifen und wilde Müllablagerungen.
Welche stiefmütterliche Behandlung Weiher, Teiche und Tümpel bei
uns auf der Gemarkung Altshausen in den 70er und 80er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts erfahren haben, soll hier an zwei
Beispielen gezeigt werden.
Der zur Kloake verkommene Altshauser Froschweiher
Der Altshauser Froschweiher, idyllisch am Fuße des
Bernhardsreuter Wald gelegen und mit freiem Blick auf das
Altshauser Ried, war Lebensraum für Frösche und Salamander,
Käfer, Insekten und Schmetterlinge. Eine vielgestaltige
Vogelwelt hatte am Altshauser Froschweiher ihr Zuhause und der
Weißstorch ging dort auf Froschfang. Weithin hörbar ertönte das
Quaken der Frösche, das sich mit einem vielstimmigen
Vogelkonzert mischte.
Weiterhin umsäumte eine reichhaltige Flora den Weiher und die
Wasserfläche war mit Seerosen ausgeschmückt (siehe Bild aus dem
Jahre 1960).
Doch wilde Müllablagerungen, vor allem in den 70er Jahren,
machten den Froschweiher immer kleiner und letztlich zur Kloake
(siehe Bild aus dem Jahre 1979). |
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Die Entwicklung des Altshauser Froschweihers
vom naturnahen Zustand im Jahre 1960
zur Kloake durch wilde Müllablagerungen (rechtes Bild vom 6.
April 1979). |
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Das heimliche Ende eines Weihers bei
Stuben
Eine ähnliche Behandlung widerfuhr einem Weiher beim Ortsteil
Stuben, welcher direkt an den nordwestlichen Rand des
Naturschutzgebietes Dolpenried angrenzte. Obwohl jeder weiß,
dass Wasser eines der kostbarsten Güter des Menschen ist, so ist
es gerade der Mensch selbst, der ein Gewässer am meisten
bedroht. Es wurden bedenkenlos in diesen Stubener Weiher in den
vergangenen 70er und 80er Jahren und mit unvorstellbarer
Gleichgültigkeit Abfälle hineingeworfen, derart, als wäre das
Gewässer ein Müllbehälter. Selbst Fässer mit Resten an
Gefahrstoffen (giftigen Chemikalien) konnten in dem zur
Müllgrube devastierten Gewässer gefunden werden. Weiterhin
führten Düngerausschwemmungen und -verwehungen zu einer
unerwünschten „Gewässerdüngung“. Dadurch bildeten sich
breitflächige, dicke gelbgrüne Algendecken. Die absterbenden
Algenwatten verpesteten im Sommer die Luft und machten
letztendlich das Gewässer zu einer übel riechenden Kloake.
Inzwischen wurde der Weiher „klammheimlich“ komplett verfüllt
und eingeebnet. Lautlos ist wieder ein wertvolles
Gewässer-Biotop gestorben. |
Ehemaliger Weiher bei Altshausen-Stuben, gelegen
am nordwestlichen Rand des Naturschutzgebietes
Dolpenried. Wilde Müllablagerungen und andere diverse
Abfallprodukte, u.a. sogar Gefahrstoffe (giftige
Chemikalien), sind die unerfreulichen Spuren unserer
Zivilisation, welche Kleingewässer und damit Lebensräume
für Gewässerflora und –fauna vernichten. |
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Viele Tier- und Pflanzenarten vom
Aussterben bedroht
Großflächige Untersuchungen lassen heute keinen Zweifel mehr
aufkommen: Die Bestände vieler Tier- und Pflanzenarten, die auf
solche Gewässer spezialisiert sind, sind in den letzten
Jahrzehnten weitgehend zusammengebrochen. Denn mit ein paar
Ladungen Bauschutt ist ein Feuchtbiotop mit kompliziertester
Struktur innerhalb kürzester Zeit zerstört, ausgelöscht für
immer. Dagegen braucht ein Feuchtbiotop etwa 30 Jahre, bis es
für die Landschaft wirklich wertvoll ist. Des weiteren hat der
Straßenbau der vergangenen Jahrzehnte viele Amphibienbestände
zum Erlöschen gebracht. Schon eine Verkehrsbelastung von 15 bis
20 Fahrzeugen pro Stunde führt zum Tod von etwa 50 Prozent aller
Lurche, die die Straße auf ihren Wanderungen zwischen
Sommerlebensraum, Winterlebensraum und Laichgewässer überqueren
wollen.
Der großflächige Einsatz von Unkraut- und
Schädlingsbekämpfungsmitteln hat für die Amphibien tödliche
Folgen: Da sie durch die Haut atmen, sind sie weitgehend
schutzlos gegen giftige Chemikalien und sterben eines lautlosen,
aber grausamen Todes.
Dazu kommt noch das weltweite Problem der zunehmenden
Verunreinigung der Gewässer. Stehende Kleingewässer mit ihrer
geringfügigen Wassererneuerung und den stärker in sich
geschlossenen Kreisläufen reagieren wesentlich empfindlicher als
Fließgewässer.
Warum Kleingewässer schützen?
Stehende Kleingewässer wie Weiher, Teiche, Tümpel, Altwässer und
krautreiche Gräben sind Heimat und Lebensgrundlage für weit über
1.000 Tierarten, darunter viele Kleintiere, und für über 200
Pflanzenarten. Allein über 2.000 Insektenarten sind auf
Süßwasser angewiesen, darunter auch viele vom Aussterben
bedrohte Insektenarten wie Großlibellen oder Schwimm- und
Wasserkäfer. Die 19 bei uns heimischen Amphibien (Frösche,
Kröten, Molche) sind ebenso wie viele Vogelarten auf
Kleingewässer angewiesen.
Amphibien spielen eine wichtige Rolle im Naturhaushalt, da sie
zum einen den Bestand an Insekten und anderer Kleintiere
regulieren und zum anderen selbst die Nahrungsgrundlage für
Storch, Ringelnatter und Reiher, aber auch von Eulen,
Gelbrandkäfer, Igel, Dachs und vieler anderer Tiere darstellen.
Kleingewässer sind somit wichtige Ausgleichsräume in unserer
intensiv genutzten Landschaft.
Dem Laichgewässer zeitlebens eng verbunden
Gewässer und Landschaft sind wechselseitig verbunden, ja
wesentlich vielseitiger und weitreichender miteinander verzahnt,
als dies bei anderen Landschaftselementen der Fall ist. Viele
Tiere, die hinsichtlich ihrer Fortpflanzung an Gewässer gebunden
sind, unternehmen im ausgewachsenen Stadium mehr oder weniger
weite Wanderungen in die Umgebung. Dies gilt zum Beispiel für
Libellen, deren Larven sich im Wasser entwickeln, während sich
die erwachsenen Tiere auf Jagdausflügen oft weit vom Gewässer
entfernen.
Und am Beispiel der Amphibien zeigt sich ein anderes Problem:
Verschiedene Arten, besonders deutlich die Erdkröte, sind auf
ein bestimmtes Laichgewässer „spezialisiert“. Sie wandern
alljährlich immer an dieselbe Stelle, an „ihr“ Gewässer zurück,
auch dann noch, wenn ihr Teich längst verfüllt und eingeebnet
worden ist. Da sitzen sie dann und wickeln ihre Laichschnüre
eher um nasses Gras als um die Wasserpflanzen in einem Teich,
der nur wenige hundert Meter weit entfernt ist.
Ein ganz entscheidendes und wenig beachtetes Problem kommt noch
hinzu: Ein modernes ökologisches Stichwort heißt
Biotopvernetzung. Nur dann, wenn einzelne Tier- und
Pflanzenbestände mit anderen in Verbindung stehen können, nur
dann ist ihr Überleben langfristig gewährleistet. Andernfalls,
wenn eine solche „Blutauffrischung“ fehlt, gibt es Inzucht mit
allen bekannten negativen Konsequenzen.
Kleingewässer schaffen
Wir wissen, dass die Stabilität im Landschaftshaushalt
weitgehend durch bio-logische Vielfalt in der Landschaft
gewährleistet wird. Vielfalt, das bedeutet eine gewisse
Mannigfaltigkeit von Biotopen und damit ein Reichtum an
Pflanzen- und Tierarten. Das heißt, man braucht nicht hier und
da einige verstreute Gewässer in der Landschaft, sondern man
braucht ein funktionierendes Netz solcher Kleingewässer. Sie
dürfen nur so weit auseinander liegen, dass sie zum Beispiel von
den Amphibien auf ihren Wanderungen sicher erreicht werden
können. Denn viele isolierte Bestände haben langfristig keine
Überlebenschance. Neue Kleingewässer müssen daher hinzukommen.
Erfreulicherweise hat in den letzten Jahren ein Umdenken
stattgefunden. So wurden bei Flurbereinigungen bereits einige
Kleingewässer neu geschaffen. Um jedoch den gewaltigen Verlust
wieder wettzumachen, bedarf es noch großer Anstrengungen.
Deshalb sind insbesondere Landwirte und andere
Nutzungs-berechtigte im Außenbereich, wie zum Beispiel Jäger und
Angler, aufgerufen, Kleingewässer für den Naturschutz zu sichern
oder auszubauen. Auch für Vereine, Gesellschaften, Erwachsenen-
und Schülergruppen gibt es einen breiten Spielraum für
Einzelinitiativen. Denn die Erhaltung, Pflege und Schaffung
neuer Kleingewässer ist eine ökologische Notwendigkeit. Und für
eine Biotop-Neuschaffung kann jeder etwas tun!
Der gerettete Altshauser Froschweiher
Diese Einsicht war Anlass, sich spontan zu einer „Aktion
Altshauser Froschweiher“ im Frühjahr 1979
zusammenzuschließen, um den zur Kloake verkommenen Froschweiher
zu sanieren. Die Initiative ging von der Gruppe „Junge
Erwachsene“ der Kolpingsfamilie Altshausen und der
„Gesellschaft für Geschichte und Heimatpflege Altshausen e.V.“
aus. Die Aktion gab ein Beispiel dafür, wie mit etwas
Eigeninitiative und bescheidenen Mitteln ein Lebensraum für
Pflanzen und Tiere in Selbsthilfe saniert wurde, ohne gleich
nach dem Staat zu rufen.
Die „Aktion Altshauser Froschweiher“ säuberte das Areal,
führte Naturpflege-Arbeiten durch, ein Bagger entschlammte den
Froschweiher und modellierte ihn zu einem neuen Feuchtgebiet.
Bereits nach wenigen Jahren entstand wieder eine kleine
Natur-Oase, „eine Natur aus zweiter Hand“. Diese Biotope „aus
zweiter Hand“ sind für uns nicht minder wertvoll als natürlich
entstandene Lebensräume.
Auch die Gemeindeverwaltung Altshausen versagte bei so viel
Gemeinsinn die Unterstützung und Mithilfe nicht. Und großes Lob
gab es vom Regierungspräsidium Tübingen. Die „Aktion
Altshauser Froschweiher“ wurde 1981 mit einer Urkunde
ausgezeichnet für den vorbildlichen Einsatz zur Erhaltung eines
Feuchtbiotops.
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Der Altshauser Froschweiher vor der Sanierung (Foto vom 6. April
1979)
Froschweiher nach seiner Sanierung (Foto vom 10. April 1983) |
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Mit einfachen Mitteln können neue
Kleingewässer entstehen
Oftmals reichen einfache Mittel aus, wie die Aktion „Aktion
Altshauser Froschweiher“ gezeigt hat, um Gewässer-Biotope zu
sanieren oder neu zu schaffen. Vor allem an kleineren Gewässern
lassen sich mit verhältnismäßig geringem Aufwand sichtbare
Erfolge erzielen.
Beginnen wir beim Drainagegraben, welcher meist entlang von
Parzellengrenzen verläuft. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts
werden in Europa millionenfach Drainagegräben angelegt. Sie
werden heute wegen ihres direkten Einflusses auf den
Wasserhaushalt zunehmend kontrovers diskutiert. Der
Drainagegraben ist eine Form der Entwässerung zur Trockenhaltung
von meist landwirtschaftlich genutzten Böden. Auch in
Waldstandorten sind vielfach Drainagegräben anzutreffen. Für
eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (= Bach,
Fluss) vorausgesetzt. Das heißt, der Drainagegraben muss
genügend Gefälle zum abführenden Gewässer besitzen. In der
Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 Prozent angelegt.
Die naheliegende wie einfache Idee zur Schaffung neuer
Kleingewässer ist, das Sicker- und Niederschlagswasser nicht
schnellstmöglich im kanalisierten Drainagegraben in den
Vorfluter abzuleiten, sondern das Wasser zu speichern, indem der
Drainagegraben „gekippt“ wird und damit ein „negatives“ Gefälle
erhält. Der Drainagegraben wird zur Senke ausgebaut und
dadurch erhöht man signifikant die Wasserspeicherkapazität
gegenüber einem konventionellen Drainagegraben. Die Sohle eines
solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt, liegt damit
grundsätzlich tiefer als die Sohle des Fließgewässers. Die
Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Sohle
des Fließgewässers liegen. Damit ist gewährleistet, dass der
Grabenspeicher ganzjährig mit Wasser gefüllt ist.
Ein interessantes Beispiel der Reaktivierung
Naturnah geschaffener Retentionsraum kann somit durch den Ausbau
eines ehemaligen Drainagegrabens zu einem Speichergraben
geschaffen werden und die Aufweitung und Vertiefung des Profils
am Grabenende lässt einen kleinen Weiher entstehen (siehe
nachfolgendes Bild). Damit können, je nach Grabenlänge, mehrere
100 m³ Wasser gespeichert werden und darüber hinaus entsteht ein
neuer Lebensraum für eine vielfältige Wasserfauna und –flora,
ebenso neue Habitate für bestimmte Fischarten wie Karauschen (Carassius
carassius), Schleien (Tinca tinca), Schlammpeitzger (Misgurnus
fossilis), Moderlieschen (Leucaspius delineatus) und den Giebel
(Carassius gibelio).
Allgemeines Ziel sollte sein, bisherige Drainagegräben und
Rinnsale, zugespülte Weiher, verschlammte Gräben und Teiche, zu
reaktivieren, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog.
Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken,
Tümpel, Rigolen, Teiche und Weiher für eine natürliche
Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden.
Voraussetzung für eine Wasserspeicherung ist die hydrologische
Vernetzung mit dem Fließgewässer (Vorfluter).
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen werden nicht nur
neue Kleingewässer geschaffen, sondern es wird ein Netz an
natürlichen Wasserrückhaltespeichern entstehen. Ein weiterer,
gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese Kleingewässer als
Konzentrationspunkte eines vielfältigen pflanzlichen und
tierischen Lebens inmitten einer durchaus zurecht als monoton
oder uniform bezeichneten Kulturlandschaft zu liegen kommen.
Damit werden neue, wertvolle ökologische Zellen in eine
Kulturlandschaft eingegliedert.
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Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen
Wasser-rückhalteraums (kleiner Weiher) mit einer
krautreichen Wasserflora und zugleich Entstehung eines
neuen Lebensraumes für gefährdete Fischarten, wie zum
Beispiel der Karausche. |
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Die Karausche, eine gefährdete Fischart,
aber auch ein Überlebenskünstler
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) sowie weitere
Naturschutzorganisationen haben die Karausche zum Fisch des
Jahres 2010 gekürt. Ihr lateinischer Name lautet Carassius
carassius. Es ist eine Fischart, die zur Familie der
Karpfenfische (Cyprinidae) gehört. Damit soll ein wenig
bekannter, aber dennoch interessanter Fisch der Öffentlichkeit
vorgestellt werden. Zudem wird vor allem darauf hinge- wiesen,
dass die Karausche durch Gefährdung und Verlust ihrer
Lebensräume in unseren heimischen Gewässern vom Aussterben
bedroht ist.
Die Karausche ist eine äußerst genügsame und robuste Fischart.
Bevorzugt lebt sie in kleinen, pflanzenreichen und stehenden
Gewässern, kann aber auch in Flüssen mit geringer
Strömungsgeschwindigkeit und im Brackwasser vorkommen. Aufgrund
ihrer hohen Anpassungsfähigkeit ist sie selbst in kleinsten,
sauerstoffarmen und verschlammten Moortümpeln zu finden. Wenn
das Gewässer austrocknet, kann sich die Karausche im Schlamm
vergraben und einige Tage überleben. Sie kommt bis zu fünf Tagen
ohne Sauerstoff aus und gilt deshalb im Tierreich als
„Weltmeister im Luftanhalten“.
In Baden-Württemberg gilt die Karausche als potenziell gefährdet
bis verschollen. So kommt diese Fischart nur noch in einigen
Seen und Weihern Oberschwabens vor sowie in Altwässern, Gräben
und Kleingewässern des Rhein-, Donau- und Neckargebietes. Das
vorrangige Ziel von Schutzbemühungen sollte sein, die bekannten
Vorkommen zu schützen und zu fördern.
Durch den Ausbau ehemaliger Drainagegräben zu Grabenspeichern
und deren Erweiterung zu kleinen Weihern (siehe vorstehendes
Bild) ist es in den vergangenen Jahren Mitgliedern der
Ökologisch Demokratischen Partei (ödp) des
Ortsverbandes Altshausen gelungen, im Gewann „Taubes Ried“ der
Gemarkung Altshausen wieder natürliche Lebensräume für die
Karausche zu schaffen. Und der Arbeitseinsatz hat sich gelohnt!
Durch Rasteruntersuchungen ist diese in ihrem Fortbestand
gefährdete Fischart jetzt in mehreren Kleingewässern im „Tauben
Ried“ nachgewiesen worden und die Populationsdichte ist
inzwischen auf einem stabilen Niveau angelangt: mehrere hundert
Karauschen wurden bereits gezählt.
Gewässer und Landschaft
Die Bedeutung selbst des kleinsten Gewässers reicht also weit
über seine Ufer in die Landschaft hinaus. Ob kleine oder große
Wasserflächen, ob Graben, Tümpel, Weiher, See oder Fluss, sie
alle tragen zur biologischen Vielfalt bei, beleben und
bereichern das Landschaftsbild auf mannigfaltige Weise.
Wechselspiel der Farben, Kontraste von Wasser und Licht, wer
vermag die unzähligen Varianten zu erfassen? Und doch fasziniert
schon der Augenblick, festgehalten im Bild, Foto oder besser in
Wort und Vers. Aber wer schätzt schon das, was er hat! Erst
angesichts der zunehmenden Monotonie unserer Kulturlandschaft,
oft als „Kultursteppe“ glossiert, wird vielen der Wert all
dessen bewusst.
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Der natürliche Weiher gilt als unser artenreichstes
Gewässer und selbst der kleinste Weiher trägt dazu bei,
bestandsgefährdete Pflanzen und Tiere zu erhalten und
weiteren wildlebenden Organismen in der Kulturlandschaft
Lebensmöglichkeiten zu bieten. Das Bild zeigt einen
Weiher im Gewann „Taubes Ried“ der Gemarkung Altshausen. |
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Sorge um unser Wasser
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
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Obwohl unser Planet zu mehr als 70 Prozent
damit bedeckt ist, wird Wasser ein zunehmend knappes Gut. Denn
gerade mal drei Prozent dieser gewaltigen Mengen sind trinkbares
Süßwasser und wiederum nur ein Drittel davon ist für die
menschliche Nutzung erreichbar. Die steigende Nachfrage nach
Energie, Nahrung und sauberem Wasser wird die ohnehin schon
schwelende Wasserkrise noch weiter verschärfen.
Rund 5.200 Millionen m³ Wasser aus 13.500
Wassergewinnungsanlagen fließen in Deutschland jährlich durch
die Leitungen der öffentlichen Wasserversorung. Und das auf
einer Länge von 530.000 Kilometern. Etwa 60.000 Beschäftigte in
mehr als 6.200 Betrieben zur Wasserversorgung sichern die
Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung (Zahlen von 2011). An
Investitionen wurden allein im Jahr 2010 mehr als 2.000
Millionen Euro getätigt.
Wasserverbrauch pro Kopf
Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
schrumpft in Deutschland der Wasserverbrauch Jahr für Jahr.
Aufgrund steigender Wasserpreise und effizienterer Technologien
(“Sparprogramme”) sowie Aufklärung und Bewusstseinsbildung der
Bevölkerung war der Pro-Kopf-Verbrauch 2012 so niedrig wie noch
nie. 122 Liter Trinkwasser verbrauchte laut Statistischem
Bundesamt jeder Einwohner am Tag. Vor 10 Jahren waren es noch
131 Liter und 1990 lag der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch bei 147
Litern. Im internationalen Vergleich liegt der Wasserverbrauch
in Deutschland deutlich hinter Österreich (162 Liter), Norwegen
(260 Liter) und den USA (295 Liter).
Doch ist ein durchschnittlicher Wasserverbrauch von 122 Litern
pro Tag und Person nur die halbe Wahrheit, denn darin ist der so
genannte virtuelle Wasserverbrauch noch nicht enthalten. Als
virtuelles Wasser bezeichnet man Wasser, das zur Erzeugung eines
Produktes benötigt und damit indirekt durch den Konsum
verbraucht wird. So werden für ein Kilogramm Fleisch
durchschnittlich 15.500 Liter Wasser benötigt, für ein Kilo Reis
3.400 Liter und für eine Scheibe Brot immerhin noch 40 Liter.
Und ein neues Auto bedeutet den Verbrauch von 16.000 Liter
Wasser, ein paar neue, schicke Lederslipper kosten den Verbrauch
von 8.000 Liter Wasser.
Berücksichtigt man die Bilanz des virtuellen Wassers, dann
verbraucht jeder Deutsche rund 4.000 bis 5.000 Liter Wasser pro
Tag.
Weshalb Sorge um unser Wasser?
Mit einem verfügbaren Wasserdargebot von 188.000 Millionen m³
ist Deutschland ein wasserreiches Land. Im Jahr werden durch die
Industrie und für die Wasserversorgung der privaten Haushalte
etwa 32.000 Millionen m³ Wasser aus Grund- und
Oberflächengewässern entnommen. Das sind weniger als 20 % des
potenziellen Wasserdargebots, das heißt, über 80 % der
verfügbaren Wassermenge verbleiben gegenwärtig ungenutzt.
Was gibt es bei dieser Fülle an allgegenwärtigem Wasser für
Sorgen? Das Wasser ist doch eingebunden in den natürlichen
Kreislauf und kann uns nicht verloren gehen. Es kehrt immer
wieder auf den Erdboden zurück, versickert im Untergrund und
wird uns wieder geschenkt als Grundwasser, speist unsere Bäche,
Flüsse und Seen. Der Kreislauf des Wassers stellt den ältesten
Kreislauf der Biosphäre dar. Die Natur selbst besorgt seit jeher
den Reinigungsprozess, und das nicht nur in den
Oberflächengewässern, sondern auch im Untergrund. Ein doch
schönes und tröstliches Bild!
Und lange Zeit hat man sich auch darauf verlassen (können), dass
die Natur diesen Dienst gewissenhaft und kostenlos versieht.
Immer größer sind die besiedelten Gebiete geworden, immer
umfangreicher die Eingriffe, immer mehr ist man gegen die Natur
vorgegangen und hat dabei auch das Wasser und dessen natürliche
Behältnisse nicht geschont, eigentlich auf die Probe gestellt,
wie viel und wie lange man dies zumuten kann. Man hat
bedenkenlos “eingeleitet”, in das Wasser hinein und in den
Untergrund und damit ebenfalls wieder in das Wasser “entsorgt”.
In unserem technisch-wirtschaftlichen Denken sahen wir im Wasser
den geeigneten Transportstoff. Es ging alles so einfach, man war
so schnell und leicht alle Sorgen los.
Doch dann kamen die trüben und stinkenden Bäche und Flüsse, die
toten Fische, die lebensleeren öden Gewässer. Dann kamen die
Sorgen. Noch war reichlich Grundwasser da, sauber und von bester
Qualität.
Während man allenthalben bereits von “Gewässerschutz” sprach und
Handlungsdefizite aufzuarbeiten begann, überrollte eine
erschreckende Agrarpolitik-Lawine der damaligen Europäischen
Gemeinschaft (EG), heute Europäische Union (EU), die Bauern und
drängte sie in eine “moderne”, völlig naturwidrige, weil
einseitige Massenproduktion. Mitmachen oder untergehen, viel und
kostengünstig zu produzieren, das blieb den meisten Bauern nur
noch als Überlebenschance. Der Bauernstand in seiner
existenziellen Beziehung zum Boden wurde entwurzelt, der Boden,
die Landschaft weitgehend zerstört. Massenhafte Monokulturen
ohne Kultur entstanden.
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Quadratkilometer große und bis auf den letzten Rest
ausgeräumte Ackerflächen mit ihren Monokulturen
verändern das Landschaftsbild in einer radikalen
Weise. Besonders der Maisanbau verwandelt die
Landschaft in “grüne Wüsten”. |
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Massentierhaltungen mit massiven
Umweltbelastungen wurden gegründet. Massenhafte Getreide- und
Butterberge türmten sich auf. Massenhafter Einsatz von
Düngemitteln und Pflanzen”behandlungs”mitteln wurden zur Norm.
Und ein ebenso massenhafter Verlust von fruchtbarem Humus stellte sich ein, vom
Winde verweht und in den Gewässern abgelagert zum Schaden der Aqua-Lebensräume. Wer trägt die Schuld an dem seit 50 Jahren
währenden und jetzt wieder zunehmenden Nitrat-Problem? Und
weiter: das Rückstandsproblem von Pflanzenschutzmitteln im
Trinkwasser und in Lebensmitteln?
Es klingt wie ein Hohn der Natur, wenn mancherorts die Bauern
das Wasser aus ihren eigenen Brunnen nicht mehr trinken können.
Es bereitet große Sorge, wenn manche agrare Landschaften zu
einem größeren ökologischen Problemgebiet geworden sind als es
der benachbarte städtisch-industrielle Bereich ist.
Viele der alten Sünden sind inzwischen weggewaschen, in die
Meere gespült. Die neuen Sünden sammeln sich immer bedrohender
in den hohen atmosphärischen Schichten und im Grundwasser. Was
tagtäglich Millionen Auspuffrohre, Schornsteine und
Fabrikschlote an die Luft setzen, fällt zum größten Teil im
“Sauren Regen” auf uns nieder. Organische Lösungsmittel haben
uns ein völlig naturfremdes “Halogenkohlenwasserstoff”-Problem
geschaffen, das in voller Wucht erst kommende Generationen
treffen wird.
“Die Natur arbeitet langsam und nach anderen Maßstäben als
der Mensch. Sie richtet sich auch nicht danach, ob der heutige
Mensch das noch begreift oder nicht” (Leonhard A. Hütter).
Industrialisierung der Landwirtschaft
Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft begann vor rund 50
Jahren statt des erwarteten Segens eine unheilvolle Entwicklung.
Die traditionellen bäuerlichen Betriebe wurden zurückgedrängt.
An ihrer Stelle entstanden Tierfabriken ohne Ackerflächen.
Futter muss importiert und die Gülle entsorgt werden. Die
enormen Güllemengen belasten die Oberflächengewässer und das
Grundwasser.
Der einsetzende Boom an Biogasanlagen verschlimmert das Problem.
In den vergangenen Jahren ist die Anbaufläche für
Energiepflanzen wie Mais (als Pflanze für die Biogaserzeugung)
und Raps (als Rohstoff für Biotreibstoffe) rasant gewachsen.
Mais und Raps sind allerdings aus Sicht des Gewässerschutzes
hochgradige Problemkulturen: sie benötigen eine vergleichsweise
hohe Menge an Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Gerade im
Maisanbau kommt es zu einer starken Auswaschung von Pestiziden
ins Grundwasser. Zur Zeit werden über 40 verschiedene chemische
Wirkstoffe angewandt. Die im intensiven Maisanbau bevorzugten
Herbizide wie Bentazon, Terbuthylazin, (S)-Metolachlor,
Metazachlor werden bereits häufig im Grundwasser gefunden. Hinzu
kommen auch noch die Wirkstoffe neuartiger Fungizde.
Darüber hinaus gehört die Problem-Pflanze Mais zu den stark
erosionsbegünstigenden Beständen. Und damit bekommen alle
miteinander ein sehr großes Problem. Die Erosion von Ackerböden
ruiniert längerfristig die Landwirtschaft und abgeschwemmtes
Erdreich, das in die Bäche, Flüsse und Seen gelangt, schädigt
den Naturhaushalt unserer Gewässer. Der Eintrag von
abgeschwemmtem Erdreich gehört seit Jahren mit zu den
gravierendsten Gewässerschäden unserer Zeit.
Schleichende Vergiftung
Düngemittel, Gülle, Gärreste und Pestizide verseuchen langsam
unser Trinkwasser. Der Boom der Biogasanlagen verschlimmert das
Problem und führt zu hohen Nitrat-Belastungen des Grundwassers.
Grund dafür ist das oftmals übermäßige Düngen der
“Energie-Landwirte” beim Maisanbau. Bereits im Jahr 2010 lagen
beim Silomais 30 % der EU-Anbauflächen in Deutschland. Damit ist
Deutschland Spitzenreiter im Anbau dieser Pflanze.
Im Ems-Weser-Einzugsgebiet gibt es zahlreiche Kreise in denen
auf über der Hälfte der Ackerbaufläche Mais angebaut wird. In
einigen Kreisen liegt der Anteil bereits zwischen 60 und 70 %!
Während viele Pflanzen bei Überdüngung der Böden einen
geringeren Ertrag erbringen, verträgt der Mais hohe
Stickstoffgaben. Dies führt dazu, dass die abgeernteten Flächen
bereits im Herbst und nochmals im Frühjahr mit großen Mengen an
Gülle und Gärresten aus den Biogasanlagen “gedüngt” werden. Da
die Ackerfelder zum größten Teil bis in den Monat Mai hinein
brach liegen, entziehen in dieser Zeit keine Pflanzen den
Stickstoff im Boden und es kommt zu einer enormen Verlagerung
von Nitrat-Salzen ins Grundwasser. Je nach Bodenbeschaffenheit
kommt die Nitrat-Front unterschiedlich schnell voran. Es kann
länger als ein Jahrhundert dauern, bis die Nitrat-Front durch
dicke Lehmschichten gedrungen ist (“Zeitbombe” im Boden!) oder
weniger als ein Monat, bis das Nitrat unter Sand- und Karstböden
im Grundwasser messbar ist. Damit kehrt das vermeintlich vor
Jahren gelöste Nitrat-Problem mit aller Wucht zurück.
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Es stinkt zum Himmel und sickert ins Grundwasser:
Gülleaus-bringung auf gefrorenem Boden! |
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Gesetze, Grenzwerte und Mikroschadstoffe
Wir haben seit dem 14.12.2012 eine novellierte
Trinkwasser-Verordnung (TrinkwV). Wie lange aber werden wir noch
Trinkwasser haben, das ihren Forderungen gerecht wird?
Wasseraufbereitung durch immer noch aufwändigere Verfahren ist
kein Weg zur Qualitätssicherung des Trinkwassers für Gegenwart
und Zukunft, sondern eine durch den Zustand der verfügbaren
Rohwässer aufgezwungene Notlösung. Trinkwasser muss ein
Naturprodukt bleiben, das mit Hilfe weitgehend natürlicher
Aufbereitungsmaßnahmen jederzeit die gesetzlichen Anforderungen
erfüllt. Es ist eine für die Wasserversorgungsunternehmen
unzumutbare Aufgabe, immer mehr naturfremde Stoffe aus dem
Wasser entfernen zu müssen, um ein Wasser bereitstellen zu
können, das “appetitlich ist und zum Genuss anregt” gemäß den
Leitsätzen für die Anforderungen an Trinkwasser (DIN 2000). |
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Das Wasser ist für uns ein
Lebensmittel im wahrsten Sinne des Wortes: Bekommt
ein Mensch kein Wasser mehr, stirbt er nach wenigen
Tagen, während er mehrere Wochen lang ohne feste
Nahrung auskommen kann. |
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Auch das in der Trinkwasser-Verordnung
ausgesprochene Minimierungsgebot ist keine echte Maßnahme
eines vorsorgenden Gewässerschutzes nach dem Verursacherprinzip.
Es erweckt vielmehr den Eindruck, als seien die
Wassergewinnungs- und Wasserversorgungsunternehmen für den
Zustand der Gewässer verantwortlich, denen sie das Rohwasser
entnehmen. Dabei müssten doch die eigentlichen Verursacher,
Dulder oder gar Anstifter(!) von Beeinträchtigungen zur
Verantwortung gezogen werden.
Auch Grenzwerte sind aus dieser Sicht ähnlich wie das
Minimierungsgebot einzustufen. Der Grenzwert dokumentiert den
Willen des Gesetzgebers, Stoffe, die von Natur aus nicht in der
Umwelt vorkommen, von den Gewässern fern zu halten. Aber weder
für die Landwirtschaft noch für die Produktion von
Pflanzenschutzmitteln und Halogenkohlenwasserstoffen – um nur
einige besonders markante wasserrelevante Bereiche zu nennen –
wurden bislang entscheidende Rechtsnormen gesetzt. Es gilt die Böden und
Gewässer von solchen Stoffen freizuhalten, die gemäß den
Grenzwerten für Inhaltsstoffe im Trinkwasser auszuschließen bzw.
zu minimieren sind. Auch die verfeinerte Analytik unserer Tage
und die umfassendere Datengewinnung und Datenverfügbarkeit über
die Spurenstoffe ist kein Argument, zwingend nötiges
Handeln hinauszuzögern, unter dem Vorwand, dass man derart
geringe Stoffmengen früher hätte gar nicht entdecken können.
Allerdings! Man hätte sie zu einer Zeit, als sie noch gar nicht
hergestellt wurden, auch mit den allerempfindlichsten
Analysensystemen nicht im Trinkwasser nachweisen können, etwa
Atrazin, Metolachlor oder Chlorkohlenwasserstoffe.
Inzwischen sind weitere Quellen von derzeit nicht endgültig
abschätzbarer Schadpotenz identifiziert: Mikroschadstoffe!
Es sind Umweltchemikalien, die in sehr kleinen
Konzentrationen vorkommen (Spurenstoffe) und dabei langfristig
Schäden verursachen können. Hierzu zählen vor allem
Schwermetalle, Flammschutzmittel, Komplexbildner, Schmerzmittel,
Antibiotika, Antirheumatika, Lipidsenker, Hormone,
Röntgenkontrastmittel, Mikro-Kunststoffe, Partikel aus der
Nanotechnik und andere. Diese gehen zum Teil unverändert in
großen Teilen oder gar vollständig durch die Kläranlagen
hindurch und können selbst im Bodensee, dem größten deutschen
Trinkwasser-Speicher, nachgewiesen werden. Es stehen zahlreiche
Industriechemikalien unter Verdacht, in das Hormonsystem von
Mensch und Tier einzugreifen. So ist bekannt, dass östrogen
wirksame Mikroschadstoffe unter anderem zur Verweiblichung von
männlichen Fischen führen und andere Substanzen organische
Schäden an Leber und Niere verursachen können. Seit zwei
Jahrzehnten wird dies weltweit in Flüssen unterhalb von
Kläranlagenausläufen beobachtet. Auch in Bayern wird zunehmend
von einem Rückgang bestimmter Fisch- und Amphibienarten
berichtet. Als eine der Ursachen wird auch hier eine mögliche
Belastung der Gewässer mit östrogen wirksamen Umweltchemikalien
diskutiert. Der Frage, ob diese Substanzen eine Bedrohung für
freilebende Fisch- und Amphibienbestände darstellen, wurde in
den Jahren 1996 bis 2003 im Rahmen mehrerer Forschungsvorhaben
nachgegangen.
Ausblick
Wasser, das durch so viele Jahrtausende Mit-Träger hoher
Kulturen war, ist in unserem Zeitalter zum Prüfstein von
Zivilisation und Kultur jedes Einzelnen und seiner
Volksgemeinschaften geworden. Je zivilisierter der Mensch ist,
um so mehr Wasser verbraucht er. Je mehr Wasser er benötigt, um
so zivilisierter kommt er uns und sich selber vor, um so
gefährlicher aber ist er für seine Umwelt und seine Nachwelt. |
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Streuobstwiesen:
Früchtekorb und Futterwiesen zugleich
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
Streuobstwiesen sind ein wichtiger
Bestandteil der baden-württembergischen Kulturlandschaft. Sie
sind in vielfältiger Weise Bindeglieder mehrerer Biotopelemente.
So finden sich hier Gehölzstrukturen ebenso wie unterschiedliche
Wiesenaspekte. Mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten sowie über
3.000 Obstsorten besitzen Streuobstbestände eine ungewöhnlich
hohe biologische Vielfalt. Damit gehören sie zu den
naturschützerisch bedeutendsten Kulturlandschaften Europas. Und
mit Streuobstwiesen verbindet fast jeder Baden-Württemberger
schöne Erinnerungen.
In vielen Gegenden Deutschlands, der Schweiz und Österreichs,
die kleinklimatisch begünstigt sind, hat sich im Laufe der
Jahrhunderte eine besondere Kulturform herausgebildet, die eine
Mischung aus Wiesen- und Obstnutzung darstellt: die
Streuobstwiesen. Trotz großflächiger Rodungen in den 1950er bis
1970er Jahren erreichen Streuobstwiesen im Gebiet des heutigen
Landes Baden-Württemberg immer noch eine relativ weite
Verbreitung und das Land besitzt die bedeutendsten
Streuobstbestände in ganz Europa. Die Hälfte aller deutschen
Streuobstwiesen findet man im Südwesten, ganze 117.000 Hektar.
Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für diesen
Lebensraum, auch deshalb, weil er vom Aussterben bedroht ist.
Streuobstwiesen prägen Landschaften
Hochstämmige Obstbäume gehören Gott sei Dank immer noch zum
altvertrauten Bild südwestdeutscher Kulturlandschaften. Sei es,
dass sie als grüner Kranz Dörfer und Weiler umgeben, als Alleen
Straßen und Wege säumen, als markante Einzelbäume in der
Feldflur stehen oder in Form regelrechter „Obstbaumwälder“ ganze
Talhänge bedecken – immer stellen sie ein die verschiedenen
Landschaften wesentlich prägendes Element dar. Da sie mehr oder
weniger locker über die Landschaft „gestreut“ erscheinen, hat
sich für diese traditionelle Form des Obstbaus im Unterschied zu
den geschlossenen Blöcken moderner Niederstamm-Dichtpflanzungen
die Bezeichnung Streuobstbau eingebürgert. Damit leitet sich
auch der seit gut 20 Jahren häufig gebrauchte Begriff
Streuobstwiesen ab. Er hat jedoch nichts mit der Streunutzung
einer Wiese zu tun, wie man vordergründig vermuten könnte.
Solche Streuobstwiesen tragen in vielen Landesteilen
Baden-Württembergs ganz wesentlich zu deren landschaftlicher
Anmut bei. Es gibt wohl kaum eine andere heimische Kulturart,
bei der schon eine einzelne Pflanze eine so bestimmende
Landschaftsmarke setzt wie ein ausgewachsener
Hochstamm-Obstbaum. Aber auch dort, wo viele solcher Bäume zu
einem „Obstwald“ vereinigt sind, bilden sie keine amorphe Masse,
sondern eine Vielfalt von Individuen, die das Landschaftsbild
beleben. Im Unterschied zu den flächig erscheinenden
landbaulichen Kulturen geht von Bäumen eine dreidimensionale
Wirkung aus. In ihren wechselnden Gruppierungen vermitteln sie
räumliche Tiefe, Unverwechselbarkeit und Vielfalt, die noch
gesteigert wird durch die im Jahresverlauf wechselnden arten-
und sortentypischen Farbnuancen, wobei die Blütezeit und die
Zeit der Frucht- und Laubfärbung besondere Höhepunkte
darstellen. Ganz allgemein zählen die von Streuobstwiesen
geprägten Landschaften zu den vielfältigsten Bildern
mitteleuropäischer Kulturlandschaften.
Besonderer Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten
Der besondere Wert der Streuobstwiesen als Biotop ergibt sich
aus zwei Ursachenkomplexen: Zum einen bilden die Bestände mit
ihrer durch freistehende, ausladende Bäume und einen
artenreichen Unterwuchs charakterisierten „savannenartigen“
Struktur schon vom räumlichen Aufbau her ein vielfältiges Mosaik
verschiedener Kleinbiotope, wie es weder der geschlossene Wald
noch das freie Acker- oder Grünland bieten können.
Zum anderen bedeuten die mit der extensiven Nutzung verbundenen
seltenen und meist weniger tiefgreifenden
Bewirtschaftungsmaßnahmen eine geringere Störung von Pflanzen
und Tieren als im Intensivobstbau oder bei anderen intensiven
Nutzungen. Das seltenere Durchfahren mit Geräten, der weniger
häufige Schnitt des Grases und die oft völlig fehlende Anwendung
von Pflanzenschutzmitteln sowie das Belassen alter Bäume mit
abgestorbenen Astpartien ermöglichen einer viel größeren Zahl
von Tier- und Pflanzenarten, die keineswegs nur als Schädlinge
auftreten, das Überleben.
Farbenprächtige Blumenwiese
Am augenfälligsten ist der große Artenreichtum der extensiv
bewirtschafteten Streuobstwiesen an der Zusammensetzung des
Unterwuchses erkennbar. Zwar finden sich meist keine an
besondere Standorte gebundene Raritäten, da Streuobstwiesen
weder ausgeprägte Trocken-, noch Feucht-, noch Magerbiotope
sind. Dementsprechend überwiegen Arten der Wiesen und Weiden
mäßig trockener bis mäßig feuchter Standorte mit mittlerer bis
guter Nährstoffversorgung. In der Regel bilden sie verschiedene
Ausprägungen unserer häufigsten Wiesengesellschaft, der
Glatthaferwiese. Die Glatthaferwiese ist ein besonders
blütenreicher Wiesentyp unserer Mittelgebirge in Europa.
Insgesamt sind es ungefähr 70 bis 80 Arten, die in den
Glatthaferwiesen regelmäßig vorkommen können, wenngleich wir im
konkreten Einzelbestand meist nur 25 bis 35, vielleicht auch
einmal 40 Arten finden. Diese blumenbunten Glatthaferwiesen
unter den Streuobstbeständen sind für den Naturschutz ein
ungemein wertvolles Kapital, das es unbedingt zu erhalten gilt.
Denn hier sind die Blumenwiesen mit ihren
gesellschaftsgebundenen und standortbedingten Blumen bereits
real vorhanden und müssen nicht in verkrampfter Manier durch
Ansaat von gesellschaftsfremden, oft nicht einheimischen und
nicht standortsgemäßen Arten erst geschaffen werden.
Der Baum als Lebensraum
Optisch weniger auffallend ist die noch viel größere
Artenvielfalt der Tiere, die auf bestimmte Pflanzenarten als
Wirtspflanzen angewiesen sind oder die im Boden, im Unterwuchs,
an den von Flechten und Moosen überzogenen Stämmen, Ästen und
Zweigen, im Totholz oder in Baumhöhlen, auf den Blättern oder
auch zwischen den Zweigen des Kronenraumes ihre passende
„ökologische Nische“ finden. Um einen Einblick in die Arten- und
Individuenzahl der Tiere sowie ihr Verhalten zu bekommen, sind
oft erst langwierige zoologische Untersuchungen notwendig. So
können sich auf Apfelbäumen, sofern keine Bekämpfung
stattfindet, allein rund 1000 Gliederfüßler-Arten (Arthropoden)
ansiedeln und insgesamt können Streuobstwiesen bis zu 3000
Tierarten beherbergen, von der Ameise bis zur Fledermaus.
Diese biologische Vielfalt, die durch den Doppellebensraum Wiese
– Baumhain begründet ist, findet sich in modernen
Niederstamm-Obstplantagen nicht mehr. Dort schließen die
intensive Düngung mit Pestizid- und Herbizideinsatz wie auch das
fehlende Totholz Artenvielfalt aus.
Unter den zahlreichen Tierarten der Lebensgemeinschaft
Streuobstwiese sind im Unterschied zu den Pflanzen nicht wenige,
die als gefährdete Arten auf den Roten Listen stehen, von den
Säugern beispielsweise Gartenschläfer, Siebenschläfer, Haselmaus
und verschiedene Fledermausarten, von den Vögeln Steinkauz,
Wiedehopf, Gartenrotschwanz, Würger- und Spechtarten, unter
letzteren insbesondere Grünspecht, Grauspecht und Wendehals.
Sympathien für den Streuobstbau und Engagement der Bürger
Aufgrund einer verfehlten Agrarpolitik der damaligen
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), heute Europäische
Union (EU), gingen ab 1957 die Streuobstbestände dramatisch
zurück. So wurde noch bis 1974 die großflächige Rodung von
Obstwiesen staatlich prämiert! Und noch immer fallen Obstbäume
dem „Flächenfraß“ zum Opfer. Doch das größte Problem ist
inzwischen die mangelnde betriebswirtschaftliche Rentabilität
der Streuobstwiesen und die hohen Ansprüche der
Industriegesellschaft an die Obstqualität. So sind die
Verkaufspreise von Mostobst niedrig und die Bewirtschaftung
relativ zeitaufwändig bei einer schlechten Vermarktungschance.
Unregelmäßige Erträge, die für den Streuobstbau typisch sind,
passen eben nicht mehr in unser technisiertes Wirtschaften.
Deshalb wird die Baumpflege reduziert, oder die Flächen werden
gerodet und zu Bauland, Ackerland oder Intensivgrünland
umfunktioniert. Auch die Umwandlung in Freizeitgärten oder die
Flurbereinigung haben große Lücken in die Streuobstbestände
geschlagen.
Hoffnung gibt jedoch eine ganze Reihe von Initiativen. Wegen des
öffentlichen Interesses am Streuobstbau wurden bereits seit den
1980er Jahren von Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden
Fördermaßnahmen eingeleitet. Außerdem entwickelten Obst- und
Gartenbauvereine, Naturschutzvereinigungen sowie spezielle
Bürgerinitiativen vielfältige Aktivitäten.
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Verbraucher sollen für die
Bedeutung von Streuobst-
wiesen sensibilisiert werden,
zum Beispiel auch in Form der
Werbung für den Konsum von
Verwertungsprodukten
(Aufkleber des NABU). |
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Selbst in jüngster Zeit wirbt der
baden-württembergische Landwirtschaftsminister Rudolf Köberle
persönlich für Produkte aus Streuobst. Die Mitarbeiter seines
Ministeriums initiierten eine breit angelegte Sympathiekampagne
für Produkte aus dem Streuobstanbau und das Land fördert die
Streuobstwiesen jährlich mit 10 Millionen Euro. Auch beinhaltet
das Programm zur Rettung von Streuobstwiesen Strategien zur
Verwertung des Grasaufwuchses, ebenso wie Baumschneide- und
Pflegekurse, Pflanzaktionen und bis hin zur Förderung von
Lohnmostereien und Kleinbrennereien. Ebenso legen sich Natur-
und Landschaftsschützer, Pro Regio und selbst politische
Parteien wie die ödp dafür ins Zeug, dass die Streuobstwiesen
nicht weiter schrumpfen und rufen dazu auf, Streuobstgärten
wieder zu pflegen, um damit einen wichtigen Beitrag zur
Kulturlandschaft zu leisten.
Das Jahr 2010 ist das weltweit beachtete Jahr der biologischen
Vielfalt. Der Ortsverband Altshausen der ödp nimmt dies zum
Anlass, auch dem Streuobstgarten in Oberschwaben zu neuem
Ansehen zu verhelfen.
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Herbstzeit ist Äpfel- und Birnenzeit – Ein saftiges
Vergnügen mit Biss |
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Fairen Preis für das Streuobst
So sehr diese vielfältigen Streuobst-Kampagnen zu begrüßen sind,
doch Sympathiekundgebungen alleine reichen nicht aus. Der
Streuobstbewirtschafter muss vor allem aus wirtschaftlichen
Erwägungen ein Interesse daran besitzen, sich zu bücken und die
Früchte aufzuheben, die Wiesen zu mähen und die Obstbäume wieder
zu pflegen. Deshalb ist zuallererst der Verbraucher gefordert,
nicht nur für Kaffee, Bananen oder Blumen aus Afrika, Asien oder
Lateinamerika faire Preise zu zahlen, sondern auch für die
Produkte unserer heimischen Streuobstbauern. So bedeutet zum
Beispiel bei Apfelsaft eine Steigerung um 12 Cent pro Liter eine
Erhöhung der Erzeugerpreise um acht bis neun Euro je
Doppelzentner. Das schafft für die deutschen Streuobstbauern
eine wirtschaftliche Existenzgrundlage und damit werden quasi
„automatisch“ die aus Naturschutzsicht wertvollen Kulturbiotope
erhalten, ohne dabei den Naturschutzetat und letztendlich den
Geldbeutel des Steuerzahlers zu belasten. Denn vom Staat
gekaufte „Pflegefälle“ an Streuobstwiesen sind auf Dauer nicht
finanzierbar!
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Streuobstbauern, welche umwelt- und
verbraucherfreundlich wirtschaften und die Anwendung
synthetischer Behandlungsmittel wie Pestizide und
Dünger ausschließen, haben einen Anspruch auf höhere
Erzeugerpreise. |
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Weitere Chancen für diese Bindeglieder von
Natur und Kultur gibt es auch dort, wo Grundstücksbesitzer, die
längst keine Landwirte mehr sind, als Feierabend- oder
Wochenendbeschäftigung die Baumwiesen traditionell
bewirtschaften. So können auch ihre Kinder den besonderen Reiz
einer Streuobstwiese erleben und die gewachsene Kulturlandschaft
für die kommenden Generationen bewahren. |
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Biotopverbund - ein modernes ökologisches Schlagwort oder
ein Erfolgskonzept für den Naturschutz?
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
Ein relativ neues ökologisches Schlagwort macht auch in
der Politik Furore: Biotopverbund. Der Verbund von Biotopen ist
bislang zu wenig beachtet worden. Ein fataler Fehler des
Naturschutzes war und ist, dass er sich nahezu ausschließlich
auf die Ausweisung von Naturschutzgebieten beschränkt hat unter
Vernachlässigung der Restflächen. Und das sind mehr als 96 % des
Areals der Bundesrepublik Deutschland. Der entscheidende
Schlüssel, dem Naturschutz endlich flächendeckend zu wirklichen
Erfolgen zu verhelfen, wird im Biotopverbund gesehen. Dazu ist
ein gründliches und schnelles Umdenken vor allem in der Politik
notwendig, um einen Durchbruch zu bewirken.
Ein kurzer Blick um 400 Jahre zurück
Dass sich weite Landschaften in Mitteleuropa in den vergangenen
Jahrzehnten zu ihrem Nachteil verändert haben, ist Realität.
Gehen wir auf der Zeitachse um einige Jahrhunderte zurück, so
entstand in der Agrarlandschaft ein langsam wachsendes,
kleinräumiges und abwechslungsreiches Mosaik von Dörfern,
Weilern und Einzelgehöften, Wegen und Triften, von Gärten und
Obstwiesen, Hecken, Gehölzen und Einzelbäumen, Heiden- und
Trockenrasen, Hoch- und Niederwäldern. Seen und Weiher, aber
auch Kleingewässer, Teiche und Mühlenweiher bildeten Oasen in
einer Kultur- und Naturlandschaft. 500 bis 700 Pflanzenarten
fanden hier Lebensraum, doppelt so viele wie in der
ursprünglichen Naturlandschaft. Und die Vielfalt der Tierarten
steigerte sich noch deutlich stärker. Rund 400 Jahre lang war
dieses Bild einer bäuerlichen Kulturlandschaft mit ihren
reichhaltigen „Naturzellen“ der Normalzustand - vom 16ten bis
zur Mitte des 20sten Jahrhunderts.
Doch dann kam der revolutionäre Umbruch in der Landwirtschaft.
Fast auf das Jahr genau. Seit 1950 vollzog sich ein Umbruch in
der Landwirtschaft unter massivem Einsatz aller technischen und
chemischen Möglichkeiten. Einem starken wirtschaftlichen Druck
ausgesetzt, expandierten die mittleren und großen Betriebe auf
Kosten der kleinbäuerlichen Landwirtschaft immer stärker. Mit
stetig wachsender Betriebsgröße und enorm steigendem Maschinen-,
Dünger- und Pestizideinsatz reduzierten sich die Zahlen der
verbleibenden Betriebe und der in der Landwirtschaft
Erwerbstätigen innerhalb eines Jahrzehnts um rund 60 Prozent!
Zu allem Übel kam eine erschreckende Agrarpolitik-Lawine der
damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) hinzu, welche die
Bauern regelrecht überrollte und sie in eine „moderne“
Massenproduktion drängte, völlig naturwidrig, weil einseitig
und mit fatalen Folgen. Mitmachen oder untergehen, viel und
kostengünstig zu produzieren, das blieb den meisten Bauern nur
noch als Überlebenschance. Der Bauernstand in seiner
existenziellen Beziehung zum Boden wurde entwurzelt, der Boden,
die Landschaft weitgehend zerstört. Massenhafte Monokulturen
ohne Kultur entstanden. Massentierhaltungen mit massiven
Umweltbelastungen wurden gegründet. Massenhafte Getreide- und
Butterberge türmten sich auf. Massenhafter Einsatz von
Düngemitteln und Pflanzen“behandlungs“mitteln wurden zur Norm.
Massenhafter Verlust von fruchtbarem Humus stellte sich ein, vom
Winde verweht.
Dann vom Wasser sauber gewaschener Boden .... Wer trägt die
Schuld an dem bis zum heutigen Tage nicht gelösten
Nitrat-Problem? Weiter: das Rückstandsproblem von
Pflanzenschutzmitteln im Trinkwasser und in Lebensmitteln?
Es ist wie ein Hohn der Natur, wenn mancherorts die Bauern das
Wasser aus ihren eigenen Brunnen nicht mehr trinken können.
Ziehen wir Bilanz: Gerade mal 20 bis 30 Jahre (1950 – 1980)
haben ausgereicht, um aus einer über Jahrhunderte währenden,
intakten bäuerlichen Kulturlandschaft, mit ihrer Kleinräumigkeit
und ihrem anheimelnden Charme, eine ausgeräumte, erodierte und
schwer mit Chemie belastete Agrarlandschaft zu schaffen. Der
Kampf um den Erhalt einer bäuerlichen Kulturlandschaft ging
verloren. Das alles nivellierende Agro-Industriesystem hat
gesiegt, weil politisch gewollt, finanziell subventioniert und
mental gefördert. Atemberaubende Zunahmen der Hektarerträge in
der Agrarwirtschaft sowie der Viehhaltung sind die Erfolge,
jedoch beide mit enormen Umweltbelastungen erkauft. Manche
agrare Landschaften sind inzwischen zu einem größeren
ökologischen Problemgebiet geworden als es der benachbarte
städtisch-industrielle Bereich ist.
Aus dieser Entwicklung resultiert die jetzt akute Notwendigkeit,
einen umfassenden Naturschutz zu betreiben, der die
weitestmögliche Erhaltung von Arten, Lebensgemeinschaften und
Biotopen gewährleistet.
Kein gutes Zeugnis für den Naturschutz
Die bisherigen Bilanzen stellen dem Naturschutz leider ein
schlechtes Zeugnis aus: Die „Roten Listen“ der gefährdeten Tier-
und Pflanzenarten wachsen, Tag für Tag verschwinden weitere
natürliche und naturnahe Lebensräume von der Erdoberfläche. Und
dies trotz steigender Bemühungen des Naturschutzes durch
vielfältige Arten- und Biotopschutzprogramme sowie durch die im
Bundesnaturschutzgesetz vorgeschriebene Beteiligung der Verbände
an Planungen von umweltrelevanter Bedeutung. Selbst auch die so
häufig propagierte „ökologische Planung“, gemeint ist damit die
Landschafts- und Naturschutzplanung, welche theoretisch
geeignete Gegenmaßnahmen entwickeln und forcieren müssten,
lassen teilweise die nötige Sachkunde und Konsequenz vermissen (Jedicke
1994).
Ein fataler Fehler war und ist, dass sich der Naturschutz nahezu
ausschließlich auf die Ausweisung von Naturschutzgebieten
beschränkt hat unter Vernachlässigung der Restflächen. Das sind
immerhin mehr als 96 % des Areals der Bundesrepublik
Deutschland. Und genau da muss der Hebel angesetzt werden, weil
hier eine massive, flächenhafte Lebensraumzerstörung stattfand
mit der Konsequenz eines stetigen Artenrückganges und einer
Unterwerfung der Natur durch den Menschen. Ziehen wir eine
Folgerung aus dieser Feststellung, dass Lebensraumzerstörung im
weiteren Sinne eine entscheidende Bedeutung für den
Artenrückgang hat, so kann diese nur lauten:
Ein wirksamer Artenschutz kann nur über den Schutz des
Lebensraumes erfolgen. Artenschutz muss umfassender Biotopschutz
sein.
Ein weiterer Fehler des Naturschutzes war es, beim Biotopschutz
in eng begrenzten räumlichen Kategorien zu denken. Um die Natur
in einem „romantischen“ Wunschzustand festzuhalten, wurde mit
teils hohem Pflegeaufwand und entsprechenden Kosten permanent
gegen die natürliche Sukzession gearbeitet. Stattdessen muss der
Naturschutz, vorzugsweise auf großen Flächen mit Totalschutz,
die natürliche Entwicklung zulassen. Biotoppflege, wo sie als
nötig erachtet wird, sollte in erster Linie eine ökologisch,
aber auch gleichzeitig eine ökonomisch gewinnbringende
Landnutzung sein (Jedicke 1994). Denn vom Staat
gekaufte „Pflegefälle“ sind auf Dauer nicht finanzierbar!
Globale Umweltveränderungen zwingen uns heute, unser
Naturschutz-Verständnis zu überdenken. Das heißt, der
Naturschutz muss auf zwei zentralen Standbeinen fußen: Zum einen
dem Arten- und Biotopschutz, zum anderen dem Schutz der drei
Umweltmedien Boden, Wasser und Luft. Deren Nutzung durch den
Menschen muss nachhaltig betrieben werden,
damit die langfristige Erhaltung und Nutzbarkeit dieser
Ressourcen gewahrt bleiben (siehe Jedicke).
Landwirtschaft und Naturschutz unter einen Hut bringen
Die landläufige Vorstellung, dass Artenschutz durch
Sicherstellung von Flächen und Schutz vor jeder menschlichen
Nutzung oder Beeinflussung am besten zu verwirklichen sei,
übersieht die Tatsache, dass der überwiegende Teil unserer
Ökosysteme letztlich anthropogenen Ursprungs ist. Der Mensch,
und allen voran der Bauer, spielt hier die Rolle eines
Ökosystemgliedes. Würde man ihn herausnehmen, bräche das
bisherige Gefüge zusammen und es würde in den meisten Fällen bei
Landökosystemen die durch das mitteleuropäische Klima
vorgegebene Sukzession zu einem Waldökosystem einsetzen. Dieses
aber hätte einen völlig anderen Artenbestand als die früheren
anthropogenen Ökosysteme im Bereich der künstlich durch die
Landwirtschaft offengehaltenen Landschaft. Artenschutz muss also
in vielen Fällen durch Aufrechterhaltung bestimmter
Wirtschaftsformen, das heißt unter Beibehaltung bestimmter
menschlicher Eingriffe, betrieben werden.
Für eine Realisierung bedeutet das: Die Kreisläufe der
Landnutzung müssen wie in der eingangs beschriebenen,
historischen Kulturlandschaft geschlossen werden. Die Landwirte
müssen vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen ein Interesse
daran besitzen, Streuwiesen zu mähen, Magerrasen mit Schafen zu
beweiden, Obstbau in Form des Streuobstbaus anzulegen und zu
nutzen, Hecken zu dulden und zu pflegen, den Riegel und Rain
nicht als Hindernis zu sehen. Genauso sind die Verbraucher
gefordert, Schaf- und Rindfleisch von heimischen Weiden und
Apfelsaft von lokalen Obstwiesen zu konsumieren (Jedicke
1994).
Die damit verbundenen Prozesse in der bäuerlichen
Kulturlandschaft erzeugen damit quasi automatisch die aus
Naturschutzsicht wertvollen Kulturbiotope – ohne den
Naturschutzetat und damit den Geldbeutel des Steuerzahlers zu
belasten. Das heißt, dass eine extensive und vielfältige
Flächennutzung in Land- und Forstwirtschaft grundsätzlich
wünschenswert ist. Die Vielfalt in unserer Kulturlandschaft kann
nur dann erhalten und wieder hergestellt werden, wenn die heute
zu Agrarproduzenten degradierten Landwirte wieder zu Bauern
werden können. Und dafür gibt es nur einen realistischen Weg,
nämlich die Landnutzung und den Naturschutz unter einen Hut zu
bringen.
Zerschneidung, Biotopverlust und Strukturverarmung
Die Zerstörung ihrer Lebensräume gilt für die meisten
gefährdeten und ausgestorbenen bzw. verschollenen Tier- und
Pflanzenarten als die Hauptursache ihrer Bestandsrückgänge. An
der Spitze stehen Nutzungsänderungen, Nutzungsaufgabe und die
Beseitigung von Sonderstandorten.
Die Liste der Verursacher führt die Landwirtschaft an. Mit der
Zerstörung von Sonderstandorten bzw. –biotopen sowie einer
landesweiten Entwässerung der Fluren verschwanden weithin die
Unterschiede in den Lebensbedingungen der Natur. Besonders groß
wurden die Verluste bei den Feuchtgebieten. Die
Nutzungsintensivierung unter massivem Dünger- und
Herbizideinsatz führt vor allem in der Agrarlandschaft zu einer
weiteren Nivellierung der Standort- und Lebensbedingungen.
Quadratkilometer große und bis auf den letzten
Rest ausgeräumte Ackerflächen mit ihren Monokulturen
verändern das Landschaftsbild in einer radikalen Weise.
Nur noch ganz wenige Pflanzen- und Tierarten können hier
überleben. Es klingt wie ein Hohn, hier noch von Arten-,
Biotop- und Ressourcenschutz zu sprechen. |
Parallel zu den modernen Methoden der Landwirtschaft kommt noch
der zunehmende Nutzungsdruck auf die Landschaft durch den
Straßen- und Siedlungsbau, welcher ebenso zu einem Verlust
wertvoller Biotope führt. Diese verlieren nicht nur insgesamt an
Fläche, sondern werden in isolierte Einzelteile zerlegt, die
aufgrund ihrer geringen Größe verstärkt „Randeffekten“, das
heißt störenden Einflüssen aus der Umgebung ausgesetzt sind. Die
verbleibenden Biotopinseln sind für viele Arten zu klein und
ihre Isolation erschwert den Austausch von Individuen zwischen
den Gebieten. Dies führt zu einer genetischen Verarmung der
Populationen und gefährdet ihr dauerhaftes Überleben.
Darüber hinaus gehen durch die Zerlegung der Biotope in
isolierte Einzelteile und eine durch Nutzungsintensivierung
zunehmend lebensfeindliche Umgebung auch die
gesamtlandschaftlichen ökologischen Zusammenhänge verloren
(siehe als Beispiel das Bild der ausgeräumten Agrarlandschaft).
Zur Arterhaltung sind Pflanzen- und Tierpopulationen darauf
angewiesen, dass sie in einem Austausch mit benachbarten
Vorkommen stehen, das heißt, dass einzelne Individuen, oder bei
Pflanzen einzelne Samen, von einer Inselfläche zur anderen
gelangen können. Um dies zu ermöglichen, müssen deshalb auch
außerhalb von Schutzgebieten in der überwiegend land- und
forstwirtschaftlich genutzten Landschaft geeignete
Lebensbedingungen geschaffen werden. Denn nur durch die
Bereitstellung eines qualitativ und quantitativ ausreichenden
Lebensraumes können Artvorkommen mittel- bis längerfristig
erhalten werden. Artenerhalt ist somit nur möglich durch
großflächigen Biotopschutz und durch
umfassenden Schutz der Umweltmedien Boden, Wasser und Luft auf
der Gesamtfläche. Das Konzept zum Biotopverbund als
flächendeckenden Naturschutz war hiermit gegründet (siehe
Jedicke).
Biotopverbund-Modell vergleichbar mit menschlichem
Blutgefäßsystem
Die Naturschutzstrategie des Biotopverbunds nach Jedicke
will der Verinselung durch Kombination von vier Maßnahmen
entgegenwirken, indem die Isolation der Arten gemindert und
dadurch der Individuenaustausch zwischen den naturnahen
Inselflächen erleichtert wird:
-
Großflächige Schutzgebiete sollen ausreichend großen und
damit stabilen Populationen das dauerhafte Überleben
ermöglichen (Vorrangflächen des Naturschutzes).
-
Kleinere Trittsteinbiotope dienen dem
vorübergehenden Aufenthalt und der vereinzelten
Vermehrung, um die auf einmal zu überwindende Distanz
von einer Schutzfläche zur nächsten zu verringern.
-
Lineare Korridorbiotope, auch
Linienbiotope genannt, vernetzen die großen
Schutzgebiete und Trittsteine miteinander.
-
Die dazwischen liegenden Nutzflächen sollen in ihrer
Bewirtschaftungsintensität langfristig vermindert werden
(flächendeckende Nutzungsextensivierung).
Vorrangig sollen auf diese Weise gleichartige Lebensräume
verbunden werden. Feuchtgebiete und Auenwälder beispielsweise
müssen über Gehölz- und Röhrichtgürtel entlang von
Fließgewässern miteinander vernetzt werden, Magerrasen durch
ausreichend breite Weg- und Heckenraine, Hecken mit Feldgehölzen
und Waldrändern (vgl. Jedicke et al. 1996). Das
Instrument einer ökologisch orientierten Flurbereinigung kann
hier als Segen wirken, indem sie die planerische Umsetzung all
solcher Maßnahmen wesentlich erleichtern kann. Die
Funktionsweise des Verbundmodells verglich die Landesanstalt für
Ökologie Nordrhein-Westfalen mit dem menschlichen
Blutgefäßsystem: Funktionieren wird es nur, wenn der Körper –
und entsprechend die gesamte Landschaft – intakt ist und nicht
überstrapaziert wird.
Gewässerrandstreifen als Beispiel für
ein Korridorbiotop
Korridorbiotope mit linearer Erstreckung (= Linienbiotope)
tragen besonders in einer stark ausgeräumten Landschaft mit
geringem oder fehlendem Wald- und Grünlandanteil zur
Mannigfaltigkeit und Vernetzung der inselartigen Biotope bei. Zu
den Linienbiotopen zählen Ackerrandstreifen, Raine,
Lesesteinwälle, Böschungen, Wege und Straßenränder, Hecken,
Alleen und vor allem Fließgewässer.
Die Fließgewässer haben in unserer Landschaft eine Vielzahl von
Funktionen zu erfüllen. Zu nennen sind insbesondere die Aufgaben
aus Sicht der Wasserwirtschaft, dann die ökologischen Funktionen
und die Biotopvernetzung. Bei einer Bewertung der Gewässer aus
ökomorphologischer Sicht wird deutlich, dass eine Vielzahl der
Gewässer im ländlichen Raum die Funktionen einer
Biotopvernetzung nur ungenügend erfüllen. Ursache hierfür sind
die im Zuge der Flurneugestaltung ab Anfang der 1960er Jahre
durchgeführten Maßnahmen der Flur- und Hydromelioration, die
eine Intensivierung der Landwirtschaft zum Ziel hatten. Um mehr
Fläche zu gewinnen und eine rationelle maschinelle
Bewirtschaftung zu ermöglichen, sind zahlreiche
Uferrandstreifen, Auen und weitere Feuchtbiotope geopfert
worden.
Deshalb kommt den Gewässerrandstreifen, vielfach auch
Uferrandstreifen genannt, innerhalb einer intensiv genutzten
Landschaft eine zentrale Bedeutung für die Aufrechterhaltung der
Gewässerfunktionen zu. Die Wiedereinrichtung bzw. die
Entwicklung und Pflege bestehender Gewässerrandstreifen muss zu
den Hauptschwerpunkten eines aktiven Gewässerschutzes gehören.
Denn Gewässerrandstreifen sind generell eine sinnvolle und
wirksame Maßnahme zum Schutz der Oberflächengewässer. Sie
übernehmen eine Pufferfunktion und verhindern bzw. verringern so
den Eintrag von unerwünschten Stoffen in das Gewässer.
Uferrandstreifen schützen vor Gewässerschäden wie durch
Viehtritt und Erosion, sie erhöhen die Selbstreinigungskraft des
Gewässers und bereichern die Landschaft.
Jeder Meter eines nicht bewirtschafteten Uferrandstreifens
stellt einen ökologischen Gewinn für das Gewässer und die
umgebende Landschaft dar. Ungenutzte Randstreifen übernehmen
eine echte Lebensraumfunktion für viele Tier- und Pflanzenarten.
Sie erfüllen damit auch für die am Boden lebenden Tiere wie zum
Beispiel Spinnen, Heuschrecken, Mäuse, Kröten, Frösche, Molche,
Mauswiesel, Hermelin, Iltis und Dachs eine bedeutende
Biotopvernetzungsfunktion.
Darüber hinaus leisten standorttypische Gehölze (Bäume und
Sträucher) einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der
Biotopvielfalt an Fließgewässern. Sie beeinflussen unter anderem
das Mikroklima und sind selbst Lebensraum für unzählige
Insekten, Spinnen und Vögel. Außerdem bilden die ins Wasser
hineinwachsenden Wurzeln von Bäumen und Uferpflanzen an den
Gewässerrändern interessante Lebensräume für Fische und
Kleintiere der Bachsohle.
Das Fazit ist: Fließgewässer mit ihren Uferrandstreifen sind
herausragende Elemente des Biotopverbundes und für dessen
Entwicklung in besonderem Maße bedeutsam.
Bäche und andere Fließgewässer sind die
Lebensadern in unserer Landschaft. Allerdings sind die
Gewässer faunistisch sehr viel weniger wertvoll, wenn
die angrenzenden Flächen intensiv landwirtschaftlich
genutzt werden und zugleich auf Gewässerrandstreifen
verzichtet wird. |
Dank
Herrn Prof. Dr. Eckhard Jedicke und seinen Mitstreitern sei an
dieser Stelle für ihren unermüdlichen, mittlerweile zwei
Jahrzehnte dauernden Einsatz gedankt, einmal für die
wissenschaftliche Begründung des Konzeptes zum Biotopverbund,
zum anderen für die praktische Erarbeitung von Grundlagen und
Maßnahmen zur Realisierung von Biotopverbundsystemen.
Literatur
- Jedicke, E. (1994): Biotopverbund – Grundlagen und Maßnahmen
einer neuen Naturschutzstrategie. Verlag Eugen Ulmer,
Stuttgart.
- Jedicke, E. (1994): Biotopschutz in der Gemeinde. Neumann
Verlag, Radebeul.
- Jedicke, E., Frey, W., Hundsdorfer, M., Steinbach, E. (1996):
Praktische Landschaftspflege. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
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Gewässerrandstreifen prägen und schützen unsere
Fließgewässer
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
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Deutschland besitzt ein Netz von mehr als 1
Million Kilometern kleiner Fließgewässer. Es sind Gräben, Bäche
und kleine Flüsse, welche für Umwelt- und Lebensqualität stehen.
Sie sind die Kinderstube unserer Fische, prägen die Landschaft
und das Ortsbild. Sie vernetzen Lebensräume, sind Schlüssel für
Artenreichtum und bieten Freizeit und Erholung vor unserer
Haustüre.
Degradierte Lebensadern
Insgesamt sieht es aber nicht gut aus mit unseren Flüssen,
Bächen und Wiesengräben. Durch Ausbau, Begradigung, Verrohrung,
Ausleitung, Querverbauung, Ausräumung und vielfältigen
anthropogenen Belastungen sind sie ihrer landschaftstypischen
Wesensmerkmale und ihrer Funktion als Lebensadern der Landschaft
beraubt. Sie sind vielfach degradiert zu Wasserabzugsrinnen. |
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Kein Baum, kein Strauch wächst entlang
dem Wiesenbach. Die Bachsohle ist mit Betonschalen ausgekleidet.
Ein Beispiel für die Ausräumung der Landschaft und das ist kein
Einzelfall.
Eine natürliche Dynamik, das Entstehen und
Vergehen von Lebensräumen, ist praktisch nicht mehr vorhanden.
Ansätze von Dynamik, etwa in Form von Uferanrissen nach einem
Hochwasser, werden als Schaden angesehen und durch massive
Verbauungen sofort wieder beseitigt. Neben der Stabilisierung
der Ufer fand auch häufig eine Pflasterung der Ufersohle statt.
Derartige Verbauungen führten zu einer Erhöhung des Gefälles,
beschleunigtem Abfluss und verstärktem Geschiebetransport.
Die Quervernetzung zwischen Haupt- und Nebengewässer (laterale
Vernetzung) wurde vornehmlich durch Hochwasserschutzdeiche,
Rückhaltedämme und Absenkung des Grundwasserspiegels
eingeschränkt. Weiterhin verfüllte man häufig die Nebengewässer
und Altarme, die Auewälder wurden gerodet und trockengelegt.
Durch diesen Flächengewinn konnte vermehrt Landwirtschaft
betrieben werden, neue Siedlungen und Industriegebiete
entstanden.
Dadurch sind viele natürliche Funktionen der Gewässer verloren
gegangen. Die immer deutlicher vorgetragenen, besorgten
Äußerungen der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), ebenso
auch von anderen Naturfreunden und Ökologen, bewirkten, dass die
Notwendigkeit eines umfassenden Schutzes unserer Gewässer bei
Politikern und Behörden sowie in der Wissenschaft allmählich
Gehör gefunden haben.
Gewässer brauchen Schutz, Pflege und Raum
Zaghaft beginnt nun im Wasserbau, in der Flurbereinigung, im
Küstenschutz und in all den anderen Eingriffsdisziplinen ein
Umdenkungsprozess: Naturschutzfreundlichere Passagen in
Gesetzen, Verordnungen, Erlassen und Verfügungen ermöglichen
oder verlangen jetzt ein stärker an ökologischen Gegebenheiten
orientiertes Planen und Handeln. Der Wandel im Umgang mit
Gewässern setzte sich allerdings nur ganz allmählich durch,
erfährt jedoch durch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
in den letzten Jahren einen merklichen Auftrieb. Das zentrale
Ziel der WRRL besteht im Erreichen des guten Zustandes aller
Gewässer innerhalb der Europäischen Union. Bei Fließgewässern
werden der gute chemische und der gute ökologische Zustand
angestrebt. Der Begriff des guten Zustands definiert sich im
Wesentlichen über biologische, strukturelle, physikalische und
chemische Merkmale und bedeutet, dass das Gewässer nur wenig vom
natürlichen Zustand abweicht und alle EU-Normen zur
Wasserqualität erfüllt. Dieser ganzheitliche Ansatz
zur Gewässerqualität berücksichtigt damit neben der Qualität und
Menge des Wassers insbesondere die Gewässerstruktur, unter
welcher man alle räumlichen und materiellen Differenzierungen
des Gewässerbettes und seines Umfeldes versteht, so auch die
Gewässerrandstreifen. Um diese Ziele zu erreichen, verpflichtet
die Richtlinie alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ihre
natürlichen Gewässer zu erhalten, zu pflegen und ihnen Raum für
ihre natürliche Entwicklung zu geben. |
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Ein naturnaher Wiesenbach mit einem variablen
Profil. Ein schmaler Gehölzstreifen begleitet das
Gewässer und sichert das Ufer. Die Wurzeln der
Uferbäume verbessern den Lebensraum für Fische. |
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Belastete Gewässer-Gebiete sind zu sanieren
und alle Maßnahmen sollen bis zum Jahre 2015 abgeschlossen sein.
Trotz den inzwischen angelaufenen, umfangreichen Bemühungen der
Länder, Kommunen und anderer Unterhaltspflichtiger zur
Revitalisierung unserer Fließgewässer ist der Handlungsbedarf
jedoch nach wie vor groß. Insbesondere besteht bei den
Lebensraumverbesserungen noch ein erhebliches
Verbesserungspotenzial. |
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Kein Platz für die Natur
Im Zuge der Flurneugestaltung wurden ab Anfang der 1950er Jahre
Maßnahmen der Flur- und Hydromelioration durchgeführt mit dem
Ziel, die Landwirtschaft umfassend zu intensivieren. Ein bislang
naturverbundenes Leben und Schaffen wurde abgelöst durch
technisches, rationales Denken und Handeln. Die Unterwerfung der
Natur durch den Menschen griff Platz, verstanden als
Unterwerfung unter die Rationalität. Ziel war die Steigerung des
Nutzens, der Produktivität. So wurden Ried und Moor zu Acker und
Wiese, das Grasland zum Grünland, der Wald zum Forst, die Hecke,
der Riegel und Rain zum Hindernis. Bach und Fluss wurden
gezähmt, begradigt und durch Dämme eingeschnürt, um Land zu
gewinnen und um vor den Launen der Natur sicher zu sein.
Schließlich musste auch der Bauer in den Strudel dieser
gesellschaftlichen Entwicklung einbezogen werden. Er wurde
erzogen zum rational, auf wissenschaftlicher Basis
wirtschaftenden Landwirt und durch Intensivierung der
Landnutzung dazu gebracht, auch den letzten Quadratmeter seiner
Feldflur nutzen zu müssen, indem er Bäume, Sträucher, Terrassen,
Gewässerbiotope und Uferrandstreifen beseitigte, Auewälder
rodete und trockenlegte, und ahnte dabei nicht, dass er damit
Hand anlegte an die Wurzeln einer bislang gesunden
Kulturlandschaft.
Erst angesichts der zunehmenden Monotonie unserer
agrartechnischen Kulturlandschaften, oft als „Kultursteppen"
glossiert, wird jetzt vielen bewusst, welche gravierenden
Lebensraumzerstörungen in der Vergangenheit verursacht wurden.
An einem begradigten und ausgebauten Fließgewässer, wo Auwälder
und Uferrandstreifen fehlen, herrscht eben Monotonie. Und hier
gibt es kaum Lebensräume für Fische, andere Tiere und Pflanzen.
Ein Fließgewässerökosystem ist erst dann funktionsfähig, wenn es
den in ihm natürlicherweise vorkommenden Arten in allen
Lebensphasen eine ausreichende Lebensgrundlage bietet. Das ist
in der Regel dann der Fall, wenn im Gewässersystem alle zum (Über-)Leben
notwendigen Funktionsräume in einer dem natürlichen Zustand
entsprechenden Häufigkeit und Ausprägung vorkommen und
großräumig miteinander vernetzt sind.
So versteht sich dieser Beitrag als ein Appell an ein neues
Grundverständnis für den Umgang mit unseren natürlichen
Lebensgrundlagen. Konkret heißt dies, dass alles getan werden
muss, damit möglichst alle Fließgewässer und Auen wieder eine
naturnahe Struktur erhalten. Hierbei bedarf es der Unterstützung
aller Beteiligten. |
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Was bewirken die Gewässerrandstreifen?
Wissenschaft, Verwaltung und Politik haben mittlerweile die
große Bedeutung von Gewässerrandstreifen für die naturnahe
Entwicklung von Gewässern erkannt. Gewässerrandstreifen sind
gewässerbegleitende Landflächen zum Schutz und zur Entwicklung
der Gewässer. Vor allem innerhalb der intensiv genutzten
Kulturlandschaften kommt den Gewässerrandstreifen eine zentrale
Bedeutung für die Aufrechterhaltung und Verbesserung der
ökologischen Funktionen der Gewässer zu. Die Wiedereinrichtung
beziehungsweise die Entwicklung und Pflege bestehender
Gewässerrandstreifen gehören daher zu den Hauptschwerpunkten
eines aktiven Gewässerschutzes, weil das Ökosystem Gewässer
durch die ufernahen Bereiche maßgeblich geprägt wird. Deshalb
müssen Gewässerrandstreifen in Abstimmung mit Nutzungs- und
Eigentumsrechten künftig als Voraussetzung für die naturnahe
Entwicklung der Gewässer gesichert und vor allem auch
durchgesetzt werden und zwar mit folgenden Zielen: |
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- um eine naturnahe Eigenentwicklung des Gewässers als
Bestandteil des Naturhaushaltes und Lebensraumes von Tieren
und Pflanzen zu ermöglichen,
- die Gewässerökologie im aquatischen und amphibischen
Bereich zu verbessern,
- das Gewässerumfeld aufzuwerten, insbesondere durch
naturnahe Gehölzsäume,
- Wiesen, Röhricht- und Hochstaudenfluren zu fördern,
- die Gewässers vor Eintrag von wassergefährdenden Stoffen
(z.B. Pflanzenschutz- und Düngemittel) durch die Abstands-,
Retentions- und Pufferwirkung des Gewässerrandstreifens,
- die Gewässer vor dem Eintrag von erodierten
Bestandteilen (z.B. Bodenmaterial) wie auch
wassergefährdenden Stoffen (Pflanzenschutz- und Düngemittel
u.a.) zu schützen.
- Beitrag zum Integrierten Pflanzenschutz leisten,
- dezentralen Hochwasserschutz ermöglichen,
- Aufwand für die Gewässerunterhaltung wesentlich
reduzieren.
|
Die Umsetzung der vorstehenden Ziele lässt
noch viele Wünsche offen. Die Praxis der Nutzung von
Ufergrundstücken zeigt, dass der vom Gesetzgeber in einer ganzen
Reihe von Rechtsvorschriften bereits verankerte Schutz von
Gewässer und Ufer, einschließlich der auf diese Lebensräume
angewiesenen Tiere und Pflanzen, bisher noch nicht hinreichend
durchsetzbar ist. |
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Weshalb Gewässerrandstreifen für den
Naturschutz besonders wertvoll sind
In der modernen Kulturlandschaft stoßen verschiedenartige
Ökosysteme mit harten Grenzen aneinander: Gebäude,
Verkehrsflächen und Einfriedungen werden zunehmend direkt am
Gewässer errichtet, teilweise werden die Gewässer durch
Uferbefestigungen eingeengt. Entlang von Sportstätten,
Kleingärten und Kleintierzuchtanlagen werden Gewässer immer noch
durch Auffüllungen, Ablagerungen, unerlaubte Wasserentnahmen und
Einleitungen sowie durch die Beseitigung der Ufergehölze
beeinträchtigt.
Außerhalb des Siedlungsbereichs werden auch ufernahe Flächen oft
intensiv landwirtschaftlich genutzt. Insbesondere an naturfern
begradigten und ausgebauten Gewässern reicht derzeit die
ackerbauliche Nutzung oft bis an die Böschungsoberkante. Auch
intensive Grünland- und Weidenutzung ist immer wieder mit
Stoffeintrag und einer Beeinträchtigung des Gehölzsaumes
verbunden. Ebenso behindert die Entwässerung noch vorhandener
Feuchtflächen eine naturnahe Entwicklung.
Entsprechend abrupt gestaltet sich auch der Wandel der jeweils
typischen, sehr verschiedenartigen Biozönosen
(Lebensgemeinschaften). Von Natur aus hingegen geht ein Wechsel
von einem zum anderen Ökosystemtyp kontinuierlich vor sich,
einem sich langsam ändernden Standortgradienten entsprechend.
Damit erfolgt in diesen Saumbiotopen eine Abpufferung der
unterschiedlichen Wirkungen und Faktoren. Eine solche
Übergangszone bezeichnet man als Ökoton, einen
Grenzbereich, der sich im Vergleich mit den angrenzenden
„reinen" Ökosystemen als Folge der gegenseitigen Überschneidung
durch ein vielfach höheres Angebot an Lebenserfordernissen wie
Nahrung, Deckung und Mikroklima auszeichnet. Dieser so genannte
Rand- oder Grenzlinieneffekt äußert sich durch einen in aller
Regel deutlich größeren Artenreichtum und eine erhöhte
Artendichte, der sich aus Bewohnern der beiden
aneinanderstoßenden Ökosysteme sowie aus den spezialisierten
Saumarten rekrutiert.
Für den Naturschutz besitzen deshalb Ökotone aufgrund ihrer
hohen Artenzahl und der besonderen Zusammensetzung ihrer
Biozönose mit den spezialisierten Saumarten einen hohen Wert.
Fließgewässer eignen sich auf Grund ihrer linienhaften Struktur
und des Netzcharakters in besonderem Maße zur Verbindung
einzelner Teillebensräume. Naturnahe Fließgewässer mit
Gehölzsaum bieten viele Standorttypen auf engstem Raum und sind
damit als verknüpfendes Element in einem Biotopverbundsystem
besonders geeignet und entsprechend wertvoll.
Daher muss ein wichtiges Ziel des Biotopverbunds sein, die noch
erhaltenen Gewässerrandstreifen in das Konzept einzubinden und
vor allem in großem Umfang Raum für die Renaturierung solcher
Lebensraumbänder zu schaffen. Entsprechende Gewässerrandstreifen
müssen sich generell überall dort entwickeln können, wo vor
allem intensive Nutzungen an die Uferzonen von Fließgewässern
stoßen. |
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Die Gewässerrandstreifen sind eine sinnvolle
und wirksame Methode zum Schutz der
Oberflächengewässer. Sie übernehmen eine
Pufferfunktion und verhindern bzw. verringern den
Eintrag von unerwünschten Stoffen der angrenzenden
Ackerflächen in das Fließgewässer. |
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Darüber hinaus muss in Zeiten
landwirtschaftlicher Überschüsse durchaus nicht mehr jede Fläche
der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden. Vielfach
lassen sich solche Ökotone (hier: Gewässerrandstreifen) besser
für Zwecke des Naturschutzes einsetzen und können damit den
Verlust wertvoller Biotope aus früheren Epochen in bescheidenem
Umfang ausgleichen helfen. |
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Aktuelle Probleme der Fischerei
Vielfach reicht die landwirtschaftliche Nutzung der
Ufergrundstücke an Bächen und Flüssen bis an die Oberkante der
Uferböschung. Die ufernahen, intensiv genutzten Flächen liefern
dann einen überproportionalen Eintrag von schädlichen Stoffen,
insbesondere von Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln und feinen
Bodenbestandteilen (Sediment) in die Gewässer. Dadurch werden
wertvolle Lebensräume der Flora und vor allem der Aquafauna zum
Teil erheblich beeinträchtigt. Und hier gehört der hoch
subventionierte und damit intensivierte Maisanbau in Hanglage zu
den größeren aktuellen Problemen der Fischerei. Der Maisanbau
ist eine Bewirtschaftungsmethode, die noch im Mai und Juni zu
einer starken Erosion und zum Eintrag von Bodenmaterial in die
Fließgewässer führen kann. Die Gründe hierfür sind: |
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- eine späte Saat
- langsames Jugendwachstum
- weiter Reihenabstand
- eine erst spät schützende Bodenbedeckung
(Schwarzbrache).
|
Bei Starkregenereignissen fällt ein Großteil
des Niederschlages auf eine wenig geschützte Ackeroberfläche.
Die abgeschwemmten Bodenpartikel fungieren als Trägersubstanz
für anhaftende Nährstoffe (insbesondere Phosphat) und
Pflanzenschutzmitteln (Pestizide).
Durchschnittlich werden auf Maisäckern 100 bis 150 kg Nitrat pro
Hektar und Jahr ausgewaschen, in Extremfällen bis zu 300 kg.
Dies ist einerseits durch die sehr hohen Stickstoffdüngergaben
für Maiskulturen begründet, weil die Fruchtart Mais einen
besonders hohen Stickstoffbedarf benötigt. Andererseits führt
die gute Wasserlöslichkeit und geringe Bodenabsorption des
Nitrat-Salzes generell zu Auswaschungen ins Oberflächen-, Grund-
und Trinkwasser. |
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Im Vordergrund ein Maisacker Ende Mai mit einer noch
nahezu „nackten“ Bodenoberfläche, welche an eine mit
Gerste bestockte Fläche angrenzt (Wuchshöhe ca. 60
cm). So gehört der Maisanbau zu den extrem
erosionsfördernden Fruchtarten. |
|
|
Nährstoffe, und hier besonders Nitrat und
Phosphat, bewirken im Gewässer eine Erhöhung der Produktion von
Algen und höheren Wasserpflanzen (Eutrophierung). Neben den
Veränderungen der Lebensgemeinschaften, wie dem Verschwinden
vieler auf nährstoffarme Gewässer angewiesenen Arten, führen
erhöhte Nährstoffeinträge vor allem in langsam fließenden
Gewässern zu enormen Güteproblemen. Es bilden sich oftmals
breitflächige, dicke gelbgrüne Algendecken. Die absterbenden
Algenwatten können im Sommer die Luft regelrecht verpesten und
machen ein Stillgewässer letztendlich zu einer übel riechenden
Kloake.
Der Pestizideintrag bewirkt oftmals akute oder chronisch
toxische Effekte wie dem Absterben der Gewässerfauna und -flora.
In intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten wurden in
Fließgewässern beträchtliche Konzentrationen an
Pflanzenschutzmitteln festgestellt. So können auf geneigten
Ackerflächen und Weinbergen durch Bodenerosion teilweise mehr
als 100 Tonnen pro Hektar und Jahr, vorwiegend Feinbodenmaterial
mit angelagerten Nährstoffen und Pestiziden, in die benachbarten
Gewässer oberflächig abfließen. Auch aus geneigten
Grünlandflächen gelangen nach vorheriger Ausbringung organischer
Dünger (z.B. Gülle) und bei entsprechenden Klimabedingungen
beträchtliche Mengen an Nährstoffen mit dem Oberflächenabfluss
in die Gewässer.
Bei Ackernutzung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten
(Auebereichen) gelangen oft sehr große Mengen an Bodenmaterial
mit anhaftenden Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln in die
Gewässer. Abträge von über 10 Zentimeter bei einem
Hochwasserereignis, entsprechend etwa 1500 Tonnen Bodenmaterial
pro Hektar, sind keine Seltenheit.
Die Bodenerosion stellt gebietsweise das größte Problem im
intensiven Ackerbau dar, da sie durch den Verlust von
Feinbodenmaterial zu einer dauerhaften Zerstörung der
Bodenfruchtbarkeit führt. Allein deshalb schon sollte es im
Interesse jedes Landwirts sein, entlang von Gewässern alle
möglichen präventiven Vorkehrungen einmal zum Schutz seiner
eigenen Ackerflächen zu treffen und ebenso für das Gewässer. Und
die Anlage von Uferrandstreifen ist dabei eine der wirksamsten
Maßnahmen überhaupt! |
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Die Forelle - ein Schlüsselorganismus für
lebendige Gewässer
Eine individuenstarke, aus mehreren Jahrgängen aufgebaute
Forellenpopulation zeigt einen ökologisch guten Gewässerzustand
an. Zahlreiche Bedingungen müssen erfüllt sein, um diesen
Fischen zufriedenstellende Lebensbedingungen zu bieten. Da
Forellen stark vom guten Gewässerzustand abhängig sind, werden
sie zur Beschreibung von Gewässerqualitätszielen häufig als
Indikator genutzt.
In vielen deutschen Fließgewässern und mittlerweile auch in
Mitteleuropa ist die Anzahl der dort lebenden Forellen weitaus
geringer als dies von Natur aus möglich wäre. Ein wesentlicher
Grund für die schwachen Forellenbestände ist das Fehlen
geeigneter Kieslaichplätze aufgrund der Veränderung der
Sohlenstruktur durch die vorstehend beschriebenen
Feststoffeinträge (Bodenmaterial). Kiesstrecken sind für die
Forelle wichtig, weil sie für eine erfolgreiche Eiablage kies-
und geröllreiche Rauschen im Bach benötigt. In vielen
Bachoberläufen sind großflächig kiesige pleistozäne
Schmelzwassersande auf Sohlniveau verbreitet, sodass genügend
kiesige Anteile zur Ausbildung einer gut strukturierten Sohle
bereitstehen. Doch die massiven Feststoffeinträge verändern die
Sohlenstruktur signifikant, weil das Bodenmaterial das
Interstitial (Gewässergrund-Lückensystem) der Kiesbänke
zusedimentiert. Die Mächtigkeit der Sedimente kann selbst in
kleineren Fließgewässern mehrere Dezimeter betragen. Und das hat
eine verheerende Auswirkung auf die Bachlebensgemeinschaft.
Ähnlich wie der durchwurzelte Bodenraum für terrestrische
Pflanzen, der bestimmte strukturelle Voraussetzungen für das
Gedeihen der Pflanzen erfüllen muss, ist auch das Interstitial
als Lebensraumkompartiment für Fische essenziell. Hier müssen
die Forellen nicht nur ihre Eier ablegen, sondern die
Laichbetten müssen auch geeignet sein, den geschlüpften
Fischlarven während der ersten Lebensmonate als Aufenthaltsort
zu dienen. Durch die immer intensiver betriebene Agrarwirtschaft
werden gerade die als „Kinderstube" notwendigen Bachoberläufe in
ihrer Struktur massiv beeinträchtigt. Dies führt nicht nur zu
gelegentlich lethalen Effekten bei Fischeiern, Larven und
Jungfischen, sondern vielfach zu einem Totalausfall der Brut und
damit zu einer existenziellen Bedrohung der bereits
vorbelasteten und ausgedünnten Fischbestände. Am Beispiel der
Forelle kann man die Bedeutung einer ökologisch angepassten
Landnutzung und eines erosionsschützenden Gewässerrandstreifens
gut verdeutlichen. So wird es für jedermann einsichtig, weshalb
nur noch wenige Fließgewässer einen natürlichen Forellenbestand
aufweisen. Ebenso soll an diesem Beispiel gezeigt werden, wie
leicht Verbesserungen schon durch Anwenden bekannter
Handlungsweisen erreicht werden könnten: Verbot von Maisäckern
in Hanglagen und im Einzugsgebiet von Gewässern. Doch vor einem
solchen Ansinnen schrecken unsere Politiker leider zurück.
Machen wir uns weiterhin an diesem Beispiel auch klar, wie
vernetzt alle Gewässer miteinander sind. Im Grunde ist alles
Wasser miteinander global vernetzt. Alle Belastungen, die wir
unseren Bächen und Flüssen antun, sind letztlich global wirksam.
Der Umgang mit den fließenden Gewässern, die nur scheinbar alles
von uns wegtragen, dokumentiert in ganz besonderer Weise, ob wir
in der Lage sind, in großen Zusammenhängen zu denken und zu
handeln. Dass wir davon ein ganzes Stück entfernt sind, zeigt
uns das Beispiel der Forelle als Schlüsselorganismus für ein
lebendiges Gewässer. |
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Ufergehölze bereichern unsere Auen und
Gewässer
Bäche und Flüsse prägen wesentlich das Bild der Landschaft.
Besonders gewässerbegleitende Gehölze lassen schon von weitem
den Verlauf eines Gewässers in der Landschaft hervortreten oder
oft erst erkennbar werden. Vor der Veränderung der Landschaft
durch den Menschen erstreckten sich an nahezu allen
Fließgewässern Wälder mit Erlen, Weiden, Eschen, Eichen, Ulmen
u.a. bis an die Ufer der Gewässer. Die Wissenschaft geht davon
aus, dass die Bachbiozönose weitgehend an diese Verhältnisse
angepasst ist.
So üben Ufergehölze auf vielseitige Art und Weise Einfluss auf
Fließgewässer aus. Speziell an kleineren und mittelgroßen
Gewässern werden häufig große Bereiche der Wasseroberfläche
beschattet. Die Strauch-und Baumkronen vermindern die
Einstrahlung und reduzieren dadurch tageszeitliche Schwankungen
der Wassertemperatur. So kann die Temperatur um bis zu 10 °C
niedriger liegen als in einem unbeschatteten Tieflandbach
vergleichbarer Größe. Durch die niedrige Wassertemperatur und
dem reduzierten Lichteinfall wird das Wachstum von Algen und
Makrophyten verlangsamt und die Sauerstoffkonzentration im
Wasser bleibt höher, was auch das Wohlbefinden der bachtypischen
Organismen begünstigt, die ja gerade auf sommerkühle Gewässer
angewiesen sind. Die Baumwurzeln, besonders von Schwarzerlen,
Baumweiden und Eschen, tragen wesentlich zur Stabilisierung des
Ufers bei, indem sie seitliche Erosionsprozesse weitgehend
unterbinden. Da sie dem Wasser und Boden Nährstoffe entziehen,
wirken die Baum- und Strauchwurzeln zugleich auch als
Nährstoffpuffer. Zugleich bietet das freigespülte Wurzelwerk
wichtige Kleinstrukturen. Fische nutzen die unterspülten
Wurzelbereiche als Verstecke und Laichplätze, Flusskrebse und
andere Wirbellose (Makrozoobenthos) als Einstand. Forellen
erfreuen sich am „Insektenregen", der von den Bäumen und
Sträuchern ins Wasser fällt. Ufergehölze tragen organische
Substanz wie Falllaub und Äste in das Gewässer ein, wobei das
Totholz für aquatische Lebensgemeinschaften von besonderer
Bedeutung ist.
Mit der Herausbildung eines Ufergehölzstreifens wird auch der
Aufwand für die Gewässerunterhaltung wesentlich reduziert. Damit
werden viele Eingriffe in die Lebensgemeinschaften des Gewässers
überflüssig. Den Idealfall eines Gewässerrandstreifens bilden
Ufergehölzstreifen mit einer vorgelagerten Hochstaudenflur,
kombiniert mit extensiv bewirtschafteten Wiesen. Ein solcher
Uferbereich bedeutet eine wesentliche Bereicherung für Flora und
Fauna und bildet einen wichtigen Bestandteil für die
Biotopvernetzung.
Ausblick
Gewässerrandstreifen sind für den Schutz und die naturnahe
Entwicklung der Gewässer vordringlich, jedoch allein nicht immer
ausreichend. In vielen Fällen sind auch Umgestaltungsmaßnahmen
in Gewässer und Aue erforderlich, um verlorengegangene
Strukturen, wie z.B. Altarme, Grabennetze und Tümpel, neu zu
schaffen. Unverzichtbar ist aber auch eine flächendeckende
Durchsetzung einer ökologisch orientierten Landbewirtschaftung,
die Bodenmuster und Standorteigenschaften berücksichtigt. Diese
muss beinhalten, dass Erosion und Schadstoffaustrag über
Oberflächenabfluss und Grundwasserabfluss begrenzt werden.
Ansonsten können die Gewässerrandstreifen die Schädigung der
Gewässer nur vermindern. Das Ziel muss stets sein, eine
Schädigung der Gewässer als Lebensadern unserer Landschaft
nachhaltig zu verhindern.
Durch die Industrialisierung der Landwirtschaft seit den 1950er
Jahren wurden eine Vielzahl von Problemen erzeugt. So hat die
Landwirtschaft nur dann eine Zukunft, wenn sie ihrer sozialen
und ökologischen Verantwortung gerecht wird. Die
Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) erkannte dies bereits vor
30 Jahren und hat sich zusammen mit Bäuerinnen und Bauern auf
den Weg gemacht, alternative Landbaumethoden zur
industrialisierten Agrarwirtschaft zu entwickeln. Und jeder kann
dabei mithelfen. In der ÖDP finden Sie auf jeden Fall
Unterstützung und den richtigen Platz. |
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Bäche und Flüsse brauchen
Totholz
Der Lebensraum Totholz ist eine Welt der Wunder, welcher
von der Wissenschaft erst in Ansätzen erforscht wurde.
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen |
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Totholz ist keineswegs „tot“. Schon sein
bloßes Vorhandensein wirkt sich positiv auf die Umgebung aus.
Totholz fördert dynamische Prozesse. Es beeinflusst und prägt
die Morphologie eines Fließgewässers im Kleinen wie im Großen,
variiert Strömung und Wassertiefe, bietet Unterschlupf. Dadurch
ist Totholz ein wesentliches Strukturelement in unseren Bächen
und Flüssen. Hier sollte es deshalb, wo immer möglich, wieder
einen festen Platz einnehmen. Denn Totholz bedeutet Leben.
Was ist Totholz?
Was der Biber seit Menschengedenken macht, kann nichts
Schlechtes sein. Er fällt Bäume ins Wasser, baut Burgen, legt
Dämme an und gestaltet damit Gewässerlandschaften neu. Dies
kommt unter anderem den Fischen zugute. Also ein Zeichen dafür,
dass Bäche und Flüsse Totholz brauchen. Es gehört sozusagen zur
unverzichtbaren Grundausstattung eines Fließgewässers, weil es
die Strukturvielfalt erhöht.
So ist Totholz nicht nur ein charakteristisches Merkmal
natürlicher Wälder, sondern auch ein gewichtiger
gewässerökologischer Faktor, der das Erscheinungsbild
natürlicher Fließgewässer maßgeblich bestimmt. Durch die
Veränderung der Morphologie, des Abflussverhaltens, des
Stoffhaushaltes und der Besiedlung hat Totholz Einfluss auf alle
wichtigen Systembausteine des Ökosystems Fließgewässer.
Zum Totholz zählen abgestorbene, verholzte Pflanzenteile,
sämtliches loses Holz, vom feinsten Reisig, über Wurzelstöcke
bis hin zum ganzen Baumstamm. Ebenso gehören zum Totholz auch
umgestürzte, aber fest verwurzelte Bäume, sog. Sturzbäume, oder
abgetriebene und woanders neu austreibende Bäume und
Gehölzteile, die -rein biologisch gesehen- noch leben. Totholz
wird in der Regel im Fließgewässer mittransportiert und wieder
abgelagert.
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Ein Beeispiel für einen Sturzbaum |
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Totholz ist Leben pur!
Wer sich mit diesem Thema auseinandersetzt, wird irgendwann
feststellen, wie paradox der Begriff „Totholz“ im Grunde ist,
und das gleich in zweifacher Hinsicht. Denn auch „lebendes“ Holz
besteht zu einem Großteil aus bereits abgestorbenen, also toten
Zellen. Nach dem Absterben des Holzes beginnt eine Besiedlung
mit Tausenden von verschiedenen Arten. Dies kann sich bei
bestimmten Holzarten über Jahrzehnte hinziehen. So betrachtet
ist lebendes Holz deutlich ärmer an Leben als Totholz! Mehr als
1400 Käferarten und ihre Larven besiedeln nur jede denkbare
ökologische Nische im Totholz. Die Pilze mit etwa 1500 Arten
stellen den Löwenanteil. Über 500 Fliegen- und Mückenarten und
zahlreiche andere Vertreter der Insekten tummeln sich ebenfalls
dort.
Neben den terrestrischen Tierarten ist Totholz ebenso Lebensraum
für limnische Ökosysteme. Für die wirbellosen Kleinlebewesen des
Gewässerbodens, den so genannten Makroinvertebraten, dient
diesen Totholz als Zuflucht, Nahrungsquelle sowie als Ort zur
Eiablage und Verpuppung. Vor allem in Fließgewässern mit
feinkörnigem Substrat, wie Sand, Lehm, Ton oder Löß, ist Totholz
eine unentbehrliche Lebensnische für die Wirbellosenfauna. Viele
dieser Tiere sind auf das Vorhandensein von Totholz angewiesen.
Über 40 Arten sind eng daran gebunden, weitere 80 Arten nutzen
es mehr oder weniger.
Mit zunehmendem Abbau des Totholzes siedeln sich Algen und
Mikroben an. Dieser Aufwuchs dient Organismen, die ihre Nahrung
aufsammeln oder auf der Oberfläche abweiden. Pilze siedeln sich
an und weichen das Totholz auf, sodass Wirbellose, die das
Totholz zerkleinern, einzelne Holzpartikel aufnehmen können.
Totholzbesiedler sind zum Teil hoch spezialisiert. Einige Arten
bohren Löcher in das Holz, andere höhlen es aus und sorgen so
zusammen mit den Zerkleinerern für den Abbau im Gewässer. |
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Strukturreiches Totholz in Form von Ästen und
Zweigen kämmen anderes Totholz und Laub aus. Das
organisches Material wird nach und nach abgebaut und
ist Grundlage komplexer Nahrungsketten. Totholz
erhöht damit das Selbstreinigungsvermögen des
Gewässers.
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Wohin man auch blickt, überall stößt man auf
eine schier grenzenlose Artenfülle. Totholz ist damit Leben pur,
Leben in überschäumender Fülle. Seine fundamentale ökologische
Bedeutung ist lange verkannt worden. So ist Totholz noch eine
Welt voller Wunder, die von der Wissenschaft erst in Ansätzen
erforscht wurde. Heute besinnt man sich darauf und erkennt, dass
Totholz zum Leitbild eines intakten Flusses ebenso gehört wie
die angrenzende Aue.
Die Bedeutung von Totholz für die Gewässerstruktur
Viele Fließgewässer in Mitteleuropa wurden durch anthropogene
Einflüsse schwerwiegend verändert. Auewälder entlang von Bächen
und Flüssen wurden weitgehend entfernt und die so entstandenen
Flächen teils zu landwirtschaftlicher Nutzfläche, teils zu
Baugebiet umfunktioniert. Die Gewässer selber erfuhren
Begradigungen, Kanalisierungen und Einleitungen verschiedenster
Art. Und die Folge ist: Das natürliche Erscheinungsbild unserer
Bäche und Flüsse ist heute kaum mehr rekonstruierbar.
Eines dieser zentralen Charakteristika für ein natürliches
Fließgewässer ist eben das Totholz. Unter ökologischen
Gesichtspunkten kommt dem Totholz eine Schlüsselstellung zu,
denn es wirkt in zweierlei Hinsicht: biologisch und mechanisch.
Biologisch, weil Totholz das Angebot an Lebensnischen für Tiere
und Pflanzen signifikant erhöht und dadurch einen enormen
Artenreichtum bewirkt.
Mechanisch, weil Totholz die Hydromorphologie eines
Fließgewässers prägt und die Strukturvielfalt erhöht.
Diese beiden Faktoren tragen wesentlich zur ökologischen
Aufwertung unserer Bäche und Flüsse bei.
Totholz verändert auf kleinstem Raum die Strömungs- und
Sedimentationsverhältnisse und fördert so die eigendynamische
Entwicklung des Fließgewässers. Besonders in kleinen
Fließgewässern mit hohem Gefälle können Einzelstämme und
Ansammlungen von Zweigen (Geniste) die Strukturvielfalt im
Fließgewässer entscheidend erhöhen. Sie wirken wie kleine
Staudämme und führen zu einer Verminderung des Gefälles auf
kurzer Strecke und begünstigen so die Ausbildung von Sohlstufen-
und Sohlschwellen mit anschließendem Wasserspiegelsprung.
Als Resultat stellt sich ein kleinräumiger Wechsel von langsam
zu schnell strömenden Fließverhältnissen ein. Festsitzendes
Totholz, wie beispielsweise umgestürzte Uferbäume, bewirkt nicht
nur den Aufstau, sondern auch die Ablenkung der fließenden Welle
vorbei an dem Strömungshindernis. Je nach Lage können die Stämme
so eine Laufverlagerung des Gewässers bewirken, was zu einer
seitlichen Verschiebung des Stromstriches führt und das
Mäandrieren des Gewässers unterstützt. Im Strömungsschatten
solcher Gebilde lagert sich wiederum mitgeführtes Material ab.
Es entwickeln sich Schlamm-, Sand- und Kiesbänke, die neue
Lebensräume darstellen. Unterhalb solcher Bereiche bilden sich
aber auch Abschnitte mit höherer Strömungsgeschwindigkeit, was
zur Entstehung von Kolken, Steilufern und Abbruchkanten führen
kann. Dadurch nehmen Vielfalt und die ökologischen Nischen im
Bach und Fluss zu. Eine verstärkte Tiefenerosion wird vermieden
und vor allem kleinere Hochwasser werden durch immer wieder
auftretende Totholzbarrieren abgepuffert.
Fische brauchen Totholz als Laichplatz, Schutz- und
Lebensraum
Die Bedeutung des Totholzes beschränkt sich jedoch nicht allein
auf die Beeinflussung der Struktur des Fließgewässers. Vielmehr
hat die Veränderung der morphologischen Faktoren durch Totholz
auch Auswirkungen auf die Biozönosen im und am Gewässer.
So bieten die langsam fließenden Bereiche im Strömungsschatten
größerer Totholzstrukturen Lebensraum für verschiedene Vertreter
der Wasserkäfer (Hydrophilidae) und für spezielle Wirbellose,
darunter insbesondere Larven der Eintagsfliege (Ephemeroptera)
und der Köcherfliege (Trichoptera). Diese sind unter anderem
Nahrungsgrundlage für Jungfische.
Allgemein bevorzugen Fische die strömungsberuhigten Zonen von
Totholzstrukturen als Einstand, sowohl bei normalem Abfluss wie
bei Hochwasser. Insbesondere kleinere Totholz-Ansammlungen, sog.
„Geniste“, bieten geschützte Laichplätze und für Fischbrut und
Jungfischen eine optimale Rückzugs- und Unterstellmöglichkeit,
da sie hier Schutz vor ihren Fressfeinden finden und die Gefahr,
von der Strömung verfrachtet zu werden, geringer ist.
Verschiedene Totholz-Projekte haben diesen Zusammenhang
eindeutig nachgewiesen. |
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Zur Strukturbereicherung wurde in das Gewässer ein
Baumstamm eingebracht. Dieser leitet die Strömung ab
und schafft neue Lebensnischen. |
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Ausblick
Durch die wasserbaulichen Tätigkeiten der letzten hundert Jahre
ist die Anwesenheit von Totholz zur Ausnahme geworden. Unsere
meist ausgebauten und aufgeräumten Fließgewässer dienen
vornehmlich dem geregelten Abfluss der „freien Vorflut“. Durch
Artensterben und Hochwasserkatastrophen lassen sich die
strukturellen Defizite der Gewässersysteme am deutlichsten
erkennen. Die Erhaltung bzw. Wiederherstellung natürlicher oder
naturnaher Bäche und Flüsse bietet eine Möglichkeit, diesen
gemachten Fehlern entgegenzuwirken. Hier kommt dem natürlichen
Eintrag oder dem Einbau von Totholz eine besondere Bedeutung zu.
So lässt sich durch den gezielten Einbau von Totholz eine
Revitalisierung unserer Gewässer mit geringem technischen und
finanziellen Aufwand erzielen. |
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Natur pur am Mühlbach, einem Zufluss zur Schussen. |
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Es liegt nun an uns, die gewonnenen
Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, das heißt, „Renaturierung
ja, aber mit Totholz!“
Allen, die für Fließgewässer verantwortlich sind
(Unterhaltspflichtige, Planer, Ausführende), die Fließgewässer
nutzen oder bewirtschaften (Fischer, Erholungssuchende,
Wassersportler, Kraftwerksbetreiber) oder sich für ökologische
Verbesserungen einsetzen wie die ödp, möchte ich
wärmstens ans Herz legen, sich intensiver mit diesem wichtigen
Thema auseinanderzusetzen, damit Totholz wieder Leben in Bäche
und Flüsse bringen kann. |
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Lebendige Bäche und Flüsse
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
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Es ist offenkundig: Die Bäche und Flüsse
haben trotz verbesserter Wasserqualität weder ihren früheren
Artenreichtum, noch ihre einstige Produktivität wiedererlangt.
Gute, chemisch zu messende Wasserqualität reicht alleine für die
Güte einer Gewässerqualität nicht aus. Die Revitalisierung von
Lebensräumen schafft neue Möglichkeiten, für die Fließgewässer
den geeigneten Lebensraum für gute Fischbestände und für eine
natürlicherweise vorkommende Flora und Fauna wieder
herzustellen. Dieser ganzheitliche Ansatz der beiden
Arbeitslinien – gute Wasserqualität und Verbesserung der
Gewässerstruktur – ergänzen sich auf dem Weg zu einer guten
Gewässerqualität.
Die Entwicklung unserer Bäche und Flüsse
Fließgewässer gehören zu den anziehendsten Landschaftsteilen.
Als Lebensadern durchziehen sie die Landschaft. Sie sind Erlebnis- und Lebensraum. Sie schaffen in unseren Dörfern und
Städten oftmals beschauliche Winkel und geben der umliegenden
Landschaft naturnahe Strukturen. Kleine Fließgewässer gehören
einfach zu unserem Leben – und wir alle sind dafür
verantwortlich, dass sie dauerhaft in einem guten Zustand
bleiben oder diesen erreichen.
Tatsache ist jedoch, dass aufgrund einer Vielzahl von
Einwirkungen auf Bäche und Flüsse die Fischbestände in der Vergangenheit drastisch zurück gegangen sind. In den meisten
Gewässern kommt nur noch ein Bruchteil der ehemals vorhandenen
Fischarten vor. Auch die Fischbestandsdichten liegen in der
Regel weit unter dem natürlichen Potenzial der Gewässer.
Diese Entwicklung der Fließgewässer lässt sich nicht ohne einen
kurzen Blick in die Vergangenheit abhandeln. Wir haben die Gewässer verändert, zum Teil erheblich. Durch technische
Maßnahmen wie Begradigungen und Uferverbauungen hat der Mensch
gravierend in den Naturhaushalt dieser Gewässer eingegriffen und
so das Erscheinungsbild ganzer Landschaften verändert. Es wurden
Moorkultivierungsprogramme und Gewässerregulierungen zu Beginn
des 19ten Jahrhunderts in großem Stil in Angriff genommen, gegen
die sich die heutigen Maßnahmen zur Renaturierung beinahe wie
ein unbedeutendes Nachspiel ausnehmen. Waren die ersten größeren
Projekte zur Entwässerung von Feuchtwiesen und Mooren noch
weitgehend privater oder herrschaftlicher Natur, so folgten zur
Moorkultivierung auch bald staatliche Einrichtungen, deren
Wirken erst in der jüngsten Zeit auslief oder durch neue
Aufgaben ersetzt wurde.
Zu spät, viel zu spät reifte die Erkenntnis, dass man des Guten
auch zuviel tun konnte, und dass die Erhaltung von Mooren und Feuchtgebieten in anderer Weise bedeutsam ist. Die stärksten
Verluste gab es bei den Feuchtwiesen im Binnenland entlang der Bäche und Flüsse. Das vorhandene Neigungsgefälle der Landschaft
reicht zumeist aus, um über Drainagen die feuchten Quellhänge
trockenzulegen, die Wiesen maschinengerecht herzurichten und im
Verbund mit regulierten Gräben und Bächen eventuelles Hochwasser
auf schnellstem Wege abzuleiten. Dabei gingen nicht nur
bedeutende Fischzönosen, Laichplätze und Jungfischhabitate
verloren, sondern ganze Fischregionen mit ihrer jeweiligen
Leitfischart wurden erheblich dezimiert. Weiterhin vernichtete
man essenzielle Lebensräume für selten gewordene Tiere und
Pflanzen und darüber hinaus gingen auch noch die wichtigsten
Speicher für überschüssiges Niederschlagswasser verloren.
Anstatt sich bei Starkregen kräftig vollzusaugen, leiten die
dränierten Feuchtgebiete das Wasser mit nur unbedeutenden
Zeitverzögerungen in die Bäche ab. Da diese zumeist kanalisiert
wurden, schicken sie es ohne Verzögerung in die Flüsse weiter,
wo sich stromabwärts eine Hochwasserwelle aufbaut, die kaum mehr
unter Kontrolle zu bringen ist.
Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Weil die
natürlichen Retentionsräume ihre Funktion nicht mehr erfüllen
können, häufen sich die hausgemachten Hochwasser-Katastrophen
mit ihren immensen Schäden, die zum Teil im zweistelligen
Euro-Milliardenbereich liegen. Im Jahr 2010 war in Europa nahezu
monatlich eine größere Hochwasser-Katastrophe zu verzeichnen, in den Sommermonaten teilweise sogar wöchentlich.
Doch die anderen Katastrophen werden weniger bemerkt, wie der
schleichende Artenschwund der an und in Fließgewässern lebenden
Tieren und Pflanzen, verursacht durch massive
Lebensraumzerstörungen. Die Fische im Bach und Fluss spiegeln
die Lebensbedingungen jedes entsprechenden Gewässerabschnitts
wider. Weil die Leitarten unter den Fischen stark vom guten Gewässerzustand abhängig sind, werden sie als Indikator zur
Beschreibung von Wasserqualitätszuständen benutzt. Das Resultat
ist, dass ihre natürliche Reproduktion stark vermindert ist und
deshalb Fische heute zu den meistgefährdeten Tiergruppen
überhaupt zählen. So sind beispielsweise in den Gewässern
Bayerns bereits ausgestorben: Flussneunauge, Meerneunauge,
Atlantischer Stör, Hausen (der größte Süßwasserfisch der Erde),
Lachs, Meerforelle, Maifisch und Finte. Nach aktuellen
Erhebungen könnten bei Ausbleiben geeigneter Maßnahmen in den
nächsten Jahren weitere Arten folgen. So sind die Äschen- und
Nasenbestände in vielen Gewässern Bayerns derart zurückgegange,
dass eine Erholung der Populationen durch natürliche
Reproduktion kaum möglich erscheint.
Deshalb muss alles getan werden, damit möglichst alle Gewässer
wieder eine naturnahe Struktur erhalten.
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Ein Fließgewässer-Schicksal von
vielen: Unzählige Bachläufe und Flüsse wurden
zwischen 1950 und 1980 begradigt, betoniert und
damit regelrecht sterilisiert. Im Rahmen vieler
Flurbereinigungsmaßnahmen und rein technokratisch
ausgeführter Gewässerausbauten wurde so vielerorts
die typische Flora und Fauna der Fließgewässer aus
der Landschaft vertrieben. Nicht nur
landschaftsökologische Vielfalt, sondern auch
Lebensqualität ging verloren. |
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Die Leidensstrecken der Flüsse
Ein weiteres großes Kapitel im Buch der Geschichte unserer
Flüsse ist die Gewässerverschmutzung, die in Mitteleuropa glücklicherweise ihren Höhepunkt schon längst überschritten hat.
Die Verschmutzung begann in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts mit der Industrialisierung und Verstädterung sowie
mit der Einführung des Wasserklosetts beziehungsweise der Schwemmkanalisation. Man war der Auffassung, und dies hielt sich
in manchen Köpfen bis in die jüngste Vergangenheit, die Gewässer
seien die „natürlichen Wege zur Beseitigung allen Unrates“.
Würde man der aufblühenden Industrie die Abwassereinleitungen
verbieten, so würde man die „Existenz zahlreicher Familien
vernichten und Tausende von Arbeitern brotlos machen“ –
Argumente, die uns auch heute nicht unbekannt sind!
Es gab an vielen Flüssen besorgniserregende
Flussverschmutzungen, doch es wurde überall abgewiegelt, es sei
alles nicht so schlimm und man könne letztlich auch auf die
Selbstreinigungskraft der Flüsse setzen. Die Sieg, als ein
Beispiel von vielen, wechselte ständig die Farben. Gestank,
Fäulnis und Fischsterben war das, was man mit ihr in Verbindung
brachte. Schon vom Oberlauf her trieben Schlackenteppiche und
das Wasser der Sieg stank nach Blausäure. Es gab Einleitungen
von Salzsäure und Metallsalzen, die den pH-Wert bis auf 3,8
(stark sauer) absinken ließen – alles von politischer Seite
toleriert. Die Abwasserfahnen auf der Sieg waren bis zu 60 km
lang. Im Jahre 1956 gab es durch die Einleitung von Phenol,
einer stark toxischen, ätzenden und kanzerogenen Chemikalie, das
bislang größte Fischsterben. Noch 1969 war das Wasser der Sieg
fast schwarz. Erst 1979 konnte sich der Fluss erholen, nachdem
der Hauptverschmutzer, eine Fabrik, aufgegeben hatte.
Eine besonders eindrucksvolle Geschichte hat die Emscher, mitten
im Ruhrgebiet liegend und von Ost nach West zum Rhein hin
fließend. Man hatte sie fast 100 Jahre lang zum offenen
Abwasserkanal mit einer Länge von 77 km gemacht, und zwar deshalb, weil ein solches Bauwerk in einem Bergsenkungsgebiet
ungleich besser zu kontrollieren war als ein Rohrleitungssystem.
Seit 1976, ja, wirklich erst seit 1976 (!) geht die gesamte Emscher vor ihrer Mündung in den Rhein durch eine riesige
Kläranlage ...
Die Emscher ist somit bis heute Symbol und Ausdruck einer
vollkommenen Vergewaltigung der Natur durch den Menschen. Doch
es gab auch einen Silberstreifen am Horizont. Im Zuge der
Internationalen Bauausstellung Emscherpark wurde der Fluss mit
einem riesigen Kostenaufwand zu einem funktionierenden Gewässer
zurück- und umgebaut.
Hochwasser wird zum allgemeinen Problemfall
Hochwässer sind normal und gehören zur Natur des
Lebensraumkomplexes von Fließgewässer und Aue. So wurden die Hochwässer früher von den Auewäldern abgefangen. Doch inzwischen
scheinen sich paradoxerweise, wie etwa bei den „Jahrhunderthochwässern“ der letzten 20 Jahre an Donau, Rhein,
Elbe, Oder und Weichsel, die Hochwässer zunehmend zum Problem
auszuwachsen, je mehr Bäche und Flüsse „hochwassersicher“
ausgebaut werden. Anscheinend genügt es nicht, für einen
möglichst rasanten Abfluss zu sorgen, sondern ganz
offensichtlich kommt der umliegenden Vegetation und der
Fähigkeit der Talaue, Überschüsse an Niederschlägen als
Grundwasser aufzunehmen und/oder als Oberflächenwasser zu
speichern, eine viel größere Bedeutung zu als die Ingenieure des
konstruktiven Wasserbaus meinen. So wurde unterhalb von
Regensburg das Flussbett der Donau von 130 auf volle 300 Meter
verbreitert, in der Hoffnung, das möge bei Hochwasser
ausreichen. Weil aber wasserdichte Schmalwände Fluss und
Grundwasser voneinander absperren - die flussbegleitenden
Ökosysteme werden ohnehin weitgehend geopfert -, ist auch kein
Ausgleich und Austausch mehr möglich. Bei Hochwasser hat sich
die Wassergeschwindigkeit der oberen Donau nach der Regulierung
verfünffacht, und der verstärkte Wellenschlag demoliert die Ufer mehr denn je.
Welche Folgen das alles auf die Wirtschaftswiesen in der
Flussaue haben wird, ist noch völlig unklar. Werden sie auch versteppen wie die Rheinauen bei Breisach, die mit immensen
Kosten wieder renaturiert wurden?
Für die Fischhabitate sind die Folgen der Donau-Regulierung
eindeutig. Durch die Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit um das Fünffache sowie dem Fehlen von Hochwassereinständen, findet
eine überhöhte Verdriftung statt, die nicht kompensiert werden
kann. Die Laichfischdichte sinkt und der Mangel an geschützten
Laichplätzen und Jungfischhabitaten in einer regulierten Donau
ist groß. Die natürliche Reproduktion bricht in diesem
Gewässerabschnitt zusammen.
Ein weiteres Beispiel soll das Hochwasserproblem regulierter
Fließgewässer bei Niederschlägen verdeutlichen. Heutzutage genügen schon zwei Tage Dauerregen, um gefährliche Hochwasser
entstehen zu lassen, während vor der Trockenlegung der Feuchtgebiete und vor der Regulierung der Bäche und Flüsse
entsprechende Wasserstände erst nach mehr als einwöchigem Starkregen zustande gekommen waren. Das aufgebrochene System
schaukelt sich nun selbst über eine Rückkoppelung auf:
Die
steigende Hochwassergefahr macht immer massivere Baumaßnahmen an
den Flüssen und Strömen wie Mosel, Weser, Rhein, Donau, Elbe und
Oder notwendig, die ihrerseits die Problematik verschärfen.
Anstatt dämpfend auf den Hochwasserabfluss bereits im
Einzugsgebiet eines Gewässers einzuwirken und ihn durch ein
naturnah aufgebautes Retentionsnetz so zu verzögern, dass sich
die Welle nicht bis zur Katastrophengrenze aufbauen kann, wirken
die bisherigen menschlichen Eingriffe nur allzu häufig
verstärkend mit!
Mit umgekehrtem Vorzeichen gilt dies für die niederschlagsarmen
Perioden. Die Böden trocknen immer schneller aus, weil keine Speicherkapazitäten in den Feuchtgebieten vorhanden sind, die
bei anhaltender Dürre ihr gesammeltes Überschusswasser wohl dosiert abgeben könnten.
Dies ist auch ein Argument für die Gewährung einer ausreichenden
Wassertiefe in den Fließgewässern. Denn der Wasserfluss muss
auch in Trockenperioden ausreichen, damit Fische passieren und
sich verstecken können.
Störfaktoren im Gewässerlebensraum und deren Auswirkungen
Wesentliche Merkmale einer beeinträchtigten Gewässerstruktur
sind die Monotonisierung der Ufer- und Sohlstrukturen: Begradigt, befestigt und meist ein zu schmales Flussbett. Hinzu
kommt der große Mangel an Strukturelementen im Gewässerbett
sowie die eingeschränkte Dynamik des Gewässerlaufs. In
bayerischen Fließgewässern ist beispielsweise die längsgerichtete Durchgängigkeit durchschnittlich bereits nach
800 m eingeschränkt bzw. unterbrochen. Für alle wandernden Organismen wie Fische und Makrozoobenthos (Wirbellosenfauna) ist
eine solche Unterbrechung des Gewässerlaufs besonders
problematisch. Ursachen für diese Beeinträchtigungen sind in
vielen Fällen die Wasserkraftnutzung und der Hochwasserschutz. Durch die technischen Bauwerke wird die Durchgängigkeit abrupt
unterbrochen. Viele Fischarten, aber auch die kleinen Bewohner,
die Wirbellosenfauna der Bäche und Flüsse, „wandern“. Dies
bedeutet, dass sie sich nicht ihr gesamtes Leben lang in
demselben Fließgewässerabschnitt aufhalten. Einige Fischarten
verbringen einen großen Teil in völlig anderen Bereichen. Lachs
und Meerforelle leben zum Beispiel lange im Meer, Seeforellen in
größeren stehenden Gewässern und Aale werden weit von hier
entfernt im Atlantik in der Sargasso-See, östlich von
Mittelamerika, geboren. Alle diese Organismen müssen frei wandern können, sowohl flussab wie flussauf, weil sonst der
natürliche genetische Austausch und die Wiederbesiedelung stark
behindert, zum Teil gänzlich unterbunden wird.
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Ein natürlicher, noch nicht mit Stauwehren und
anderen Anlagen verbauter Bach, der seine natürliche
Dynamik noch ganz entfalten kann. |
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Eine weitere, erhebliche Beeinträchtigung der
Gewässerstruktur ist die Abtrennung der Aue vom Hauptgewässer
durch Dämme. Fließgewässer und Aue bilden einen natürlichen
Lebensraumkomplex mit einer sonst nirgends vorzufindenden
Vielfalt an Lebensgemeinschaften und haben auch von daher eine
herausragende ökologische Funktion. Das Erscheinungsbild einer
Aue wird in erster Linie von der Dynamik des fließenden Wassers
geprägt. Alle wichtigen Prozesse wie Erosion und Sedimentation, Stofftransport, Korngrößenverteilung, Nährstoffhaushalt,
Bodenbildung, Oberflächenformen, Totholzstrukturen und die Entwicklung der Lebensgemeinschaften hängen davon ab.
Das Zusammenspiel von Erosion und Akkumulation erzeugt vor allem
im Fließgewässer selber eine Fülle verschiedener Strukturen wie
Inseln, Sand- und Kiesbänke (Rauschen), Schlickflächen, Kolke,
Flachwasserzonen usw. und bestimmt damit auch ein Stück weit die
Laufentwicklung. Wasser und insbesondere Hochwässer hinterlassen
freigelegte Böden, abgeräumte Flächen, freigespültes Wurzelwerk,
aufgeschüttete Sedimente, verschlickte Senken, nährstoffreiche
Spülsäume und Ansammlungen von Schneckenhäusern sowie natürlich
eingeschwemmtes Totholz, also eine Vielzahl von
unterschiedlichen Standorten und Nahrungsangeboten.
Entsprechend der Dynamik von Abfluss, Erosion und Sedimentation
sowie dem Angebot an Lebensräumen findet sich in den Auen und
Auenfragmenten eine spezielle Tier- und Pflanzenwelt, die
ebenfalls von Veränderungen geprägt ist.
Besonders für die Fischfauna sind intakte Gewässerauen von
existenzieller Bedeutung. Fische bedürfen einer Reihe
spezifischer Habitate, um ihren Lebensansprüchen gerecht zu
werden. Für die Fischzönosen sind die folgenden vier
Teilhabitate von wesentlicher Bedeutung: |
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- Laichplätze
- Jungfischhabitate
- Nahrungsräume
- Einstände
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Unter dem Teilhabitat „Einstände“ sind die Habitattypen
Winter-, Hochwasser- und Jungfischeinstände zusammengefasst.
Die vorstehend genannten vier Teilhabitate erstrecken sich nicht
ausschließlich auf das Hauptgewässer. Vielmehr ist die Aue, speziell die Weichholzaue mit ihren Nebengewässern wie Altarme,
Mulden, Gräben u.a., ein sehr wichtiger Fischlebensraum mit einem besonders breiten Spektrum an verschiedenen
Teillebensräumen: Die Nebengewässer dienen als Winter- oder Hochwassereinstand, Laichplatz und Nahrungsraum sowie als
Lebensraum für Fischbrut und Jungfische. Bei geringer Niedrigwasserführung beziehungsweise zurückgehendem Wasserstand
zieht sich ein Teil der Fische in die flussnahen Habitate zurück. Jedoch verbleiben vor allem die Jungfische und
Spezialisten in den Nebengewässern.
Damit eine Fischart die für sie erforderlichen Teilhabitate
optimal erreichen kann, ist ein uneingeschränktes
Wanderverhalten sowohl in Längsrichtung des Fließgewässers als
auch in seiner Quervernetzung mit der Aue eine wesentliche
Voraussetzung.
Fraßdruck durch Prädatoren („Fischräuber“)
Auch die ökologischen Wechselbeziehungen innerhalb der Fauna
sind gestört, wie zum Beispiel das Räuber-Beute-Verhältnis, dann
der Fraß- und Konkurrenzdruck u.a. Hierzu tragen unter anderem
die starken Bestandsentwicklungen fischfressender Vogelarten,
wie z.B. Kormoran und Gänsesäger bei, die zum Einbruch vieler
Fischbestände geführt haben. Begünstigend für den Jagderfolg der
Vögel wirkt sich die flächendeckend vorhandene Kulturlandschaft
aus, welche viele strukturell degradierte Bäche und Flüsse
beherbergt. Bei den bereits durch Lebensraumdefizite
beeinträchtigten Fischbeständen kann ein zusätzlicher hoher Fraßdruck von fischfressenden Vögeln ganze Fischpopulationen an
den Rand ihrer Existenz bringen.
Es gibt gesicherte Hinweise darauf, dass für den dramatischen
Bestandseinbruch der Äsche in Südbayern Kormoran und Gänsesäger
wesentlich mit verantwortlich sind, während die Nase als
Mitteldistanzwanderer primär unter dem Verlust an komplexen und
zudem durchwanderbaren Fließgewässerlebensräumen leidet.
Die genannten Einwirkungen führten in der Summe letztlich dazu,
dass Fische heute zu den meistgefährdeten Tiergruppen überhaupt
zählen. Handeln tut deshalb Not!
Chancen für lebendige Bäche und Flüsse?
Zahllose Bäche und kleinere Flüsse gerieten in den 1950er bis
Anfang der 1980er Jahre mehr oder weniger in diesen Zustand der Kanalisation, Betonierung und Verrohrung. Dies verwandelte
unsere Gewässer vielerorts in verödete, unbewohnbare „Linien in
der Landschaft“ und ließ die einst reiche Natur unserer Bäche
und Flüsse verarmen.
Doch dann setzte eine Wende ein. Es zeigte sich immer
deutlicher, dass es viel billiger ist, die für den dynamischen Wasserabfluss notwendigen Uferbereiche aufzukaufen oder
Ertragsausfälle durch Hochwasser direkt zu erstatten, als gigantische Summen für langfristig unbrauchbare und sinnlose
Baumaßnahmen auszugeben, deren Höhe in keinem Verhältnis mehr
zum Ertrag steht.
Mit der Natur zu bauen, sie in die wasserwirtschaftlichen
Maßnahmen so weit wie möglich mit einzubeziehen, ist der viel bessere Weg, den der moderne Wasserbau („Ingenieursbiologie“) in
zunehmendem Maße beschreitet oder wählen würde, wenn man sich
gegen die Privatinteressen Einzelner durchsetzen könnte. Es
liegt in der Natur der Fließgewässer, dass sie sich deutlich
schneller als die meisten anderen Landschaftselemente und
Lebensräume regenerieren können. Die meisten der hoffnungslos
verbaut erscheinenden Fließgewässer könnten wieder renaturiert
werden. Rückbau in einen natürlichen Zustand heißt die Devise
des modernen Wasserbaues. Wirkliche Gefahren und Schäden zu
bannen, darin sieht man zunehmend das Ziel des Wasserbaues. Weg
vom Einheitsprofil, das jedes Fließgewässer unweigerlich zum
Kanal degradiert und zurück zum Zustand des unregulierten Baches
und Flusses, wo immer dies möglich ist. Die Fließstrecke muss
wieder so lang wie möglich werden und sich der ursprünglichen
Gewässerlänge annähern. Dann wird der Bach oder Fluss ganz von
selbst ins Gleichgewicht kommen und wenig Pflege beziehungsweise
korrigierende Eingriffe nötig haben. Das Profil muss variabel
gestaltet werden oder sich selbst aufbauen können. Unter
Umständen können Kies- und Geröllbänke eingebracht werden, wenn
sich das Fließgewässer zu stark eingetieft hat.
Flache, schnell überströmte Bereiche sollen mit tieferen,
langsamer durchflossenen wechseln. Die Ufer sollen mit „Lebendverbau“
befestigt werden anstatt mit Granit oder Beton. Das funktioniert
langfristig erheblich besser als der Massiv- erbau, weil sich
die Wurzeln von Eschen, Erlen und Weiden dem Gewässer anpassen,
sich auf seinen Lauf einstellen und entsprechende Lücken schnell
von selbst schließen, während beim Steinverbau sich das
Fließgewässer ständig anpassen sollte, was häufig genug nicht
gelingt. Die Bachufer-Galerie aus Eschen, Erlen und Weiden ist
die natürliche und stabilste Form der Ufervegetation von Bächen
und kleinen Flüssen. Die von dem Gehölz ausgehende starke
Beschattung während der Vegetationsperiode garantiert zugleich,
dass ein kurzfristig erhöhtes Nährstoffangebot nicht gleich in
üppiges Wachstum von Wasserpflanzen im Bach umgesetzt werden
kann. Dadurch bleibt der Abfluss erhalten. Die Pflegemaßnahmen
werden sich auf ein Minimum beschränken lassen.
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Ein schmaler Gehölzstreifen sichert
seit vielen Jahren die steil abfallende sandige
Uferböschung des Flachlandbaches. Außerdem
beschattet er das Gewässerbett so weit, dass sich
hier kein für den Abfluss hinderlicher Bewuchs von
Wasserpflanzen entwickeln kann. |
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Die Rückverlagerung der Vegetation aus dem Gewässerlauf an
die beiden Ufer vermindert die Nährstoffeinwaschung. Die tiefreichenden Wurzeln des Gehölzstreifens fangen die Nährstoffe
ab. An der Oberfläche wird abgeschwemmter Boden daran gehindert,
in den Bachlauf eingewaschen zu werden.
Ein gut ausgebildeter Uferbewuchs wirkt als Bremse für leichte
Hochwasser und den starken nimmt er die zerstörerische Kraft der
hohen Fließgeschwindigkeiten. Altwasserschlingen, Flutmulden,
Senken, Tümpel und Rigolen, die sich entweder wieder aktivieren
lassen, weil sie noch vorhanden sind, oder mit geringem Aufwand
wieder hergestellt werden könnten, wirken als hervorragende
Speicher für überschüssiges Wasser und als Regulatoren in
niederschlagsarmen Perioden. Der Abfluss der Bäche und Flüsse
wird gleichmäßiger und es wird damit einen Beitrag zum
präventiven Hochwasserschutz geleistet.
Diese neu entstehenden Stillgewässer („Grabenteiche“), in
hydraulischer Vernetzung mit dem Fließgewässer, können höchst bedeutsame Lebensräume für Tiere und Pflanzen bilden. Sie werden
bald den Fröschen und Kröten des Tales als Laichgewässer dienen,
kleine Fische in großer Zahl beherbergen, von denen sich der
Eisvogel ernähren kann, und Wasservögeln wie der Krickente als
Brutplatz dienen. Unter den kräftigen Wurzeln der Uferbäume
finden Fische feste Einstände, sodass sich wieder stabile,
produktive Bach- und Flussbestände aufbauen können. Schäden
durch Reiher oder Fischotter werden sich unter solchen Bedingungen ins Gegenteil verkehren, nämlich zur Gesunderhaltung
des Fischbestandes beitragen.
Die neuen Programme zur Sicherung von Uferstreifen an kleineren
Fließgewässern sind erfolgversprechende Ansätze, die Problematik
in den Griff zu bekommen, die sich aus dem zu nahen Heranführen
der Äcker an die Gewässerufer ergeben.
Ausblick
Bei den Bächen und kleinen Flüssen muss der Anfang gemacht
werden für diesen zwingend notwendigen und umfassenden Renaturierungsprozess. An den kleineren Fließgewässern sind die
Sachzwänge noch nicht so groß und die Kosten für den notwendigen
Landerwerb mit Sicherheit geringer als für die langfristige
Unterhaltung im rein technisch ausgebauten Zustand. Doch auch
die größeren Fließgewässer lassen sich renaturieren oder
zumindest so gestalten, dass die Natur wieder größeren Raum
findet. Denn eine Vielfalt an Gewässerstrukturen fördert die
Vielfalt der Lebensbedingungen und damit die Vielfalt der Arten.
Wer mit offenen Augen und ein wenig Sachverstand durch unsere
Landschaft mit ihren Bächen und Flüssen geht, kann überall mit
Händen greifen, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben.
Menschen, Tiere und Pflanzen bezahlen einseitiges Fortschreiten
der Technokraten mit dem Verlust elementarer Lebensqualität.
Die ödp als engagierte Umwelt- und Familienpartei
zeigt Wege auf für einen rücksichtsvollen Umgang mit der Natur.
Auch deshalb, weil dieser Weg auf lange Sicht den größeren
Nutzen verspricht. Erlebt man aber, was in unserem Umfeld
täglich vorgeht, was weiterhin ober- und unterirdisch
erschlossen und verbaut sowie ausgebeutet wird, dann empfindet
man den Weg zu einer neuen Harmonie mit der Natur als noch sehr,
sehr weit. Der vorstehende Beitrag soll dazu beitragen, dass er
als notwendig erkannt und bewusst beschritten wird, damit
wenigstens unsere Bäche und Flüsse wieder lebendig werden. |
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Wasserspeicher für unsere Wälder schaffen
Kleinrückhaltespeicher können das Regen- und Dränagewasser für
Waldstandorte sinnvoll nutzen, bilden zusätzliche Lebensräume
und fördern die Vitalität des Waldes
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen |
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Vor dem Hintergrund eines sich
abzeichnenden Klimawandels lohnt es sich, darüber nachzudenken,
inwieweit Dränagesysteme als Wasserspeicher für Waldflächen
genutzt werden können und zusätzlichen Lebensraum für Tiere und
Pflanzen bieten. Eine Idee zu den Top-Themen der
Umweltdiskussion: Klimawandel und Biodiversität.
Die Rolle von Dränagen
Die Dränung wird vor allem in der Land- und Forstwirtschaft
eingesetzt, damit Standorte mit Stau- oder Haftwasser früher
abtrocknen und die Vegetationszeit (früher trocken im Frühjahr,
länger trocken im Herbst) verlängert werden kann, bedingt durch
eine Verbesserung der Belüftung des Bodens. Das Ziel der Dränung
ist, möglichst deutliche Mehrerträge zu erhalten.
Die Dränung wird auf (Teil-) Flächen durchgeführt, die ohne
Dränage überhaupt nicht land- oder forstwirtschaftlich nutzbar
wären, wie beispielsweise Senken. Dies ist vor allem unter
zunehmendem Maschineneinsatz wichtiger geworden, da ein Befahren
bei zu hoher Wassersättigung des Bodens zu erhöhter
Bodenverformung führt. Extreme Fahrspuren sind die sichtbare
Folge, weiterhin die Zerstörung der Porenkontinuität durch
Scherung und die Homogenisierung durch „Kneten“.
Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (=
Graben, Bach, Fluss) vorausgesetzt, das heißt, der Dränagegraben
muss genügend Gefälle zum abführenden Gewässer besitzen. In der
Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 % angelegt. Dadurch
wird die Wasserbewegung innerhalb des Grund- und Stauwassers in
Richtung auf den nächsten Wasserlauf beschleunigt und die
Fließzeit verkürzt. Für die volle Wirksamkeit eines Dränsystems
mittels offener Gräben sind die Dräntiefe und der Dränabstand
entscheidend.
Noch vor rund 50 Jahren wurden etwa 10 000 Hektar allein in
Westdeutschland jährlich neu dräniert. Vor dem Hintergrund der
aktuellen Klimamodelle muss man die bisherige Rolle des
Dränagegrabens kritisch hinterfragen. Wärmere und trockenere
Sommer sowie mildere und feuchtere Winter sind schon heute zu
beobachten. Damit ist die Forstwirtschaft im Sommer einem
zunehmendem Wasserdefizit ausgesetzt. Sind die seit rund 200
Jahren auf den Kulturflächen millionenfach angelegten
Dränagegräben noch richtig konzipiert? Während der Sommermonate,
also genau zur Hauptvegetationszeit unserer Wälder, führen die
offenen Dränagegräben meistens kein Wasser und in den
niederschlagsreichen Monaten werden sie zur Dränung und
Durchlüftung des Bodens nicht optimal genutzt.
Eine salomonische Lösung: Den Dränagegraben zum Wasserspeicher
ausbauen
Die nahe liegende wie einfache Idee ist, das Niederschlags- und
Dränwasser nicht durch ein Gefälle der Grabensohle zum
Fließgewässer (Vorfluter) hin schnellstmöglich abzuleiten,
sondern das Wasser zu speichern, indem das Gefälle „gekippt“ und
der Entwässerungsgraben zum Grabenspeicher ausgebaut wird. Durch
das „Kippen“ des Gefälles im Grabensystem erhalten die
Dränagegräben ein „negatives“ Gefälle und werden zu Senken
ausgebaut. Hiermit wird eine natürliche Wasserspeicherung im
Gewässersystem selbst erreicht. Die Sohle eines solchen
Grabenspeichers liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle
des Fließgewässers. Die Absenkung soll mindestens 0,2 % Gefälle
gegenüber der Bachsohle betragen, bei geeigneten
hydrotopographischen und geomorphologischen Verhältnissen mehr
(> 1 m). Damit ist gewährleistet, dass der ehemalige
Wasserabzugsgraben ganzjährig mit Wasser gefüllt ist und dadurch
eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen
Abflusssituationen gegeben ist. Neue Lebensräume von höchster
Qualität können sich dadurch entwickeln.
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Die gebräuchlichen Dränagesysteme sorgen zwar dafür,
dass überschüssiges Wasser schnell aus dem Wald
abtransportiert wird. Nach dem Abfluss bleibt das
wertvolle Wasser jedoch vollkommen ungenutzt. |
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Das Ziel sollte sein, bisherige
Wasserabzugsgräben und Rinnsale zu reaktivieren und sie als
Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an
Rückhaltevolumen, so genannten Retentionsräumen, zu erreichen.
Ebenso können Geländehohlformen (Kubaturen) wie Mulden, Senken,
Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit
dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine natürliche
Speicherung des Niederschlags- und Sickerwassers genutzt werden.
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein
breitflächiges Retentionsnetz aufgebaut, um einen Großteil der
Niederschläge, des Sickerwassers und auch des Hochwassers zu
speichern. Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume mit
dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung. Das bedeutet einen
permanenten Kontakt mit dem Fließgewässer. Die teilweise
Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder
ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im Vorfluter gegeben
ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender. Das
Retentionsnetz ist im Prinzip mit einer „Wasserschaukel“
vergleichbar.
Die Schemazeichnung „Gewässer-Systeme“ soll die
grundlegende Idee des Kubaturen-Modells zur naturnahen
Wasserspeicherung verdeutlichen. Die Idee beruht auf dem
physikalischen Gesetz verbundener Gefäße (Kubaturen). |
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So kann die technische Umsetzung aussehen
Auf zahlreichen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen
markieren die offenen Dränagegräben seit Generationen die
Flurgrenzen. Dieses bestehende Grabensystem beansprucht in der
Regel ca. 1 bis 2 % der Bewirtschaftungsfläche. Jedoch sind die
meisten Dränagegräben mit einem Gefälle zum Fließgewässer hin
ausgebildet und nicht als Senke ausgelegt. Mit einem Minibagger
oder mittelschweren Bagger können die Dränagegräben zu Senken (=
Grabenspeicher) ausgebaut werden. Die Kosten für die Aufwertung
eines solchen Dränagegrabens zu einem ökologisch höherwertigen
Grabenspeicher liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd.
Meter. Und es reicht, dann alle 10 bis 12 Jahre eine
Entschlammung des Grabenspeichers durchzuführen.
Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die
Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der
Grabensohle etwa 1 Meter betragen. Die Grabenlängen können
oftmals bei mehreren hundert Metern liegen, angepasst an die
hydrographischen oder geomorphologischen Verhältnisse.
Und hier ist der Bagger nicht als naturzerstörende Technik
anzusehen, sondern als willkommenes Hilfsmittel des
Naturschutzes, um gewisse „ökologische Sünden“ der Vergangenheit
wieder auszugleichen. |
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Ein Beispiel für einen Grabenspeicher.
Seine Länge von rund 200 m wird durch den
natürlichen Uferbewuchs überdeckt. Hier können bis
zu 1000 m³ Wasser gespeichert werden, welche
ganzjährig zur Bewässerung von Kulturen oder als
Löschwasser bei Bränden zur Verfügung stehen. Und
„ganz nebenbei“ entsteht ein neues Biotop für die
Aquafauna und -flora. |
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Aus alten Gräben entstehen neue Biotope
Am Anfang eines Grabenspeichers kann, falls möglich, durch
Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein kleiner
Grabenteich geschaffen werden. Dies verbessert die
Lebensverhältnisse der Limno-, Amphibien- und Avifauna. Sehr
schnell wird ein solcher Grabenteich von Wasserfauna und
Wasserflora besiedelt, ebenso können neue Habitate für spezielle
Kleinfischarten entstehen.
Bewährt haben sich abgeflachte Ufer, dann Wasserflächen von 20
bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von zwei und mehr Metern.
Bei Grabenlängen von mehreren hundert Metern können
beispielsweise alle 100 Meter durch Aufweiten und Vertiefen des
Grabenspeichers weitere Grabenteiche gebildet werden.
Und ohne Zutun des Menschen bildet sich aus dem Grabenteich bald
ein „Froschweiher“, eine so genannte „Natur aus zweiter Hand“.
Für Amphibien und für viele Wasserpflanzen wie untergetauchte,
schwebende, aufrechte und an der Oberfläche schwimmende, sind
diese ökologisch ausgebauten Grabenteiche mit ihrem fast
stagnierenden Wasser ein exzellenter Lebensraum, ein Mosaik
unterschiedlichster Funktionsräume auf engstem Raum. Das
begründet die Artenvielfalt (Diversität) und die
Individuendichte (Abundanz).
Aufgrund der hydraulischen Vernetzung ist gewährleistet, dass
die Grabenspeicher und Grabenteiche ganzjährig mit Wasser
gefüllt sind und dadurch eine Anbindung an das Fließgewässer bei
allen Abflusssituationen gegeben ist. Die so wichtige
biologische Durchgängigkeit zum Fließgewässer für die Aquafauna,
wie Fische und Wirbellose, ist ebenfalls gewährleistet.
Die Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume sichern
vielen Tieren und Pflanzen das Überleben. Es wird auch ein
wichtiger Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet,
weil hier oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse,
sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche
und nährstoffarme Kleinlebensräume, sog. Mikrohabitate,
aneinanderstoßen. |
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Ein naturnah geschaffener Wasserrückhalteraum durch
Aufweitung und Vertiefung des Profils eines
ehemaligen Wasserabzugsgrabens zu einem Grabenteich.
Neue Biotope für bestandsgefährdete Pflanzen- und
Tierarten werden geschaffen, ebenso neue
Fischhabitate. Durch den Wasserrückhalt wird
weiterhin ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung von
Hochwasserschäden geleistet. |
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Grabenspeicher mit bivalenter Funktion:
Wasserspeicher und Wasserspender für die Forstwirtschaft
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei
extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke
ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum Beispiel
können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in einem solchen
Grabenspeicher, je nach Länge und Profil, tausend und mehr
Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser
Wassermengen stehen den Waldflächen und der Vegetation
ganzjährig zur Verfügung, insbesondere während den
Trockenperioden. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten
wird gesammelt und kann während der Vegetationsperiode in den
Sommermonaten für eine natürliche Bewässerung sinnvoll genutzt
werden. Die konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die
Grabenspeicher schafft die Voraussetzung für eine der Jahreszeit
und Vegetation angepassten Transpiration und Evaporation
aufgrund des kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Der kapillare
Aufstieg ist der umgekehrte Vorgang der Infiltration. Das Wasser
stammt aus dem Grabenspeicher und bewegt sich nach oben.
Ein in den Sommermonaten periodisches, längeres Trockenfallen
der konventionellen Dränagegräben lässt dieses wichtige
Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg
zusammenbrechen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt.
Im Gegensatz dazu übernimmt der Grabenspeicher als
perennierendes Gewässer in den Sommermonaten die Funktion eines
Wasserspenders, da hier dem Waldboden (Vadose-Zone) das so
wichtige Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg
kontinuierlich zugeführt wird. Man erkennt den Aufstieg des
Kapillarwassers im Boden am Aufwärtsverlegen der
Befeuchtungsfront.
Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der
Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. In Dürrezeiten
kann das gespeicherte Wasser ebenso für eine künstliche
Bewässerung von Kulturflächen eingesetzt werden.
Aufgrund der Klimaerwärmung wird die Häufung und Verlängerung
von Trockenperioden zunehmen und damit die Wahrscheinlichkeit
von Niedrigstwasserständen in den Fließgewässern. Das
Retentionsnetz wirkt hier ebenfalls als stabilisierender Faktor
für den Landschaftswasserhaushalt bis hin zur Milderung der
Austrocknung von Bächen und Flüssen (Ausgleich von
Trockenzeiten).
Auch das Kleinklima kann von diesen Bedingungen beeinflusst und
nachhaltig verändert werden. Spätfrostschäden treten häufiger
auf, wenn die frostmildernde Wirkung der Wasserspeicher in den
Waldstandorten fehlt. Die Pflanzen sind stärkeren Schwankungen
ausgesetzt und sie werden dadurch anfälliger.
Bodengefüge und Waldwachstum wird verbessert
Weiterhin führt der hier seit mehr als 40 Jahren aus der Praxis
heraus entwickelte Grabenspeicher (Kubaturen-Modell) zu einer
Verbesserung der Dränung und damit besseren Durchlüftung des
Bodens, weil die Absenkungstiefe des Speichergrabens über die
gesamte Länge konstant bleibt im Gegensatz zum konventionellen
Dränagegraben, bei welchem die Absenkungstiefe aufgrund des
Gefälles der Grabensohle kontinuierlich abnimmt. Am Grabenbeginn
ist die Absenkungstiefe gleich Null, am Grabenende befindet sich
der tiefste Punkt beim Übergang des Grabens in den Vorfluter.
Dabei ist die Luft im Boden ein wesentlicher Wachstumsfaktor und
ebenso wichtig wie das Wasser. Die Atmung der Pflanzenwurzeln,
das bedeutet Aufnahme von Luftsauerstoff, ist eine elementare
Vorbedingung für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen durch
die Pflanze.
Werden vor allem grund- oder staunasse Böden entwässert, so
führt dies zu einer verbesserten Durchlüftung, sodass
Pseudovergleyung und Vergleyung gehemmt werden und
Grundwasserböden in Landböden für eine Aufforstung überführt
werden können.Mit einer Meliorationsmaßnahme ist im
Allgemeinen nicht nur eine Verbesserung des Lufthaushaltes
verbunden, sondern für viele Kulturpflanzen ebenso eine
Vergrößerung des Wurzelraumes. Hierdurch steigt indirekt auch
die Wasserspeicherfähigkeit an.
Die erhöhte Durchlüftung des Bodens führt weiterhin zu einer
Verbesserung des Wärmehaushaltes. Entwässerte Böden sind wärmer,
einerseits wegen des geringeren Wärmeentzugs durch Verdunstung,
wie andererseits durch eine verringerte Wärmespeicherkapazität.
Mit der besseren Durchlüftung in Zusammenhang steht eine erhöhte
Aktivität von Bodenorganismen und insgesamt eine
Gefügeverbesserung des Bodens.
Der positive Einfluss der Grabenspeicher auf das Baumwachstum
konnte über einen Zeitraum von 40 Jahren ausnahmslos beobachtet
werden. Die Messergebnisse zeigen am Waldbestand eindeutige
Wuchssteigerungen und Holzzuwächse im Vergleich zu den
Referenzflächen. Eine deutliche Zunahme des
Brusthöhendurchmessers (BDH) konnte insbesondere bei 20-jährigen
Roterlen (Alnus glutinosa) festgestellt werden. Dieser
lag bei Baumreihen entlang der Grabenspeicher um mehr als das
Doppelte höher im Vergleich zu Beständen abseits der
Grabenspeicher. Das sind handfeste wirtschaftliche Gründe, die
für den Grabenspeicher sprechen. So wäre es für die
Forstwirtschaft eher ein Segen, sich vom konventionellen
Dränagegraben als technische Entwässerungs- und
Wasserbeschleunigungsrinne zu verabschieden und dafür mit dem
Wasser haushälterisch umzugehen: Das Wasser zurückzuhalten,
muss oberste Prioriät haben.
Grabenspeicher als Feuerprävention
Durch die hydrologische Vernetzung des Grabenspeichers sowie der
anderen Retentionsräume (Kubaturen) mit dem Fließgewässer (Bach,
Fluss) ist ein permanenter Wasserspeicher gewährleistet, was bei
den bislang vorhandenen Dränage- und Wassergräben nicht gegeben
ist. Diese sind deshalb für eine Wasserspeicherung nicht
geeignet, weil sie im Allgemeinen periodisch und vor allem in
den Sommermonaten überP einen längeren Zeitraum trockenfallen
(temporäres Gewässer).
Die Grabenspeicher und Grabenteiche sowie anderen
Retentionsräume führen als perennierendes Gewässer deshalb
ganzjährig Wasser, weil deren Sohle grundsätzlich tiefer liegt
als die Sohle des Vorfluters (Fließgewässer), also des Baches
oder Flusses. Damit eignen sich diese Wasserrückhaltespeicher
auch für eine Löschwasserversorgung bei einem Waldbrand. Selbst
bei einer stunden- oder tagelang anhaltenden Wasserentnahme für
eine Brandbekämpfung würde die Löschwasserversorgung nicht
zusammenbrechen, einmal wegen der permanent vorhandenen hohen
Wasserkapazität im Retentionsnetz selbst und weil wegen der
hydraulischen Vernetzung stetig Wasser aus dem Bach, Fluss,
Strom oder See nachfließt.
Die weitergehende Vernetzung und der Ausbau mit bereits
natürlich vorhandenen Retentionsräumen wie Mulden, Senken,
Tümpeln, Rigolen, Sölle, Teiche und Weiher schaffen zusätzliche
Wasserspeicherkapazitäten, um selbst gegen größere
Naturkatastrophen wie Dürren, Feld-, Wald- und Torfbrände in
einer professionellen Weise vorgehen zu können.
Wasser – das Lebenselement der Erde
„Ohne Wasser kein Leben.“ Diese Kurzformel hebt die
unvergleichbare Bedeutung des Wassers als Lebenselement hervor.
Wasser ist die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Pflanzen,
Tiere und Menschen könnten ohne Wasser nicht existieren, wären
ohne Wasser nie entstanden.
Da uns insgesamt nur 0,3 % des weltweiten Wasservorrates zur
Verfügung stehen, ist ein haushälterischer und vernünftiger
Umgang mit einer unserer wichtigsten Lebensgrundlagen gefragt.
Grabenspeicher und Grabenteiche bieten mit einer ganzen Reihe
von Vorteilen für den Wald und dessen Ökosysteme eine
Möglichkeit dafür. Damit würden die Ziele des Natur- und
Landschaftsschutzes unterstützt und als solche im Sinne der
EU-Wasserrahmenrichtlinie nachhaltig verfolgt.
Wenn in den nächsten Jahren über eine neue Verteilung der
EU-Gelder auch für Umweltmaßnahmen nachgedacht wird, wäre dies
eine lohnende Option.
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Wiesengraben – Technische Wasserrinne oder
ökologisch wertvoller Lebensraum?
Ein Praxisbericht zur ökologischen Aufwertung von
Entwässerungsnetzen, zur Schaffung von Laichgründen und
Kleinfischhabitaten.
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
Kleingewässer und ihre stiefmütterliche Behandlung
Quellen, Gräben, Bäche und Flüsse sind die Lebensadern unserer
Landschaften. Und letztlich ist jeder noch so kleine Graben und
das darin wegfließende Nass mit dem globalen Wasserhaushalt
vernetzt.
Wasser ist unsere wichtigste Lebensgrundlage. Aber wie gehen wir
damit um? Jahrhunderte lang wurde das Wasser aus der Landschaft
getrieben, als ob es der Feind des Menschen wäre. Generationen
von Wasserbau-Ingenieuren haben daran gearbeitet, das Wasser
immer schneller aus unserem Land herauszubringen. Mit Beginn des
19ten Jahrhunderts wurden die Fließgewässer in Deutschland
nahezu systematisch reguliert, das heißt begradigt, verbreitert
und tiefer gelegt. Bäche, Gräben, Rinnsale und andere
Fließgewässer wurden in Betonschalen gezwängt oder ganz unter
die Erdoberfläche verbannt und verrohrt, wie an zahlreichen
Dorf- und Stadtbächen geschehen. Und leider wurden weiterhin
unzählige dieser Lebensadern auch so umgebaut, dass sie sich von
Kanälen in nichts unterscheiden. Deshalb braucht es niemanden zu
wundern, dass natürliche Bach- und Flussläufe, krautreiche
Wiesengräben, aber auch Seen, Weiher, Teiche, Tümpel inzwischen
zu einer Rarität geworden sind.
Durch die technischen Maßnahmen wie Begradigungen, Ufer- und
Dammverbauungen hat der Mensch gravierend in den Naturhaushalt
der Gewässer eingegriffen und so das Erscheinungsbild ganzer
Landschaften verändert. Die Folgen haben wir bereits zu spüren
bekommen: Weil die natürlichen Überschwemmungsgebiete entlang
der Fließgewässer ihre Funktion nicht mehr erfüllen können,
häufen sich die hausgemachten Hochwasser-Katastrophen. Doch auch
die stillen Veränderungen wie der schleichende Artenschwund der
an und in Fließgewässern lebenden Tiere und Pflanzen müssen uns
alarmieren.
Die nachhaltigste Gefahr stellt natürlich die Beseitigung dar,
die Lebensraumzerstörung. Man sollte meinen, in einer Zeit
allgemein gestiegenen Umweltbewusstseins (zumindest in Umfragen)
und wo die Begriffe „Biotop“ und „Biotopschutz“ in niemandes
Wortschatz fehlen, sei dies kein Problem mehr. Dem ist
offensichtlich leider nicht so. Denn mit erheblichen staatlichen
Zuschüssen wurden in weiten Bereichen unseres Landes über 90
Prozent der Kleingewässer trockengelegt oder im Zuge der
Flurbereinigung beseitigt. Für den Großmaschineneinsatz in der
Landwirtschaft wurden Kleingewässer als Hindernisse für die
Bewirtschaftung angesehen und solche Standortnachteile sind
insbesondere nach 1950 systematisch behoben worden.
Auch bei „einzelbetrieblichen Meliorationen“ wurden viele dieser
unzähligen Klein- und Kleinstgewässer meist in trockenem Zustand
ohne viel Aufhebens verfüllt. So ist eben mancher Wiesengraben
mit wertvollen Laichkräutern im Sinne einer „Heilung“ dieser
Landschaftswunden klammheimlich über Nacht verschwunden. Lautlos
ist dann wieder ein Gewässer-Biotop gestorben.
Ehemalige Torfstiche und Mergelkuhlen, da meist in entlegenen
Ecken einer Landschaft liegend, dienten oft sogar als
willkommene, kostenlose Müllkippen.
Ehemaliger Weiher bei Altshausen-Stuben, gelegen
am nordwestlichen Rand des Naturschutzgebietes
Dolpenried. Wilde Müllablagerungen und andere diverse
Abfallprodukte, u.a. sogar Gefahrstoffe (giftige
Chemikalien), sind die unerfreulichen Spuren unserer
Zivilisation, welche Kleingewässer und damit Lebensräume
für Gewässerflora und –fauna vernichten. |
Warum Kleingewässer schützen?
Stehende Kleingewässer wie Weiher, Teiche, Tümpel und Altwässer
sowie kleine Fließgewässer wie Dorfbach, Entwässerungs- und
Wiesengraben können Heimat und Lebensgrundlage sein für weit
über 1 000 Tierarten, darunter viele Kleintiere, und für über
200 Pflanzenarten. Allein über 2 000 Insektenarten sind auf
Süßwasser angewiesen, darunter auch viele vom Aussterben
bedrohte Insektenarten wie Großlibellen oder Schwimm- und
Wasserkäfer. Die 19 bei uns heimischen Amphibien (Frösche,
Kröten, Molche) sind ebenso wie viele Vogelarten auf
Kleingewässer angewiesen.
Amphibien spielen eine wichtige Rolle im Naturhaushalt, da sie
zum einen den Bestand an Insekten und anderer Kleintiere
regulieren und zum anderen selbst die Nahrungsgrundlage für
Storch, Ringelnatter und Reiher, aber auch von Eulen,
Gelbrandkäfer, Igel, Dachs und vieler anderer Tiere darstellen.
Kleingewässer sind somit wichtige Ausgleichsräume in unserer
intensiv genutzten Landschaft.
Die Wiesengräben – Künstliche Fließgewässer
Die natürlichen oder ehemals natürlichen Bach- und Flussnetze
wurden – fast kann man sagen seit Jahrtausenden – ergänzt durch
ganz unterschiedliche Formen von künstlichen
Fließgewässersystemen, die ausschließlich dazu da waren oder
sind, dem Menschen zweckdienlich zu sein. So auch der
Wiesengraben. Er ist primär ein Zweckbau im Sinne eines
Entwässerungsgrabens, welcher Bodenwasser, Grundwasser,
Hangwasser oder Quellwasser sammelt und in einen anderen Graben
oder Bach abführt. Sein Verlauf ist meistens gestreckt,
allenfalls leicht gekrümmt. Die Breite reicht von wenigen
Dezimetern bis zu mehreren Metern und sein Profil ist meist
kasten- oder trapezförmig. Vielfach markieren die Wiesengräben
die Grenzen von landwirtschaftlichen Flurstücken.
Zur ökologischen Bedeutung von Wiesengräben
Zweckbau heißt, dass ökologische Überlegungen oder die
Überlegung, möglichst naturnah zu gestalten, beim Bau überhaupt
keine Rolle gespielt haben. Dies ist erst seit etwa 1980 ein
Thema. Der Wiesengraben ist damit nicht an
Natürlichkeitsmaßstäben zu messen wie ein Bach. Er hat eher eine
technisch-ökonomische und daher eine technikgeschichtliche und
wasserbauhistorische Bedeutung. Ökologische Belange können bei
einer Bewertung des Wiesengrabens eine Rolle spielen, müssen
aber nicht. Das heißt jedoch nicht, dass man dieses Gewässer
nicht ökologisch aufwerten kann.
Allgemein ist die Diskussion über
Entwässerung/Entwässerungsgräben recht ambivalent, da einerseits
– und das ist ursprünglich der Zweck dieses Grabentyps –
Flächen, das heißt Feuchtgebiete mehr oder weniger trockengelegt
und Sumpfquellen geradewegs abgeleitet werden.
Andererseits sind aber viele Gräben wiederum selbst äußerst
wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl von Organismen. Der Wert
wird bestimmt vom Wasserhaushalt der Fläche, der Art des Grabens
(tief oder flach, trapez- oder U-förmig usw.), der Art und
Intensität der Grabenpflege und der angrenzenden Nutzung.
Alle diese Gräben wurden in Landschaften mit hoch anstehendem
Grundwasser oder mit Staunässeböden angelegt, um land- und
forstwirtschaftliche Flächen besser kultivieren zu können oder
aber um Quellwasser an einem Hang oder an einer Straßen- oder
Eisenbahntrasse aufzufangen.
Alte Wiesengräben, die nur alle fünf Jahre geräumt werden und im
extensiven Grünland liegen, sind außergewöhnlich reich an
Tierarten. Man fand hier unter anderem mehr als 20 Fischarten,
27 Libellen-, 38 Schwimmkäfer und 21 Schneckenarten. Strukturell
und faunistisch am reichhaltigsten waren die Gräben, in denen
die Krebsschere dominierte. Etwas andere Qualitäten besitzen die
breiten Hauptentwässerungsgräben (Fleets), die neben einer
reichen Fisch- und Amphibienfauna für etliche Vogelarten als
Nahrungsbiotop eine größere Bedeutung besitzen.
Damit können Wiesengräben wie allgemein Klein- und
Kleinstgewässer in der Gewässerökologie eine wichtige Rolle
spielen. Als seitlicher Zufluss von größeren Gewässern dienen
sie für bestimmte Fischarten als Laichplatz und sind als
„Kinderstube“ von hoher Bedeutung für eine Selbstreproduktion.
Weiterhin sind sie Lebensraum von verschiedenen
Kleinfischarten.
Allerdings sind die Gräben faunistisch sehr viel weniger
wertvoll, wenn die angrenzenden Flächen intensiv
landwirtschaftlich genutzt werden und zugleich auf
Gewässerrandstreifen verzichtet wird.
Die ökologische Aufwertung von Wiesengräben
Entwässerungsgräben werden in der Praxis mit einem Gefälle von 1
bis 2 % zum Fließgewässer hin angelegt. Vor allem in den
Sommermonaten ist eine Konstanz der Wasserführung nicht mehr
gegeben. Ein periodisches, teilweise längeres Trockenfallen ist
die Folge. Dies beeinträchtigt die Qualität als Lebensraum
erheblich.
Die Erfahrung zeigt, dass ein permanent anstehender
Wasserspiegel in den Gräben und Grabensystemen die Voraussetzung
ist für die Entwicklung von Lebensräumen mit hoher ökologischer
Qualität.
Es stellt sich somit die Frage, wie mit einfachen Mitteln dem
Trockenstress in den Sommermonaten begegnet und dadurch das
Graben-Ökosystem aufgewertet werden kann.
Die einfache Idee hierzu ist, das Drainagewasser nicht durch
ein Gefälle der Grabensohle zum Fließgewässer hin
schnellstmöglich abzuleiten, sondern das Wasser zu speichern,
indem das Gefälle „gekippt“ und der Entwässerungsgraben zum
Speichergraben (Senke) ausgebaut wird. Die Sohle eines solchen,
ökologisch aufgewerteten Grabens (= Wiesengraben) liegt damit
grundsätzlich tiefer als die Sohle des Fließgewässers. Die
Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der
Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder
geomorphologischen Verhältnissen größer. Damit ist
gewährleistet, dass der Wiesengraben ganzjährig mit Wasser
gefüllt ist und dadurch eine Anbindung an das größere
Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gewährleitet ist.
Neue Lebensräume von höchster Qualität können sich dadurch
entwickeln.
Was unterscheidet den Drainagegraben vom Wiesengraben?
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Drainagegraben und
Wiesengraben liegen im Wasserhaushalt und dem
Wasserspeichervermögen begründet, weiterhin in der ökologischen
Bedeutung.
Während der Wiesengraben sich durch eine permanente
Wasserspeicherung auszeichnet (perennierendes Gewässer), liegen
beim Drainagegraben vor allem in den Sommermonaten stärkere
Wasserstandsschwankungen und gelegentliches, im Allgemeinen
periodisches, längeres Trockenfallen vor (temporäres Gewässer).
Das Wasserspeichervermögen im Wiesengraben kann je nach Bauart
um bis zu Faktor 20 höher sein als im Drainagegraben.
Der Wiesengraben führt als perennierendes (ausdauerndes)
Gewässer ganzjährig Wasser und ist somit in der Lage, eine
dauerhaft eigenständige aquatische Lebensgemeinschaft zu
beherbergen. Aquatische Pflanzen mit einer längeren, teilweise
mehrjährigen Entwicklung im Wasser kommen nur hier vor und
fehlen weitestgehend in den periodisch austrocknenden
Drainagegräben. Analoges gilt weitgehend auch für die Aquafauna.
Diese Merkmale begründen die hohe ökologische Bedeutung der
Wiesengräben.
Mit einfachen Mitteln können neue Kleingewässer
entstehen
Bei zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen markieren die
Drainagegräben seit Generationen die Flurgrenzen. Dieses
bestehende Grabensystem beansprucht in der Regel ca. 1 bis 2 %
der landwirtschaftlichen Fläche. Jedoch sind die meisten
Drainagegräben mit einem Gefälle zum Fließgewässer hin
ausgebildet und nicht als Senke ausgelegt. Mit einem Minibagger
können die Drainagegräben zu Senken (= Wasserspeicher) ausgebaut
werden. Die Kosten für die Aufwertung eines solchen
Drainagegrabens zu dem ökologisch höherwertigen Wiesengraben
liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd. Meter. Und es
reicht, dann alle 8 bis 10 Jahre eine Entschlammung des
Wiesengrabens durchzuführen. Als Grabenprofil hat sich die
Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone kann 2
Meter, an der Grabensohle 1 Meter betragen. Am Ende eines
Wiesengrabens ist -falls möglich- die Aufweitung und Vertiefung
des Grabenprofils zu einem kleinen Weiher mit abgeflachten Ufern
unbedingt zu empfehlen. Bewährt haben sich Wasserflächen von 20
bis 100 Quadratmetern und einer Tiefe von 1 bis 2 Metern.
Und hier ist der Bagger nicht als naturzerstörende Technik
anzusehen, sondern als willkommenes Hilfsmittel des
Naturschutzes, um zahlreiche Sünden der Vergangenheit wieder
auszugleichen.
Ein neuer Lebensraum entsteht
Sehr schnell wird ein solch neu entstandener kleiner Weiher von
Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue
Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen, wie zum
Beispiel für die stark gefährdete Karausche (Carassius
carassius), dem Fisch des Jahres 2010. Den neu geschaffenen
Lebensraum kann sich die Karausche mit anderen Fischarten
teilen, wie mit Schleie (Tinca tinca), Schlammpeitzger
(Misgurnus fossilis), Moderlieschen (Leucaspius delineatus) und
dem vor rund 30 Jahren nach Europa eingeschleppten Giebel
(Carassius gibelio).
Und ohne Zutun des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“,
eine sogenannte „Natur aus zweiter Hand“. Für Amphibien und für
viele Wasserpflanzen wie untergetauchte, schwebende, aufrechte
und an der Oberfläche schwimmende, sind diese ökologisch
ausgebauten Wiesengräben mit ihrem fast stagnierenden Wasser ein
exzellenter Lebensraum.
Wasservögel besuchen ein solches Biotop stundenweise und zum
Teil wird auch gebrütet (z.B. Krickente). Und für den Storch ist
der Wiesengraben ein wichtiges Nahrungsbiotop.
Das Beispiel zeigt, dass es mit einfachen Mitteln und einem
überschaubaren Aufwand möglich ist, Gewässer-Biotope zu sanieren
oder neu zu schaffen. Vor allem an kleineren Gewässern, wie am
Wiesengraben, lassen sich innerhalb eines kurzen Zeitraums
sichtbare Erfolge erzielen.
Ein Beispiel für einen naturnah geschaffenen
kleinen Weiher durch Vertiefung und Aufweitung des
Profils eines ehemaligen Drainagegrabens. Dadurch ist
unter anderem ein neuer Lebensraum für eine stark
gefährdete Kleinfischart, die Karausche, entstanden. |
Laichgründe schaffen
Die Schaffung solcher neuen Lebensräume kommen nicht nur
gefährdeten Tier- und Pflanzenarten zugute, sondern es entstehen
auch neue Laichmöglichkeiten. Durch das kleinmaschige
Gewässernetz aus krautreichen Wiesengräben entsteht eine
ökologisch wertvolle Biotopvernetzung, welche den Graslaichern
hervorragende Möglichkeiten bietet, ihren Laich abzulegen. Die
ausgeschlüpften Brütlinge von Hecht, Barsch und Cypriniden
finden dann ideale Habitate in solchen Wiesengräben.
Diese seichten und vielfach auch gut strukturierten
Kleingewässer eignen sich auch deshalb als hervorragende
Laichplätze, weil sich in solchen Gewässernetzen die Brutfische,
geschützt vor Hochwasser und Fraßdruck, ungestört entwickeln
können um dann, wenn sie größer werden, ins Hauptgewässer
abzuwandern.
Bekannt ist, dass bei verschiedenen Fischarten die natürliche
Vermehrung stark leidet. Nur die Herstellung von Laichgründen,
verbunden mit der Wiederherstellung von geschützten
Jungfischhabitaten, kann die verloren gegangene
Selbstreproduktion wieder zurückbringen. Gehen wir es mit
vereinten Kräften an!
Schutz und Pflege
Die Biotop-Neuschaffung hat letztlich nur dann einen Sinn, wenn
Gefahren von außen erkannt und möglichst abgewendet werden. Ist
der Wiesengraben zwischen intensiv bewirtschafteten Wiesen und
Äckern eingezwängt, so ist die Gefahr von Dünger- und
Pestizideinträgen groß, was insbesondere die Gewässerfauna
erheblich beeinträchtigt. Hier muss die Anlage von
Gewässerrandstreifen zur Pflicht werden. Denn alle Belastungen,
die wir auch dem Wiesengraben antun, sind letztlich global
wirksam. Der Umgang selbst mit einem unserer kleinsten
Fließgewässer, dem Wiesengraben, der nur scheinbar alles von uns
wegträgt, dokumentiert in ganz besonderer Weise, ob wir in der
Lage sind, in großen Zusammenhängen zu denken und zu handeln.
Dass wir davon ein ganzes Stück entfernt sind, zeigt der Blick
auf unsere oftmals stark degradierten Gewässersysteme.
Gewässer und Landschaft
Durch die vorstehend beschriebenen Möglichkeiten zur
ökologischen Aufwertung von Wiesengräben werden nicht nur neue
Kleingewässer und Laichgründe geschaffen, sondern es wird ein
Netz an naturnahen Wasserrückhaltespeichern entstehen. Die
Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume kommen
übrigens nicht nur gefährdeten Fischarten wie der Karausche
zugute, sondern sichern vielen anderen Arten (Vögel, Amphibien,
Libellen u.a.), die durch menschliche Eingriffe in die
Gewässerstrukturen in ihrem Fortbestand gefährdet sind, das
Überleben. Es wird damit ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der
Biodiversität geleistet, weil hier oftmals in kleinräumiger
Abfolge limnische, nasse, sickerfeuchte, wechselfeuchte,
wechseltrockene, nährstoffreiche und nährstoffarme
Kleinlebensräume aneinander stoßen. Und solche, technisch
einfach durchführbaren Maßnahmen zur Biotop-Neuschaffung sind
sicherlich im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zur
Erreichung eines guten ökologischen Zustandes.
Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese
vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines
vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens inmitten einer
durchaus als monoton und uniform bezeichneten Kulturlandschaft
zu liegen kommen. Denn oftmals bilden die Wiesengräben die
einzigen aquatischen und amphibischen Biotope in einer
ausgeräumten Agrarlandschaft und sind Überwinterungshabitate von
Amphibien. Damit werden neue, wertvolle ökologische Zellen in
eine Kulturlandschaft eingegliedert.
Der Schutz und die Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger
und naturnaher Kleingewässer wird zukünftig nicht nur eine
wesentliche Aufgabe der Wasserwirtschaft sein, sondern erfordert
ebenso eine intelligente Zusammenarbeit mit den verschiedensten
Verbänden, Organisationen und Behörden. Hier gibt es vielfältige
Möglichkeiten mit dem „Nachbarn“ zusammenzuarbeiten, um die
fachliche, finanzielle und personelle Leistungsfähigkeit der
eigenen Gemeinde zu stärken. Und am besten funktioniert es, wenn
alle an einem Strang ziehen: Kommunen, Verwaltung, Eigentümer,
Fischerei, Planungsbüro u.a.
Gehen wir es gemeinsam mit Sinn und Verstand an. Die ödp
ist auf jeden Fall mit dabei. |
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Brand- und Klimaschutz
können gleichzeitig Naturschutz sein
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
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Hitzewellen im Sommer, Dürren, Waldbrände,
Überschwemmungen und schneefreie Winter: Wissenschaftler sind
der Überzeugung, dass der Klimawandel auch in Deutschland
bereits seine Spuren hinterlassen hat. Zu den Maßnahmen zur
Anpassung an den Klimawandel kann das Anlegen von
Wasserspeichern und Löschteichen gehören, um der zunehmenden
Gefährdung von Feldern und angrenzenden Wäldern durch Brände bei
Trockenheit schnell zu begegnen. Eine einfache Möglichkeit zur
effizienten Bekämpfung der Feuersbrunst von Wald- und
Torfbränden am Beispiel Russlands beschreibt der nachfolgende
Bericht.
Und ganz nebenbei, quasi als Nebeneffekt, würden zahlreiche
Biotope und Fischhabitate entstehen. Es gibt wohl keine schönere
und lebendigere Möglichkeit, technische Funktionen wie
Wasserspeicher und Löschteiche mit den vielfältigsten naturnahen
Lebensräumen zu verknüpfen. Ebenso werden die sich daraus
resultierenden, vielfältigen Synergien für Mensch, Natur und
Landschaft aufgezeigt. |
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Ein aus einer 40-jährigen Praxis heraus
entwickeltes, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Konzept wird
hier vorgestellt, um die jährlich wiederkehrenden, zum Teil
verheerenden Wald- und Torfbrände vor allem in Russland zu
minimieren. Die Idee besteht im Aufbau einer Vielzahl kleiner,
hydrologisch vernetzter Retentionsräume zur Wasserrückhaltung in
der Fläche, indem die bereits vielfach vorhandenen
Drainagegräben in ihrem Gefälle gekippt und zu Wasserspeichern
(„Grabenteiche“) ausgebaut werden. Dadurch entstehen
millionenfach kleinere Löschwasserteiche, welche mehr oder
weniger gleichmäßig über die gefährdeten Regionen verteilt sein
werden. Das notwendige Löschwasser kann jederzeit mittels
mobiler Pumpen relativ einfach und vor allem schnell zu jedem
Punkt einer Brandstelle gebracht werden.
Durch die ökologische Aufwertung der Entwässerungsnetze werden
zusätzlich neue Lebensräume für die Aquafauna und –flora
geschaffen, insbesondere entstehen neue Kleinfischhabitate und
die so wichtigen Laichgründe für eine Selbstreproduktion. |
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1 Ursachen für die Wald- und Torfbrände
Wald- und Torfbrände gehören zu den unberechenbarsten
Katastrophen und der Kampf gegen die Flammen ist oft verzweifelt
und aussichtslos. Ausgelöst werden diese Naturkatastrophen durch
Blitzeinschläge in Kombination mit langen Dürre- und
Trockenperioden. Doch die meisten Waldbrände werden inzwischen
allerdings vom Menschen ausgelöst. Und Russland macht da keine
Ausnahme. Viele Wälder und Fluren sind übersät mit wilden
Feuerstellen, an denen Schaschlik gegrillt wird. Auch achtlos
weggeworfene Zigaretten oder Streichhölzer haben dabei schon
eine Vielzahl von schweren Bränden verursacht. Weiterhin sind
gezielte Brandstiftung und purer Vandalismus weltweit immer
öfter schuld an Brandkatastrophen. Experten gehen davon aus,
dass nur noch 10 Prozent aller Waldbrände auf eine natürliche
Entzündung durch Blitze zurückzuführen sind.
In Russland brennt allerdings nicht nur der Wald, sondern auch
der Torfboden, auf dem die Bäume stehen. Torf ist ein
organisches Sediment, das überwiegend aus Torfmoosen besteht. Im
getrockneten Zustand ist Torf ein exzellenter Brennstoff, genau
wie Heu oder Stroh, und erreicht einen Heizwert von 20–22
MegaJoule/kg, ähnlich wie Braunkohle. Und so hält der torfige
Untergrund die Feuer in Gang.
2 Entwässerte Moore begünstigen Brände
Solange die Moore in ihrem ursprünglichen Zustand nass waren,
konnten sie nicht brennen. Doch in den letzten 100 Jahren, vor
allem nach 1930, sind sie nach und nach trockengelegt worden.
Die gewaltigen Landflächen konnten jetzt als Äcker, Wiesen oder
Wälder genutzt werden. Und das sind mehr als 10 Prozent der
Fläche Westrusslands, was ungefähr dem 1,2fachen der Fläche
Deutschlands entspricht.
Durch die Grundwasserabsenkung konnte Torf in großen Mengen
abgebaut werden, um ihn als fossilen Brennstoff zu nutzen oder
als Rohmaterial für den Gartenbedarf nach Mitteleuropa zu
exportieren.
So sind im europäischen Russland Regionen entstanden, in der es
die größten Torfflächen der Welt gibt und damit sind die
Voraussetzungen für verheerende Wald- und Torfbrände gegeben. In
der Regel wird Torf dort in Brand geraten, wo das Grundwasser
künstlich abgesenkt worden ist, kein Regen in der Trockenperiode
fällt und wo ein Waldbrand wütet. Hohe Lufttemperaturen, geringe
Luftfeuchtigkeit sowie Wind begünstigen die Entzündung. So kam
es 2010 in Russland zu Hunderten dieser riesigen Torffeuern.
Torffeuer sind weltweit ein Dauerproblem. Vor allem in den
mächtigen Mooren Südostasiens können sie mehrere Jahre schwelen.
In Russland gehen die Brände derzeit nur an wenigen Stellen in
tiefere Bodenschichten. Aber auch da braucht es riesige Mengen
an Löschwasser, um einen solchen Brand in den Griff zu bekommen.
3 Verlauf der Wald- und Torfbrände in
Westrussland 2010
Insgesamt brannten auf einer Fläche von 196 000 Hektar zwischen
Karelien, Woronesch und der Region südöstlich von Moskau
geschätzte 700 Feuer. Es waren zeitweise über 240.000 zivile
Rettungskräfte, davon 162.000 Feuerwehrleute und mehr als 2.000
Armee-Angehörige sowie 54 Löschflugzeuge im Einsatz. Weiterhin
stellte die russische Regierung alle 300 Löschfahrzeuge ihres
Heeres zur Verfügung.
Des Weiteren wüteten große Torffeuer in den Moorlandschaften um
Moskau, was die Lage zusätzlich verschärfte. In weiten Teilen
Russlands herrschte von Ende Juni bis Mitte August 2010 die
größte Hitze seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130
Jahren. So wurden am 2. August in der Stadt Woronesch 44 Grad
Celsius gemessen, in der Region entlang des Stromes Wolga 42 °C,
einem der Hauptzentren der Brandkatastrophe. Die schnelle
Ausbreitung der Brände wurde durch den vertrockneten torfigen
Untergrund begünstigt.
Die Auswertung von Bildern der NASA-Satelitten Aqua und Terra
ergaben Anfang August bis zu 564 tagesgleiche Brände, welche
sich am 9. August auf 442 Brände reduzierten. Am 14. August 2010
wurden jedoch immer noch 368 Wald- und Torfbrände in Russland
registriert. So erklärte das russische Katastrophenministerium
im August 2010, dass wohl 239 bestehende Feuer gelöscht wurden,
jedoch innerhalb der vergangenen 24 Stunden 247 neue Brände
ausgebrochen sind. Damit ist die Dramatik dieser katastrophalen
Brände nicht mehr zu überbieten. Selbst der russische
Ministerpräsident Wladimir Putin hat sich am 10. August 2010
höchstpersönlich als Feuerbekämpfer erfolgreich betätigt, indem
er als Co-Pilot die Wasserladung eines Löschflugzeuges zielgenau
über einer Feuerbrunst im Gebiet Rjasan, ca. 150 km südöstlich
von Moskau, abwarf.
4 Schadensbilanz
Laut offiziellen Angaben forderten die großflächigen Wald- und
Torfbrände in Westrussland im Juli und August 2010 mindestens 62
Tote, wobei Hilfsorganisationen von mehr Opfern ausgehen. Ganze
52 Dörfer und 3.200 Häuser wurden vernichtet. Nach längerem
Zögern räumten die russischen Behörden ein, dass die Brände auch
in radioaktiv verstrahlten Gebieten wüteten. Allein in der
Region Brjansk wurden 28 Wald- und Torfbrände auf einer Fläche
von 269 Hektar am 06. August 2010 gezählt. Diese Umgebung, nahe
dem Grenzgebiet zur Ukraine und Weißrussland, gehört zu den
gefährlichsten Gebieten der Welt. Bekanntlich kam es dort 1986
zur Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl. Zudem hatte es auch
in anderen radioaktiv verstrahlten Gegenden gebrannt, wie etwa
in Tscheljabinsk am Ural, wo sich ebenfalls mehrere
Reaktoranlagen befinden. Ebenso ist ein weiteres, befürchtetes
Szenario eingetroffen: Die Brände haben auch das stark
radioaktiv kontaminierte Gebiet von Majak erreicht. Dort hatte
sich 1957 eine atomare Katastrophe in der
Wiederaufbereitungsanlage und dem Lager von radioaktivem
Material ereignet.
Die wochenlang andauernden Wald- und Torfbrände hatten darüber
hinaus alarmierende Folgen für das Weltklima. Nach Schätzungen
des GeoBio-Centers der Ludwig-Maximilians-Universität in München
wurden bis zu 100 Millionen Tonnen klimaschädigendes
Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Das entspricht ca. 12 Prozent der
Jahresemission Deutschlands.
Verheerende Auswirkungen hatten insbesondere die Torfbrände,
deren Schadstoffbelastung um ein Vielfaches höher ist als die
aus brennenden Wäldern. Der dichte Qualm aus brennenden Mooren
enthält neben dem Kohlenstoffdioxid das äußerst giftige Gas
Kohlenstoffmonoxid. Hinzu kommt noch eine extreme
Feinstaubbelastung (Rauchpartikel), welche vermutlich Tausenden
von Menschen das Leben kostete.
Der Feinstaub der Torfbrände hatte nicht nur schlimme
Auswirkungen für die Menschen und Tiere in der
Katastrophen-Region. Die Gefahr für das Klima wird durch die
freigesetzten Rußpartikel zusätzlich verstärkt. Denn die extrem
feinen Partikel halten sich sehr lange in der Atmosphäre und
können bis zur Arktis getragen werden, wo sie die Eisschmelze
weiter beschleunigen. Das wäre dann ein weiterer, sehr
unerwünschter Klimaeffekt.
Der Heizwert des verbrannten fossilen Materials liegt bei ca.
500 PetaJoule, das sind 500 Billiarden Joule. Rechnet man diese
Energiemenge äquivalent auf Heizöl um, dann ist ein
Energiepotenzial in Höhe von ca. 14 Milliarden Euro nutzlos
verbrannt worden.
Ökonomisch bedeuten die Brände für die russische Regierung hohe
Einbußen, da es mindestens etwa 50 Jahre, eher 100 Jahre dauern
wird, bis in den Brandgebieten wieder Nutzungskonzessionen für
den Holzeinschlag vergeben werden können.
Russland gehört neben der Europäischen Union, Australien und der
USA zu den weltgrößten Getreide-Exporteuren mit einem
Exportumfang von jährlich rund 22 Millionen Tonnen. Die
russische Regierung verhängte am 5. August 2010 ein Exportverbot
für Getreide aufgrund der Dürren und Brände. Der russische
Getreideausfall durch Brände und Dürren lag bei rund 30 Prozent,
was einer Tonnage von mehr als 30 Millionen entspricht. Dadurch
stiegen die Weltmarktpreise für Getreide, insbesondere bei
Weizen, ab Juli 2010 rasant an. Die Brotpreise sind innerhalb
kurzer Zeit um deutlich über 20 % gestiegen, teilweise um bis zu
35 %.
Experten aus Russland, ebenso aus Westeuropa, schätzen den
materiellen und volkswirtschaftlichen Schaden durch die Wald-
und Torfbrände im Sommer 2010 in Westrussland auf mehr als 30
Milliarden Euro.
Neben den Waldbränden im europäischen Russland standen auch im
Fernen Osten des Landes weite Gebiete in Flammen. Nach Angaben
der Umweltorganisation Greenpeace seien landesweit den
Flammen mindestens 12 Millionen Hektar zum Opfer gefallen und
damit eine Fläche größer als der gesamte Waldbestand
Deutschlands. Greenpeace schätzt die Waldschäden 2010 in
Russland auf mehr als 200 Milliarden Euro, also deutlich höher
als von den russischen Behörden angegeben. Nach amtlichen
Angaben hat es landesweit etwa 30.000 Waldbrandherde auf einer
Fläche von mehr als 1,246 Millionen Hektar gegeben.
Die Katastrophe könne sich in Russland jederzeit wiederholen,
warnte Greenpeace Ende August 2010. Tatsache ist, dass seit
Beginn des Jahres 2011 landesweit 11.060 Naturbrände
ausgebrochen sind, welche bereits eine Gesamtfläche von 618.000
Hektar Wald zerstörten. Das ist nahezu dreimal mehr gegenüber
dem Vergleichszeitraum Januar bis Mai des Vorjahres 2010 als
215.000 Hektar Wald zerstört wurden, so die Mitteilung des
Zivilschutzministerium Russlands am 07. Juni 2011. Besonders
kompliziert war die Lage in der Region Krasnojarsk und dem
Gebiet Irkutsk. Dort loderten neun größere Brände auf einer
Fläche von 11.590 Hektar. Die Brände wurden nach Aussage des
sibirischen Zentrums des Zivilschutzministeriums hauptsächlich
von Aktivitäten der örtlichen Einwohner verursacht, obwohl von
den sibirischen Behörden rund 1.500 Posten eingerichtet worden
sind, die den Zugang zu den Wäldern einschränken und die Lage
beobachten.
5 Hauptproblem für die Brandbekämpfung ist fehlendes
Löschwasser
Die Löschwasserversorgung für die Feuerwehren ist unzureichend.
Ein Teil der Wald- und Torfbrände wütete fernab jeglicher
Zivilisation und in schlecht erreichbaren Regionen. Die
vorjährigen Erfahrungen zeigen, dass die meisten Brände auf
verlassenen Feldern und Großkahlschlägen entstanden waren. Es
handelte sich bei der Feuerbildung anfangs um Grasbrände, die
sich erst danach auf die Wälder ausbreiteten. Dort, wo Land- und
Forstwirtschaft gut funktionieren, dort, wo eine
verantwortungsvolle und nachhaltige Landnutzung betrieben wird,
gab es keine solchen Feuerkatastrophen im Gegensatz zu den
Brachlandflächen. Die Aufgabe von agrarisch genutzten
Kulturflächen, dann großflächige Kahlschläge, illegaler
Holzeinschlag und die starke Übernutzung der Wälder im Sinne
einer „Ausbeutungsressource“ haben maßgeblich zu der prekären
Lage beigetragen, was vielerorts zu einer Verbuschung und
Versteppung führte, wodurch sich die Feuer schnell ausbreiten
konnten. Und fatalerweise ist in diesen Gebieten die
erforderliche Löschwasservorhaltung in aller Regel nicht
gegeben.
Wasserentnahmestellen aus Bächen, Kanälen oder Wassergräben
waren dort entweder nicht vorhanden oder vertrocknet. So musste
das dringend benötigte Löschwasser durch Tankfahrzeuge und
Löschflugzeuge teilweise über weite Strecken an die
verschiedenen Brandherde aufwändig herangeführt werden. Dadurch
konnten sich die Flammen meist ungehindert kilometerweit durch
Russlands brachliegende und teils versteppte Fluren fressen, um
dann mit der gesamten Feuersbrunst auf die Wälder
überzuspringen. Die Flammen bleiben oftmals nicht nur am Boden,
sondern es entstehen die alles vernichtenden Baumkronenfeuer.
Die Flammen schlagen von Krone zu Krone und solche Brände nehmen
dann schnell riesige Dimensionen an.
Dies ist einer der Hauptgründe, weshalb selbst nach mehr als
zwei Monaten die etwa 250.000 Rettungskräfte die verheerenden
Feld-, Steppen-, Busch-, Wald- und Torfbrände immer noch nicht
in den Griff bekamen. Auch die Effizienz des Einsatzes der 54
Löschflugzeuge und der 300 Löschfahrzeuge wurde deutlich
überschätzt. Gegen solche Katastrophenfeuer, wie sie 2010 im
europäischen Russland herrschten, können Löschflugzeuge und
Löschfahrzeuge nur in einem sehr geringen Umfang einen
effizienten Beitrag zur Brandbekämpfung leisten.
Bei der Bekämpfung von Feld-, Steppen-, Busch-, Wald- und
Torfbränden ist schnelles Handeln entscheidend, denn hier zählt
jede Sekunde. Deshalb ist es erforderlich, in dichten
Abständen Wasserentnahmestellen für eine kontinuierliche und
ausreichende Löschwasserversorgung der Feuerwehren
bereitzuhalten. Allgemeines Ziel muss es sein, die Brände so
früh wie möglich zu lokalisieren, sie dann ohne Zeitverlust
erfolgreich zu bekämpfen, um die Entwicklung größerer
Brandereignisse zu verhindern. Mit einer solchen Strategie
werden Schäden für Mensch, Natur und Umwelt so gering wie
möglich gehalten.
6 Eine salomonische Lösung: Alte
Drainagegräben zu neuen Wasserspeichern ausbauen
Die naheliegende wie einfache Idee ist, das Drainagewasser der
Moore und das Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in
kanalisierten Rinnsalen und Drainagegräben in einen Vorfluter (=
Bach, Fluss) abzuleiten, sondern das Wasser, eines unserer
wichtigsten Lebens- und Gebrauchsgüter, von Anfang an und
unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers zurückzuhalten.
Drainage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit
einem Gefälle zum Vorfluter hin verlaufen, erhalten ein
„negatives“ Gefälle. Sie werden „gekippt“ und zur Senke
ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem
konventionellen Drainagegraben signifikant zu erhöhen. Die Sohle
eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt, liegt
damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters.
Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der
Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder
geomorphologischen Verhältnissen mehr. Damit ist gewährleistet,
dass der Grabenspeicher ganzjährig mit Wasser gefüllt
ist.
Das Ziel muss sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu
reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst
ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu
erreichen. Ebenso können Kubaturen wie Mulden, Senken,
Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher,
welche mit dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine
natürliche Speicherung des Niederschlagwassers benutzt werden.
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein
breitflächiges Retentionsnetz aufgebaut, um einen Großteil der
Niederschläge und des Hochwassers zu speichern.
Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume (Kubaturen)
mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung. Die
Wasserableitung aus dem Vorfluter (Bach, Fluss, Strom, See)
erfolgt durch die vorstehend beschriebenen Grabenspeicher. Die
teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder
ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im Vorfluter gegeben
ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender. |
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Ein Beispiel für einen Grabenspeicher. Seine Länge
von rund 200 m wird durch den natürlichen
Uferbewuchs überdeckt. Hier können bis zu 1 000 m³
Wasser gespeichert werden, welche ganzjährig zur
Bewässerung von Kulturen oder als Löschwasser bei
Bränden zur Verfügung stehen. Und „ganz nebenbei“
entsteht ein neues Biotop für die Aquafauna und –flora.
Naturschutz kann damit auch gleichzeitig Brand- und
Klimaschutz
sein. |
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7 So kann die technische Umsetzung
aussehen
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits
Drainagegräben vorhanden, meist entlang von Parzellengrenzen,
dann vielfach auch in Waldstandorten, jedoch meistens mit einem
Gefälle zum Vorfluter hin ausgebaut und nicht als Senke
ausgelegt. Diese bereits millionenfach in Russland vorhandenen
Drainagegräben beanspruchen in der Regel ca. 2 % der land- und
forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit einfachen
technischen Mitteln, zum Beispiel einem mittelschweren Bagger,
zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut werden. Die Kosten für
das Anlegen eines Grabenspeichers liegen bei durchschnittlich
ca. 2 Euro pro lfd. Meter. Alle 10 bis 12 Jahre muss eine
Entschlammung der Grabenspeicher sowie der anderen
Rückhalteräume durchgeführt werden.
Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die
Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der
Grabensohle etwa 1 Meter betragen. Am Ende oder je nach
Grabenlänge, kann beispielsweise alle 100 Meter durch Aufweiten
und Vertiefen des Grabenprofils ein kleiner Teich mit
abgeflachten Ufern für die Wasserentnahme entstehen, ein so
genannter Grabenteich. Bewährt haben sich Wasserflächen
von 20 bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von zwei und mehr
Metern.
8 Grabenspeicher mit bivalenter Funktion: Wasserspeicher und
Wasserspender für die Land- und Forstwirtschaft
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei
extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke
ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum
Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in
solchen Grabenspeichern, je nach Länge und Profil, mehrere
tausend Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil
dieser Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation
ganzjährig zur Verfügung, insbesondere während den
Trockenperioden. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten
kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für
eine natürliche Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die
konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher
schafft die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation
angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des
kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen
konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige
Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg
insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel
zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie
zum Beispiel an der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten
Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Grabenspeicher in den Sommermonaten
überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem
Wiesen und Äckern sowie dem Waldboden das so wichtige
Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg zugeführt werden.
Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der
Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies ist dann
besonders wertvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit nach der
Heuernte auftritt und wenn der Boden bei starker
Sonneneinstrahlung und geringem Schutz durch die Pflanzendecke
besonders schnell austrocknet. Landwirte und Agrar-Experten
kennen die Bilder aus den Grünlandgebieten, wo in solchen Fällen
über Wochen hinweg fast keine Phytomasse-Entwicklung
stattfindet.
In Dürrezeiten kann das gespeicherte Wasser ebenso für eine
künstliche Bewässerung oder Beregnung der Kulturflächen (Äcker,
Wiesen, Wald) eingesetzt werden. |
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Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen
Wasser-Rückhalteraumes durch Vertiefung und
Aufweitung des Profils eines Grabenspeichers zu
einem Grabenteich als Maßnahme für eine
Katastrophenvorsorge. Eine
Wasserentnahme für die Bewässerung von Kulturflächen
oder als Löschwasser ist stets gewährleistet. |
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9 Aus alten Gräben entstehen neue Biotope
Sehr schnell werden solche Grabenteiche von Wasserfauna und
Wasserflora besiedelt, ebenso können neue Habitate für spezielle
Kleinfischarten entstehen. Und ohne Zutun des Menschen bildet
sich bald ein „Froschweiher“, eine so genannte „Natur aus
zweiter Hand“. Für Amphibien und für viele Wasserpflanzen wie
untergetauchte, schwebende, aufrechte und an der Oberfläche
schwimmende, sind diese ökologisch ausgebauten Grabenteiche mit
ihrem fast stagnierenden Wasser ein exzellenter Lebensraum.
Die Expertise zeigt, dass es mit einfachen Mitteln und einem
überschaubaren Aufwand möglich ist, einerseits Feld-, Wald- und
Torfbrandkatastrophen sowie Dürren durch die Anlage von Lösch-
und Bewässerungsteichen deutlich zu minimieren und dass
andererseits so „ganz nebenbei“ neue Gewässer-Biotope entstehen.
Aufgrund der hydraulischen Vernetzung ist gewährleistet, dass
die Speichergräben ganzjährig mit Wasser gefüllt sind und
dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen
Abflusssituationen gewährleistet ist. Die Erfahrung zeigt, dass
ein permanent anstehender Wasserspiegel in den Grabenspeichern
und Teichen die Voraussetzung ist für die Entwicklung von
Lebensräumen mit hoher ökologischer Qualität. Die Schaffung und
der Schutz solcher neuen Lebensräume sichern vielen Tieren und
Pflanzen das Überleben. Es wird hiermit auch ein wichtiger
Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet, weil hier
oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse,
sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche
und nährstoffarme Kleinlebensräume aneinanderstoßen.
Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese
vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines
vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens auch inmitten
einer durchaus als monoton und uniform bezeichneten
Kulturlandschaft zu liegen kommen.
10 Laichgründe entstehen
Es ist offenkundig: Die meisten Bäche und Flüsse in Europa haben
trotz vielfach verbesserter Wasserqualität weder ihren früheren
Artenreichtum, noch ihre einstige Produktivität wiedererlangt.
Bereits in den 1970er Jahren wurde deutlich, dass eine gute,
chemisch zu messende Wasserqualität nicht ausreicht. Die
bisherige Nutzung der Bäche und Flüsse hat diese früher reich
besiedelten Lebensräume vielerorts in verödete, unbewohnbare
„Linien in der Landschaft“ verwandelt. Fische wurden daran
gehindert, aufwärts zu ihren Laichplätzen zu wandern und früher
gewundene Gewässer verwandelten sich zu eintönigen Kanälen, die
unnötig hart unterhalten werden. Die Zerstörung von Lebensräumen
im und am Gewässer ist offenkundig. Die einst reiche Natur der
Gewässer verarmte.
Und so kommt gerade den kleineren Gewässern eine besondere
Bedeutung zu, das heißt den Bachoberläufen mit ihren verzweigten
Grabensystemen und den kleineren Flüssen für die Vernetzung der
Landschaft aufgrund ihrer sehr großen Streckenlänge.
Durch den möglichen Umbau der ehemaligen Drainagegräben zu
Grabenspeichern, Grabenteichen und kleinen Weihern wird ein Netz
an naturnahen Wasserrückhaltespeichern für Mensch und Technik,
aber ebenso für Natur und Landschaft entstehen. Dieses
kleinmaschige Gewässernetz aus krautreichen Gräben und
Grabenteichen schafft eine ökologisch wertvolle
Biotopvernetzung, welche den Graslaichern hervorragende
Möglichkeiten bietet, ihren Laich abzulegen. Die ausgeschlüpften
Brütlinge von Hecht, Barsch und Cypriniden finden dann ideale
Habitate in solchen Grabensystemen.
Diese seichten und vielfach auch gut strukturierten
Kleingewässer eignen sich auch deshalb als hervorragende
Laichplätze, weil sich in solchen Gewässernetzen die Brutfische,
geschützt vor Hochwasser und Fraßdruck, ungestört entwickeln
können um dann, wenn sie größer werden, ins Hauptgewässer
abzuwandern.
Nur die Herstellung von Laichgründen, verbunden mit der
Wiederherstellung von geschützten Jungfischhabitaten, kann die
verloren gegangene Selbstreproduktion wieder zurückbringen.
11 Rückzugsräume und Teilhabitate für Fische werden
geschaffen
Würde man in den Torfgebieten Westrusslands alle bereits jetzt
vorhandenen Drainagegräben zu Grabenspeichern und Grabenteichen
als perennierende (ausdauernde) Gewässer ausbauen, so entstünde
ein Netz an kleinen Fließgewässern mit einer Gesamtlänge von
mindestens einer Million Kilometern. Eine unermesslich große
Zahl an spezifischen Fischhabitaten würde entstehen,
einschließlich der Teilhabitate wie Laichplätze,
Jungfischhabitate, Nahrungsgründe und Einstände (Winter-,
Hochwasser- und Jungfischeinstände). Sind diese Habitat-Typen in
ausreichender Zahl und Größe vorhanden sowie funktional sinnvoll
mit dem Hauptgewässer vernetzt und erreichbar (biologische
Durchgängigkeit), genügen sie den oft sehr spezifischen
Ansprüchen natürlich vorkommender Fischarten. So wachsen
Jungfische nach, die sich natürlich anpassen können. Sie stammen
aus dem Gewässer, sie lernen vor Feinden zu flüchten, Deckung zu
suchen, die richtige Nahrung zu fressen und mit der Strömung
umzugehen. Eigenschaften, an die sich Besatzfische aus der Zucht
erst umständlich gewöhnen müssen.
12 Grabenspeicher für die Löschwasserversorgung
Durch die hydrologische Vernetzung des Grabenspeichers sowie der
anderen Retentionsräume (Kubaturen) mit dem Fließgewässer (Bach,
Fluss) ist ein permanenter Wasserspeicher gewährleistet
(perennierendes Gewässer), was bei den bislang vorhandenen
Drainagegräben und Wassergräben nicht gegeben ist. Diese sind
deshalb für eine Wasserspeicherung nicht geeignet, weil sie im
Allgemeinen periodisch und vor allem in den Sommermonaten über
einen längeren Zeitraum trockenfallen (temporäres Gewässer).
Die Grabenspeicher und Grabenteiche sowie anderen
Retentionsräume führen als perennierendes Gewässer deshalb
ganzjährig Wasser, weil deren Sohle grundsätzlich tiefer liegt
als die Sohle des Vorfluters (Fließgewässer), also des Baches
oder Flusses (siehe hierzu Kapitel 6).
Selbst bei einer stunden- oder tagelang anhaltenden
Wasserentnahme für eine Brandbekämpfung würde die
Löschwasserversorgung nicht zusammenbrechen, weil einmal ständig
Wasser aus dem Bach, Fluss, Strom oder See nachfließt und zum
anderen wegen der stetig vorhandenen hohen Wasserkapazität im
Retentionsnetz selbst.
Die Wasserkapazität des Grabenspeichers kann dadurch erhöht
werden, dass am Ende oder in der Mitte durch Aufweiten und
Vertiefen des Grabenprofils ein Grabenteich für die
Wasserentnahme zur Bewässerung landwirtschaftlich genutzter
Felder oder für die Löschwasserentnahme im Brandfall entsteht.
Bewährt haben sich, wie im Kapitel 7 ausgeführt, Wasserflächen
von 20 bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von zwei und mehr
Metern.
Die weitergehende Vernetzung und der Ausbau mit bereits
natürlich vorhandenen Retentionsräumen wie Mulden, Senken,
Tümpeln, Rigolen, Sölle, Teiche und Weiher schaffen zusätzliche
Wasserspeicherkapazitäten, um selbst gegen größere
Naturkatastrophen wie Dürren, Feld-, Wald- und Torfbrände in
einer professionellen Weise angehen zu können.
Die bisherige Nutzung der ehemaligen Torfmoorgebiete wird durch
den Umbau der millionenfach vorhandenen Drainagegräben zu
Speichergräben in keinster Weise eingeschränkt, sondern das
Gegenteil wird eintreten, indem die Infrastruktur eindeutig
verbessert und die Katastrophengefahr signifikant gemindert
wird.
Die beiden Schemazeichnungen, „Anlage eines
Retentionsnetzes“ und „Gewässer-Systeme“, sollen die
grundlegende Idee zur naturnahen Wasserspeicherung
verdeutlichen. Die Idee beruht auf dem physikalischen Gesetz
verbundener Gefäße (Kubaturen).
Die hier beschriebenen Grabenspeicher und Löschteiche stellen
Maßnahmen im Sinne einer Katastrophenvorsorge dar und
können mit den früher üblichen Dorfteichen verglichen werden.
Der Dorfteich gehörte früher zu jeder Siedlung, um im Brandfall
Löschwasser zur Verfügung zu haben (Feuerprävention).
Heute besitzen solche Feuerlöschteiche in der Dorfmitte oder am
Dorfrand nur noch Seltenheitswert. |
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13 Vielfältige Synergien für Natur,
Landwirtschaft und Mensch
Dem permanent mit Wasser gefüllten Grabenspeicher und
Grabenteich sowie den Retentionsnetzen lassen sich noch weitere
Vorteile zuschreiben.
Die gezielte Speicherung von Sickerwasser, Niederschlägen und
Hochwasser in den Grabenspeichern, Grabenteichen und
kleinmaschigen Retentionsnetzen dient dem Landbau zur
Bewässerung seiner Kulturflächen, der Wasserwirtschaft
zur Grundwasseranreicherung (Infiltration) und nimmt
insgesamt als stabilisierender Faktor einen positiven Einfluss
auf den Wasserhaushalt. So bleibt beispielsweise bei
extremen Niedrigwasserzeiten der Fließcharakter des Baches
(Vorfluters) weitgehend erhalten, weil aus dem Retentionsnetz
Wasser für das Fließgewässer gespendet wird.
Weiterhin wird ein wichtiger Beitrag zum präventiven
Hochwasserschutz geleistet, indem die Flutwelle im Vorfluter
gekappt und in die Breite abgeleitet wird. Dadurch wird der
Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt. Hier wird eine
soziale Verantwortung gegenüber den Anwohnern flussabwärts
wahrgenommen, indem Schadenshochwässer vermieden oder wenigstens
gemindert werden.
Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in
verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird
gefördert und ein Beitrag zur Verringerung der
Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die Fließgewässer
geleistet.
Ebenso werden Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes
unterstützt. Weiterhin trägt der Aufbau eines kleinmaschigen
Retentionsnetzes zur Stabilisierung des Naturhaushaltes einer
Landschaft bei. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird
aufgrund der Schaffung neuer Biotope und der Biotop-Vernetzung
erheblich zunehmen (Biodiversität).
14 Ausblick
Wald- und Torfbrandkatastrophen sind Ereignisse, die nicht
vermeidbar sind. Moderne Löschfahrzeuge und Löschflugzeuge sowie
zusätzliches Personal lösen das Problem der Feld-, Wald- und
Torfbrände in Russland nur wenig. Entscheidend bei der
Bekämpfung dieser Brandkatastrophen ist eine breit angelegte und
jederzeit verfügbare Löschwasserversorgung. Hierzu soll die
vorliegende Projekt-Studie einen Beitrag leisten, um zukünftige
Feld-, Wald- und Torfbrände vor allem in Russland besser unter
Kontrolle zu bekommen. Immense materielle Schäden werden dadurch
gemindert und menschliches Leid gelindert. Parallel dazu werden
die riesigen Mengen an freigesetztem Kohlenstoff, welcher
signifikant in seiner gasförmigen Modifikation als
Kohlenstoffdioxid zur Erderwärmung beiträgt, deutlich reduziert
(Klimaschutz).
Die Vorbeugung solcher Brandkatastrophen darf nicht nur auf
technische Maßnahmen beschränkt bleiben, sondern sie ist ebenso
eine große gesellschaftliche Aufgabe. Wir müssen wieder lernen,
unsere Kulturlandschaften nach ökologischen Prinzipien und vor
allem nachhaltig zu bewirtschaften sowie mit der Natur
sorgfältig umzugehen.
Für den Natur- und Umweltschutz ist von zusätzlicher Bedeutung,
dass auf diesem Weg quasi als Nebeneffekt neue Lebensräume für
Tiere und Pflanzen geschaffen werden. Eine unermesslich große
Zahl an Fischhabitaten könnte entstehen. Dies wäre ein möglicher
großer Erfolg für die Ichthyologie allgemein.
15 Danksagung
Dem Vorstand des ÖDP-Ortsverbandes Altshausen, insbesondere
Herrn Dr. med. Walter Ebner, danke ich vielmals für die
wohlwollende Unterstützung der vorliegenden Expertise. |
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Hochwasser-Katastrophen
vermeiden
Ein Konzept zur
Vermeidung von immensen materiellen
Schäden, Verbesserung des Wasserhaushalts, Schaffung
neuer Lebensräume und zur Schonung des Klimas
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen
Hochwasser-Katastrophen
verursachen Jahr für Jahr in Deutschland immense Schäden, zum
Teil in Milliardenhöhe. Menschliche Fehlplanungen und
Handlungen, Missachtung hydrologischer Bilanzierungen und
ökologischer Sachverhalte sind oft die Ursachen für die immer
gewaltiger werdenden Auswirkungen beim letztlich nicht
verhinderbaren Naturereignis Hochwasser. Nicht Hochwasser,
sondern die Schadenshochwasser müssen von vornherein vermieden
werden.
Ein praktikables, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Konzept,
diese jährlich wiederkehrenden Schadenshochwasser zu vermeiden,
besteht im Aufbau einer Vielzahl kleiner, vernetzter
Retentionsräume zur Wasserrückhaltung in der Fläche sowie im
Verbund von Stauseen-Ketten mit entsprechend großen
Speicherkapazitäten.
Wasserbau und
Kulturmaßnahmen
Die geradezu revolutionären Entwicklungen in der Landwirtschaft
ziehen sich durch alle Bereiche der Landnutzung. In ganz
besonderem Maße äußerten sie sich im Wasserbau. Die großen
Flusskorrekturen des 19ten Jahrhunderts dienten noch vorwiegend
oder ausschließlich der Schifffahrt, später auch zur Nutzung der
Wasserkraft. Die Flussbegradigung hatte praktisch keinen
Einfluss auf Häufigkeit und Stärke des Hochwassers, außer dass
die Flut schneller flussabwärts vorankam, dafür aber auch
schneller wieder ablief. Erst die massive Eindämmung der Flüsse
in ihren früher weitläufigen Auen bewirkte ein starkes
Ansteigen der Hochwasser-Höhen, weil sich die
Pegel-Durchfluss-Beziehungen zu Ungunsten des natürlichen
Abflussgeschehens veränderten. Die einst regelmäßig, aber
unvorhersehbar überschwemmten Auen, die nur als Weideland
genutzt werden konnten, ließen sich jetzt durch die Damm- und
Deichbauten in Ackerland und nutzbares Bauland umwandeln. Ein
regelrechter Erschließungsboom setzte ein und innerhalb weniger
Jahre verwandelten sich die ehemaligen Flussauen zu Siedlungs-
und Industriegebieten. Diese neue Landnahme entzog den Flüssen
ihre Überschwemmungsflächen. Die Seitenausdehnung der
Wassermassen war durch den Fluss- und Tal-(Auen)-Verbau massiv
beeinträchtigt und ließ die Pegelstände erhöhen. Das
verschärfte die Hochwasser in den am Fluss gelegenen Städten
ganz erheblich, weil flussaufwärts die Rückhalteräume fehlen.
Hier wurden und werden in der Bau- und Landnutzungsplanung
regelmäßig Fehler gemacht mit teilweise verheerenden
Auswirkungen.
So hat sich die Anzahl der einem möglichen Hochwasser
ausgesetzten privaten Gebäuden sowie der gewerblichen und
industriellen Anlagen seit Beginn des 20sten Jahrhunderts
erheblich vergrößert. Durch die Ansiedlung des Menschen in
Gewässernähe und der damit verbundenen Anhäufung von riesigen
materiellen Werten sind jetzt enorme Hochwasserschäden die
Folge. Verheerende Schäden an Privateigentum, kommunalen
Gebäuden, Kulturdenkmälern, Infrastruktur und
gewerblich-industriellen Einrichtungen sowie an Kultur- und
Naturflächen sind zu beklagen. Durch die Wasserfluten werden
Menschenleben bedroht und Arbeitsprozesse behindert. Kurzum,
immense Werte werden vernichtet.
Hauptursache für
Hochwasser-Katastrophen
Die weitaus größeren
Veränderungen erzeugte jedoch der Ausbau der Gewässer dritter
Ordnung im Rahmen des landwirtschaftlichen Wasserbaus. Ein
Großteil der kleinen Flüsse, Bäche und sogar der Rinnsale oder
nur zeitweise wasserführenden Gräben wurde mit immensem Aufwand
an Geld so ausgebaut, dass das Niederschlags- oder Sickerwasser
schnellstmöglich ab- und in die großen Flüsse eingeleitet wurde.
Dadurch laufen die Hochwasserwellen tendenziell erheblich
schneller ab und bilden höhere Spitzen.
Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir das
Wasser in kanalisierten Rinnen möglichst schnell an die
Unteranlieger weiterleiten oder den Wasser-Rückhalt in
der Fläche fördern und dadurch neue Lebensräume für eine
Gewässerfauna und –flora schaffen. |
Ziel der Kulturmaßnahmen war es,
auf allen landwirtschaftlichen Produktionsflächen auch möglichst
gleichartige Produktionsbedingungen zu schaffen.
Standortnachteile sollten behoben werden. Frühere
Grenzertragsflächen, deren Bewirtschaftung im Vergleich zum
Aufwand kaum Erträge erwarten ließ, konnten durch die
Kulturmaßnahmen in die landwirtschaftliche Produktion mit
einbezogen werden [1].
Als eine der Hauptwirkungen
dieser landesweiten Entwässerung der Fluren verschwanden weithin
die Unterschiede in den Lebensbedingungen der Natur. Besonders
groß wurden die Verluste bei den Feuchtgebieten. Moderne, von
starken Motoren getriebene Maschinen ermöglichten die
Entwässerung von Mooren, Feuchtwiesen und Sümpfen. Die Verlegung
von Drainagerohren und das Ausbetonieren von Abzugsgräben
gehörte zum Standard des Kulturwasserbaus. Der Ausbau der
Gewässer dritter Ordnung verschlang jene Summen an
Steuermitteln, die dringend benötigt worden wären, die
Hochwasser-Probleme bleibend zu lösen.
Auewälder wurden gerodet. In der
Zeit von 1950 - 1975 verloren die mitteleuropäischen Flüsse den
größten Teil der noch verbliebenen Auen. Seither gibt es
durchschnittlich nur noch etwa 5 Prozent der früheren
Auwaldflächen des unregulierten Zustandes. Auwälder, Sümpfe und
Moore gehören zu den ganz großen Verlierern in der Umgestaltung
der mitteleuropäischen Landschaften [2].
Ein Großteil der
Hochwasser-Schäden, die Ende des 20sten Jahrhunderts und vor
allem in den letzten Jahren zustande gekommen sind, beruht auf
diesen Maßnahmen. Für wenige Hektar hochwasserfrei angelegter
Auen, die landwirtschaftlich genutzt werden können, haben die
Anwohner flussabwärts und die Steuerzahler insgesamt
unverhältnismäßig hohe Schäden abbekommen. Niederschläge
normaler Größenordnungen, die keineswegs über Regenmengen
früherer Jahrhunderte hinausgehen, schwellen zu nicht mehr
kontrollierbaren Fluten an, weil praktisch alle Rinnsale,
Gräben, Bäche und Flüsse das Wasser schnellstens ableiten. Die
eingeschnürten Flüsse können diese Fluten natürlich nicht mehr
fassen.
Geht man der Frage nach, wie
viele Fließgewässer es in Deutschland gibt, und hierbei nur die
natürlichen Gewässersysteme berücksichtigt, wie sie in der
Topographischen Karte 1 : 25 000 enthalten sind, gibt es allein
in Deutschland etwa 600 000 Kilometer Fließgewässerstrecken.
Rechnet man die zahlreichen künstlichen Fließgewässer wie
Gräben, Kanäle usw. hinzu, kommt man auf über 1 Million
Kilometer an Fließgewässerstrecken. Und dieses riesige Potenzial
an unzähligen kleineren Fließgewässern mit ihren
Regulierungen bewirken in ihrer Summe
die eigentlichen Hochwasser-Katastrophen.
Anhand der so genannten
„Elbeflut" vom August 2002 soll das verdeutlicht werden. Der
Begriff „Elbeflut" weist in eine völlig falsche Richtung, denn
im Elbetal selbst entstand nur ein Bruchteil der Schäden. Die
großen Verwüstungen traten an den Zuflüssen der Elbe auf, oft an
kleinen Bächen und harmlos dahin plätschernden Rinnsalen, die in
kürzester Zeit zu reißenden Strömen wurden. Und hier muss stets
das immense Potenzial an kleinen und kleinsten Fließgewässern im
Bewusstsein bleiben. Denn die kleinen Gewässer sind quantitativ
und qualitativ die „Kinderstube" der großen Bäche und Flüsse.
Deshalb können diese immer nur so gut sein, wie es die vielen
kleinen Gewässer im Einzugsgebiet zulassen.
So wurde die Stadt Grimma in
Sachsen nicht durch die Elbe vier Meter hoch überflutet, sondern
durch den Nebenfluss Mulde. Der Ort Weesenstein wurde durch das
Flüsschen Müglitz regelrecht zerstört und selbst der Sturzbach
durch den Dresdener Hauptbahnhof hatte nichts mit dem Hochwasser
der Elbe zu tun, sondern wurde durch die Weißeritz verursacht.
Dieser Bach stand mit einem 100-jährlichen Abfluss von 350 m³/s
zu Buche, der jetzt ankommende Scheitelabfluss lag bei 600 m³/s
[4]. Die Weißeritz, die im Stadtgebiet Dresdens heute teilweise
unterirdisch fließt, war diesen Wassermassen nicht mehr
gewachsen. Das überschießende Wasser suchte seinen alten Weg -
und auf diesem steht mittlerweile Dresdens Hauptbahnhof.
Das Fazit ist: Kleine
Gewässer - Große Wirkung!
Und so ist eine der
Hauptursachen für die Hochwasser-Katastrophen, dass man die im
19ten Jahrhundert begonnene Regulierung der Flüsse konsequent im
20sten Jahrhundert bis in die Quellbezirke zu Ende führte. Die
davon ausgelösten Hochwasser-Katastrophen sind keine Folge einer
in Gang gekommenen Klimaerwärmung, sondern hausgemachte
Ergebnisse des landwirtschaftlichen Wasserbaus, dessen
Verantwortung an den jeweiligen Flurstücken oder spätestens an
den Grenzen des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes endet [1].
Auch wenn in der Vergangenheit überregionale Kommissionen für
Hochwasserschutzmaßnahmen gebildet wurden, so ist der Gedanke,
sich um die Gemeinwesen flussabwärts zu kümmern, immer noch
weitgehend fremd.
Die rasante Siedlungsentwicklung
seit Beginn des 20sten Jahrhunderts nutzte die durch Damm- und
Deichbauten trockengelegten Flächen von ehemaligen
Überschwemmungsgebieten. So hat sich die Anzahl der einem
möglichen Hochwasser ausgesetzten privaten Gebäuden sowie der
gewerblichen und industriellen Anlagen erheblich vergrößert.
Durch die Ansiedlung des Menschen in Gewässernähe und der damit
verbundenen Anhäufung von riesigen materiellen Werten sind jetzt
enorme Hochwasserschäden die Folge [3, 4]. Verheerende Schäden
an Privateigentum, kommunalen Gebäuden, Kulturdenkmälern,
Infrastruktur und gewerblich-industriellen Einrichtungen sowie
an Kultur- und Naturflächen sind zu beklagen. Durch die
Wasserfluten werden Menschenleben bedroht und Arbeitsprozesse
behindert. Kurzum, immense Werte werden vernichtet.
Und hier muss radikal umgedacht
werden. Was der Mensch durch den Wasserbau zerstört und
gefährdet hat und durch den Klimawandel verstärkt wird, wird ein
Wassermangel in Europa sein. Sauberes Wasser droht zu einem
knappen Gut zu werden. Auch das Grundwasser, bisher noch am
saubersten, ist gefährdet: In vielen Städten reicht es zur
Wasserversorgung nicht mehr aus und muss mit Oberflächenwasser
künstlich angereichert werden. Deshalb muss ein neues
„hydrologisches Grundgesetz" in die Schul- und
Lehrbücher sowie in die Gewässer relevanten Gesetzeswerke
eingeführt werden:
Das Wasser zurückzuhalten
muss oberste Priorität haben.
Grundlagen der Hydrologie
Für eine realistische Lösung der
gesamten Hochwasserproblematik im Binnenland gibt es nur einen
Weg, nämlich die Wasserrückhaltung in der Landschaft des
gesamten Einzugsgebiets eines Gewässers. Denn der Raum, den die
Flüsse im unregulierten Zustand früher eingenommen hatten, ist
längst anderweitig genutzt und nicht mehr wieder
zurückzugewinnen.
Anhand einfacher Grundlagen der Hydrologie können Niederschlag,
Wasserabfluss, Verdunstung und Wasserspeicheränderung
quantitativ bewertet werden. Hierbei nimmt der Wasserabfluss in
der Hydrologie eine Schlüsselstellung ein. Da die Verdunstung
insgesamt für ein größeres Gebiet nicht zu erfassen ist, geht
die Hydrologie von den Abflussmengen aus, die an den
Fluss-Pegeln allgemein seit Beginn des 19ten Jahrhunderts
gemessen werden.
Die Bilanzierung von
Wasserumsätzen erfolgt auf der Grundlage des
Massenerhaltungssatzes. Die hydrologische
Bilanzgleichung lautet in ihrer einfachsten statischen
Form:
Die Größe N
bedeutet den auf ein umgrenztes Gebiet (hydrologisches
Einzugsgebiet) fallenden Niederschlag, A die
Wassermenge, die ober- und unterirdisch abfließt und V sämtliche
Arten der Verdunstung (Evapotranspiration), also die
Gesamtverdunstung aus Evaporation, Interzeption und
Transpiration. Die 4. Größe berücksichtigt die
Wasserspeicheränderung ΔS. Die
Wasserspeicherung kann als Eis, Schnee, Oberflächenwasser und
unterirdisches Wasser (Boden- und Grundwasser) erfolgen.
Die Bewertung der Wasserumsätze
durch Niederschlag, Abfluss, Verdunstung und Speicheränderung
erfolgt als Volumen pro Flächen- und Zeiteinheit, z.B. mm/d.
Die Formel der hydrologischen
Bilanzgleichung besagt, dass die Summe der Mengen aus Abfluss,
Verdunstung und Speicheränderung eines hydrologischen
Einzugsgebietes in einem gewählten Zeitabschnitt (z.B.
monatlich) die Niederschlagsmengen ergeben. Damit spielt die
Wasserbilanz eine wesentliche Rolle für die Ermittlung der
Wasserspeicherkapazität von Niederschlägen in einem
Einzugsgebiet.
Die hydrologische
Bilanzgleichung spiegelt weiterhin in einem gewissen Grad das
landschaftliche Milieu des Einzugsgebietes eines Flusses wieder.
Denn Art, Intensität und Dauer des Abflusses hängen von der
Morphologie des Flussgebietes, der Beschaffenheit des Bodens,
des Untergrundes sowie der Vegetation ab. Damit ist der Abfluss
gerade wegen seines Zusammenwirkens zahlreicher Faktoren ein
hervorragender Index für die Ökologie einer Landschaft [5].
Ebenso können sich die
menschlichen Eingriffe in Gestalt von Flussbegradigungen,
Kanalisierungen, Eindeichung, Erhöhung der
Abflussgeschwindigkeit von Bächen und Flüssen, Versiegelung der
Böden, ansteigender Auenverbau und zunehmende Besiedlungsdichte
signifikant, teilweise sogar entscheidend auf die Abfluss-Bilanz
eines Flusses auswirken, wie durch die hydrologische
Bilanzgleichung innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts
beschrieben werden kann:
A = Abfluss
N = Niederschlag
V = Verdunstung
ΔS = Wasserspeicheränderung
Alle Terme werden in Volumen pro Flächen- und Zeiteinheit
gemessen und beziehen sich auf das hydrologische Einzugsgebiet.
Diskussion der hydrologischen Bilanzgleichung
Fall 1: Es wird
eine extrem große Niederschlagsmenge N in einem
begrenzten Einzugsgebiet und innerhalb eines bestimmten
Zeitabschnitts angenommen. Dann ist die Abflussmenge A
primär abhängig von der Niederschlagsmenge N
sowie von der Verdunstung V und
Änderung der Wasserspeicherung ΔS. In einer
Kulturlandschaft mit geringer Wasserspeicheränderung oder einer
urbanen Region mit hoher Bodenversiegelung sind die beiden Terme
V und ΔS klein. Damit wird die
Abflussmenge eines Gewässers im Wesentlichen durch die
Niederschlagsmenge N bestimmt. Sintflutartige
Regenfälle bedingen dann einen extremen Anstieg des Abflusses.
Ergebnis Fall 1: Eine
Flutwelle baut sich auf. Verheerende Hochwasserschäden werden
die Folge sein.
Fall 2: Wie im
Fall 1, wird von einer extrem großen Niederschlagsmenge
ausgegangen. In einer naturbelassenen Landschaft kann die
Verdunstung V und die Änderung der
Wasserspeicherung ΔS hoch sein. Die
Abflussmenge A eines Gewässers wird dann
wesentlich durch die beiden Terme Verdunstung V
und Speicheränderung ΔS bestimmt. Der
Aufbau einer gefährlichen Flutwelle wird generell vermieden. Es
kommt zu einem kontinuierlichen Anstieg des Wasserpegels. Ein
„normales" Hochwasser als völlig natürliche Erscheinung ist die
Folge.
Ergebnis Fall 2:
Verheerende Überflutungsschäden wie im Fall 1 werden ausbleiben.
Das Resultat der hydrologischen Bilanzierung ist, dass
vorbeugender Hochwasserschutz grundsätzlich machbar ist.
Grundlegendes Wissen ist hierzu vorhanden. Jedoch beschränkte
sich der Hochwasserschutz in der Vergangenheit weitgehend auf
bautechnische Maßnahmen. Integrierende Präventionsmaßnahmen
wurden bislang nicht oder nur wenig realisiert.
Eine sehr große Zahl an
Experten, Universitätsinstituten, Behörden, Landesämter,
Bundesanstalten und Staatsregierungen, dann Komitees für
Katastrophenvorsorge und die Initiativen zur Verbesserung der
Hochwasservorsorge sowie zahlreiche andere Einrichtungen
beschäftigen sich seit Jahrzehnten intensiv mit der
Hochwasserproblematik. Viele der dort erarbeiteten Konzepte
mögen richtig und wertvoll sein, doch die Tatsache bleibt, dass
in den letzten 20 Jahren die Schäden durch Flutkatastrophen
verheerende Ausmaße angenommen haben.
Dieser Sachverhalt wird zum
Anlass genommen, ein einfaches, praktikables, öko-logisch und
ökonomisch sinnvolles Konzept zu entwickeln, welches die
verheerenden Hochwasser-Schäden im Binnenland verhindert oder
zumindest deutlich mindert. Klar muss dabei auch sein, dass es
einen absoluten Hochwasserschutz nicht geben kann. Das Ziel muss
deshalb nicht die Verhinderung von Überflutungen sein, sondern
die Begrenzung auf Bereiche, in denen möglichst wenig Schäden
angerichtet werden.
Die Konzeptidee,
Hochwasser-Katastrophen zu vermeiden, den Wasserhaushalt zu
verbessern und das Klima zu schützen
-
Das Niederschlagswasser muss von Anfang an und
unmittelbar im Einzugsgebiet unter optimaler Nutzung
aller natürlichen Speicher-möglichkeiten zurückgehalten
werden [6].
-
Natürliche Speicher sind Waldungen, Moore, Seen, Tümpel,
Weiher, Senken und Überschwemmungsgebiete.
-
Drainage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise
mit einem Gefälle zum Vorfluter hin verlaufen, erhalten
ein „negatives“ Gefälle. Sie werden zur Senke
ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber
einem konventionellen Drainagegraben signifikant zu
erhöhen. Die Sohle eines solchen Grabens, hier
Grabenspeicher genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer
als die Sohle des Vorfluters. Die Absenkung im
Grabenspeicher soll bei > 0,2 % Gefälle gegenüber der
Bachsohle (= Vorfluter) liegen, bei geeigneten
hydrotopographischen oder geomorphologischen
Verhältnissen größer.
-
Jeder bisherige Drainagegraben oder Rinnsal soll
reaktiviert und als Ent-lastungsgraben (=
Grabenspeicher) ausgebildet werden, um eine Kappung von
Hochwasserspitzen im Vorfluter (= Bach, Fluss) zu
erreichen [6].
-
Ebenso sollen Mulden, Senken, Rigolen, Tümpel und
Weiher, welche mit dem Vorfluter vernetzt werden müssen,
für natürliche Flutungen benutzt werden, um die
Flutwelle im Vorfluter überwiegend in die Breite
abzuleiten.
-
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein
breitflächiges Retentionsnetz aufgebaut, um den
überwiegenden Teil der Hochwasserwelle im Retentionsnetz
zu speichern und um die Spitze des Hochwassers im
Vorfluter nachhaltig zu kappen.
Eine hydraulische Vernetzung der Speicherräume
mit dem Vorfluter muss gegeben sein.
-
Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt,
wenn wieder ausreichen-de Kapazität im Vorfluter gegeben
ist. Damit wirkt das Retentionsnetz als stabilisierender
Faktor für den Wasserhaushalt.
-
Abflussfördernde Maßnahmen sind grundsätzlich zu
vermeiden, um eine möglichst maximale Speicherung des
Hochwassers im Retentionsnetz zu erreichen. Dadurch wird
der Wasserabfluss zeitlich entzerrt.
-
Die gezielte Speicherung des Hochwassers soll der
Wasserwirtschaft zur Grundwasseranreicherung
dienen (Infiltration).
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Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird durch den
Aufbau eines Retentions-netzes erheblich zunehmen. Denn
stehende Kleingewässer, wie Tümpel und krautreiche
Gräben, sind Heimat und Lebensgrundlage für weit über 1
000 Tierarten, besonders Fische, Vögel, Amphibien (z.B.
Frösche, Kröten, Molche), darunter viele Kleintiere, und
für über 200 Pflanzenarten. Damit werden die Ziele des
Natur- und Landschaftsschutzes unterstützt.
-
Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in
verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird
gefördert und ein Beitrag zur Verringerung der
Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die
Fließgewässer geleistet.
-
Soziale Verantwortung hinsichtlich
Hochwasserschäden muss gegenüber den Anwohnern
flussabwärts geleistet werden.
Schadenshochwässer zu vermeiden gebietet die
Menschlichkeit.
Ein Modell für die
Bundesrepublik Deutschland
Es wird nachdrücklich betont, dass es sich bei der folgenden
Beschreibung um ein exemplarisches Denkmodell für die
Bundesrepublik Deutschland handelt, welches dann vor Ort an die
Realität angepasst werden muss.
-
Es werden 2 % der Landschaftsfläche benötigt für die
Anlage von Flut- und Wassergräben, welche mit dem
Vorfluter verbunden sein müssen. Auf zahl-reichen
landwirtschaftlichen Flächen sind bereits Drainagegräben
vorhanden, teilweise auch in Waldstandorten, jedoch mit
einem Gefälle zum Vorfluter ausgebildet und nicht als
Senke ausgelegt. Diese bereits vorhandenen
Drainagegräben beanspruchen in der Regel ca. 1 bis 2 %
der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen und
können mit einfachen technischen Mitteln zu Senken (=
Flutgräben) ausgebaut werden.
-
Auf jeden Hektar Landschaftsfläche kommt ein als
Senke angelegter Wasser-graben. Als
Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die
Grabenbreite an der Grabenkrone beträgt mindestens 2 m,
an der Grabensohle 1m, die Grabenlänge 100 m. Bei
Hochwasser von 1 m über Normalnull sollen in dem
Flutgraben mindestens 150 m³ Niederschlagswasser
gespeichert werden.
-
Pro Quadratkilometer Einzugsfläche existiert 1 Vorfluter
mit einer Länge von 1 km und einer Kronenbreite von 3 m.
-
Es können hiermit mindestens 18.000 m³
Niederschlagswasser auf einen Quadratkilometer
unmittelbar gespeichert werden.
Fallbeispiel A:
Extremsituation
-
Es ereignen sich sintflutartige Regenfälle mit einer
Niederschlagsmenge von 50 mm (= 50 l / m²) innerhalb
weniger Minuten.
-
Pro Quadratkilometer entspricht dies einer Wassermenge
von 50.000 m³.
-
In der Regel verdunsten im Jahresmittel zirka 65 % der
Niederschläge, das heißt, dass diese Menge nicht dem
Grund- und Oberflächenwasser zufließt. Bei einer für das
Fallbeispiel angenommenen Evapotranspirationsrate von
40 % müssen damit 30.000 m³ Wassermenge auf einer
Fläche von 1 km² berücksichtigt werden.
-
Es wird die Extremsituation einer total versiegelten
Fläche angenommen. Das bedeutet, dass kein
Niederschlagswasser in den Boden einsickert und dort als
Haftwasser gespeichert wird. In unserem Fallbeispiel
A wäre dies eine Wassermenge von 30.000
m³ pro Quadratkilometer.
-
Das aufgebaute Retentionsnetz besitzt eine
Speicherkapazität von 18.000 m³. Beträgt die
Abflussgeschwindigkeit des Vorfluters ca. 4 km/h, so
kann innerhalb einer Stunde die extreme Wassermenge
von ca. 30.000 m³ , entsprechend einem Niederschlag von
50 mm, im Retentionsnetz „geschluckt“ werden.
Ergebnis: Eine Hochwasser-Katastrophe wird durch das
Retentionsnetz vermieden.
Fallbeispiel B: Normalsituation
- Es sollen sich wie im Fallbeispiel A
extreme Regenfälle ereignen mit einer Niederschlagsmenge von
50 mm (= 50 l/m²). Die Niederschlagsmenge soll sich jedoch
nicht spontan über die Fläche ausgießen, was weitgehend
unrealistisch ist, sondern zeitlich entzerrt sein.
- Die Speicherkapazität des Retentionsnetzes soll um 30 %
auf 12.000 m³ vermindert werden. Ebenso soll die
Abfluss-Geschwindigkeit im Vorfluter um 50 % auf 2 km/h
vermindert sein.
- Fällt die Niederschlagsmenge von 50 mm über einen
Zeitraum von 4 Stunden, was der Realität näher kommt, so
kann die gesamte Wassermenge im Retentionsnetz wiederum
gespeichert werden.
- Extreme Niederschläge in Höhe von 50 mm innerhalb von 4
Stunden sind für Deutschland gemäß Literatur-Recheren eher
selten.
Ergebnis: Die beiden Fallbeispiele beweisen, dass
Hochwasser- Katastrophen vermieden oder zumindest deutlich
gemindert werden können.
Physikalische Grundlagen für das
Retentionsnetz
1. Gesetz der
kommunizierenden Gefäße:
In allen
kommunizierenden Gefäßen (vernetzte Gefäße) liegen alle
Oberflächen einer ruhenden Flüssigkeit in einer waagrechten
Ebene.
Für das Konzept des
Retentionsnetzes bedeutet dies, dass alle natürlichen und
künstlichen Wasserspeicher wie Mulden, Senken, Tümpel, Weiher,
Teiche, Rinnsale u.ä.m. durch ein vernetztes
Grabensystem mit dem Vorfluter verbunden sein müssen.
2.
Gesetz von der Erhaltung der Energie:
Dieses physikalische
Gesetz ist ein allgemein gültiges, grundlegendes Naturgesetz,
nach dem bei einem physikalischen Vorgang Energie weder erzeugt
noch vernichtet, sondern lediglich in eine andere umgewandelt
werden kann.
Als Folgerung des
Energiesatzes ergibt sich die Unmöglichkeit, ein Perpetuum
mobile 1. Art zu konstruieren.
Für das Konzept des
Retentionsnetzes bedeutet das, dass eine Hochwasserwelle, ohne
Energiezufuhr von außen, sich nicht vergrößern kann. Dieser
Sachverhalt ist entscheidend, weil bei dem hier vorgestellten
Projekt des Retentionsnetzes grundsätzlich dem System des
Vorfluters keine zusätzliche Energie von außen, z.B. durch einen
Nebenfluss (kinetische und potentielle Energie) zugeführt wird.
3.
Potentielle und kinetische Energie:
Eine Flutwelle kann physikalisch
als ein Energie-System betrachtet werden, welches sich aus
potentieller Energie (Epot) und kinetischer Energie (Ekin) zur
Gesamtenergie (Eges) zusammensetzt.
Potentielle und kinetische
Energie werden in der Physik unter dem Begriff mechanische
Energie zusammengefasst.
Eges = Epot + Ekin = g •
mt • ho + ½• mt • vo²
g |
=
Erdbeschleunigung 9,8 m/sec² |
mt |
= träge Masse in kg |
ho |
= Höhe der Flutwelle im Vorfluter über Normalnull
in m |
vo |
= Geschwindigkeit der Flutwelle im Vorfluter in
m/sec |
Bei dem Modell wird ein
Differenzbetrag der potentiellen Energie des Vorfluters
dEpot (Vorfluter) in kinetische Energie umgewandelt:
dEpot (Vorfluter) = g • mt • (ho - h) = ½ • mt • v²
(Retentionsnetz)
potentielle Energie im
Vorfluter = kinetische Energie im Retentionsnetz
h |
=
Höhe in m im Retentionsnetz nach Passage der Flutwelle |
v |
= Geschwindigkeit in m/sec der trägen Masse im
Retentionsnetz |
Die obige Formel beschreibt das
kontinuierliche Zusammenbrechen der Flutwelle und die
Ausbreitung der Wassermassen ins Retentionsnetz.
Wird h = ho, existiert keine
Flutwelle mehr. Es besteht ein Gleichgewicht der
Wasseroberfläche im Vorfluter und im Retentionsnetz.
Technische Realisierung
- Auf eine Einzugsfläche von 100 km² muss im
Mittel ein Retentionsvolumen (z.B. Grabenspeicher,
Senke, Mulde, Tümpel, Teich, Stausee u.ä.m.) von ca. 150 m³
pro Hektar bestehen.
- Die Retentionsvolumina müssen mit dem Vorfluter vernetzt
sein.
- Die Fläche der Bundesrepublik Deutschland umfasst
357.092 km². Davon sind 8.279 km² Wasserfläche , 47.226 km²
Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie 105.314 km² Waldfläche.
Die freie Landschaftsfläche beträgt damit 196.273 km². Für
die Retentionsflächen, gebildet aus Wald- und
Landschaftsflächen, (= 301.587 km²) wird ein Bedarf von 2 %
benötigt. Das sind 6.032 km² . Ein großer Teil dieser
Flächen besteht bereits aus vorhandenen Drainage- und
Wassergräben, welche jedoch mit Gefälle und nicht als Senke
gebaut sind. Weiterhin sind zahlreiche Flächen mit einem
natürlichen Speicherpotenzial ebenso vorhanden, z.B. Tümpel,
Senken, Mulden u.a., allerdings ohne mit einem Vorfluter
vernetzt zu sein.
- Ca. alle 10 bis 15 Jahre muss das Retentionsnetz
entschlammt werden.
- Die technische Realisierung der hier vorgestellten
Projekt-Idee ist aufgrund geologischer,
orohydrographischer, geobotanischer, hydrologischer
und anderer Gegebenheit nicht in jeder Region möglich.
Ein Realisierungsgrad von > 90 %
kann dann erreicht werden, wenn in nicht prädestinierten
Regionen entsprechend angepasste Maßnahmen und Techniken
ergriffen werden. So können in Hochgebirgsregionen
Wildbachverbauungen vorgenommen werden, in Gebieten mit z.B.
Granit- und Gneisformationen kann sich der Bau von mehreren,
hintereinander geschalteten Rückhaltebecken bewähren. In
Steillagen kann ein serpentinenartig geführter Bachverlauf mit
einem möglichst parallelen Verlauf der Bachbettsequenzen quer
zum Hang angelegt werden. Entscheidend in jedem Fall ist es, den
Wasserabfluss zu verzögern und alle
Möglichkeiten der Wasserrückhaltung auszunutzen.
Ein nahezu universell anwendbares Verfahren ist der Bau
von Stauseen-Ketten mit entsprechend großen Flutungskapazitäten.
Allerdings liegen die Baukosten um das 3 bis 5-fache höher im
Vergleich zur Anlage eines kleinmaschigen Retentionsnetzes mit
bereits vorhandenen natürlichen Speichermöglichkeiten.
Es ist notwendig, dezentrale Maßnahmen gewässer- und
einzugsgebietspezifisch zu untersuchen und für das jeweilige
Einzugsgebiet das größte Potential an dezentralem Rückhalt durch
entsprechende Maßnahmenkombinationen zu ermitteln.
Kostenkalkulation
- Bezogen auf 1 km² werden 2
Hektar Fläche für das Retentionsnetz benötigt. Das
Retentionsnetz entspricht einer Länge von 10 km pro
Quadratkilometer.
- Die Kosten für das Anlegen
der Speichergräben liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro
pro lfd. Meter (überwiegend Bagger-Arbeiten), für 1 km²
ergeben sich Kosten von ca. 40.000 Euro.
- Hochgerechnet auf die
gesamte Bundesrepublik Deutschland würden die einmaligen
Gestehungskosten bei ca. 12 Milliarden Euro liegen.
- Da eine Entschlammung des
Retentionsnetzes im Mittel alle 10 bis 15 Jahre
durchgeführt werden muss, reduzieren sich die gemittelten
Kosten auf ca. 1 Milliarde Euro jährlich für die gesamte
Bundesrepublik Deutschland.
Den Kosten von ca. 1 Milliarde
Euro jährlich für die Errichtung und Unterhaltung eines
Retentionsnetzes zur nachhaltigen Vermeidung von
Hochwasser-Katastrophen müssen die jetzigen laufenden Kosten in
Höhe von jährlich > 1 Milliarde Euro aus staatlichen Mitteln
gegenüber gestellt werden.
Diese jährlichen Kosten von mehr als 1 Milliarde Euro fließen zu
einem großen Teil den Flurbereinigungsbehörden zu, um vorhandene
Wasser- und Drainagegräben zu verfüllen sowie Flurgehölze,
Brachland- und Feldgehölzinseln zu roden, damit größere
Flächeneinheiten für landwirtschaftliche Großbetriebe geschaffen
werden. Die Flurbereinigung dient primär dem Ziel, im Interesse
der Landwirtschaft möglichst hohe Ertragssteigerungen zu
erzielen. Deshalb strebt die Flurbereinigung an, das
Oberflächenwasser möglichst rasch in Kanäle und andere Vorfluter
abzuleiten.
Ähnliche Maßnahmen werden auch von den Wasserverbänden,
Straßenbauämtern, Land- und Forstwirten sowie Bauherren
durchgeführt, um anfallendes Regenwasser möglichst rasch in den
nächsten Vorfluter und diesen in die Täler abzuleiten. Um die
Strömung der Bäche und Flüsse zu beschleunigen, werden Bachbette
tiefer gelegt und begradigt (sog. „Rennstrecken“). Uferbewuchs
erscheint als unnötiges Hindernis und fällt den Ausbaumaßnahmen
zum Opfer. Weiter flussabwärts führen diese Maßnahmen immer
wieder zu katastrophalen Verhältnissen und verheerenden
Überflutungen aufgrund des Wegfalls der natürlichen
hydraulischen und hydrologischen Dynamik.
Die genauen Kosten für diese Ausbaumaßnahmen zur Beschleunigung
des Wasserabflusses konnten nicht genau bestimmt, sondern nur
grob abgeschätzt werden. Sie liegen jedoch in der Größenordnung
wie die der Flurbereinigungsmaß-nahmen in Höhe von ca. 1
Milliarde Euro jährlich.
Die immer stärkeren Hochwässer der großen Ströme wie Elbe, Oder,
Rhein und Donau machen es aus Sicht der Behörden und
Landesregierungen notwendig, mit enormen finanziellen Mitteln (=
Steuergeldern) die Deiche zum Schutz der dahinter liegenden
Flächen zu verstärken und zu erhöhen. Und dies ist genau der
falsche Lösungsansatz, welcher jährlich zusätzlich ca. 1
Milliarde Euro an Baukosten verschlingt.
Dieser Tatsachenverhalt soll verdeutlichen, wie wenig sinnvoll
mit den Geldern des Steuerzahlers umgegangen wird, welche
Absurditäten im Wasserbau teilweise praktiziert werden und
Kosten in Milliardenhöhe jährlich eingespart werden können.
Schäden durch
Überflutungen
Die großflächigen Überschwemmungen finden vor allem wegen der
damit verbundenen immensen Schäden besondere Aufmerksamkeit. Die
folgenden Angaben zu den volkswirtschaftlichen Schäden beziehen
sich auf die Daten und Statistiken der Münchner
Rückversicherung [7].
1. |
Im
Zeitraum vom 12. – 20. August 2002 belaufen sich die
offiziellen Hochwasserschäden in Deutschland auf 13.500
Millionen US $. |
In dieser Schadenssumme von 13,5
Milliarden US $ ist die gesamte Schadstoffproblematik des
Elbe-Hochwassers nicht enthalten. Das Hochwasser im Elbegebiet
sorgte durch Unterspülung, Überflutung und Erosion für die
Freisetzung unterschiedlicher Kontaminanten auf tschechischem
und deutschem Gebiet. Die Halden des über Jahrhunderte
betriebenen Erzbergbaus, „Tailings“ aus dem Uranbergbau der
Nachkriegszeit und industrielle Altlasten aus dem Großraum
Bitterfeld-Wolfen fungierten als Schadstoffquellen im
Muldegebiet. Hinterlassenschaften chemischer
Produktionsbetriebe entlang anderer Nebenflüsse und der Elbe
selbst, Braunkohletagebaue und sekundäre Altlastdepots in den
Buhnenfeldern der Elbe waren betroffen. Hinzu kamen Schadstoffe
aus überschwemmten Wohngebieten und Kläranlagen [8].
Bedenklich sind die über
Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte bleibenden Verunreinigungen
nach der Phase der Überflutung.
Die Elbe-Flut vom August 2002
hat gezeigt, dass nur ein komplexes, ja, radikales Umdenken, das
nicht an politischen Grenzen halt machen darf und in rechtlichen
Grundlagen verankert werden muss, unsere und die kommenden
Generationen sowie unseren Lebensraum wirksam vor den Folgen
solcher Katastrophen schützen kann.
2. |
Allein die
Überschwemmungen in der Zeit vom 20. – 27. 8. 2005
verursachten in der Schweiz einen Schaden von 2.100
Millionen US $, in Österreich von 700 Millionen US $ und
in Bayern von 220 Millionen US $ [7]. |
3. |
Die durch
Hochwasser-Katastrophen verursachten Schäden betragen
jährlich weltweit > 50 Milliarden US $. |
Klimaschutz durch CO2 –
Einsparung
Es wurde aufgezeigt, wie Hochwasser-Katastrophen nachhaltig
vermieden werden können. Damit werden Schadenskosten in Höhe von
> 40.000 Millionen Euro eingespart. Die Schadenskosten von > 50
% sind direkte oder indirekte Energiekosten.
-
Beispiel: Die durch Hochwasser-Katastrophen zerstörten
Siedlungen und gewerblich-industriellen Einrichtungen
müssen wieder aufgebaut werden. Hierzu werden
Baumaterialien gebraucht, wie z.B. Zement, Kalk und
Baustahl. Die Produktionskosten für diese Materialien
sind überwiegend Energiekosten. So verursachen bei der
Zement-Produktion die Energiekosten ca. 95 % der
gesamten Herstellkosten.
-
Beispiel: Bei dem Elbe-Hochwasser im August 2002 waren
zahlreiche Rettungsmannschaften, teilweise mit schwerem
Gerät, im Einsatz. Die Bundeswehr mit ihrer
hervorragenden technischen Ausstattung zu Boden, Wasser
und Luft leistete zusätzlich wertvolle Rettungsdienste.
Es liegt mir fern, den engagierten Einsatz von allen
Helfern und Einrichtungen zu schmälern.
Die Tatsache jedoch bleibt, dass
an diesen Tagen des Katastrophen-Einsatzes mindestens 100 000
000 Liter an Diesel-, Kerosin- und Benzinkraftstoffen
verbraucht wurden.
Die vorstehenden Beispiele
sollen verdeutlichen, welcher Energieinhalt in verschiedenen
Materialien implementiert ist. Die Beispiele zeigen weiterhin,
dass insbesondere Materialien für den Hoch- und Tiefbau sehr
energieintensive Produktionsverfahren bedingen, wie z.B. Zement
und Baustahl.
-
Recherchen ergaben, dass > 50 % der kalkulatorischen
Kosten für die Sanierung von Hochwasser-Schäden als
direkte und indirekte Energiekosten eingesetzt werden
können.
-
Die Hochwasser-Schäden betragen > 40 Milliarden Euro pro
Jahr. Somit belaufen sich die reinen Energiekosten auf >
20 Milliarden Euro für die Restaurierungsmaßnahmen.
-
Es wird ein mittlerer kalkulatorischer Wert von 0,5 Euro
pro Kilogramm für fossile Brenn- und Kraftstoffe wie
Kohle, Heizöl, Diesel, Benzin u.ä.m. angenommen. Damit
kann abgeschätzt werden, dass sich ein jährlicher
Verbrauch von > 10 Millionen Tonnen fossiler Brennstoffe
ergibt, welche bei der Verbrennung > 25 Millionen Tonnen
klimaschädigendes Kohlenstoffdioxid erzeugen.
Ergebnis: Vermeidet man
die weltweit verursachten Schäden durch Hochwasser-Katastrophen,
so können dadurch > 25 Millionen Tonnen klimaschädigendes
Kohlenstoffdioxid eingespart werden.
Klimaschutz durch
biologische Systeme
Durch Photosynthese und nachfolgende Prozesse setzen Bäume das
Treibhausgas CO2 in Holz um. Wälder sind gigantische
Kohlenstoff-Speicher. In bis zu 400 Tonnen Holz pro Hektar
lagern sie 200 Tonnen Kohlenstoff ein. In der Biomasse der
Wälder sind weltweit rund 600 Milliarden Tonnen an Kohlenstoff
gespeichert.
Die weitere Idee ist, Flurgehölze entlang
der Grabensysteme zu pflanzen.
Technische
Realisierbarkeit, Rahmenbedingungen und Kosten am Modell
Bundesrepublik Deutschland:
-
Es werden zusätzlich zum Retentionsnetz weitere 3 % an
freier Landschaftsfläche benötigt, um entlang der
Wassergräben Flurgehölze in Form einer Hecke
anzupflanzen. Das entspricht einer Fläche von ca. 6.000
km² für die Bundesrepublik Deutschland.
-
Die Streifenbreite für die Hecke entlang des Grabens
beträgt 3 m.
-
Die Wassergräben des Retentionsnetzes sollen nur
einseitig bepflanzt werden, damit (siehe Punkt 4 und 5)
-
eine Entschlammung des Retentionsnetzes jederzeit
durchgeführt werden kann.
-
der Flächenverbrauch optimal genutzt wird, da bei einer
einseitigen Bepflanzung die Grabenfläche vom
Heckenvolumen mit beansprucht werden kann.
-
Die Pflanzkosten liegen bei ca. 3 bis 5 Euro pro lfd.
Meter.
-
Die Forderungen der Landwirtschaft, die unrentable
Streifenflur in eine rentable Blockstruktur umzuwandeln,
ist berechtigt. Die heutigen modernen Produktions- und
Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft verlangen
zweifelsohne größere Bearbeitungsflächen. Um eine
Ausgewogenheit von landwirtschaftlicher
Nutzungsfähigkeit und Landschaftshaushalt auf
Dauer zu gewährleisten, sollen im
Mittel auf einer Einzugsfläche von 100 km² 5 %
an freier Landschaftsfläche sinnvoll verteilt
für das Grabenhecken-Netz reserviert werden.
-
Den Landwirten ist eine 10jährige Nutzungsentschädigung
(= „staatlicher Pachtzins“) von gesamt 100 Euro pro
Hektar zu bezahlen.
Basis für die Nutzungsentschädigung: Pro Hektar wird ein
Wasserspeicher-Volumen von 150 m³ und eine Fläche von
300 m² für die Grabenhecke dauerhaft zur Verfügung
gestellt. Die Mindestdauer beträgt 10 Jahre, angepasst
an den Rhythmus der Entschlammung des Retentionsnetzes.
Die Höhe der vorgeschlagenen Nutzungsentschädigung ist
für jeden Landwirt attraktiv und aufgrund ähnlicher
Beispiele (siehe Aktion „Nitrat im Grundwasser“ des
Landes Baden-Württemberg) kann mit einer schnellen
Realisierung auf freiwilliger Basis gerechnet werden.
-
Die Kosten für die Nutzungsentschädigung würden bei
jährlich 200 Millionen bundesweit liegen. Diese Summe
wäre ein Bruchteil dessen, was jährlich für
Flurbereinigung, Hochwasserschutz, Beseitigung von
Hochwasser-Schäden u.ä.m. ausgegeben wird. Diese Kosten
liegen bekanntlich im Milliarden-Bereich!
Nutzen der Grabenhecken:
-
Eine Grabenhecke produziert jährlich ca. eine Tonne
Biomasse pro Flutgraben von 100 m Länge. Das
Grabenhecken-System würde nach dem beschriebenen Modell
eine Fläche von ca. 9 800 km² beanspruchen, also 5 % der
freien Landschaftsfläche (= 196.273 km²) der
Bundesrepublik Deutschland. Die Länge des
Grabenhecken-Systems wäre ca. 2 Millionen Kilometer als
Modell-Betrachtung.
-
Die durch das Grabenhecken-System jährlich
produzierte Biomasse würde ca. 20.000.000 Tonnen
entsprechen. Dadurch könnten jährlich durch die
Grabenhecken mehr als 30.000.000 Tonnen an
klima-schädigendem Kohlenstoffdioxid gebunden werden.
-
Grabenhecken beherbergen in ihrem kleinräumigen Mosaik
von Standorten eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt.
Es besteht zwischen ihnen sowie zu den agrarischen
Nutzungsformen und anderen Landschaftsbedingungen ein
vielseitiges Beziehungsgeflecht, das sich durch relative
Ausgeglichenheit und Stabilität auszeichnet [9].
Extreme Flurbereinigungen, wie
sie in den vergangenen Jahrzehnten praktiziert wurden, haben zu
einer Verarmung der Artenvielfalt und zu Beeinträchtigungen des
Bodens und Wasserhaushaltes geführt. Es gilt, diese Schäden in
einer sinnvollen Weise zu beheben. Dazu dient das vorliegende
Dossier.
Die Funktionen von
Stauseen-Ketten
Eine bekannte Stauseen-Kette wurde bereits im 16ten bis 19ten
Jahrhundert im Harz auf engstem Raum von rund 200
Quadratkilometern in einer einzigartigen Dichte von 143 Stauseen
angelegt (Oberharzer Wasserregal). Die vielen kleinen Seen bei
Clausthal-Zellerfeld besitzen einen Gesamtinhalt von 22
Millionen m³ und dienten zur Speicherung von Wasser, um die
Wasserräder in den Bergwerken des Oberharzer Bergbaus
anzutreiben. Das Oberharzer Wasserregal mit seinem 500 km
langen Wasserzuführungs-Grabensystem zählt zu den größten und
bedeutendsten historischen bergbaulichen
Wasserwirtschaftssystemen der Welt. Die Anlagen wurden am 31.
Juli 2010 wegen ihrer Einzigartigkeit und ihres großen Umfanges
vom UNESCO-Welterbekomitee zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
Einige der Stauseen erfüllen in der Gegenwart aus Sicht der
Wasserwirtschaft noch einen Zweck im Hochwasserschutz und in der
Trinkwassergewinnung.
Im Hochmittelalter und bis zu
Beginn des 19ten Jahrhunderts wurden in Deutschland eine
Vielzahl von Teichen angelegt. Sie dienten der Fischzucht und
besonders dem Gewerbe, wie z.B. Mühlenteiche.
So wurden im Gebiet des Landkreises Ravensburg im Verlauf des
15ten bis 19ten Jahrhunderts rund 2 400 Weiher angelegt. Im
Rahmen der in den Jahren 1978 bis 1981 im Landkreis Ravensburg
durchgeführten Feuchtgebietskartierung wurden lediglich noch 659
der 2409 Weiher und ehemaligen Weiher aufgenommen. Damit wurde
der allergrößte Teil der früheren Weiher aus dem Bild und dem
Verbund der Kulturlandschaft völlig eliminiert. Dadurch verlor
man schätzungsweise 25 bis 30 Millionen Kubikmeter an
Speicherraum für das Niederschlagswasser [13]. Und dies allein
nur im Landkreis Ravensburg. Die daraus resultierenden Probleme
für den Landschaftswasserhaushalt sind allgemein bekannt:
Absinken der Grundwasserstände, mangelnde Grundwasserneubildung,
schnelle und starke Hochwasserabflüsse, allgemein stark
schwankende Wasserführungen der Fließgewässer sowie zunehmende
Überschwemmungen mit immensen materiellen Schäden und
Todesopfern.
Mit dem Bau von Stauanlagen ahmt
der Mensch die von der Natur gegebenen Bedingungen einer
Wasserspeicherung nur nach. Denn Stauseen gibt es von Natur aus
und sie sind schon seit Jahrtausenden vorhanden. Man betrachtet
sie bloß nicht als Stauseen. Die meisten Naturseen der Alpen und
Voralpen oder anderer Bergregionen entstanden als Stauseen, weil
abschmelzendes Gletscherwasser sich an der Endmoräne staute, und
erst als der Rückstau entsprechend gefüllt war, sich dann das
Wasser einen Überlauf schaffte. So läuft der Hochrhein in den
Bodensee und wird dort als großer See zurückgestaut, bis das
Wasser das Seebecken über den Rhein bei Schaffhausen wieder
verlässt. Die Tiroler Ache speist auf dieselbe Weise den
Chiemsee und fließt als Alz zum Inn. Bei Rhone und Genfer See
verhält es sich analog. Durch einen Stausee fließt der Fluss mit
gleicher Wassermenge pro Jahr wie ohne Aufstau. Nur so lange,
bis das Staubecken aufgefüllt ist, kommt eine Rückhaltung
zustande. Aus eben diesem Grund kann auch ein Stausee nur so
viel Wasser einer Flut zurückhalten, wie noch nicht aufgefüllte
Speicherkapazität vorhanden ist.
Die Ketten von Stauseen, wie sie an vielen Flüssen gebaut worden
sind, um Strom zu erzeugen oder Mindestwassertiefen für die
Schifffahrt zu garantieren, bewirken bei Hochwasser nicht allzu
viel, weil ihnen größere Speichermöglichkeiten fehlen. Bei der
Anlage von Stauseen-Ketten wurde besonderes durch den
Naturschutz darauf geachtet, den „Landschaftsverbrauch“
möglichst zu minimieren. Die Ergebnisse sind jetzt für
Hochwasser nicht taugliche Stauseen.
Schadenshochwässer
können nur dann von Stauseen-Ketten entschärft oder gar
vermieden werden, wenn entsprechend große Flutungsflächen bereit
gestellt werden. Stauanlagen können das Hochwasser umso weniger
entschärfen, je schneller das Wasser durch den Ausbau der
Kleingewässer im Einzugsbereich zum Hauptfluss strömt.
Dieses Prinzip wurde insbesondere bei der Bilanzierung
der vielen kleinen Begradigungen und Meliorationsmaßnahmen in
den Oberlaufbereichen unserer mitteleuropäischen Flüsse
missachtet [11]. Die Folgen zeigen sich in den
Schadenshochwässern unserer Zeit mit ihren verheerenden Schäden
[12].
Es ist abzusehen, dass in den
kommenden Jahrzehnten dezentrale Stauseen-Ketten im Verbund mit
kleinmaschigen Retentionsnetzen als Landschaftselement erkannt
und anerkannt sein werden und sie zu einem wichtigen Objekt
neuzeitlicher Stadt- und Landesplanung werden. Man wird ihnen
ähnlich wie im Denkmalschutz und beim Schutz der
Kulturlandschaft speziellen Schutz angedeihen lassen. Verlandete
Stauseen und Mühlenteiche, zugeschüttete Gräben, Mulden und
Tümpel werden vermutlich mit viel Aufwand wieder saniert und
regeneriert. So reagieren die Menschen auf das Bekannte.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Konzept-Idee:
Aufbau einer Vielzahl kleiner, vernetzter
Retentionsräume zur Wasserrückhaltung in der Fläche im Verbund
mit Stauseen-Ketten.
Konsequenzen:
- Immense materielle
Schäden von > 40 Milliarden Euro können jährlich und
weltweit vermieden werden.
- Der Wasserhaushalt
wird durch Wasserrückhaltung weltweit nachhaltig verbessert.
- Die
Trinkwasser-Qualität wird allgemein verbessert.
Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die Fließgewässer
werden verringert.
- Das Klima wird
geschont. Ca. 25 Millionen Tonnen klimaschädigendes
Kohlenstoffdioxid können jährlich eingespart werden.
- Die Gefahr von
Dürren, Hitzewellen, Torf- und Waldbränden wird gemindert.
- Der Aufbau eines
Grabenhecken-Netzes trägt zur Stabilisierung des
Naturhaushaltes einer Landschaft bei. Die Artenvielfalt wird
durch die Vielzahl kleiner, vernetzter Retentionsräume
zunehmen. Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes werden
unterstützt.
- Die
Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in
verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird
gefördert.
- Stauseen-Ketten mit
entsprechend großen Flutungskapazitäten werden künftig die
Natur mitprägen.
- Soziale
Verantwortung hinsichtlich Hochwasserschäden gegenüber den
Anwohnern flussabwärts.
- Moral:
Schadenshochwässer zu vermeiden gebietet die Menschlichkeit.
Literaturangaben
[1] |
Reichholf, J.H.:Eine kurze Naturgeschichte des letzten
Jahrtausends. 3. Auflage. Frankfurt am Main: S.
Fischer Verlag, 2007. |
[2] |
Reichholf,
J.H.: Stabile Ungleichgewichte. Die Ökologie der
Zukunft. 1. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp
Verlag, 2008. |
[3] |
Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg:
Hochwassergefahr und Strategien zur Schadensminderung
in Baden-Württemberg. Stuttgart, April 2003. |
[4] |
Kron, W.:
Hochwasser. In: Wetterkatastrophen und Klimawandel. ISBN
3-937624- 80-5. München: Münchener Rück, S. 122 – 131,
2005. |
[5] |
Heyn, E.:
Wasser – ein Problem unserer Zeit. 1. Auflage. Frankfurt
am Main: Verlag Moritz Diesterweg, S. 57, 1981. |
[6] |
Koch, E.:
Kleine Gewässer – Große Wirkung. Über die wahren
Ursachen von Hochwasser-Katastrophen und deren
Vermeidung. Offenbach/Main: AFZ/fischwaid, Heft 3, S.
19-21, 2010. |
[7] |
Koch, E.:
Dränagegraben als Wasserspeicher nutzen. Stuttgart:
BW-agrar, 61. Jg., Heft 36, S. 17 – 18, 2009. |
[8] |
Münchner
Rück: Topics Geo. Jahresrückblick Naturkatastrophen
2005. München: Münchener
Rückversicherungs-Gesellschaft, 2006. |
[9] |
Geller,
W.; Ockenfeld, K.; Böhme, M.; Knöchel, A.:
Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002.
Magdeburg: UFZ – Umweltforschungszentrum Leipzig -
Halle, 462 S., 2004. |
[10] |
Horst, K.;
Koch, E.; Stamm, R.A.: Zur biologischen und
landschaftsökologischen Bedeutung der Hecken in
schutzwürdigen Teilen der Lüneburger Elbmarsch.
Lüneburg: Jahrbuch Naturwiss. Verein Fürstentum
Lüneburg, Bd. 35, S. 77 – 142, 1981. |
[11] |
Koch, E.:
Nachhaltiger Hochwasserschutz. Düsseldorf:
Umweltmagazin, Heft 10-11, S. 77, 2009. |
[12] |
Münchener
Rück: Schadenspiegel – Themenheft Risikofaktor Wasser.
München: 48. Jahrgang, S. 1- 48,
3/2005. |
[13] |
Konold,
W.: Oberschwäbische Weiher und Seen. Teil I. 1. Auflage.
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg,
Karlsruhe, S. 161- 164, 1987. |
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Drainagegraben - 200 Jahre
lang falsch konzipiert?
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen |
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Vor dem Hintergrund eines sich
abzeichnenden Klimawandels lohnt es sich, darüber nachzudenken,
inwieweit Drainagesysteme als Wasserspeicher genutzt werden
können und zugleich einen Beitrag zum präventiven
Hochwasserschutz leisten. Für Umweltschützer ist von
zusätzlicher Bedeutung, dass auf diesem Weg neue Lebensräume für
Tiere und Pflanzen geschaffen werden. Über eine 40jährige
Praxiserfahrung zum Grabenspeicher wird berichtet.
Drainage ditch – did we follow the wrong concept for the past
200 years?
Taking the fact into consideration that the climate is ever
changing it is important to consider drainage systems. Those
systems can be used as water retainers as well as protection
systems for flood prevention. At the same time new living space
for animal and plant life is being created. Approximately 40
years of life experience using ditch reservoirs have contributed
to this report.
1 Einleitung
Der Drainagegraben ist eine Form der Entwässerung zur
Trockenhaltung von meist landwirtschaftlich genutzten Böden und
fand seit Anfang des 19ten Jahrhunderts bis heute in Europa
breite Anwendung. So wurden noch vor rund 50 Jahren etwa 10 000
Hektar Fläche jährlich allein in Westdeutschland neu drainiert.
Die Dränung wird vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt,
damit die Bearbeitungsflächen mit Stau- oder Haftwasser früher
abtrocknen und die Vegetationszeit insgesamt verlängert werden
kann (früher trocken im Frühjahr, länger trocken im Herbst).
Dieser Prozess wird durch die bessere Durchlüftung des Bodens
nach Entfernen des Wassers durch die Dränung gefördert. Ziel der
Dränung ist, möglichst deutliche Mehrerträge zu erhalten.
Die Dränung wird auf (Teil-) Flächen durchgeführt, die ohne
Drainage überhaupt nicht landwirtschaftlich nutzbar wären, wie
z. B. Flutrasen und Senken. Dies ist vor allem unter zunehmendem
Maschineneinsatz wichtiger geworden, da ein Befahren bei zu
hoher Wassersättigung des Bodens zu erhöhter Bodenverformung
führt. Extreme Fahrspuren sind die sichtbare Folge, weiterhin
die Zerstörung der Porenkontinuität durch Scherung und die
Homogenisierung durch „Kneten“.
Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (=
Bach, Fluss) vorausgesetzt, das heißt, der Drainagegraben muss
genügend Gefälle zum abführenden Gewässer besitzen. In der
Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 % angelegt. Dadurch
wird die Wasserbewegung innerhalb des Grund- und Stauwassers in
Richtung auf den nächsten Wasserlauf beschleunigt und die
Fließzeit verkürzt. Für die volle Wirksamkeit eines Dränsystems
mittels offener Gräben sind die Dräntiefe und der Dränabstand
entscheidend.
Die Drainage nimmt also direkten Einfluss auf den
Grundwasserspiegel, auf den Wasserhaushalt und dadurch auch auf
den Stoffhaushalt. Dies sind die Gründe, weshalb die Wirkungen
von Drainagen kontrovers diskutiert werden.
2 Zur Geschichte der Dränung
Wir leben in einer Zeit, in der sich bisherige Wertmaßstäbe
oft innerhalb weniger Jahre ändern. Besonders deutlich wird dies
in unserem Verhältnis zum Wasser. Jahrtausendelang war das
Wasser ein Feind des Menschen. Natürlich – man trank es, man
wusch sich darin, man tränkte das Vieh und betrieb die
Wasserräder zur Energiegewinnung. Aber was die Grundhaltung der
Menschen bestimmte, waren nicht diese alltäglichen
Selbstverständlichkeiten, sondern die zerstörerische Kraft des
Wassers: Die Sturmfluten, die die Deiche an Küsten überspülten,
die Überschwemmungen im Binnenland, die Behinderung der
Transportwege durch Flüsse und Sümpfe, die Schwierigkeiten bei
der Kultivierung der Moore. Die Besiedlung Mitteleuropas ist
gleichzeitig auch eine Geschichte des Kampfes gegen das Wasser:
Flüsse wurden in ein neues, schlauchartiges Bett gezwängt,
Deiche immer höher aufgeschüttet, viele Bäche fließen inzwischen
in unterirdischen Röhren, und frühere, großflächig feuchte
Gebiete, wie die Moore, sind bis auf wenige Reste trockengelegt
und werden von der Landwirtschaft genutzt.
Insbesondere zu Beginn des 19ten Jahrhunderts sind nahezu alle
Gewässer in Mitteleuropa systematisch korrigiert worden. Die
stark wachsende Bevölkerung benötigte Nahrungsmittel und
Energie. Es ging darum, so viel Kulturfläche wie möglich für den
landwirtschaftlichen Anbau zu gewinnen. Unberührte,
unkultivierte Natur – das war eine brachliegende Ressource,
geradezu ein Frevel !
Diese gesellschaftliche Notwendigkeit veränderte unsere
Landschaft und führte zu begradigten, oft sterilen
Gewässerstrecken. In vielen Fällen geplant, ausgeführt,
zumindest aber begleitet durch die staatliche
Wasserwirtschaftsverwaltung bzw. deren damaligen Vorläufern und
den Flurbereinigungsbehörden.
Der Blick zurück zeigt jedenfalls, dass das zum Teil rund 200
Jahre alte „Erbe“ der Gewässerveränderungen nicht aus Willkür
oder Unvernunft entstanden ist, sondern bittere Notwendigkeit im
damaligen gesellschaftlichen Konsens war.
So wurde ein Großteil der kleinen Flüsse, Bäche und sogar
Rinnsale oder nur zeitweise wasserführenden Gräben mit immensem
Aufwand an Geld so ausgebaut, dass das Niederschlags- oder
Sickerwasser schnellstmöglich ab- und in die großen
Flüsse eingeleitet wurde. Deshalb erhöhte sich die
Entwässerungsgeschwindigkeit von 1 m/Std. auf bis zu 4000 m/Std.
heute. Dadurch laufen die Hochwasserwellen tendenziell erheblich
schneller ab und bilden höhere Spitzen.
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Kanalartig begradigter Bach auf der Gemarkung
Altshausen. Um die Abflussgeschwindigkeit zusätzlich
zu erhöhen, wurde die Bachsohle mit Betonschalen
ausgekleidet. |
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Ein weiteres Ziel der Kulturmaßnahmen war es,
auf allen landwirtschaftlichen Produktionsflächen auch möglichst
gleichartige Produktionsbedingungen zu schaffen.
Standortnachteile sollten behoben werden. Frühere
Grenzertragsflächen, deren Bewirtschaftung im Vergleich zum
Aufwand kaum Erträge erwarten ließ, konnten durch die
Kulturmaßnahmen in die landwirtschaftliche Produktion einbezogen
werden. Das Ziel der Flurbereinigung war seit den 1950er Jahren,
die Landschaft zu maschinenbefahrbaren Produktionsstätten
umzugestalten. Daher sind überall dort, wo neuzeitliche
Flurbereinigungen durchgeführt worden sind, die Elemente der
traditionellen Kulturlandschaft - vor allem die der dritten
Dimension- abgetragen bzw. aufgefüllt worden.
Als eine der Hauptwirkungen der landesweiten Entwässerung der
Fluren verschwanden weithin die Unterschiede in den
Lebensbedingungen der Natur. Besonders groß wurden die Verluste
bei den Feuchtgebieten. Moderne, von starken Motoren getriebene
Maschinen ermöglichten die Entwässerung von Mooren, Feuchtwiesen
und Sümpfen. Das Anlegen von Dränsystemen und das Ausbetonieren
von Abzugsgräben gehörte zum Standard des Kulturwasserbaus. Der
Ausbau der Gewässer III. Ordnung verschlang jene Summen an
Steuermitteln, die dringend benötigt worden wären, die
Hochwasser-Probleme zu lösen.
3 Die Auswirkungen der Dränung
Durch Dränung kommt es zu einer allgemeinen Absenkung der
Grundwasseroberfläche. Durch das relativ rasche Abführen des
Wassers sollten die Grundwasserschwankungen deutlich verringert
werden. Die Veränderung des Grundwasserspiegels bei
Grundwasserböden (Auenböden, Moore, Gleye und Marschen) kann
Auswirkungen auf benachbarte, von weitgehender Wassersättigung
abhängiger Ökosysteme haben wie Auen- und Bruchwälder, Sümpfe
und Moore, Nass- und Feuchtwiesen, Röhrichte und Seggenriede.
Des weiteren entstehen oxidierende Verhältnisse im entwässerten
Oberboden, die verstärkt aerobe Vorgänge wie die Mineralisation
von organisch gebundenen Nährstoffen fördern.
Dränung kann neben höheren Nährstoff-Konzentrationen im
Grundwasser (z. B. Nitrat) auch dazu führen, dass Nährstoffe den
Boden allgemein schneller passieren, beispielsweise durch
präferentielle Fließwege in feinkörnigeren Böden (z. B. Lehme).
Hier führt die Entwässerung zu Schrumpfungsvorgängen. Durch die
größeren vertikalen Risse fließt dann bevorzugt Wasser ab, das
jegliche Bodenpassage somit umgeht, die einen Teil der
Nährstoffe u. U. zurückhalten könnte.
Die Wirkung von Vorflutern, die als Vorbedingung für die
Drainage vorhanden sein müssen, ist auf den Wasserhaushalt
relativ unumstritten. Demnach führen sie für sich gesehen durch
höhere Hochwasserscheitel, höhere Hochwasservolumina,
gleichzeitige Vorverlegung des Hochwasserscheitels und Minderung
der Niedrigwasserabflüsse zu extremeren Abflussschwankungen.
Deshalb werden die Wirkungen von Drainagen auf den Wasser- und
Stoffhaushalt zurecht kontrovers diskutiert.
4 Wassermangel durch Klimawandel
Studiert man die aktuell vorliegenden Klimamodelle für die
Zukunft in Deutschland, so muss die bisherige Rolle des
Drainagegrabens auch unter diesem Aspekt kritisch hinterfragt
werden. Denn nach den allgemein anerkannten Klimamodellen ist
mit verstärkten Extremwetterereignissen sowie wärmeren und
trockeneren Sommern einerseits und milderen und feuchteren
Wintern andererseits zu rechnen. Diese Phänomene sind derzeit
überall in Deutschland und Mitteleuropa bereits zu beobachten.
Unmittelbare Auswirkungen auf Landwirtschaft, Forstwirtschaft
sowie Garten- und Weinbau sind die Folge. So werden die Bauern
und Forstwirte, die Gärtner und Weinbauern mit einem zunehmenden
Wasserdefizit während des Sommers konfrontiert. Dem gegenüber
steht ein Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr.
Für die landwirtschaftliche Produktion bedeutet dies:
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- Zunahme an Sonnenlicht
- Zunahme an Wärme
- Abnahme an Wasser
- Abnahme an Bodenfruchtbarkeit.
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Eine intensive landwirtschaftliche Nutzung
kann nur erfolgen, wenn alle vier Faktoren überreich vorhanden
sind. Bei Mangel einer der vier Faktoren, bricht bereits nach
wenigen Jahren eine Überschussproduktion zusammen. Wollen wir
auch zukünftig ernten, um uns ernähren zu können, so muss alles
getan werden, fruchtbaren Boden zu erhalten und zu mehren sowie
Wasser zu speichern. Sauberes Wasser droht zu einem
knappen Gut zu werden. Machen wir uns bewusst, dass lediglich
0,3 % des Wasservorrats der Erde uns zur Verfügung stehen. Damit
stellt sich die Frage, wie einem zunehmenden Trockenstress in
der Vegetationsperiode einerseits und den zunehmenden
Niederschlägen im Winter andererseits in der land- und
forstwirtschaftlichen Praxis begegnet werden kann.
Auch darf in diesem Zusammenhang die Frage erlaubt sein, ob die
seit rund 200 Jahren auf den land- und forstwirtschaftlichen
Kulturflächen millionenfach angelegten Drainagegräben richtig
konzipiert sind, wenn sie während den Sommermonaten, also genau
zur Hauptvegetationszeit, meistens kein Wasser führen und in den
niederschlagsreichen Monaten die Dränung und Durchlüftung des
Bodens nicht optimal sind?
5 Eine salomonische Lösung:
Den Drainagegraben zum Wasserspeicher ausbauen
Die naheliegende wie einfache Idee ist, das Niederschlagswasser
nicht schnellstmöglich in kanalisierten Rinnsalen und
Drainagegräben in einen Vorfluter abzuleiten, sondern das
Wasser, eines unserer wichtigsten Lebensgüter, von Anfang an und
unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers zurückzuhalten.
Drainage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit
einem Gefälle zum Vorfluter hin verlaufen, erhalten ein
„negatives“ Gefälle. Sie werden „gekippt“ und zur Senke
ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem
konventionellen Drainagegraben signifikant zu erhöhen.
Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt,
liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters.
Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der
Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder
geomorphologischen Verhältnissen größer. Damit ist
gewährleistet, dass der Grabenspeicher ganzjährig mit Wasser
gefüllt ist.
Das Ziel muss sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu
reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst
ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu
erreichen. Ebenso können Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen,
Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter
vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des
Niederschlagswassers benutzt werden. Durch die vorstehend
beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz
aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge und des
Hochwassers zu speichern. Die hydrologische Vernetzung
der Speicherräume mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung.
Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn
wieder ausreichend Kapazität im Vorfluter gegeben ist. Dann
wirken die Grabenspeicher als Wasserspender.
Um ein frühzeitiges Ausufern des Fließgewässers bei Hochwasser
in die Grabenspeicher zu ermöglichen, wurden schmale
Gehölzstreifen als Drosseln in die Uferböschung des
Fließgewässers gepflanzt. Als vorherrschende Holzart verwendete
man die Schwarz- oder Roterle (Alnus glutinosa) sowie einige
Baumweiden wie Bruchweide (Salix fragilis), Fahlweide (Salix
rubens) und Silberweide (Salix alba). Auf reicheren Böden eignen
sich als Ufergehölze die Esche (Fraxinus excelsior) und
Traubenkirsche (Prunus padus). Zu ihnen gesellen sich Sträucher
wie Hasel (Corylus avellana), Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus),
Heckenkirsche (Lonicera xylosteum) und Bluthartriegel (Cornus
guinea).
Durch den ingenieurbiologischen Uferverbau wurde ein natürliches
Profil mit Drosselfunktion in das Fließgewässer eingebaut, um
ein Gleichgewicht zwischen dem Abfluss im Fließgewässer und der
Wasserspeicherung im Retentionsnetz herzustellen.
6 So kann die technische Umsetzung aussehen: Aus alten Gräben
werden neue Biotope
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits
Drainagegräben vorhanden, meist entlang von Parzellengrenzen,
dann vielfach auch in Waldstandorten, jedoch meistens mit einem
Gefälle zum Vorfluter hin ausgebaut und nicht als Senke
ausgelegt. Diese bereits vorhandenen Drainagegräben beanspruchen
in der Regel ca. 1 bis 2 % der land- und forstwirtschaftlich
genutzten Flächen und können mit einfachen technischen Mitteln,
z. B. einem Minibagger, zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut
werden. Die Kosten für das Anlegen eines Grabenspeichers liegen
bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd. Meter. Alle 10 bis 12
Jahre muss eine Entschlammung der Grabenspeicher sowie der
anderen Rückhalteräume durchgeführt werden. Als Grabenprofil hat
sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone
soll mindestens 2 Meter, an der Grabensohle 1 Meter betragen. Am
Ende kann durch Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein
kleiner Weiher mit abgeflachten Ufern für die Wasserentnahme zur
Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Felder entstehen.
Bewährt haben sich Wasserflächen von 20 bis 100 Quadratmetern
und einer Tiefe von 1 bis 2 Metern.
Und hier ist der Bagger nicht als naturzerstörende Technik
anzusehen, sondern als willkommenes Hilfsmittel des
Naturschutzes, um verschiedene Sünden der Vergangenheit wieder
auszugleichen.
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Ein Beispiel für einen Grabenspeicher. Seine Länge
von rund 100 m wird durch den natürlichen
Uferbewuchs überdeckt. Hier können bis zu 600 m³
Wasser gespeichert werden. Die ökologische Bedeutung
solcher Grabenspeicher ist hoch. |
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7 Neuen Lebensraum schaffen
Sehr schnell wird ein solcher Weiher von Wasserfauna und
Wasserflora besiedelt, ebenso können neue Habitate für spezielle
Kleinfischarten entstehen, wie zum Beispiel für die stark
gefährdete Karausche (Carassius carassius), dem Fisch des Jahres
2010. Den neu geschaffenen Lebensraum kann sich die Karausche
mit anderen Fischarten teilen, wie mit Schleie (Tinca tinca),
Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis), Moderlieschen (Leucaspius
delineatus) und dem vor rund 30 Jahren nach Europa
eingeschleppten Giebel (Carassius gibelio).
Und ohne Zutun des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“.
Wasservögel besuchen ein solches Biotop stundenweise, zum Teil
wird auch gebrütet (z. B. Krickente) und selbst Bachforellen
gehen hier auf Froschfang. Für eine Biotop-Neuschaffung („Natur
aus zweiter Hand“) kann jeder etwas tun.
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Hier das Beispiel eines naturnah
geschaffenen Wasser-Rückhalteraumes („Biotop aus
zweiter Hand“) mit einer krautreichen Wasserflora
und zugleich Schaffung eines Habitats für gefährdete
Kleinfischarten, wie zum Beispiel der Karausche. |
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Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen
werden nicht nur neue Kleingewässer geschaffen, sondern es wird
ein Netz an naturnahen Wasserrückhaltespeichern entstehen. Die
Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume kommen
übrigens nicht nur gefährdeten Fischarten zugute, sondern
sichern vielen anderen Arten (Vögel, Amphibien, Libellen u.a.),
die durch menschliche Eingriffe in die Gewässerstrukturen in
ihrem Fortbestand gefährdet sind, das Überleben. Es wird damit
ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet,
weil hier oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse,
sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche
und nährstoffarme Kleinlebensräume aneinander stoßen. Und
solche, technisch einfach durchführbaren Maßnahmen zur
Biotop-Neuschaffung sind sicherlich im Sinne der Europäischen
Wasserrahmenrichtlinie zur Erreichung eines guten ökologischen
Zustandes.
Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese
vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines
vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens inmitten einer
durchaus zurecht als monoton und uniform bezeichneten
Kulturlandschaft zu liegen kommen. Damit werden neue, wertvolle
ökologische Zellen in eine Kulturlandschaft eingegliedert.
Der Schutz und die Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger
und naturnaher Kleingewässer wird zukünftig nicht nur eine
wichtige Aufgabe der Wasserwirtschaft sein, sondern erfordert
ebenso eine intelligente Zusammenarbeit mit den verschiedensten
Verbänden und Organisationen.
8 Grabenspeicher mit bivalenter Funktion: Wasserspeicher und
Wasserspender
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei
extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke
ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum
Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in
solchen Grabenspeichern, je nach Länge, mehrere hundert
Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser
Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation ganzjährig
zur Verfügung. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten
kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für
eine Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die konstante,
ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher schafft
die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation
angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des
kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen
konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige
Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg
insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel
zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie
zum Beispiel an der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten
Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Grabenspeicher in den Sommermonaten
überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem Wiesen und
Äckern das so wichtige Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg
zugeführt werden. Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das
Wachstum der Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies
ist dann besonders wertvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit
nach der Heuernte auftritt und wenn der Boden bei starker
Sonneneinstrahlung und geringem Schutz durch die Pflanzendecke
besonders schnell austrocknet. Landwirte und Agrar-Experten
kennen die Bilder aus den Grünlandgebieten, wo in solchen Fällen
über Wochen hinweg fast keine Phytomasse-Entwicklung
stattfindet.
9 Was unterscheidet den Drainagegraben vom Grabenspeicher?
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Drainagegraben und
Grabenspeicher liegen im Wasserhaushalt und dem
Wasserspeichervermögen begründet, weiterhin in der ökologischen
Bedeutung.
Während der Grabenspeicher sich durch eine permanente
Wasserspeicherung auszeichnet (perennierendes Gewässer), liegen
beim Drainagegraben stärkere Wasserstandsschwankungen und
gelegentliches, im allgemeinen periodisches, längeres
Trockenfallen vor (temporäres Gewässer). Das
Wasserspeichervermögen im Grabenspeicher kann je nach Bauart um
bis zu Faktor 20 höher sein als im konventionellen
Drainagegraben.
Der Grabenspeicher führt als perennierendes (ganzjähriges)
Gewässer ausdauernd Wasser und ist somit in der Lage, eine
dauerhaft eigenständige aquatische Lebensgemeinschaft zu
beherbergen. Aquatische Pflanzen mit einer längeren, teilweise
mehrjährigen Entwicklung im Wasser kommen nur hier vor und
fehlen weitestgehend in den periodisch austrocknenden
Drainagegräben. Analoges gilt auch für die Aquafauna. Dies sind
Gründe für die hohe ökologische Bedeutung der Grabenspeicher.
10 Die Nährstoffauswaschung wird reduziert und das
Bodengefüge verbessert
Das erhöhte Wasserspeichervermögen durch das Retentionsnetz und
die dadurch reduzierte Wasserpermeabilität in Böden wirkt
erniedrigend auf die Sickerwassermenge und somit verringernd auf
die Auswaschung von Nährstoffen in die Fließgewässer. Darüber
hinaus werden aufgrund des ganzjährig potenziellen kapillaren
Wasseraufstiegs Schrumpfungsvorgänge im Bodenkörper vermieden
und somit präferenzielle (bevorzugte) Fließwege eliminiert.
Dadurch werden Auswaschungen an Nährstoffen wie Nitrat und auch
Pflanzenschutzmitteln ins Grundwasser oder Fließgewässer
ebenfalls reduziert, was zu einer allgemeinen Verbesserung des
Wasserqualität beiträgt.
Weiterhin führt der hier seit rund 40 Jahren aus der Praxis
heraus entwickelte Speichergraben zu einer Verbesserung der
Dränung und damit besseren Durchlüftung des Bodens,
weil die Absenkungstiefe des Speichergrabens über die gesamte
Länge konstant bleibt im Gegensatz zum konventionellen
Drainagegraben, bei welchem die Absenkungstiefe aufgrund des
Gefälles der Grabensohle kontinuierlich abnimmt und am
Grabenende gegen Null geht. Dabei ist die Luft im Boden ein
wesentlicher Wachstumsfaktor und ebenso wichtig wie das Wasser.
Die Atmung der Pflanzenwurzeln, das bedeutet Aufnahme von
Luftsauerstoff, ist eine elementare Vorbedingung für die
Aufnahme von Wasser und Nährstoffen durch die Pflanze.
Die erhöhte Durchlüftung des Bodens führt auch zu einer
Verbesserung des Wärmehaushaltes. Entwässerte Böden sind wärmer,
einerseits wegen des geringeren Wärmeentzugs durch Verdunstung,
wie andererseits durch eine verringerte Wärmespeicherkapazität.
Damit in Zusammenhang steht eine erhöhte Aktivität von
Bodenorganismen und insgesamt eine Gefügeverbesserung des
Bodens.
11 Präventiver Hochwasserschutz
Die ehemaligen Auenlandschaften, in denen sich die Wasserfluten
ausbreiten konnten, sind zugebaut, verbraucht und können nicht
mehr wieder zurück gewonnen werden. Wo kein Platz mehr ist, kann
man keine Deiche rückverlegen, keine Auenlandschaften gründen
und keine neuen Mäander-Strukturen schaffen. Der Gedanke an eine
Renaturierung unserer Flussauen muss leider in den meisten
Fällen „Naturromantik des 18ten Jahrhunderts“ bleiben.
Die gebetsmühlenartig geforderte Herstellung von Auenwäldern und
Mäanderstrukturen ist nur dann für den Hochwasserschutz und die
Anreicherung von Grundwasser wirksam, wenn diese das Gewässer
von der Quelle bis zur Mündung begleiten. Es bringt so gut wie
nichts, nur „zwischendrin“ Auewälder und Mäanderstrukturen für
teures Geld zu errichten. Allgemein werden die
Renaturierungsmaßnahmen und das Mäandrieren in ihrer Wirksamkeit
überschätzt oder falsch dargestellt. Sie können in der Regel
kein wirkliches Katastrophen-Hochwasser verhindern, es sogar oft
nicht einmal signifikant mindern. Dazu sind die Wassermassen
einfach zu riesig, die an den großen Flüssen bei
Extremereignissen anfallen.
Die wirkungsvollste Möglichkeit, Hochwasserschäden zu begrenzen,
ist der Rückhalt von Hochwasserspitzen bereits im Einzugsgebiet
von Bächen und Flüssen unter optimaler Nutzung aller natürlichen
und künstlichen Speichermöglichkeiten. Natürliche oder naturnahe
Speicher sind Waldungen, Moore, Seen, Tümpel, Weiher, Senken und
Überschwemmungsgebiete sowie die vorstehend beschriebenen
Grabenspeicher. Das Ziel muss sein, jeden bisherigen
Drainagegraben oder jedes Rinnsal zu reaktivieren und als
Wasserspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an
Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu erreichen. Die
Rückhalteräume müssen mit dem Vorfluter (= Bach, Fluss)
hydraulisch vernetzt sein. Durch diese Maßnahmen wird ein
Retentionsnetz aufgebaut, um die Flutwelle im Bach oder Fluss zu
kappen und in die Breite abzuleiten. Dadurch wird der
Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt. Der Aufbau einer
gefährlichen Flutwelle wird vermieden und verheerende
Überflutungsschäden werden in der Regel ausbleiben. Ein
„normales“ Hochwasser als völlig natürliche Erscheinung ist die
Folge.
Künstliche Wasserspeicher wären Stauseen-Ketten, aber auch
Mühlen- und Fischteiche. Es ist vorhersehbar, dass
Stauseen-Ketten mit entsprechend großen Flutungsflächen die
Natur künftig mitprägen werden. Die besten natürlichen Vorbilder
für eine solche Stauseen-Kette sind unter anderem der Bodensee,
Genfer See und Chiemsee.
12 Synergien für Natur, Landwirtschaft und Mensch
Die gezielte Speicherung von Niederschlägen und Hochwasser in
Grabenspeichern und kleinmaschigen Retentionsnetzen dient dem
Landbau zur Bewässerung, der Wasserwirtschaft zur
Grundwasseranreicherung (Infiltration) und nimmt insgesamt
als stabilisierender Faktor einen positiven Einfluss auf den
Wasserhaushalt.
Wesentlich ist auch die soziale Verantwortung
hinsichtlich Hochwasserschäden gegenüber den Anwohnern
flussabwärts durch einen präventiven Hochwasserschutz.
Denn Schadenshochwässer zu vermeiden, gebietet die
Menschlichkeit.
Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in
verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird
gefördert und ein Beitrag zur Verringerung der
Auswaschungsverluste von Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln
in die Fließgewässer geleistet.
Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes werden
unterstützt und als solche besonders im Sinne der
EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL 2000) nachhaltig verfolgt.
Weiterhin trägt der Aufbau eines kleinmaschigen Retentionsnetzes
zur Stabilisierung des Naturhaushaltes einer Landschaft
bei. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird aufgrund der
Biotop-Vernetzung erheblich zunehmen (Biodiversität).
Wenn in den nächsten Jahren über eine neue Verteilung der
EU-Gelder für Agrar- und Umweltmaßnahmen nachgedacht wird, wäre
dies eine für die Allgemeinheit lohnende Option.
13 Wasser – das Lebenselement der Erde
Es bedarf keiner langen Worte, um die Bedeutung des Wassers im
menschlichen Leben, ja im Leben überhaupt, klarzumachen. So ist
Wasser die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Pflanzen, Tiere
und Menschen könnten ohne Wasser nicht existieren, wären ohne
Wasser nie entstanden.
Was der Mensch durch den Wasserbau gefährdet hat und durch den
Klimawandel verstärkt wird, mündet in einen Wassermangel in
Europa. Sauberes Wasser droht zu einem knappen Gut zu werden.
Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz“ postuliert
werden: |
Das Wasser zurückzuhalten, muss oberste
Priorität haben. |
Damit hat der vor 200 Jahren eingeführte Drainagegraben seine
ursprüngliche Rolle als technische Entwässerungsrinne endgültig
verloren. Wir müssen lernen, mit einer unserer wichtigsten
Lebensgrundlage, dem Wasser, vernünftig und haushälterisch
umzugehen. |
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Wohin mit Astholz und Mähgut
bei der Gewässerunterhaltung?
Ein Umwelt-Tipp für Städte, Gemeinden und Vereine
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen |
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Deutschland besitzt ein Netz von mehr als
1 Million Kilometern kleiner Fließgewässer. Es sind Gräben,
Bäche und kleine Flüsse, die das Landschaftsbild bestimmen.
Zusammen mit den schmalen Gewässerrandstreifen und den
Ufergehölzen erfüllen sie im Naturhaushalt vielfältige
Funktionen. Diese zu erhalten, zu pflegen und zu entwickeln ist
eine wichtige Aufgabe und obliegt den Städten und Gemeinden.
Doch ein großes Problem bei der Gewässerpflege ist immer wieder,
wenn anfallendes Astholz, Schilf, Wasserpflanzen und Mähgut
keine Verwendung oder keinen Abnehmer finden. Der häufig zu
beobachtende Abtransport des Grünabfalls zu kommunalen
Sammelstellen und anschließendes Schreddern und/oder
Kompostieren ist aufwändig, energieintensiv und teuer. Die
einfachste und unter dem Gesichtspunkt des Natur- und
Umweltschutzes beste Handhabung der organischen Abfälle ist das
Aufsetzen von Reisig- und Totholzhaufen. Viele Arbeitsstunden
und vor allem Kosten werden bei dieser natur- und
umweltfreundlichen Lösung eingespart. Hierüber berichtet der
folgende Beitrag. |
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Unterhaltungsmaßnahmen an kleinen
Gewässern
Kleine Gewässer – Große Wirkung! Die kleinen Gewässer sind es,
die qualitativ und quantitativ die „Kinderstube“ der großen
Bäche und Flüsse bilden. Deshalb können diese immer nur so gut
sein, wie es die vielen kleinen Gewässer im Einzugsgebiet
zulassen.
Kleine Gewässer bedürfen einer fachgerechten Unterhaltung, um
ihre Funktion für die Landwirtschaft, die Fischerei, die
Wasserwirtschaft, den Naturschutz und die Landschaftspflege zu
erhalten. Die Unterhaltung der Gewässer und das Umsetzen der
Gewässerentwicklungskonzepte erfordert daher Fachkenntnis und
umsichtiges Handeln. Im Rahmen der Unterhaltung sind z.B.
Anlieger und Beteiligte, Fachbehörden und Fischereiberechtigte
einzubinden. Weiterhin erfordert eine wirtschaftliche und
gewässerverträgliche Unterhaltung eine jahrelange Erfahrung und
vor allem ausgebildetes Fachpersonal wie unsere Gewässerwarte
sowie den Einsatz von Spezialgeräten.
An den etwa 1 Million Kilometern Fließgewässer dritter Ordnung
(kleine Flüsse, Bäche, Gräben) obliegt die Gewässerunterhaltung
den Kommunen, also den Städten und Gemeinden. Eine fachgerechte
und wirtschaftliche Unterhaltung der Gewässer ist auf der Ebene
einer einzelnen Gemeinde oder eines einzelnen Wasser- und
Bodenverbandes oft schwierig und dann nur unzulänglich
durchzuführen. Der relativ kleine Umfang von
Unterhaltungsarbeiten rechtfertigt andererseits weder die
Einstellung bzw. feste Zuteilung von Fachpersonal und dessen
kontinuierliche Aus- und Weiterbildung, noch eine eigene
Material- und Gerätebereitstellung. Die Folge ist, dass bei der
Unterhaltung der kleineren Gewässer oftmals die aktuellen
gesetzlichen, fachlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
und Möglichkeiten nicht ausreichend umgesetzt werden können.
Auch fehlen vielerorts den Gemeinden die Erfahrungen, wie man
Fließgewässer naturgerecht behandelt. Deshalb sollten die
Verantwortlichen in den Gemeindeverwaltungen ein hohes
Eigeninteresse daran besitzen, „intelligente Allianzen“
einzugehen. Denn es bleibt den Kommunen überlassen, ob, wie, in
welchem Umfang und in welchen Grenzen sie solche Kooperationen
eingehen möchten. |
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Kooperation – Gemeinsam mehr erreichen
„Intelligente Allianzen“ zum Wohle ihrer Bürger entstehen immer
dann, wenn Kommunen, Organisationen, Verbände und Vereine
erfolgreich zusammenarbeiten. Das stärkt die Leistungsfähigkeit
und damit auch die Eigenständigkeit der kommunalen Ebene.
Sozialkompetenz und Umweltsinn des Einzelnen werden gefördert,
ebenso Gemeinsinn und Kameradschaft. Der einhergehende
Erfahrungsaustausch schafft auch Vertrauen im täglichen
Miteinander und erleichtert die Arbeit vor Ort.
Im Bereich der Gewässerunterhaltung gibt es verschiedene
Möglichkeiten der Kooperation, die je nach örtlichen
Randbedingungen gelebt werden. Eine häufig praktizierte
Kooperationsform der Kommunen ist die mit Umweltverbänden,
Bachpatenschaften, Agenda 21-Gruppen, Privatunternehmen
(Öko-Sponsoring) und mit den örtlichen Fischereivereinen. Und
eine vorbildliche Gewässerunterhaltung funktioniert
erfahrungsgemäß dann am besten, wenn alle, über bürokratische
Grenzen hinweg, an einem Strang ziehen. Im Ergebnis wird durch
die enge Kooperation der Verantwortlichen eine abgestimmte,
naturnahe Pflege und Entwicklung unserer kleineren Fließgewässer
gefördert. |
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Pflegemaßnahmen
Gewässer brauchen Schutz, Pflege und Platz für ihre Entwicklung.
Hierbei sind einige Grundregeln der Gewässerunterhaltung zu
beachten: |
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Die Hauptregel lautet: Weniger ist oft mehr. Das
heißt, Gewässerpflege muss sein, aber nur nach Bedarf
und unter Berücksichtigung der naturschutzfachlichen
Bedeutung.
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Kleingewässer erfordern
nur selten menschliche Pflege. Aus Gründen des
Naturschutzes sind stets extensive Pflegemaßnahmen
durchzuführen.
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Generell wirken sich
Pflegeeingriffe um so weniger schädigend aus, je
später im Jahr und je kleinflächiger sie
erfolgen.
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Im Einzelnen können folgende Pflegemaßnahmen
sinnvoll sein: |
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Kleinseggenbestände an
Quellbiotopen müssen, wenn eine Verbuschung und
Bewaldung, also die Entwicklung zu Feuchtwäldern
verhindert werden soll, in mehrjährigen Abständen
manuell gemäht werden. Die Entscheidung darüber ist in
jedem Einzelfall individuell zu treffen. Nichtstun
bleibt bei Quellen im Regelfall die beste Alternative.
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Die Ufer von
Fließgewässern werden als sog. Unterhaltungsmaßnahme
teilweise regelmäßig gemäht. Dies erfolgt oftmals
aufgrund von kommunalen Verwaltungsvorschriften. Dieses
regelmäßige Mähen ist aus Sicht des Naturschutzes
kritisch zu sehen. Hochstauden-Säume und Röhrichte
sollten, wenn überhaupt, nur abschnittsweise in
Abständen von ein oder mehreren Jahren einmal im
Spätherbst gemäht werden. So muss auch individuell
entschieden werden, ob die von den Gemeinden angelegten
Einheitsrasen weitgehend der Sukzession überlassen
werden sollten. Andererseits wird man nicht ganz ohne
Rasen auskommen, schon deshalb, weil nicht überall
Gehölze Platz finden. In diesen Fällen kann man den
Rasen als ein weiteres Gestaltungselement nutzen, wenn
dieser mit Bedacht unterhalten wird. So können
Rasenflächen, wenn sie mit blühenden Stauden durchsetzt
sind, einem Heer blütensuchender Insekten, wie Bienen,
Hummeln, Schwebfliegen, Käfern und Schmetterlingen,
reichlich Futter bieten. Und wenn die Samen reifen,
finden körnerfressende Vögel hier ebenfalls reiche
Nahrung. Um diese Vorzüge verstärkt zu nutzen, werden
neue Wege in der Rasenpflege nötig sein, etwa die
umschichtige Mahd, wobei im Frühsommer nur die eine, im
Spätherbst die andere Uferböschung geschnitten wird.
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Ufergehölze verlieren an
ökologischem Wert, wenn sie nicht mehr in einem
niederwaldartigen Zustand gehalten werden: Sie „wachsen
durch“, indem sie sich zu einer lichten Baumreihe
wandeln, in der im Vergleich zu jüngeren Stadien
deutlich weniger Gehölzarten gedeihen. Den größten
Artenreichtum weisen Ufergehölze im Alter von 25 bis 40
Jahren auf. Die Berücksichtigung des folgenden
Pflegehinweises kann den ökologischen Wert von
Ufergehölzen sichern: Ein Rückschnitt von Ufergehölzen
sollte in mindestens 15jährigen Abständen erfolgen, dann
jedoch nur auf kurzen Abschnitten, um Tieren
Fluchtmöglichkeiten zu belassen.
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Kopfbäume (=
Schneitelbäume), wie beispielsweise die Kopfweiden,
müssen häufiger geschneitelt werden. Sie treiben nach
dem Schneiteln, d.h. dem Abschneiden der Zweige, rasch
wieder aus. Die Abstände des Schneitelns liegen bei etwa
zehn Jahren, um die Kopfbäume vor dem Auseinanderbrechen
zu bewahren.
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Sträucher sollten etwa
alle zehn Jahre, maximal jedoch in 25jährigen Abständen
auf den Stock gesetzt werden. Dies erfolgt durch Absägen
wenige Zentimeter über dem Boden.
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Von Schilf (Phragmites
communis) und anderen Pflanzen gebildete
Röhrichtgürtel sollten sporadisch gemäht werden. Durch
eine gezielte Mahd lässt sich mit Röhrichtzungen und
Buchten die Land-Wasser-Grenze als ökologisch wichtige
Kontaktzone verlängern. Damit kann der Brutbestand von
Wasservögeln steigen. Zurückdrängen lässt sich Schilf
durch eine winterliche Mahd unterhalb des mittleren
Wasserspiegels. Die Mahd sollte mosaikartig und
möglichst kleinräumig erfolgen, um einen kleinflächigen
Wechsel unterschiedlicher Schilfstrukturen von frisch
gemähten Teilflächen bis zu mehrjährigem Altschilf zu
erzielen.
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Die an die Ufergehölze
angrenzenden Kraut- und Grassäume sollen alle zwei bis
drei Jahre im Herbst gemäht werden. Nach Möglichkeit
werden nicht alle Säume entlang der Ufergehölze im
gleichen Jahr gemäht, damit für Insekten
lebensnotwendige Strukturen (Deckung, Nahrung,
Überwinterung in toten Pflanzenstängeln usw.) erhalten
bleiben.
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Gehölzschnitt und Mahdgut müssen geräumt
werden
Gehölzschnitt (Äste, Zweige, Reisig) sollten nicht im Bereich
des Gewässerrandstreifens liegen bleiben, weil dies den
Neuaustrieb der Sträucher und Baumsämlinge behindert sowie
einseitig das Wachstum von Brennnesseln fördern kann. Auch
eventuell notwendige Mäharbeiten werden durch herumliegendes
Astholz erschwert.
Abgelegtes Mahdgut zerstört die Rasennarbe und begünstigt
hochwüchsige Stauden. Auf dem mit der Zeit verrottenden Mahdgut
siedelt sich bevorzugt die Große Brennnessel (Urtica dioica)
an. Ebenso muss das Mähgut aus dem Gewässerbett entfernt
werden, denn wo plötzlich große Mengen toter Wasser- und
Sumpfpflanzen anfallen, kommt es zu einer starken
Sauerstoffzehrung im Gewässer. Schwefelwasserstoff und Ammoniak
können sich zusätzlich bilden. Beide Gase sind für Fische und
die übrige Aquafauna stark toxisch.
Das Mähgut von Schilfstrukturen muss beseitigt werden, um den
Nährstoffgehalt der Flächen und damit eine Ursache des
Schilfsterbens zu reduzieren. Dasselbe gilt auch für die Kraut-
und Grassäume, um diese Saumbiotope auszumagern.
Das Mäh- und Gehölzschnittgut soll einige Tage liegen bleiben,
damit Amphibien, Reptilien und Insekten zurückwandern können.
Doch dann muss das Schnittgut möglichst bald, auf jeden Fall vor
Beginn des Frühjahrs, von der Fläche geräumt werden.
Möglichkeiten der Entsorgung
Im vorstehenden Kapitel wurde erläutert, dass das Mäh- und
Gehölzschnittgut vor allem zur Vermeidung von Eutrophierung
zumeist aus der Fläche entfernt werden muss. Die Entsorgung
bereitet oftmals große Probleme, wenn sich für den bei der
Gewässerpflege anfallenden Grünmüll keine Verwertungs- oder
Verwendungsmöglichkeiten finden lassen. Diese Erfahrung machen
die Mitarbeiter des kommunalen Bauhofes sowie die ehrenamtlich
mitarbeitenden Mitglieder der Naturschutzverbände Jahr für Jahr
erneut bei ihren durchgeführten Gewässer-Reinigungsaktionen
sowie „Putzaktionen“ zur Sauberhaltung der Landschaft.
In der Vergangenheit blieb zur Beseitigung des Grünmülls nur das
Verbrennen oder die Deponie übrig.
Landauf landab war das Verbrennen von Grünabfällen noch bis Ende
des letzten Jahrhunderts eine gängige Methode. Doch das
Verbrennen ist die schlechteste Lösung, die man sich überhaupt
ausdenken kann. Der dichte Qualm der brennenden Grünabfälle
enthält neben dem klimaschädigenden Kohlenstoffdioxid das
äußerst giftige Gas Kohlenstoffmonoxid. Hinzu kommen noch
unzählige, weitere Luftschadstoffe und eine extreme
Feinstaubbelastung. Das Abbrennen scheidet auch aus ökologischer
Sicht gänzlich aus: Es schädigt die Bodenorganismen und die in
den toten Pflanzenstängeln überwinternden beziehungsweise
lebenden Arten werden vernichtet. Das unmittelbare Verbrennen
der Äste vor Ort würde über 90 % der Käferfauna vernichten und
die Ausbreitung der von Landwirten als hartnäckiges
Ackerwildkraut gefürchteten Gemeinen Quecke (Agropyron repens)
fördern.
Insbesondere aus Emissionsschutzgründen wurde die Verbrennung
von pflanzlichen Abfällen außerhalb von
Abfallbeseitigungsanlagen in manchen Bundesländern
eingeschränkt, so beispielsweise in Brandenburg. Hier dürfen
gemäß Abfallkompost- und Verbrennungsverordnung (AbfKompVbrV)
vom 29. September 1994 pflanzliche Abfälle im Freien nur
noch mit Genehmigung der unteren Abfallbehörde verbrannt werden.
Auch die Entsorgung von Grünabfällen auf Mülldeponien ist eine
der schlechtesten Lösungen und gemäß der neuen Deponieverordnung
(DepV) vom 27. April 2009 inzwischen gesetzlich untersagt.
Danach dürfen keine biologisch abbaubaren Abfälle ohne
Behandlung (verbrannt oder gerottet) in einer Deponie abgelagert
werden.
Die Entsorgung und Verwertung des Grünmülls
als Kompost in großen, zentralen Kompostierungsanlagen gewinnt
zunehmend an Bedeutung. Doch die drei Verfahrenselemente der
Kompostierung,
-Zerkleinerung des Rohmaterials,
-Umsetzung während der Rotte,
-Absieben der fertigen Komposterde,
sind kostenintensiv, weil energieintensiv.
Die energetische Nutzung des Grünmülls
ist ähnlich kostenintensiv wie das Verfahren der Kompostierung.
Denn die Abfälle der Grünmahd besitzen in der Regel einen
Wassergehalt von über 90 %, das Gehölzschnittgut von etwa 50 %.
Der hohe Energieeinsatz für das Schreddern, Trocknen und
Transportieren machen eine energetische Verwertung der
Gehölzabfälle unwirtschaftlich.
Auch das Schreddern des Gehölzschnittes ist viel zu
aufwändig. Es ist zeit- und energieintensiv und kann damit
kostspielig werden. Zum anderen kann sich das Häckselgut, zu
Haufen aufgeschichtet, verdichten. Dann „versauert“ die
Biosubstanz durch zu wenig Luftzufuhr. Anaerobe Prozesse laufen
bevorzugt ab und können zu einer Umweltbelastung werden.
Weiterhin siedeln sich auf dem verrottenden Holz-Häcksel wahre
Brennnessel-Meere an. Damit ist auch Schreddern nicht der beste
Weg zur Entsorgung des Gehölzschnittes. Darüber hinaus kennt die
Natur auch kein gehäckseltes Material. |
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Die beste Lösung: Reisig- und
Totholzhaufen
Viel sinnvoller und praktisch kostenlos, dann zeitsparend und
vor allem natur- und umweltfreundlich ist es, die bei der
Gewässerpflege anfallenden organischen Abfälle zu Reisig- und
Totholzhaufen aufzuschichten. Dabei ist der Reisighaufen nur der
„kleine Bruder“ des Totholzhaufens. Dennoch werden
traditionsgemäß selbst monströse „Holzgebirge“ mit diesem etwas
verniedlichenden Namen betitelt. Die Größe eines Reisig- und
Totholzhaufens hängt in erster Linie von der Uferbreite des
Gewässers ab, ebenso vom Anfall des Gehölzschnittgutes. So ist
vom Reisighäufchen bis zur „hölzernen Cheopspyramide“ alles
machbar. Die Entscheidung darüber ist in jedem Einzelfall
individuell und vor Ort zu treffen.
Alles, was bei der Gewässerpflege an grobem, organischen
Material anfällt, wird einfach nur aufgeschichtet nach dem
Motto: „Immer nur feste drauf!“ Die Basis des Reisig- oder
Totholzhaufens bilden stets die groben, hölzernen Abfälle. Und
dies sind: Wurzeln, Stubben, Baumstämme, Trocken- und Moderholz,
Äste, Sträucher, Hecken- und Baumschnitt, bis hin zu morschen
Brettern und rachitischen Zaunpfählen. Auf diese grobe
Holz-Basis folgen dann obendrauf die mehr feineren organischen
Abfälle wie Zweige, Reisig, Laub, Schilf, Wasser- und
Sumpfpflanzen, Gras- und Unkrautabfälle.
Sowohl ein sonniger als auch ein schattiger Platz kommen als
Standort am Uferrand in Frage. Der Abstand zum Gewässer sollte
mehrere Meter betragen und muss unbedingt sicher vor Hochwasser
sein. |
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Hier das Beispiel eines Asthaufens, welcher Vögeln,
Kleinsäugern, Reptilien und Amphibien Unterschlupf
bietet. |
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Ein Totholzhaufen wird gebaut
Um Amphibien (Molchen, Erdkröten) und Reptilien
(Blindschleichen, Ringelnattern) den stressfreien Zugang in
frostfreie Tiefen zu ermöglichen, sollte die zukünftige
Haufenmitte möglichst in eine Mulde gelegt werden. Falls keine
natürliche Vertiefung vorhanden ist und sich freiwillige
Naturfreunde oder umweltbewusste Gemeindearbeiter finden lassen,
so wird in der künftigen Haufenmitte ein etwa 50 Zentimeter
tiefes Loch in einer Größe von etwa einem Quadratmeter
ausgehoben. Das Loch wird mit sehr groben, ineinander verkeilten
Wurzelstücken, Stubben, Ästen und Stämmen so gefüllt, dass
möglichst viele Hohlräume entstehen, in denen sich die Tiere
bewegen können. Dünne Äste verrotten zu schnell und sacken dann
zusammen.
Das gesamte holzartige, grobe Material wird nun kreuz und quer
zu einem hohen, lockeren Haufen mit möglichst vielen Hohlräumen
aufgeschichtet. Erst dann folgen die feineren organischen
Abfälle wie Reisig, Schilf, Laub, Gras- und Unkrautabfälle,
welche lose über die obere Hälfte des Haufens geschichtet oder
wie bei Laub geschüttet werden. Durch die Verrottung sackt der
Haufen nach und nach in sich zusammen. Oben kann kontinuierlich
und zu jeder Jahreszeit frisches Material aufgelagert werden.
Eine neue Variante – Die Totholzmiete
Um das Potenzial von Totholz und dessen Artenfülle an Leben
möglichst vollständig auszuschöpfen, wurde vom Verfasser dieses
Beitrages vor rund 20 Jahren eine neue Variante geschaffen: die
Totholzmiete.
Die folgenden, zugegebenermaßen hochgesteckten Anforderungen
sollen durch die neue Totholz-Variante erfüllt werden:
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Natur- und umweltverträgliches Entsorgungsverfahren
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Minimaler Arbeitsaufwand
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Keine Hege- und
Pflegemaßnahmen
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Keine Kosten
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Der Einsatz von Maschinen
wie Häcksler, Mulcher oder Kettensäge soll unterbleiben
-
Neue Lebensräume für Tiere
und Pflanzen durch Strukturvielfalt schaffen
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Flexibilität in Länge,
Breite und Höhe beim Bau und Betrieb
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Minimaler Flächenverbrauch
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Hohe Lagerkapazität
-
Schnelle Bereitstellung
neuer Entsorgungskapazitäten ohne Flächenerweiterung
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Keine Abhängigkeit von
Jahreszeit und Witterung
-
Organisches Material mit
Fahrzeugen jederzeit anlieferbar
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Ästhetisches Aussehen.
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Die Lösung ist einfach. Die Totholz-Variante
neuer Art besitzt einen geometrischen Charakter in Form eines
Quaders. Im Prinzip handelt es sich bei der Totholzmiete um
nichts anderes als um eine langgezogene „Bandwurm-Variante“ des
Reisig- oder Totholzhaufens, ergänzt um Pfahlreihen an den
Seiten. Die Grundidee bei der quaderförmigen Anordnung ist, die
Dimension Höhe durch zwei parallel zueinander verlaufende
Pfahlreihen zu nutzen und dabei die Totholzhöhe durch
Beimischung von frischem Mähgut („Nassmüll“) zu steuern. Man
kann es auch „biologische Höhensteuerung“ nennen.
Eine Totholzmiete ist gegenüber einem Totholzhaufen dann zu
bevorzugen, wenn größere Mengen an Totholz und Grünabfall zu
arrangieren sind. In einer solchen Totholzmiete herrschen je
nach Gegebenheit bestimmte Temperaturen und Feuchtigkeiten,
wodurch sich sehr unterschiedliche Lebensbedingungen ergeben.
Die untersten Lagen in Bodennähe sind kühl und feucht, der obere
Teil der Miete ist dagegen warm und trocken. Ein solcher Haufen
bietet großzügige Versteckmöglichkeiten für Kleinlebewesen wie
Spinnen, Asseln, Tausendfüßler sowie für zahlreiche Insekten wie
Käfer, Wespen, Wildbienen oder Ohrwürmer. Sind die Spalten am
Boden groß genug, werden sich auch Igel und Erdkröten dort
verstecken, in sonniger Lage auch Eidechsen.
Die hier beschriebene Totholzmiete ist
nicht mit den Benjeshecken oder Totholzhecken
vergleichbar. Diese Heckenart entsteht durch linienhafte,
lockere Ablagerungen von hauptsächlich dünnerem Gehölzschnitt,
wie Äste und Zweige, sowie durch Windanflug und durch Samen aus
dem Kot rastender Vögel. Der Vorteil der Benjeshecke sollte
sein, dass dadurch Neuanpflanzungen von Hecken eingespart werden
können.
Bei der hier vorgestellten Totholzmiete soll bewusst durch die
voluminöse Gehölzschichtung jegliche Spontanvegetation
ausgeschlossen werden, wie beispielsweise das Wuchern von
Brennnesseln und Brombeeren. Der Totholzhaufen soll derart
angelegt werden, dass über Jahre, ja sogar über Jahrzehnte
hinweg keine Pflege notwendig sein wird. Dies ist dann
gewährleistet, wenn das frisch aufgeschichtete Material nicht
mit der untersten Haufenschicht, welche aus Holzmulm und Mull
besteht, in Kontakt kommt. Die Trennung wird einmal durch die
Quaderform, zum anderen durch die voluminöse Schichtung in der
Totholzmiete erreicht. Dadurch können auch unliebsame
„Unkräuter“ wie Brennnesseln samt ihren ausladenden
Tellerwurzeln auf der Totholzmiete obenauf umweltfreundlich
entsorgt werden. Selbst nach 20 Jahren Praxis mit der
Totholzmiete konnte ich bislang keine unliebsamen Wucherungen
von Brennnesseln, Brombeeren und anderen lästigen Kräutern und
Gehölzen feststellen. Auch ein kontinuierliches In-die-Höhe
wachsen der Totholzmiete ist nach 20 Jahren noch nicht merklich
feststellbar. Und selbst nach zwei Jahrzehnten Betriebszeit
befindet sich die Totholzmiete nachwievor in einem geordneten
Zustand, ohne dass zwischendurch einmal „aufgeräumt“ werden
musste. Kurzum, die Totholzmiete ist für mich zu einer herben,
rauen Natur-Schönheit geworden. |
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Der Aufbau einer Totholzmiete
Der Aufbau einer solchen Miete erfordert wohl etwas Aufwand, ist
aber keineswegs kompliziert. Im Abstand von etwa einem Meter
oder auch weniger, werden angespitzte Holzpfähle mit dem
Vorschlaghammer 30 bis 40 Zentimeter tief in den Boden
geschlagen. Der oberirdische Teil des Pfahls soll ein bis
eineinhalb Meter über dem Erdboden herausragen.
Im Abstand von etwa 4 Metern von der ersten Pfahlreihe wird dann
parallel dazu eine zweite Pfahlreihe angelegt. Die Breite von 4
Metern ist nur eine Empfehlung, die sich in der Praxis bewährt
hat. Die Breite kann natürlich beliebig variiert werden,
insbesondere dann, wenn die Totholzmiete von beiden Längsseiten
zugänglich ist. Diese Variation gilt auch für die Länge der
Totholzmiete. Mit zunehmender Breite steigt der ökologische
Wert, der Arbeitsaufwand allerdings auch.
Sobald einer der Pfähle zu morsch wird, schlägt man unmittelbar
daneben einen zweiten ein. Damit ist die Stabilität der
Längsseite der Totholzmiete gesichert und der verbliebene
morsche Pfahl bleibt attraktiv für alle Totholzbesiedler.
Der Raum zwischen den Pfahlreihen wird anschließend zuerst mit
grobem Material wie beim Totholzhaufen gefüllt. Das sind:
Stubben, Baumstämme, Wurzelstücke, Sträucher, Starkäste,
Trocken- und Moderholz, Hecken- und Baumschnitt. Der Unterschied
von Miete zum Haufen ist die Art der Schichtung. Die Schichtung
des Gehölzschnittgutes soll überwiegend parallel zur Pfahlreihe
erfolgen. Und je länger die verwendeten Äste sind, desto
stabiler ist die Füllung zwischen den beiden Pfahlreihen. Ist
der Raum zwischen den Pfahlreihen bis zur Oberkante der Pfähle
mit grobem Holzmaterial gefüllt, so kann dann die Aufschichtung
mit den feineren organischen Abfällen erfolgen wie Reisig,
Schilf, Laub, Wasser- und Sumpfpflanzen, Gras- und
Unkrautabfällen.
Je nach Anfall kann darauf wiederum eine Schicht mit grobem
Holzmaterial aufgesetzt werden, bis eine Höhe von zwei, maximal
drei Metern erreicht wird. Damit dieses voluminöse Astwerk in
der obersten Schichtung möglichst rasch zusammensackt, wird eine
etwa 10 bis 20 cm starke Schicht an frischem Mähgut („Nassmüll“)
darauf gegeben. Es wird damit gewährleistet, dass die Miete im
oberen Teil innerhalb kurzer Zeit deutlich an Höhe verliert,
also in sich zusammensackt. Freie Kapazitäten für erneut
anfallendes Gehölzschnittgut werden so geschaffen. |
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Die Totholzmiete – dein Freund und
Helfer in der Entsorgung von Astholz und Mahdgut.
Sie spart Zeit, Geld und Arbeit und es entsteht ein
ökologisch hochwertiger Lebensraum mit einer
unerschöpflichen Strukturvielfalt. |
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Die hier erstmals beschriebene Totholzmiete
ist mit einer Kompostmiete nicht vergleichbar, eher noch
mit einem Hügelbeet. Ziel der Kompostierung ist die Umwandlung
organischer Abfälle in nachhaltig bodenverbessernde und
wachstumsfördernde Stoffe. Diese Umwandlung vollzieht sich im
Wesentlichen mit Hilfe der gleichen Organismen, die auch im
Boden für die Umsetzung organischer Stoffe sorgen. Die
Bodentiere leisten durch ihre zerkleinernde Tätigkeit
(Abbau-Prozess) die Vorarbeit für die pflanzlichen
Mikroorganismen. Die verschiedenen Mikroorganismenarten leiten
einen Umbau- und anschließenden Aufbau-Prozess ein. Das
Endprodukt ist ein Reifkompost, welcher aus Dauerhumus besteht,
der sich günstig auf die physikalischen Bodeneigenschaften
auswirkt, dagegen den Bodenlebewesen nur wenig Nahrung liefert.
Der grundlegende Unterschied zwischen Totholzmiete und
Kompostmiete kann in einer vereinfachten Form beschrieben
werden: |
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Der große Vorteil der Totholzmiete im
Vergleich zu den anderen Varianten ist ihre Anpassungsfähigkeit
an die Menge des anfallenden organischen Materials sowie ihre
Variabilität in den drei Dimensionen Länge, Breite und
insbesondere Höhe.
Und das Prinzip der hier vorgestellten Totholzmiete ist derart
einfach: immer nur alles oben drauf! Die Natur arbeitet für uns
ganz alleine und das dazu noch kostenlos! Wir können uns dabei
völlig entspannt zurücklehnen und uns auf die Beobachtung
beschränken. Wir müssen hier nicht hegen und pflegen, sondern
können den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen. |
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Geduld ist wichtig
Auch wenn es selbstverständlich sein sollte, so möchte ich hier
dezent darauf hinweisen: Die Verrottung von Totholz ist
definitiv nichts für eilige Zeitgenossen! Im Falle einer Eiche
kann dieser Prozess mehrere Jahrzehnte dauern. Das ist natürlich
ein Extremwert, aber auf Jahre müssen wir uns durchaus
einstellen.
Die größte Geduld ist gleich zu Beginn erforderlich, bis die mit
viel Liebe und vielleicht auch Schweiß neu gebaute Totholzmiete
einmal „anspringt“. Die tägliche Kontrolle des
Verrottungsprozesses ist zwar löblich, bei objektiver
Betrachtung aber doch nur sehr mäßig sinnvoll. Bis eine
Totholzmiete einmal „anspringt“, das heißt mit Tausenden von
verschiedenen Arten besiedelt worden ist, vergehen gut zwei
Jahre, in ungünstigen Fällen müssen bis zu fünf Jahren gewartet
werden.
Feuchtigkeit und Schatten wirken sich dabei allgemein
beschleunigend auf den Verrottungsprozess aus. Aufrecht stehende
Totholzäste im Oberteil der Miete und dann noch der prallen
Sonne ausgesetzt, halten sich am längsten. Aus dieser
Beobachtung heraus entwickelte sich der Gedanke mit der
Beimengung von „Nassmüll“. Der Erfolg war eindeutig und so wurde
das frische Mähgut als Steuerungsinstrument für die Höhe der
Totholzmiete eingesetzt. Und synchron dazu stellt sich ein
weiterer, ganz wichtiger Synergie-Effekt durch die
Grünschnitt-Beimengung ein: die Besiedelung mit Xylobionten
nimmt hinsichtlich Artenvielfalt und –dichte rasant zu. Sind
einmal die verschiedensten ökologischen Nischen in der
Totholzmiete von einer Vielzahl von Spezialisten bewohnt, so
erleben wir fast ein Wunder, mit welchem Tempo die Verrottung
abläuft. Für mich ist es immer wieder faszinierend miterleben zu
können, wie ich im Frühjahr die Totholzmiete mit bis zu 3 Meter
hoch an Gehölzschnitt und anderem organischen Material belade
und im Spätherbst ist sie gerade mal einen Meter hoch. Und in
dieser Höhe bleibt die Totholzmiete seit rund 20 Jahren stehen.
Das „Phänomen der Höhenkonstanz“ ist physikalisch einfach zu
erklären, weil es sich bei der Totholzmiete wie bei allen in der
Natur ablaufenden Prozessen nicht um ein geschlossenes, sondern
um ein so genanntes „offenes System“ handelt. |
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Totholz als Lebensraum
Totholz ist eine Welt der Wunder, die von der Wissenschaft erst
in Ansätzen erforscht wurde. Gleich mehrere wissenschaftliche
Disziplinen wie Ökologie, Zoologie, Botanik, Mikrobiologie und
Bodenkunde, um nur einige zu nennen, beschäftigen sich in
jüngster Zeit mit den Stoffkreisläufen von Totholz, studieren
das Ineinandergreifen einzelner Prozesse und beobachten, wie die
zahlreichen Mitglieder der Gemeinschaft zusammenwirken. Und so
ist Totholz Leben pur, Leben in überschäumender Fülle. Es gibt
nur wenige andere Lebensräume mit einer vergleichbaren, geradezu
unerschöpflichen strukturellen Vielfalt wie der von Totholz:
stehend oder liegend, in voller Sonne oder beschattet, verpilzt
oder unverpilzt, weißfaul oder braunfaul, verbrannt, trocken,
feucht oder überschwemmt. Auf jeden dieser Lebensräume wirken
zahllose Faktoren wie Mikroklima, Dicke und Art des Holzes, Grad
der Verwitterung, Art der Pilzbesiedlung oder Art und Menge des
beigemengten Mähgutes sowie anderer organischen Materialien.
Durch all diese Faktoren spaltet sich das scheinbar so
gleichförmige Medium Totholz in eine Unzahl verschiedenster
Lebensräume auf. Dieses breit gefächerte Angebot reduziert die
Konkurrenz zwischen den im Totholz heimischen Arten, jede
einzelne Nische kann von optimal angepassten Spezialisten
besiedelt werden. Den Löwenanteil der Holzbesiedler (Xylobionten)
stellen die Käfer mit rund 1.400 Arten und die Pilze mit etwa
1.500 Arten. Über 500 Fliegen- und Mückenarten und zahlreiche
andere Vertreter der Insekten tummeln sich ebenfalls dort.
Moose, Flechten, Spinnen, Asseln, Schnecken, Amphibien,
Reptilien, Vögel und Säugetiere schließen den Reigen.
Letztendlich hat jede Gruppe irgendwo im Totholz eine passende
Nische für sich gefunden.
So benutzen Igel den Totholzhaufen oder –miete gerne als
Tagesversteck. Mit etwas Glück stellen sich auch andere
Vertreter der Säugetiere ein: Mäuse, Spitzmäuse und als Krönung
vielleicht sogar das zierliche Mauswiesel. Auch Ringelnatter,
Blindschleiche und Erdkröte finden dort Unterschlupf.
Uneingeschränkte Herrscher des Totholzhaufens sind aber die
null- bis vielbeinigen, wirbellosen Vertreter der Zoologie:
Regenwürmer, Asseln, Spinnen und Insekten. Springschwänze,
Florfliegen, Ohrwürmer, Ameisen, Wildbienen, Schlupfwespen,
Wanzen, Käfer und ihre Larven und viele andere mehr finden in
solchen Reisig- und Totholzhaufen sowie Totholzmieten
paradiesische Zustände, oft auch für die Überwinterung.
Unter diesem Blickwinkel ist es zweifellos ein Fauxpas und
sollte der Vergangenheit angehören, Totholz durch Verbrennen,
Schreddern, Kompostieren oder energetisches Verwerten zu
entsorgen. |
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Zerfallsstadien von Totholz
Vermutlich gibt es Hunderte von Faktoren, die bei der Besiedlung
des Holzes mit Xylobionten zusammenwirken. Bei einem frisch
abgestorbenen Baum beginnt sich bei fortschreitendem Befall die
Borke vom Stamm zu lösen. Gleichzeitig erfolgt ein Ansturm
verschiedener Insektenarten wie Käfer, Fliegen, Mücken, Spinnen,
Schnecken und Holzwespen. Der äußere Teil des Holzkörpers (Bast
und Splint) wird von Pilzen und Bakterien schnell abgebaut.
Dieser Bereich des Totholzes ist deshalb entsprechend kurzlebig.
Der innere Holzkörper wird anschließend von Pilzen durchdrungen.
Die Myzelien verschiedener Pilze durchwuchern den kompletten Ast
oder Stamm. Das Kernholz wird zunehmend weicher und morscher und
machen es für viele Insektenarten interessant. Die große
Insektenvielfalt lockt wiederum Räuber an. So ist es
faszinierend zu sehen, wie Specht und Kleiber sich als
effiziente, aber dennoch wohltuend leise „Bio-Schredder“
betätigen, wenn sie auf der Suche nach Insekten die morschen
Äste mit geschickten Schnabelhieben in ihre Bestandteile
zerlegen.
Mit zunehmender Zersetzung wird das Holz allmählich zu Mulm
umgewandelt, einem Lockersediment, das zum größten Teil aus
Bakterien, Mineralien, Pflanzenresten, Holzstaub und
Stoffwechselprodukten besteht und mit dem Kot und den Resten der
Vorbesiedler durchsetzt ist. Neben Fliegen- und Mückenlarven
wird der feuchte Mulm nun zunehmend auch von typischen
Organismen aus der Bodenfauna besiedelt. Asseln, Springschwänze,
Milben und Würmer zerkleinern die einzelnen Partikel noch weiter
und erleichtern dadurch die endgültige Zersetzung durch
Bakterien und Pilze. Mulm und Unterboden werden zunehmend
vermischt und bilden schließlich ein homogenes Gemisch. Der
Kreislauf für neues Leben hat sich wieder einmal geschlossen.
Ausblick
Die natur- und umweltfreundliche Entsorgung von Gehölzschnitt
und Mähgut, welches bei der Gewässerpflege anfällt, muss allen
Verantwortlichen in den kommunalen Verwaltungen und den
Naturschützern am Herzen liegen. Ein anzustrebendes Ziel der
Kommunen und Umweltverbände sollte es sein, den Totholzanteil
entlang unserer Gewässerbiotope kontinuierlich weiter zu
erhöhen. In diesem Umfeld kann jeder Naturfreund in
Zusammenarbeit mit der Kommune auch rechtlich gemäß der
Bioabfallverordnung (BioAbfV) vom 21. September 1998 im
überschaubaren Rahmen schalten und walten wie er möchte, und
dabei selbst Erfahrungen mit dieser faszinierenden Materie
sammeln. Zum einen schaffen wir damit neue Lebensräume für Tiere
und Pflanzen, zum anderen sensibilisieren wir unser Umfeld für
das Thema „Totholz“ und halten es in der allgemeinen Diskussion.
Unsere Gewässerbiotope bergen ein ökologisches Potenzial, das
häufig nicht erkannt und viel zu wenig erschlossen wird.
Nehmen wir das Bild von einem Baumkeimling, der auf einem völlig
vermoderten Holzstamm nach dem Lichte strebt, so hat dies einen
ganz starken Symbolgehalt. Anfang und Ende gehen nahtlos
ineinander über, ein ewiger Kreislauf, in dem auch wir selbst
eingebunden sind. Totholz ist nicht das Ende, ganz im Gegenteil.
Gerade durch seinen Tod hat der Baum Lebensraum für eine schier
grenzenlose Artenfülle geschaffen. Eine Welt der Wunder! |
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Chemo-Indikatoren als
Qualitätskriterien für
Komposterden und Kulturböden
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen |
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1. Kompostierung - ältestes
Recycling-Verfahren
Die Kompostierung von Abfällen ist eine anerkanntermaßen
vernünftige Beseitigungs- und Verwertungsmethode. Wie viele
technische Prozesse, ist sie der Natur abgeschaut und hat eine
lange Tradition. Seit Jahrtausenden ist den Menschen bekannt,
dass Stoffe, die dem Boden für die Nahrung über die Pflanzen
entzogen werden, diesem wieder zugeführt werden müssen. Dies
geschieht u. a. über die Kompostierung. Sie ist somit das
älteste Recycling-Verfahren.
Die Abfallkompostierung, wie wir sie heute verstehen, ist ein
technisches Verfahren, das zum Ziel hat, dafür geeignete Abfälle
aufzubereiten und einem steuerbaren biologischen Prozess zu
unterwerfen, damit das fertige Produkt möglichst bald eine
düngende und Boden verbessernde Wirkung hat.
2. Die Bedeutung der Kompostierung
Siedlungsabfälle können durch Kompostierung und anschließende
Verwendung des Komposts im Siedlungs- und Gartenbau, in Land-
und Forstwirtschaft und in anderen Bereichen auf unschädliche
Art beseitigt und verwertet werden. Die Abfallkompostierung
geeigneter organischer Materialien bringt im Gegensatz zur
Ablagerung und Verbrennung volkswirtschaftliche Vorteile von
großer Tragweite.
Durch Kompostanwendung kann dem Humusschwund in
landwirtschaftlich oder gärtnerisch bewirtschafteten Böden
entgegengewirkt und eine Bodenverbesserung erzielt werden.
Dadurch wird eine Verbesserung des Wasserhaltevermögens, eine
Verminderung der Bodenerosion durch Wasser und Wind, eine
Auflockerung von schweren Böden, eine Verbesserung der Wirkung
mineralischer Düngung, eine Stärkung der Bodenfauna und -flora
sowie eine Stärkung der Abwehrkräfte gegen Schädlingsbefall und
eine Verminderung der Gewässer-Eutrophierung durch verstärkte
Zurückhaltung eutrophierender Stoffe wie Nitrat und Phosphat
bewirkt.
Weil die Kompostierung als Methode der
Abfallbeseitigung und Abfallverwertung in nahezu idealer Weise
alle Forderungen des Umweltschutzes erfüllt, wird sie auch
zukünftig eine vergleichsweise große Bedeutung besitzen.
Voraussetzung hierfür ist jedoch eine geprüfte Qualität.
3. Biologische, chemische und physikalische Vorgänge bei der
Rotte
Das Ziel der Kompostierung ist die Vererdung bzw. Humifizierung
organischer Abfall-Materialien. Der deutlichste Vorgang dabei
ist die Rotte, das heißt die Zersetzung und Umwandlung der
verschiedenen Abfall-Materialien bis zu einer lockeren, gut
streufähigen Beschaffenheit. Sekundär kann hierbei die Bildung
von Dauerhumus und Ton-Humus-Komplexen erfolgen.
Die Rotte ist ein biologisch bedingter Prozess. Außer
verschiedenen Kleintieren (Würmer, Insekten, Milben u. a.),
deren zerkleinernde und mischende Tätigkeit neben ihrer
Verdauungsarbeit nicht unterschätzt werden darf, sind vor allem
Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Strahlenpilze) an den Ab- und
Umbauvorgängen beteiligt.
Herrschen in dem Substrat anaerobe Verhältnisse, d. h.
Sauerstoffmangel, so bewirken bestimmte Mikroben, die ohne
Luftsauerstoff gedeihen können, eine geringe chemische
Zersetzung der organischen Stoffe, wobei organische Säuren, dann
Fäulnisgase wie Methan und Wasserstoff sowie andere
Spaltprodukte echter Gärungen auftreten. Solche Bedingungen sind
im Kompost nicht nur unerwünscht, sondern für das Produkt und
die Anwendung schädigend.
Bei der Kompostierung haben wir es meist mit schwer zersetzbaren
Stoffen zu tun, deren Rotte beschleunigt werden muss. Dies lässt
sich durch Schaffung aerober Verhältnisse, d. h. durch
Luftzufuhr, erreichen. Die aeroben Mikroorganismen, zu denen
fast alle Pilze und viele Bakterien gehören, zersetzen die
organischen Massen sehr viel rascher und vollständiger als die
anaeroben Mikroorganismen. Als Spaltprodukte treten
Kohlenstoffdioxid (CO2), Wasser (H2O) und Ammoniak (NH3) auf.
Dies ist ebenso wie das Ansteigen der Temperatur ein Zeichen
dafür, dass es sich um Atmungsvorgänge handelt [1].
Betrachten wir diese aeroben mikrobiellen
Zersetzungsprozesse etwas näher, so müssen wir feststellen, dass
zu ihrem Zustandekommen zunächst die entsprechenden
Mikroorganismen vorhanden sein müssen. Darum brauchen wir uns
aber keine Sorge zu machen. Denn praktisch ist alles verwendete
Material genügend infiziert und der Zusatz von Impfstoffen zum
Kompost ist als eine flankierende Maßnahme zu sehen. Viel
wichtiger ist es, für die Kleinlebewesen günstige
Entwicklungsbedingungen zu schaffen. Dazu gehören außer der
Luftzufuhr, die wir durch lockere Lagerung, Umstechen und
zweckmäßige Mietenformen erreichen, weiterhin eine ausreichende,
gleichmäßige Feuchtigkeit (ca. 30 – 50 % Wassergehalt) und eine
günstige, nicht zu niedrige Temperatur. Ferner muss durch Zusatz
von Kalk dafür gesorgt werden, dass die organischen Zersetzungs-
und Umwandlungsprodukte mit Basen weitgehend neutralisiert und
gepuffert werden.
Durch die aeroben Verhältnisse werden auch die erwünschten
Kleintiere gefördert, die unter Luftabschluss nicht gedeihen
können. Das Vorherrschen oxidativer Reaktionen spielt bei der
Kompostierung eine entscheidende Rolle [2].
4. Kompost neuer Art
Die alt hergebrachten, mindestens durch dreimaliges Umlagern und
drei Jahre Wandlungszeit beanspruchenden Komposthaufen, in denen
vielfach zweckwidrige Fäulnisvorgänge vorherrschen, sind
überholt. „Misthaufen“, die ungeregelt, teils zu trocken
verschimmeln (Feuchtigkeitsgehalt kleiner 20 %), teils Maden
nähren und üble, säuerlich bis teerig riechende Gase und
Sicker-wässer abscheiden, haben keine Berechtigung mehr.
Kipphalden von Unrat und Müll, die Insekten, Ratten, Aasvögel
und anderes anlocken, stellen ein Zeugnis der Rückständigkeit
und des Unvermögens aus.
Statt als Brutstätten für Krankheitserreger herumzuliegen, haben
Siedlungs-abfälle der Humusanreicherung zu dienen.
Kompost neuer Art kann bei sorgfältiger Kontrolle von
Feuchtigkeit, Temperatur und Luftzufuhr schon innerhalb von
mehreren Wochen hergestellt werden. Solch fachmännisch
hergestellter Kompost ist scherbenfrei, er duftet fein wie
Walderde und ist für Pflanzenwurzeln nicht schädlich, im
Gegensatz zu unvollkommen verrotteten Abfällen. Ausgereifter
Kompost fördert die Wuchskraft und Resistenz der damit
versorgten Pflanzen.
5. Qualitätsprüfung
In Kompostwerken wird ein Kompostgut erzeugt, das schon vor der
Rotte ganz oder zum größten Teil die üblichen Kompostsiebe
passiert. Solcher Rohkompost ist noch nicht
wurzelverträglich für die Pflanzen. Ebenso nicht
wurzelverträglich ist Frischkompost. Von Frischkompost
spricht man, wenn Rohkompost schon etwas angerottet ist. Diese
beiden Kompostarten, auch Mulch genannt, können zur
Flächenkompostierung im Sinne einer „biologischen
Einschmelzung“ verwendet werden. Mulchen ist zwar recht einfach
und wird deshalb gern angewandt, aber Flächenrotte führt zu
einer beschleunigten Mineralisierung, denn die Bedingungen zur
Dauerhumusbildung sind nicht so günstig wie bei einer gelenkten
Rotte. Das Mulchverfahren ist auch nicht überall anwendbar. Für
die meisten Anwendungsgebiete ist man jedoch auf Reifkompost
angewiesen.
Die Prüfungsergebnisse der verschiedenen Komposte fallen
verschieden aus und man hatte bislang kein überall anwendbares
Testverfahren. Man konnte die „Güte“ eines Reifkompostes nur
gefühlsmäßig „schätzen“ aufgrund der Zeit, die er liegt und der
Zahl der Umsetzungen.
Da die Siebanalyse von Kompost überhaupt kein Kriterium für
Reife, das heißt Wurzelverträglichkeit, darstellt, mussten
geeignete Prüfverfahren entwickelt werden, welche dazu
beitragen, ausgereiften Qualitätskompost zu produzieren [3].
Durch Wachstumsversuche im Vergleich mit chemischen Analysen
stellten PFEIFER, SPOHN und KOCH fest, dass die
Pflanzenverträglichkeit, also der Reifegrad, schnell und einfach
auch mit chemischen Methoden feststellbar ist [4–6]. Beim Abbau
abgestorbener pflanzlicher und tierischer Produkte entstehen
unter anderem zunächst Ammonium/Ammoniak, Nitrit und Sulfid, die
bei der aeroben Kompostierung in zeitlicher Abhängigkeit durch
mikrobielle Oxidation zu Nitrat und Sulfat umgewandelt werden.
Ist dieser Oxidationsprozess abgeschlossen, so ist die
Pflanzenverträglichkeit beim Wachstumsversuch erreicht: Der
Kompost ist reif. Man muss lediglich verhindern, dass er durch
Luftabschluss wieder in anaerobe Zustände (Fäulnis) zurückfällt.
Diese Gefahr besteht beim Untergraben oder bei Vernässung,
allgemein übrigens bei jedem Boden durch Verdichtung. Es treten
dann sofort wieder Sulfid- und erhöhte Ammonium-Konzentrationen
auf. Wurzeln weichen solchen unterirdischen Fäulnisherden aus
oder die Pflanzen kränkeln. Ebenso ist eine Absenkung des
pH-Wertes (Versauerung) im Kompost oder Boden zu beobachten.
Die folgende Schemazeichnung „Reifkompost“ skizziert den
grundlegenden Vorgang der mikrobiologischen Transformation
(Konvertierung) von der unreifen (reduktiven) zur reifen (oxidativen)
Phase. Das Vorherrschen oxidativer Reaktionen, besonders unter
Luftzufuhr (Sauerstoff), spielt bei der Kompostierung eine
entscheidende Rolle [2]. |
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Ausgereifter Qualitätskompost muss unbedingt Charge
für Charge auf Reife, also auf
Wurzelverträglichkeit, geprüft sein. Maßgebend ist
der Wachstumstest mit Kresse. Er dauert jedoch
einige Tage. Für die laufenden Routineprüfungen auf
Qualitätskompost ist deshalb ein analytisches Schnellverfahren
entwickelt worden, welches eine semiquantitative
Konzentrationsbestimmung der Parameter Sulfid, Ammonium/Ammoniak
und Nitrit sowie Nitrat und pH-Wert ermöglicht. Diese Parameter
eignen sich als chemische Indikatoren für die Beschreibung des
Rotteverlaufs. Sie geben einen indirekten Hinweis auf das
erreichte Redox-Potenzial und damit auf den biologischen und
physikalischen Zustand einer Kompostcharge. Die
Qualitätskontrolle kann ohne Labor und Chemiker direkt vor Ort
in wenigen Minuten selbst durchgeführt werden. Der biologische
Zustand ist zunächst viel wichtiger als eine
Gesamtnährstoff-Analyse, die ohnehin zu lange dauert und nur an
gelegentlich gezogenen Stichproben in einem Speziallabor
durchgeführt werden kann.
Die analytische Qualitätskontrolle für Reifkompost erfordert die
Abwesenheit von Sulfid, Ammonium/Ammoniak und Nitrit
sowie die Anwesenheit von Nitrat und Sulfat.
Nicht, dass Sulfid, Ammonium/Ammoniak und Nitrit absolut und
alleinig wurzelschädlich wären. Ihre Anwesenheit ist jedoch ein
Zeichen dafür, dass das Redox-Potenzial noch nicht weit genug
nach der oxidativen Seite hin fortgeschritten ist. In diesem
Zustand sind es eine Reihe anderer Substanzen, wie
beispielsweise organische Säuren und Fäulnisgase, die ebenfalls
eine Schadwirkung ausüben.
Ammonium/Ammoniak, Nitrit und Sulfid sowie Nitrat und der pH-Wert
lassen sich auf einfache Weise an Ort und Stelle mit dem
AgroQuant-Bodenlabor feststellen. Mit diesem Bodenlabor
besitzt der Kompostmeister, Landwirt und Gärtner nunmehr ein
einfaches und sicheres Instrument zur Überwachung und Lenkung
des Rotteverlaufs und ein Prüfverfahren auf Kompostreife (Inprozess-Kontrolle).
6. Experimentelle Durchführung und Messprogramm
Kompost muss also, wie wir gelernt haben, unbedingt auf seine
Reife, das bedeutet Wurzelverträglichkeit, geprüft werden. Für
die laufende Routineüberwachung leistet das AgroQuant-Bodenlabor
(siehe Abbildung) hervorragende Kontrollmöglichkeiten. |
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AgroQuant-Bodenlabor zur Messung des
Stickstoffkreislaufs (Ammonium/Ammoniak, Nitrit und
Nitrat) und zur Bestimmung des pH-Wertes |
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Wesentlicher Bestandteil des Bodenlabors sind
Teststäbchen für Nitrat, Nitrit, pH-Wert und Reagenzien für die
Ammonium-Bestimmung. Die Funktionsweise der Teststäbchen ist
ähnlich wie bei den bekannten pH-Papieren. Je nach Gehalt, z. B.
an Nitrat, wird eine spezifische Farbveränderung auf einer
Testzone des Stäbchens hervorgerufen. Der Grad der Verfärbung
wird anhand einer mitgelieferten Farbskala verglichen und der
zugehörige Messwert abgelesen (siehe Bild). |
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Die Messungen sind außerordentlich rasch und
einfach durchzuführen. Es können jeweils 100 Bestimmungen auf
Nitrat, Nitrit, Ammonium/Ammoniak und pH-Wert durchgeführt
werden. Sind die Teststäbchen oder Reagenzien aufgebraucht, so
können die entsprechenden Austauschpackungen nachbestellt
werden. Dadurch wird die Anwendung des AgroQuant-Bodenlabors
besonders wirtschaftlich.
Das Messprogramm für die Qualitätskontrolle von Kompost umfasst
die folgenden Parameter: |
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- Nitrat
- Nitrit
- Ammonium / Ammoniak
- Sulfid
- pH-Wert
- Kressetest
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Die Nitrat- und Nitrit-Bestimmung erfolgt mit
dem Merckoquant-Nitrattest; die Ammonium/Ammoniak-Bestimmung in
Komposterden wird mit einem Farbkartentest durchgeführt. Mit dem
Bleiacetat-Papier wird der Parameter Sulfid bestimmt, die
pH-Messung erfolgt mit den nicht-blutenden
Spezial-Indikatorstäbchen pH 2 – 9 (siehe Bild). |
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Um eine repräsentative Kompostprobe zu
bekommen, benötigt man je Kompostcharge mindestens
20 Einstiche mit einem geeigneten Bohrstock,
notfalls auch mit Spaten oder Gartenkelle. Die
Kompostproben sind statistisch verteilt in der Quer-
und Längsrichtung aus der gesamten Kompostmiete zu
entnehmen. Die Einzelproben werden in ein
Sammelgefäß, z. B. Eimer, gegeben und gründlich
vermischt. Steine und andere sperrige Materialien
sind von Hand auszulesen.
7. Auswertung der Messergebnisse
a) Nitrat-Messung
Guter Reifkompost zeigt reichlich Nitrat, teilweise mehr als 500
mg/kg.
b) Nitrit-Messung
Ein qualitativ einwandfreier Reifkompost beinhaltet kein Nitrit.
Zeigen sich Spuren an Nitrit (1 mg/kg und größer), so liegt ein
unreifer Kompost vor, welcher umgehend belüftet werden muss.
c) Ammonium- /Ammoniak-Messung
Guter Reifkompost weist einen Ammonium-Gehalt auf von 0,2 bis 2
mg/kg.
Kompost mit 3 mg/kg ist als kritisch einzustufen, und Komposte
mit einem Ammonium-Gehalt von 5 mg/kg und höher sind unreif und
müssen umgehend belüftet werden.
Reifkompost beinhaltet praktisch kein Ammoniak (NH3) oder
höchstens in Spuren (kleiner als 0,05 mg/kg NH3).
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d) Intermediäre Kompost-Stadien |
- Ist in einer Kompostcharge sowohl reichlich Ammonium/Ammoniak
als auch Nitrat vorhanden, kann ein Gemisch aus reifen und
unreifen Anteilen vorliegen oder ein Gemisch mit
Handelsdünger.
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- Liegen geringe Konzentrationen an Ammonium und Nitrat
vor, so kann es sich um einen Zwischenzustand handeln, in
welchem mineralischer Stickstoff in lebendem Eiweiß
festgelegt ist (sog. Stickstoff-Fixierung).
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e) pH-Wert
Der pH-Wert soll bei einem Qualitätskompost im neutralen bis
schwach alkalischen Bereich liegen (pH 6,5 bis 8,0). Dies gilt
ebenso für den Rotteverlauf. Liegen die Werte unter pH 6, so
muss gekalkt werden (gemahlener Naturkalk, kohlensaurer Kalk,
Löschkalk oder Mergel).
Liegen die Werte über pH 8, so können sauer wirkende
Mineraldünger zudotiert werden, wie beispielsweise
Ammoniumsulfat. Eine ähnlich neutralisierende Wirkung zeigt der
Zusatz von Torf oder Torfsubstraten.
f) Sulfid-Messung
Der Parameter Sulfid darf in Reifkompost höchstens nur in Spuren
vorhanden sein. Die weiße Farbe des Teststreifens darf sich
nicht ändern.
Ergebnis: Ein einwandfreier Qualitätskompost muss alle
vorgenannten Prüfungen voll bestehen.
g) Kressetest
Ein Qualitätskompost liegt dann vor, wenn Samen und Wurzeln
nicht mehr geschädigt werden. Hierzu kann man das
Wachstumsergebnis von Kresse als Einheitsmaßstab zugrunde legen:
Eine flache Schale aus Kunststoff oder Keramik mit den
Längenmaßen 40 cm x 25 cm x 6 cm wird mit dem zu prüfenden
Kompost gefüllt und mit 10 g Kressesamen besät. Am zweiten und
vierten Tag wird das verbrauchte Wasser ersetzt. Am sechsten Tag
wird die Kresse mit der Schere geschnitten und gewogen (siehe
SPOHN 1980).
Auswertung:
Eine Ausbeute von 60 bis 100 g ist gut, ein Ergebnis von
mindestens 30 g noch ausreichend.
Die Prüfung mit reinem Kompost ist recht scharf, denn in der
Praxis soll er mit mindestens 2 Teilen Erde oder Torf vermischt
werden. Mit solchen Mischungen sind dann auch die Erträge bei
dem Kressetest höher, bis über 100 g. Statt Kresse kann man
natürlich auch andere Pflanzen nehmen, doch ergibt Kresse am
schnellsten ein Resultat.
Für viele Zwecke ist der Kressetest dennoch nicht schnell genug.
Wer Kompost verkauft oder kauft, braucht eine zuverlässige
Schnellprüfung, wie sie vorstehend beschrieben ist. Liegen
Zweifelsfälle bei der chemischen Schnellprüfung vor, so kann
dann der Kressetest als Schiedsmethode herangezogen werden. |
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8. Land- und Gartenbau
Die vorgestellte analytische Qualitätsprüfung ist nicht nur für
Kompost geeignet, sondern dient auch zum Nachweis von
Fäulniszuständen im Boden, wie sie durch Untergraben oder
Unterpflügen von Mist, Gründüngung, Frisch- und Rohkompost sowie
Bodenverdichtung im Land- und Gartenbau entstehen können.
Das bedeutet, dass das hier beschriebene Messprogramm auch den
aeroben und anaeroben Zustand von Böden erfasst.
Der Pflanzenbau muss sich zukünftig an erster Stelle um die
optimale Förderung des Wurzelwachstums bemühen. Drei Bedingungen
müssen dabei erfüllt werden:
1. Organische Massen wie Frisch- und Rohkompost, Gründüngung,
Stallmist, Gülle und Jauche müssen erst extern
verschiedene wurzeltoxische Rottephasen durchlaufen haben, bevor
sie in den Boden bzw. Wurzelraum (Rhizosphäre) gelangen.
2. Die Bodenbearbeitung darf keine organischen Materialien
vergraben und keine Sperrschichten und Reduktionszonen im Boden
hinterlassen.
3. Eine ausreichende Kalkversorgung des Bodens muss
sichergestellt sein, um die Krümelstabilität zu gewährleisten,
sowie die bei der Humifizierung und Mineralisierung entstehenden
aciden Verbindungen weitgehend zu neutralisieren oder zu
puffern, damit die Säuretoxizität für die Pflanzenwurzeln
eliminiert wird.
In der Praxis wird dadurch über ein verstärktes Wurzelwachstum
das Nährstoff-Aneignungsvermögen der Pflanzenbestände derart
verbessert, dass langfristig hohe Erträge möglich sind. Die
einfach durchzuführende Inprozess-Kontrolle mit Hilfe des
Koffer-Labors wird es ermöglichen, Umweltprobleme, wie
beispielsweise Nitrat im Grundwasser, zu lösen, und dies nicht
mit Kosten und Verlusten, sondern mit zusätzlichen Gewinnen für
die betroffenen Bauern und Gärtner.
9. Ökologische Aspekte
Im Zeichen des Umweltschutzes wird langsam auch in der breiten
Öffentlichkeit klar, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und
Pflanze von der Gesundheit und Harmonie des Bodenlebens abhängt.
Man erkennt, dass diese Harmonie gestört wird durch ungeeignete
Methoden der Bodenbehandlung und durch pflanzentoxische Stoffe,
die sich nicht abbauen, sondern akkumulieren, addieren und
potenzieren. Kerngedanke der Kompostierung ist es, aus
geeigneten organischen Abfällen durch eine gelenkte
Konvertierung ein hochwertiges Produkt zu erzeugen, das sich
durch seine Qualität auszeichnet: also ohne zusätzliche
Umweltverschmutzung und ohne Geruchsbelästigung. Damit ist
Abfall nicht mehr Abfall, sondern Rohstoff. Und Kompostierung
ist organisches Langzeit-Recycling.
Weder ungeordnete, noch geordnete Deponien, noch die Verbrennung
von Müll bilden eine Dauerlösung des Abfallproblems. Wir müssen
uns auf Methoden besinnen, die uns die Natur überall vormacht.
Sie bedient sich der Stoffkreisläufe in ihrem ewig dauernden
Haushalt. Wir müssen den Kreislauf des Lebendigen, den wir
unterbrochen haben, wieder schließen.
10. Verständnis von Naturwissenschaft und Technik in der Welt
von heute
Das naturwissenschaftlich-industriell geprägte
Mensch-Natur-Verhältnis ist eine zunehmende Bedrohung der
natürlichen Umwelt und der Lebensgrundlagen des Menschen. Es
wird erkannt, dass die Natur mehr ist, als sich in Messgrößen
und Formeln fassen lässt. Es wird erkannt, dass der Mensch ein
Teil der Natur ist und nicht die Natur ein Teil des Menschen.
Deshalb gehört der Schutz der natürlichen Umwelt zu den großen
Herausforderungen unserer Zeit. Die Natur ist uns nur
anvertraut, wir können nicht beliebig über sie verfügen. Unser
Ziel muss sein, nachfolgenden Generationen eine menschengerechte
Umwelt zu hinterlassen. Luft, Wasser, Boden, Pflanzen und
Landschaft sind nicht vermehrbar. Ihre Zerstörung ist nur schwer
rückgängig zu machen. Allein eine kluge Nutzung von
Naturwissenschaft und Technik kann die Zukunft der Menschheit
sichern.
Es ist notwendig, den Stellenwert der Umweltprobleme in und für
unsere Gesellschaft zu verdeutlichen. Die Qualität unseres
Lebens und unserer Umwelt hängt maßgeblich davon ab, wie wir uns
in dem dargestellten Dreieck verhalten: Ökologie – Ökonomie –
Technik.
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Resignieren würde Einverständnis mit dem Niedergang
des menschlichen Lebens auf diesem Planeten
bedeuten. Deshalb bleibt allein die Aufgabe, das
Verhalten des Einzelnen und der Gesellschaft zu
ändern, unsere Hoffnung. |
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Literaturverzeichnis
[1] REUTER, G.: Kompostierung wirtschaftseigener Abfälle.
Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu
Berlin, Heft 45 (1954)
[2] KOCH, E.: Qualitätsprüfung für Kompost. UMWELT 3/1987, S. 75
– 76
[3] KOCH, E.: Schnelltests für die Umweltanalytik.
CLB Chemie für Labor und Betrieb, 37. Jg. / Heft 12
(1986), S. 8 – 10
[4] KOCH, E.: Bodenuntersuchung, 2. Auflage 1986, 156 Seiten.
VDSF- Verlags- und Vertriebs-GmbH, Offenbach/Main
[5] PEIFFER, E.: Anleitung für die Kompostfabrikation aus
städtischen und industriellen Abfällen.
Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1957
[6] SPOHN, E.: Selber kompostieren für Garten und Feld.
Schnitzer-Verlag, St. Georgen/Schwarzwald 1980 |
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Energie sparen mit
biologischen Methoden
von
Dr. Erich Koch,
Altshausen |
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Kurzfassung
Das vorliegende Projekt beschreibt ein natürliches Verfahren,
welches energie-intensive Arbeitsprozesse in
Kompostierungswerken ersetzt. Dadurch können jährlich mindestens
10 000 000 Liter Dieselöl allein in Deutschland eingespart
werden und damit wird vermieden, dass mehr als 25 000 Tonnen
klimaschädigendes Kohlenstoffdioxid unnötig in die Atmosphäre
geblasen werden.
Einleitung
Zahlreiche Landkreise in Deutschland sind stolz auf ihre
Kompostierungsanlagen. So auch der im Süden Hessens gelegene
Landkreis Darmstadt-Dieburg mit seinen immerhin fünf
Kompostierungsanlagen in Alsbach-Hähnlein, Groß-Umstadt/Semd,
Pfungstadt, Reinheim und Weiterstadt. Im Jahr 2006 wurden in den
fünf Anlagen beachtliche 53 000 Tonnen an Grün-Müll
verkompostiert. Diese Bilanz ist sehr ermutigend, weil hier
organische Siedlungsabfälle durch Kompostierung in Humuserde
umgewandelt werden. Ein aktiver Beitrag zum Klima- und
Umweltschutz, so schreiben die Kreisverwaltung, der ZAW (=
Zweckverband Abfall- und Wertstoffeinsammlung für den Landkreis
Darmstadt-Dieburg) sowie die DA-DI-Werke in verschiedenen
Broschüren und Handzetteln. Auch die Lokalpresse, das
Darmstädter Echo, berichtet regelmäßig über die
umweltfreundlichen Kompostwerke des Landkreises.
Im Rahmen einer Exkursion wurde die Kompostierungsanlage in
Groß-Umstadt/Semd besichtigt. Die Erläuterungen zum Umwelt- und
Klimaschutz waren zunächst sehr beeindruckt.
Doch der Maschinenpark, angefangen von dem mit beachtlicher
Geschwindigkeit umherfahrenden Frontlader mit seinem riesigen
„Maul“ und dem lärmenden Großshredder, welcher kontinuierlich
mit Holzmasse von einem Kran beschickt wurde, dann die
stationären Maschinen, wie die Schneidwalzenmühle, die
zahlreichen Siebanlagen, sowie die riesigen, sich stetig
drehenden Rotte-Trommeln, all dies ließ einen doch nachdenklich
machen. Soviel Mechanik, Groß-Geräte und schwere Motoren werden
in einer Kompostierungsanlage eigentlich nicht erwartet.
Vielmehr denkt man da an die vielen, vielen Kleinst-Lebewesen,
an die Einzeller, an Stoffwechselprozesse, an biologische
Systeme und an ruhig ablaufende Ab-, Um- und Aufbauprozesse,
welche sich an der organischen Abfall-Masse vollziehen sollten.
Doch die Praxis einer Kompostierungsanlage sieht ganz anders
aus. Von Biologie und Natur, so wie man es einmal im
Schulunterricht gelernt hat, war wenig zu sehen. Statt dessen
schwerer Maschineneinsatz.
Der mächtige Frontlader sauste kreuz und quer über das
Werksgelände, mal hier, mal dort, so ganz unkoordiniert. Aber
mit hoher Geschwindigkeit und einer Präzision, derart, dass man
richtig Herzklopfen bekam. Auffallend war stets die meterhohe
Ruß- und Rauchfahne, welche dieser gelbe Koloss an Frontlader in
den Himmel blies, wenn er vom Ort A zum Ort B mit hoher
Beschleunigung sauste. Und die Maschine war zumindest so emsig
wie eine Ameise.
Eine ewig dunkle Ruß- und Rauchfahne stieß auch der mobile
Großshredder mit seinem 600 PS starken Motor aus. Eigentlich
verständlich, denn diese Maschine musste Schwerstarbeit
verrichten. Ein Kran hievte unentwegt Stubben, Baumwurzeln,
Starkäste und komplette Sträucher in den Trichtermund des
Shredders. Innerhalb von wenigen Sekunden wurde die voluminöse
Holzmasse in handtellergroße Holz-Schnitzel zerkleinert oder in
armlange Fasern zerspant. |
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Erkenntnis: |
1. |
Ein Kompostierungswerk ist eine energieintensive
Anlage. |
2. |
Die Energiepreise sind in den letzten 10 Jahren um
mehr als 100 % gestiegen und werden auch zukünftig
stetig ansteigen. |
3. |
Energie, gewonnen aus fossilen Rohstoffen, schadet
der Umwelt und insgesamt unserem Planeten Erde. |
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Diese drei Tatsachen sind Grund genug,
Alternativen zu entwickeln, um den für bestimmte Arbeitsprozesse
hohen Energieeinsatz zu minimieren oder sogar gänzlich
einzusparen.
Analyse:
Eine sehr energieintensive Maschine mit ca. 600 PS stellt der
Großshredder dar. In dieser mobilen Anlage werden sämtliche
Arten von Resthölzern aus den Bereichen Landschaft, Garten und
Friedhof geshreddert. Dies sind im Allgemeinen:
Wurzelstöcke (Stubben), Starkäste, Baum-Kronen, kleine Bäume,
Rinden und Sträucher.
Eine solche Maschine benötigt für einen Tageseinsatz, je nach
Art des pflanzlichen Abraums und der Laufzeit, ca. 150 bis 300
Liter Diesel-Kraftstoff. Der geshredderte Holzabfall wird in der
Regel in einer weiteren Anlage geraspelt, dann den
Rotte-Trommeln zugeführt, zum Schluss gesiebt und das gesiebte
Material zu Dreiecksmieten aufgesetzt. Diese Mieten werden in
den folgenden 3 Monaten mehrfach mit dem Frontlader zur
Belüftung umgesetzt. Danach erfolgt eine Feinsiebung des
organischen Materials.
Es ist plausibel, hier von einem energieintensiven Prozess zu
sprechen.
Alternative zur Energieeinsparung
Die bisherige Praxis ist, und das gilt für nahezu alle
Kompostwerke in Deutschland, den gesamten Grün-Müll den Anlagen
zur Entsorgung zuzuführen. Es wird bislang nicht differenziert
zwischen dem „weichen“ Grün-Müll (= vegetabile Hausratsabfälle)
und dem „harten“ Grün-Müll (= Resthölzer). Die Kompostwerke in
Deutschland sind mit Anlagen für den „weichen“ Grün-Müll
ausgelegt. Damit ist es erforderlich, den „harten“ Grün-Müll mit
Hilfe sehr energie- und verschleißintensiven Maschinen in einen
„weichen“ Grün-Müll umzuwandeln.
Deshalb ist die einfachste Lösung, den „harten“ Grün-Müll (=
Resthölzer, Holzabraum) generell nicht zu shreddern und nicht
dem üblichen Arbeitsprozess der „weichen“ Grünmüll-Kompostierung
beizumischen.
Dies wäre mit Abstand die umweltfreundlichste und
kostengünstigste Lösung.
Wege der alternativen Entsorgung
Der naheliegende Gedanke ist, die zu entsorgenden Resthölzer
wieder in den biologischen Kreislauf zurückzuführen. Wie dies
erfolgen kann, soll im Folgenden beschrieben werden.
Die Resthölzer werden zu einer Dreiecks- oder Trapezmiete
abgeladen. Der Lkw oder der Traktor mit Anhänger fährt an einem
„Stubben-Wall“ entlang und kippt am Ende des Walls den
Holzabraum ab. Die Abbildungen Nr. 1, 2 und 3 zeigen
schematisch das Anlegen und den Aufbau der „Stubben-Wälle“.
Auch schwache Hölzer wie Reisig, Äste, Rinden und Blätter können
auf dem „Stubben-Wall“ abgeladen werden. Im Herbst soll nach
Möglichkeit der gesamte Laub-Kehricht einer Gemeinde oder Stadt
über den „Stubben-Wall“ verteilt werden. Nach dem Erreichen
einer Endhöhe des „Stubben-Walls“ von ca. 1 – 2 Metern, wird er
mit überschüssigem Bodenaushub übererdet. In der Abbildung
Nr. 4 ist dieser beschriebene Aufbau schematisch skizziert.
Erreicht der Wall seine Endlänge, wird er von der anderen Seite
beschickt (siehe Abbildung Nr. 2). Ist diese Seite des
Walls auf seiner gesamten Länge mit Abraumholz verfüllt, so
erfolgt eine erneute Beschickung auf der gegenüberliegenden
Seite des „Stubben-Walls“. Damit baut sich der „Stubben-Wall“
streifenweise auf, weil der Wall sukzessive einmal von der
linken und dann von der rechten Seite mit Abraumholz beschickt
wird. Der Wall wird zunehmend breiter. Die Abbildung Nr. 3
zeigt schematisch den beschriebenen Ablauf.
Notwendige Voraussetzung
Eine notwendige Voraussetzung für die alternative Entsorgung ist
eine geeignete Brachfläche. Im Landkreis Darmstadt-Dieburg
fallen jährlich ca. 10 000 m³ solcher Resthölzer an. Um die
Entsorgungswege für den Holzabraum möglichst gering zu halten,
sollten sich die Entsorgungsflächen über den gesamten Landkreis
annähernd gleichmäßig verteilen. Optimal wäre die Nähe zu den 5
bestehenden Kompostierungsanlagen. Benötigt werden pro Anlage
ca. 1 Hektar Fläche, um den Holzabraum für die nächsten
Jahrzehnte im Landkreis Darmstadt-Dieburg zu entsorgen und in
den biologischen Kreislauf einzugliedern.
Eine landesweit durchgeführte Bestandsaufnahme des Hessischen
Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt ergab, dass
zahlreiche landwirtschaftliche Flächen brach liegen. So beträgt
nach dieser Studie das Brachland der landwirtschaftlich
nutzbaren Fläche im ehemaligen Landkreis Dieburg 4,8 %, im
Landkreis Offenbach 22,6 %, im Dillkreis sogar 36,1 %.
Hier bietet sich an, solche landwirtschaftlich nicht genutzten
Flächen für eine biologische Kreislaufwirtschaft zu benutzen.
Für die Ausweisung einer Fläche sind in der Regel keine
Investitionskosten notwendig. Aufgrund der voluminösen Struktur
des Holzabraumes liegt die mittlere Dichte bei 0,2 – 0,3 kg/dm³.
Damit kann nahezu jeder einfach gebaute Feldweg mit einem Lkw
oder einem landwirtschaftlichen Fahrzeug befahren werden.
Entlang des „Stubben-Walls“ werden Äste und Zweige quer gelegt
und es entsteht ein sog. „Knüppel-Weg“ als Fahrweg für die
Fahrzeuge.
Energieanschlüsse sind nicht notwendig, bei dem hier
vorgestellten Konzept der ökologischen Kreislaufführung sogar
unerwünscht.
Wege der alternativen Entsorgung
Der naheliegende Gedanke ist, die zu entsorgenden Resthölzer
wieder in den biologischen Kreislauf zurückzuführen. Wie dies
erfolgen kann, soll im Folgenden beschrieben werden.
Die Resthölzer werden zu einer Dreiecks- oder Trapezmiete
abgeladen. Der Lkw oder der Traktor mit Anhänger fährt an einem
„Stubben-Wall“ entlang und kippt am Ende des Walls den
Holzabraum ab. Die Abbildungen Nr. 1, 2 und 3 zeigen schematisch
das Anlegen und den Aufbau der „Stubben-Wälle“.
Auch schwache Hölzer wie Reisig, Äste, Rinden und Blätter können
auf dem „Stubben-Wall“ abgeladen werden. Im Herbst soll nach
Möglichkeit der gesamte Laub-Kehricht einer Gemeinde oder Stadt
über den „Stubben-Wall“ verteilt werden. Nach dem Erreichen
einer Endhöhe des „Stubben-Walls“ von ca. 1 – 2 Metern, wird er
mit überschüssigem Bodenaushub übererdet. In der Abbildung Nr. 4
ist dieser beschriebene Aufbau schematisch skizziert.
Erreicht der Wall seine Endlänge, wird er von der anderen Seite
beschickt (siehe Abbildung Nr. 2). Ist diese Seite des Walls auf
seiner gesamten Länge mit Abraumholz verfüllt, so erfolgt eine
erneute Beschickung auf der gegenüberliegenden Seite des
„Stubben-Walls“. Damit baut sich der „Stubben-Wall“
streifenweise auf, weil der Wall sukzessive einmal von der
linken und dann von der rechten Seite mit Abraumholz beschickt
wird. Der Wall wird zunehmend breiter. Die Abbildung Nr. 3 zeigt
schematisch den beschriebenen Ablauf.
Notwendige Voraussetzung
Eine notwendige Voraussetzung für die alternative Entsorgung ist
eine geeignete Brachfläche. Im Landkreis Darmstadt-Dieburg
fallen jährlich ca. 10 000 m³ solcher Resthölzer an. Um die
Entsorgungswege für den Holzabraum möglichst gering zu halten,
sollten sich die Entsorgungsflächen über den gesamten Landkreis
annähernd gleichmäßig verteilen. Optimal wäre die Nähe zu den 5
bestehenden Kompostierungsanlagen. Benötigt werden pro Anlage
ca. 1 Hektar Fläche, um den Holzabraum für die nächsten
Jahrzehnte im Landkreis Darmstadt-Dieburg zu entsorgen und in
den biologischen Kreislauf einzugliedern.
Eine landesweit durchgeführte Bestandsaufnahme des Hessischen
Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt ergab, dass
zahlreiche landwirtschaftliche Flächen brach liegen. So beträgt
nach dieser Studie das Brachland der landwirtschaftlich
nutzbaren Fläche im ehemaligen Landkreis Dieburg 4,8 %, im
Landkreis Offenbach 22,6 %, im Dillkreis sogar 36,1 %.
Hier bietet sich an, solche landwirtschaftlich nicht genutzten
Flächen für eine biologische Kreislaufwirtschaft zu benutzen.
Für die Ausweisung einer Fläche sind in der Regel keine
Investitionskosten notwendig. Aufgrund der voluminösen Struktur
des Holzabraumes liegt die mittlere Dichte bei 0,2 – 0,3 kg/dm³.
Damit kann nahezu jeder einfach gebaute Feldweg mit einem Lkw
oder einem landwirtschaftlichen Fahrzeug befahren werden.
Entlang des „Stubben-Walls“ werden Äste und Zweige quer gelegt
und es entsteht ein sog. „Knüppel-Weg“ als Fahrweg für die
Fahrzeuge.
Energieanschlüsse sind nicht notwendig, bei dem hier
vorgestellten Konzept der ökologischen Kreislaufführung sogar
unerwünscht.
Kompostierung des Holzabraumes
Der „Stubben-Wall“ kann mit einem Bioreaktor verglichen werden.
Durch die voluminöse Struktur des Holzabraumes werden ideale
Bedingungen für die Destruenten (Zersetzer) wie Bakterien,
Pilze, Algen, Urtierchen, Asseln, Käfer, Ameisen, Milben,
Regenwürmer und viele andere Kleinlebewesen geschaffen.
Bekanntlich benötigen die Destruenten Luftsauerstoff, also
aerobe Bedingungen, um eine Zersetzung des Holzabraumes
einzuleiten.
Ausschließlich holzartige Materialien sind in der Regel schwer
verrottbar. Deshalb ist es notwendig, im Herbst auf die
„Stubben-Wälle“ Laub-Kehricht und Grasschnitt zu geben und das
Ganze mit einer dünnen Bodenschicht abzudecken.
Kompostierung des Holzabraumes
Der „Stubben-Wall“ kann mit einem Bioreaktor verglichen werden.
Durch die voluminöse Struktur des Holzabraumes werden ideale
Bedingungen für die Destruenten (Zersetzer) wie Bakterien,
Pilze, Algen, Urtierchen, Asseln, Käfer, Ameisen, Milben,
Regenwürmer und viele andere Kleinlebewesen geschaffen.
Bekanntlich benötigen die Destruenten Luftsauerstoff, also
aerobe Bedingungen, um eine Zersetzung des Holzabraumes
einzuleiten.
Ausschließlich holzartige Materialien sind in der Regel schwer
verrottbar. Deshalb ist es notwendig, im Herbst auf die
„Stubben-Wälle“ Laub-Kehricht und Grasschnitt zu geben und das
Ganze mit einer dünnen Bodenschicht abzudecken.
Der „Stubben-Wall“ als Lebensraum für Pflanzen und Tiere
Der „Stubben-Wall“ soll bewusst bepflanzt werden, um einmal als
Kohlenstoffdioxid-Absorber zu wirken, zum anderen soll er auch
ein Lebensraum für Pflanzen und Tiere werden. Als Bepflanzung
eignen sich die folgenden Sträucher:
Holunder, Feld-Hasel, Hartriegel, Weide, Liguster, Sanddorn,
Feld- und Hundsrose.
Als Bäume können gepflanzt werden:
Akazie, Feldahorn, Spitzahorn, Sommerlinde, Vogelbeere, Buche,
Stiel- und Traubeneiche.
Stauden, Wildkräuter, Gräser und Moose siedeln sich durch
Samenanflug von selbst an.
Die zunehmende Durchwurzelung des „Stubben-Walls“ durch die
Kraut-, Strauch- und Baumschicht bewirkt einen höchst
wünschenswerten Effekt:
|
die „biologische Verschmelzung“ des ehemaligen
Holzabraumes.
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Ein weiterer positiver Effekt des
„Stubben-Walls“ ist seine erhöhte Lage gegenüber dem übrigen
Gelände. Damit kann er mit einem Hügelbeet eines Kleingartens
oder einer Gärtnerei verglichen werden. Dies kann für die Baum-
und Strauchvegetation von Vorteil sein, falls das Gelände
vernässt oder stark verdichtet ist.
Der fortgeschrittene „Stubben-Wall“ mit seinen Gehölzen und
krautreichen Pflanzenbeständen bietet in der Feldflur Lebensraum
für eine große Zahl von Tieren. Vornehmlich in den zahlreichen
Hohlräumen des Stubben-Walles, den Spalten, Astlöchern, morschen
Ästen finden alle möglichen Kleintiere eine Heimat.
Wirtschaftlichkeit
Ein marginales Beispiel soll verdeutlichen, um welches reale
Einsparpotenzial es bei der Grünmüll-Entsorgung geht. In den
vergangenen Jahren sind größere Mengen an Grünmüll aus dem
Landkreis Darmstadt-Dieburg nach Thüringen transportiert worden.
Die einfache Fahrtstrecke beträgt mehr als 200 Kilometer und es
wurde dabei überwiegend gebundenes Wasser transportiert, da der
Grünmüll einen Feuchtigkeitsgehalt von 50 – 95 % aufweisen kann.
Mehr als 20 000 Liter Diesel-Kraftstoff wurden pro Jahr unnötig
verbraucht, um überwiegend im Grünmüll enthaltenes Wasser aus
einem südhessischen Landkreis in das Bundesland Thüringen zu
transportieren.
Die Entsorgung des sog. „harten“ Grünmülls ist für jede Gemeinde
und Stadt sowie für jeden Landkreis in Deutschland relevant. Das
durchschnittliche Einsparpotenzial an Diesel-Kraftstoff eines
Landkreises liegt bei ca. 30 bis 40 000 Liter jährlich. Auf alle
Landkreise in Deutschland hochgerechnet, würde sich eine
jährliche Einsparung von mindestens 10 Millionen Liter
Diesel-Kraftstoff ergeben, was einer Reduktion von ca. 25 000
Tonnen an Kohlenstoffdioxid entspricht.
Evaluation
Umwelt- und Klimaschutz sollten zu Hause anfangen, ebenso auch
in der Schule. Es fehlt oft an Kenntnissen oder an der Lust,
sich aktiv mit diesen Themen zu beschäftigen. Hat man die von
den schweren Maschinen ausgestoßenen Rauchschwaden „fast vor der
Haustüre“, so gibt dies sicherlich den Anstoß, über
Verbesserungen der Grünmüll-Entsorgung nachzudenken.
Die Umwelt- und Klimaproblematik ist zur Überlebensfrage
geworden. Wir können die Fortschritte unserer Zivilisation nur
nutzen, wenn wir die Natur um uns, die uns am Leben erhält,
ebenfalls am Leben erhalten. Mit dem vorliegenden Beitrag wurde
ein einfacher und praktikabler Weg aufgezeigt, wie ein primär
lästiger Grünmüll-Abfall durch die Rückführung in den
biologischen Kreislauf in „lebendige Erde“ umgewandelt wird.
Die Gedanken zur Energieeinsparung mit biologischen Methoden
sollen abschließend anhand zweier Kreislauf-Schemata
verdeutlicht werden:
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- Abbildung Nr. 5: Offener Kreislauf (heute bestehender
Zustand)
- Abbildung Nr. 6: Geschlossener Kreislauf (zukünftiger
Zustand)
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Anlagen
Auf den folgenden Seiten sind vereinfachte Schema-Zeichnungen
angefertigt worden, um die Projekt-Idee besser verständlich zu
machen.
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Abbildung Nr. 1: |
Anlegen des 1. Stubbenwalls |
Abbildung Nr. 2: |
Anlegen des 2. Stubbenwalls |
Abbildung Nr. 3: |
Alternierender Aufbau der Stubbenwälle |
Abbildung Nr. 4: |
Schematischer Aufbau eines Stubbenwalls
(Querschnitt) |
Abbildung Nr. 5: |
Gegenwart: Entsorgung von Abraumhölzern (offener
Kreislauf) |
Abbildung Nr. 6: |
Zukunft: Entsorgung von Abraumhölzern im
ökologischen Kreislauf (geschlossener Kreislauf) |
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Abb. Nr. 1 Anlegen des 1.
Stubbenwalls
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Abb. Nr. 2 Anlegen des 2.
Stubbenwalls
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Abb. Nr. 3 Alternierender
Aufbau der Stubbenwälle
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Abb. Nr. 4 Schemtaischer
Aufbau eines Stubbenwälle im Endzustand (Querschnitt
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Abb. Nr. 5
Gegenwart: Entsorgung von Abraumhölzern (offener
Kreislauf)
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Abb. Nr. 6 Zukunft:
Entsorgung von Abraumhölzern im ökologischen Kreislauf
(geschlossener Kreislauf)
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