Dido und Äneas

oder
 
Die ökologische Art, Schnecken zu reduzieren.
 

 

Zehn Jahre lang hatten wir unsere chinesischen Schneckenenten und hatten uns an sie gewöhnt wie an echte Haustiere, wie an einen Hund oder an eine Katze. Nun hat das H5/N1-Virus unsere Entenzeit für uns ungewollt und sehr plötzlich beendet. Die Tiere haben unter der Aufstallung so gelitten, dass wir sie an den Bauernhof zurückgegeben haben, von dem sie hergekommen sind. Dort haben sie einen weitaus größeren Stall und – konform mit dem Gesetz - auch etwas Auslauf.

Vor diesen zehn Jahren hatte meine Frau im Frühsommer oft morgens und abends je eine Stunde lang Schnecken eingesammelt, um mit dieser Plage einigermaßen fertig zu werden. Dann kam aber immer noch die schwierige Frage, wie bringt man die Schnecken vom Leben zum Tode. Das Wort „Entsorgung“ trifft nicht im Geringsten die großen Schwierigkeiten, die sich hier auftun. Wir haben ein großes Grundstück, und es waren oft genug mehrere hundert Schnecken, die meine Frau täglich eingesammelt hat. Dennoch hat sie sich mit der Anschaffung von Enten nicht anfreunden wollen.

Unser Sohn Michael, schon deutlich länger bei der ödp als sein Vater, pflegt in solchen Situationen zu sagen, dass die Natur das alles alleine regelt. Aber von der Natur war natürlich auch vorgesehen, dass am offen gebliebenen Dorfbach die Enten die Böschung heraufsteigen, um die Schnecken abzulesen. Und vor allem ist von der Natur auch nicht gedacht, dass die Winter von Jahr zu Jahr immer noch wärmer werden, denn bei kalten Temperaturen geht ein großer Teil der Schneckeneier zugrunde.

Jedenfalls stand vor zehn Jahren plötzlich ein Stall hinter der Garage, von meiner Frau mehr als misstrauisch beäugt. Am Pfingstsamstag habe ich ein Pärchen Schneckenenten geholt, sie bis Pfingstmontag eingesperrt gelassen, damit die Tiere sich an den Stall gewöhnen. Sie wissen dann abends, wo sie hingehören.



Am Pfingstmontag habe ich sie während unseres Frühstücks herausgelassen. Sie brauchten eine Weile, bis sie sich vom gewohnten Stall in den fremden Garten getraut haben. Der Sohn Ulrich, auf Pfingsturlaub zu hause, war begeistert von diesen schönen Tieren, die ganz aufrecht und völlig sorglos durch die Wiese liefen, als wären sie schon immer hier zuhause. So baute auch die Ehefrau ihre Vorbehalte von Stunde zu Stunde ab, zumal sie sehen konnte, dass diese beiden Tiere ihr tatsächlich die Arbeit des Schneckeneinsammelns abnahmen.

Ulrich sang in seinem Chor gerade „Dido und Äneas“, und so waren für die beiden rasch die Namen gefunden. Die chinesischen Schneckenenten haben vor anderen Entenarten den großen Vorteil, dass sie sich nicht für den Gemüsegarten interessieren, sondern sich tatsächlich hauptsächlich von Schnecken ernähren. Wir haben zweimal am Tag frisches Weizenschrot zugefüttert und natürlich dafür gesorgt, dass immer frisches Trinkwasser vorhanden war.

Wem kann man zur Anschaffung von Schneckenenten raten?
Alle, die Hemmungen haben, mit Schere oder Salzfass oder gar mit Schneckenkorn durch den Garten zu gehen, um die ungeliebten Kriechtiere vom Leben zum Tode zu bringen, sollten sich mit dieser ökologischen Alternative gedanklich auseinandersetzen. Eine Ente kann sicher 1000 m2 Gartenland schneckenfrei halten. Wer einen kleineren Garten besitzt, sollte sich mit einem Nachbarn, vielleicht sogar mit mehreren, zusammentun. Der Zaun muss dann an einer Stelle durchgängig sein. Enten gehen bei beginnender Dämmerung in der Regel alleine in den Stall. Man muss ihn dann allerdings zumachen, sonst suchen sie sich eventuell einen anderen Ruheplatz, wenn vorhanden, das Wasser.

Wer Enten zu versorgen hat, ist ans Haus gebunden. Man muss sie morgens rauslassen, abends wieder einsperren. Vergisst man dies, kann eine einzige Nacht für sie tödlich sein, zum Beispiel durch den Besuch des Fuchses oder eines Marders. Im Urlaub müssen Nachbarn die Enten versorgen.

Besteht ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis, halten sich die sonstigen Kosten in Grenzen. Wir nehmen getrocknetes Gras, also Heu, das sich jahrelang aufbewahren lässt, als Bodenbelag. Beim Misten alle drei bis vier Tage kommt dies dann auf den Komposthaufen. Ein großer Sack Weizen kostet nur ein Minimum und reicht für ein halbes Jahr. Schon lange sind wir dazu übergegangen, Weizenschrot und Wasser nicht mehr in getrennten Näpfen anzubieten. Wir geben den ungeschroteten Weizen direkt in das Wasser, denn die Enten werfen zunächst den Weizen sowieso ins Wasser, bevor sie ihn dann hochschlürfen. Wir schroten nur noch für die Kücken, bis diese ein Alter von ca. sechs Wochen erreicht haben. Dann kann man davon ausgehen, dass sie ein Steinchen verschluckt haben, das ihnen im Magen bei der Verdauungsarbeit behilflich ist.

Die Enten gehen wenig behutsam mit ihrem Futternapf um. Sie treten ungeniert darin herum, so dass er in kurzer Zeit stark verdreckt ist. Gänse sind sauberer. Deswegen sind Enteneier auch in hohem Maße mit Salmonellen verseucht und müssen, möchte man sie verzehren, 10 Minuten gekocht werden. Einfacher ist es, Enteneier in einem Kuchen zu verwerten. Da werden durch die hohe Temperatur die evtl. vorhandenen Salmonellen auf jeden Fall abgetötet.

Das H5N1 - Virus
Enten sollen den H5N1-Virus übertragen können, ohne selbst zu erkranken, eine parallele Situation zu den Salmonellen. Enten sind sehr wenig empfindlich, wenn es um die Nahrungsaufnahme geht. Katzen spielen zuerst mit der Maus, um ganz sicher zu sein, dass sie kein Aas fressen. Enten haben andere Schutzmechanismen. Auch bei den Krähen muss man solch ein gut funktionierendes Immunsystem im Darm voraussetzen, da sie sich ja gerne von Aas ernähren. Von daher wäre es wichtig, bei lebenden Enten und toten Krähen routinemäßig Untersuchungen auf das H5N1-Virus durchzuführen.

 

Die Aufzucht der Kücken
Im ersten Jahr hatten wir keinerlei Schwierigkeiten mit unseren Kücken. Dido legte ungefähr 15 Eier, aus diesen schlüpften ca. 13 Kücken. Die ersten beiden Tage fehlte abends jeweils eines und damit überlebten 11 auf Dauer. So konnten wir nach zwei Monaten eine ganze Anzahl von Enten an Interessierte verschenken. Wenn man nicht auf dem Bauernhof groß geworden ist, hat man einiges zu lernen, wenn man Geflügel betreut. So brauchten wir doch einige Zeit, bis wir feststellten, dass der Erpel kaum zu hören ist. Die Phonzahl von Erpel zu Ente ist ungefähr wie eins zu vier. Es ist nicht so wie beim Hahn, der durch sein lautes Krähen seine Hühner beieinander hält.

Erpel und Ente laufen immer miteinander durch die Wiese. Er läuft ihr nach, schaut nach einer möglichen Gefahr und versucht, sie zu beschützen. Wenn die Ente eine gewisse Anzahl von Eiern gelegt hat, in der Regel pro 24 Stunden eines, entschließt sie sich von heute auf morgen, mit dem Brüten anzufangen. Das bedeutet, dass dann alle Kücken auf einmal schlüpfen, also innerhalb von 24 Stunden. Nach einem Tag verlässt die Mutterente mit ihren Kücken das Nest und gibt die noch nicht geschlüpften Kücken dem Verderben preis.

Das ist so der bessere Weg, denn die schon geschlüpften Kücken würden als Nestflüchter sich ohne den lockenden Ruf der Mutter im Garten verlaufen und wären verloren. Bauersfrauen werfen dann manchmal die übrig gebliebenen Eier auf den Kompost, wo sie bei schönem Wetter die Sonne noch ausbrüten kann. Läuft dann der Hofhund als erstes Lebewesen am Kompost vorbei, so werden die Kücken auf den Hund geprägt und müssen ihm ein Leben lang nachlaufen. Die Prägung kann nicht rückgängig gemacht werden. Werden die restlichen Eier von einem Menschen fürsorglich bei 37 Grad im Backofen ausgebrütet, so erfolgt eine Prägung auf den Menschen, was für das Tier aber doch irgendwann in eine Sackgasse führt.

Für Äneas beginnt mit der Zeit des Brütens von Dido eine schreckliche Zeit. Er möchte seine Partnerin von den Eiern weglocken, damit er nicht alleine durch den Garten spazieren muss. Sie aber darf nur drei bis vier Mal pro Tag für eine gute Viertelstunde ihr Nest verlassen, um das Brutgeschäft nicht unnötig hinauszuziehen. Lässt sie sich in dieser Zeit vom Erpel treten, so legt sie Eier, die von vornherein verloren sind, weil die Kücken zu spät schlüpfen. Angebrütete Eier dürfen nicht länger als 12 Stunden ohne die Wärme der Mutterente sein, sonst stirbt die Frucht ab.



Äneas leidet in dieser Zeit sichtlich, läuft wie gestört durch den Garten und versteht die Welt nicht mehr. Am besten wäre es natürlich, wenn er Dido beim Brüten ablösen könnte, aber da hat er sich noch nicht emanzipiert. Je näher der Tag des Schlüpfens kommt, umso kürzer werden die Ausflüge der Ente zum Fressen und Baden. Und eines Tages erscheint sie nicht am Futternapf. Sie muss nun 24 Std. ununterbrochen bei ihren Eiern bleiben, um das erste Lebewesen zu sein, das den frisch geschlüpften Kücken begegnet. Wenn wir uns dem Stall nähern, verstecken sich die schon geschlüpften Kücken im Gefieder der Mutter. Wir hören, uns anschleichend, nur am Piepsen, dass das erste Kücken da sein muss.

Wir bauen nun ein Gatter um den Stall, nach oben wegen der Krähen gut abgedeckt, so dass Mutter und Kücken etwas Auslauf haben. Die Kleinen bekommen von uns eine Mischung von geschrotetem Weizen und frisch zerkleinerten Holunderblättern als Brei. Aber sie können, nur einen Tag alt, auch schon eine Fliege fangen oder einen Wurm aus dem Boden ziehen.

Wenn nun die Kücken zum ersten Mal aus dem Gatter dürfen, so muss man den Erpel im Blickfeld haben. Er kennt keine Vatergefühle. Entweder er läuft weiterhin alleine durch den Garten oder er geht auf die Kücken los, packt sie mit dem Schnabel und schleudert sie hin und her, bis sie möglicherweise tot liegen bleiben. Man muss ihn dann einen Tag lang einsperren.

Die Ente schaut nicht zurück zu ihren Kücken, sondern läuft voran und lockt. Sie kommt nur zurück, wenn ein Kücken um Hilfe piepst, also zum Beispiel bei unwegsamem Gelände nicht mehr weiterkommt.

Ob der Erpel bei den kleinen Kücken schon das Geschlecht unterscheiden kann und nur männliche, also spätere Rivalen attackiert, wissen wir nicht. Wir selbst müssen zur Geschlechtsunterscheidung warten, bis sich bei den männlichen Kücken der Schnabel grün verfärbt. Das Wort „Grünschnabel“ für einen Jugendlichen kommt also aus dem Tierreich. Die Verfärbung der Federn kommt erst später. Damit kann dann Jeder Erpel und Ente auseinander halten. Wie bei den Singvögeln haben die Weibchen eine einfache Färbung, während die Männchen mit bunteren Farben aufwarten können. Auch haben sie die eindrucksvollere Schwanzfeder.

Nach Wochen der Attacken auf seine Kücken kommt aber schließlich doch der Tag, an dem sich der Erpel um seine Kücken kümmert.

In unserem Garten ist eine Tiergemeinschaft, die sich gegenseitig auf Gefahren aufmerksam macht. Die Amseln warnen vor Nachbars Katze, die Elstern warnen vor den Krähen und manchmal herrscht auf einen Schlag Totenstille. Da kann sein, man sieht einen Sperber pfeilschnell durch den Garten fliegen.

Wenn Erpel und Ente, beide synchron flügelschlagend, auf Nachbars Katze losgehen, dann verdrückt sie sich, obwohl sie bei uns auch Heimatrecht hat. Die Enten wissen sich bei den Amseln in der Schuld. Vergangenes Frühjahr, wir hatten zwei Enten und einen Erpel, da haben sie eines Tages dermaßen laut geschrieen, dass wir entsetzt schnell im Garten nachgeschaut haben. Sie wollten uns auf eine Katze aufmerksam machen, die zu einem Amselnest hochgeklettert war. Die Katze ist bei unserem Erscheinen sofort geflohen.
 



In unseren ersten Entenjahren hatten wir noch Elstern. Zwischenzeitlich hat die Überzahl von Krähen alle Elstern vertrieben. Wenn diese schwarz-weißen Vögel vor den Krähen gewarnt haben, dann hat der Erpel die Kücken ins Wasser getrieben. Sie waren dort etwas sicherer.
 

Verhaltensgestörte Enten
Wie bei den Menschen gibt es auch bei den Enten verhaltensgestörte Tiere, an denen man keine Freude hat. Das sind Enten, die nicht von einem Muttertier ausgebrütet worden sind, sondern von einem Brutapparat. Kauft man also Kücken, oder besser Jungtiere, so ist die wichtigste Frage, wie sie zur Welt gekommen sind. Kücken aus dem Brutapparat sind zunächst enorm ängstlich. Sie sind, etwas älter geworden, nicht ortstreu und haben große Schwierigkeiten, ein Nest zu bauen und dann zu brüten. Auch können sie nicht hudern, also bei kaltem Wetter ihre Kücken unter ihren Flügeln wärmen. Wir hatten einmal eine solche Ente, die hat mal da, mal dort ein Ei in den Garten gelegt, ohne ein Nest bauen zu können. Diese Enten sind recht für den Kochtopf, wobei wir in den letzten 10 Jahren nie eine Ente für den eigenen Bedarf geschlachtet haben.

Auch wenn man um die unbedingte Notwendigkeit der Prägung durch eine Mutterente weiß, kann es vorkommen, dass man auf einen Brutapparat angewiesen ist. Da stirbt zum Beispiel eine brütende Ente zwei Wochen bevor man das Schlüpfen der Kücken erwartet, entweder einen natürlichen Tod, oder sie wird vom Fuchs geholt. Während noch nicht angebrütete Eier wochenlang unbeschadet liegen bleiben können, ist hier für angebrütete Eier, wie oben schon ausgeführt, eine Grenze von 12 Std. gesetzt. Wenn man nun nicht selbst stolzer Besitzer eines solchen Brutapparates ist, sondern die Eier weggeben muss, so sollte ganz intensiv besprochen werden, dass die Eier nur im Beisein einer weiblichen Ente schlüpfen dürfen. Das muss keine Ente sein, die schon einmal Kücken aufgezogen hat. Der Anblick eines Kückens genügt, um bei allen (weiblichen) Enten mütterliche Gefühle auszulösen. Was bei Entenkücken in wenigen Sekunden abläuft, dauert bei menschlichen Säuglingen mindestens sechs Wochen. Solange ist der Kontakt zur gleichen Bezugsperson notwendig. Auch hier muss es nicht unbedingt die eigene leibliche Mutter sein.

Der Erpel Alfons
Wir hatten einmal zwei solcher Enten aus einem Brutapparat, dazu einen sehr guten Erpel. Sind Enten ortstreu und respektieren ein offenes Gartentor dennoch als ihre Grenze, so kann man ohne Schwierigkeiten einen fremden Erpel dazukaufen. Er wird seine Damen begleiten und nie eigene Wege gehen. Kauft man jedoch weibliche Enten neu ein, muss man ihnen, mehr oder weniger mühsam, die Grenzen ihres neuen Reviers beibringen. Das gelingt bei verhaltensgestörten Enten nicht. Sie lassen sich nicht belehren. Das war eines Tages das Todesurteil für unseren guten Erpel. Er kam nicht mehr zurück. Wahrscheinlich ist er den Heldentod gestorben, als er seine beiden Enten gegen einen Hund verteidigt hat.

In dieser Situation haben wir von Alfons gehört, einem Erpel aus einem benachbarten Dorf. Er hatte eine böse Kindheit hinter sich gebracht. Er war noch nicht geschlüpft, da hatte seine Entenmutter mit den schneller geschlüpften Kücken das Nest und damit auch ihn verlassen. Die Bauersfrau wurde seine zweite Mutter, nahm das noch nicht ausgebrütete Ei in die Küche und ließ es im Backofen reif werden. Das Kücken schlüpfte also in der Küche, war auf Menschen geprägt und erhielt, nachdem das Geschlecht feststand, den Namen Alfons. Katze und Hund tolerierten Alfons als zur Familie gehörig und taten ihm nichts. Und wenn die Bauersfrau im Dorf einen Ausgang machte, wurde sie von Hund, Katze und Erpel begleitet, was innerhalb des Dorfes, besonders aber bei Fremden zur Erheiterung beitrug. Eines Tages war Alfons aber einfach zu groß für die Küche. Die Ziehmutter brachte ihn raus an den See zu seinen Eltern und Geschwistern.

Diese erkannten aber sofort, dass er kein normaler Erpel war und versuchten, ihn umzubringen. Alfons war ausgewachsen und stark, ging zwar seiner Schwanzfeder verlustig, konnte aber überleben, zumal der See ja eine große Fluchtfläche bot. Er hatte aber kein schönes Leben, da er auch auf Dauer von seinen Artgenossen nicht anerkannt wurde. Da hörte die Bäuerin davon, dass wir nur zwei Enten und keinen Erpel hatten. So kam Alfons zu uns.
 


Schon mehrfach hatten wir, wenn ein Tier zu Tode gekommen war und das andere maßlos trauerte, sehr schnell einen neuen Partner für es gesucht. Und jedes Mal war dann die Freude für den überlebenden Teil sehr groß. Diesmal nicht. Die beiden weiblichen Enten schrieen auf und flüchteten erschreckt ins Gebüsch, als sie Alfons zum ersten Mal sahen. Es dauerte Tage bis sie sich aneinander gewöhnt hatten. Alfons aber blieb auf den Menschen geprägt. Machten wir einen Gartenspaziergang, verließ er seine Schützlinge und kam zu uns. Dennoch legten auf Dauer beide Enten Eier. Die eine legte jeden Tag ihr Ei an eine andere Stelle im Garten, die andere konnte ein Nest bauen, die Eier auch ausbrüten, aber die Kücken nicht hudern, so dass diese die erste Schlechtwetterphase nicht überstanden. Die mangelnde Distanzierung von den Menschen, bei Alfons vielleicht auch von einem Hund, brachte diesen drei verhaltensgestörten Tieren ein schnelles Ende. Eines Tages kamen sie abends nicht wieder. Dass sie in den Kochtopf oder die Bratpfanne gewandert sind, ist nicht sehr wahrscheinlich. Schneckenenten gelten in der Regel als ungenießbar, was wir überall so erzählt haben. Das gilt aber nur dann, wenn sie nicht mit Weizen zugefüttert werden.

Der Kampf mit den Krähen
Die Krähen haben drei Jahre gebraucht, bis sie gemerkt hatten, dass sich bei uns im Garten eine neue Nahrungsquelle für sie aufgetan hat. Seither ist für uns die Aufzucht der Kücken fast unmöglich geworden. Auch ohne Kücken bedrängen die Krähen die Enten und wollen deren Futternapf für sich. Sie holen vom benachbarten Kindergarten Brotreste, werfen diese zum Aufweichen in den Futternapf der Enten und meinen dann, der Futternapf wäre für sie da. Auch wenn die Enten friedlich unter einem Strauch Siesta halten, was sie viel öfters tun als die Menschen - da kann man von ihnen lernen – können die Krähen zu ihnen kommen, um sie zu erschrecken. Sie mögen sich nicht, die beiden Spezies einer Gattung. Die Krähen sind wohl voller Verachtung für diese dummen Tiere. Die Enten, im Wissen, dass wir Menschen ihre Freunde sind, fühlen sich dennoch den Krähen überlegen.

 



Sobald die Enten im Frühjahr ihre ersten Eier im Stall hinterlassen, nicht daran denkend, dass sie diese ja eigentlich unter dem vorhandenen Heu verstecken könnten, kommen die Krähen und fliegen dann mit einem Ei im Schnabel wieder weg. Wir müssen also morgens, sobald die Enten den Stall verlassen haben, die Türe wieder schließen. Das geht gut, bis die Ente anfängt zu brüten, also auf ihrem Nest sitzen bleibt. Sie darf dann morgens raus, geht baden, sucht nach dem Verzehr der Weizenkörner sehr schnell und aufgeregt ihre eiweißreiche Nahrung und stellt sich dann vor das Küchenfenster, um der Frau des Hauses zu signalisieren, dass sie den vorsorglich geschlossenen Entenstall wieder aufmachen soll. Die Ente wird dann wieder eingeschlossen, um den Krähen keine Chance zu geben. Dasselbe wiederholt sich mittags und abends. Wir müssen also mehrmals am Tag den Stall auf- und zumachen, um die Krähen abzuhalten. Dennoch weiß die Ente um die drohende Gefahr und beginnt nun, ihr Nest umzubauen. Und zwar so, dass das Nest in die Höhe wächst, die Eier nicht mehr nebeneinander, sondern übereinander liegen. Das Nest wird so hoch, dass die obenauf liegende Ente von außen gar nicht mehr zu sehen ist. Das hat zur Folge, dass die Eier nicht mehr gleichmäßig bebrütet werden können, sondern, dass die ganz unten liegenden zu wenig Wärme abbekommen. Somit können nur aus ganz wenigen oben liegenden Eiern Kücken schlüpfen.

Und dann beginnt der eigentliche Kampf mit den Krähen, die Verteidigung jedes einzelnen Kückens gegen die schwarzen Vögel. Wenn wir, wie in den ersten drei Jahren, die Kücken frei laufen ließen, so würde alle fünf Minuten ein Kücken von einer Krähe geholt werden. Die Kücken kommen also ins Gatter. Abends sind die Krähen in der Regel zeitlich vor den Enten müde, gehen nicht mehr auf Jagd, so dass man Ente und Kücken noch eine halbe Stunde laufen lassen kann, wenn möglich unter Aufsicht. Mindestens vier Wochen sind die Kücken gefährdet. Der Erpel, der so vorbildlich auf seine Damen aufpasst, schützt seine Kinder gegen die Krähen nicht. Er ist hier nicht lernfähig. Offensichtlich sind die Krähen als eine Gefahr für die Enten von der Natur nicht vorgesehen.
 


Wenn man hier nun die Regelung der Natur überlässt, so sterben die Schneckenenten aus. Wir lernen die Naturschützer zu unterscheiden. Wer die Singvögel vom Gesang her unterscheiden kann, beklagt das Ausbleiben mancher Singvögel, ausgerottet durch die Krähen, die die Nester geräubert haben. Wer auf einem Amt sitzt, kennt nur das Gesetz, und das schützt die Krähen.
 

Der zweckentfremdete Entenstall
Eines Abends möchte meine Frau die Enten in den Stall treiben und ist überrascht, diesen geschlossen vorzufinden. Wie sie den Stall aufmachen möchte, damit die Enten rein können, öffnet sich dieser von alleine und eine Frau klettert mühselig aus dem für einen Menschen viel zu engen Stall heraus. Beide Frauen sind verdutzt und verlegen. Da beteuert die, die hier eigentlich nichts zu suchen hat, dass sie nichts Böses im Schilde führe und sie nur einen Unterschlupf für die Nacht gesucht habe.

Die Enten dürfen in den Stall und die fremde Frau bekommt eine Liege im überdachten Gartensitzplatz. Es ist Sommer und die Nächte sind noch warm. Nach Tagen erst erzählt die Frau, dass sie nach einem Streit mit dem Sohn ihren Bauernhof verlassen hat, durch halb Oberschwaben gezogen ist und für ein Essen und ein Nachtlager gearbeitet hat. Sie hatte mit ihrem Mann zusammen mühselig den Hof aufgebaut, der Sohn hatte diesen nicht übernehmen wollen, was die Frau schließlich zu dieser Kurzschlusshandlung getrieben hatte.

Homosexualität bei Tieren
Hat man ein Pärchen Enten und kommt ein Tier davon zu Tode, so trauert das zurückgebliebene in solcher Intensität, dass wir jedes Mal versucht haben, so schnell wie möglich einen neuen Partner einzukaufen. Diese völlige Ablehnung des Alleinseins kann daher kommen, dass die Enten, wenn sie tagsüber schlafen, nur mit einer Hirnhälfte schlafen und die andere wach bleibt. Man sieht dann auch, dass nur ein Auge geschlossen ist. Wenn sie zu zweit beieinander liegen, machen sie wohl automatisch das richtige Auge zu, so dass das Blickfeld doch wieder weiter wird.



Die Enten brauchen, um sich wohl zu fühlen, nicht unbedingt einen gegengeschlechtlichen Partner. Die Hauptsache ist: sie sind zu zweit. Zwei Enten und einen Erpel zu haben, ist dann sinnvoll, wenn eine von den beiden Enten noch keine Eier legt. Dann muss der Erpel nicht alleine durch den Garten ziehen, wenn die Partnerin auf dem Nest sitzen bleibt. Dennoch versucht der Erpel in dieser Zeit, beide zu beschützen, kümmert sich also auch weiterhin um seine auf den Eiern sitzende Partnerin.

Zwei Erpel und eine Ente erscheinen weniger sinnvoll. Es kommt dann innerhalb der ersten Tage zu einem Kräftemessen zwischen den beiden Erpeln. Der Stärkere hat den Vortritt am Futternapf und beim Treten der Ente. Insgesamt bleibt aber das soziale Gefüge harmonisch.

Bleiben beim Tod einer Ente zwei Erpel übrig, so werden diese nach kurzer Zeit homosexuell. Der Stärkere tritt den Schwächeren. Dasselbe gilt, wenn zwei Enten übrig bleiben.

Sie werden lesbisch. Einmal haben wir eine Ente gekauft, von der wir dann, zeitlich viel später, vermutet haben, dass sie lesbisch geprägt war. Sie war nur 24 Std. mit ihrem neuen Partner zusammen, als dieser über den Gartenzaun hinweg fliegend die Flucht antrat. Am Schreien der Ente wurden wir darauf aufmerksam, dass etwas passiert sein musste. Wir waren im Garten, hatten aber seine Flucht nicht gesehen. Erst nach zwei Tagen meldete sich ein Nachbar, dass in seinem Biotop eine Ente Zuflucht gefunden hätte. Ein Erpel, der seine Partnerin verlässt, ist kein guter Erpel. So haben wir umgehend einen neuen Erpel bestellt. Der Nachbar hatte einen Hund und wollte nicht auf Enten umsteigen. So waren wir auf einmal Besitzer von zwei Erpeln. Der neue war der Stärkere. Es kam offensichtlich zu einem Siegfried-Brunnhild-Effekt und die Ente kam nun mit beiden Erpeln zurecht.

Erlerntes soziales Verhalten:
Die Natur ist bekanntlich grausam. Die Entenmutter lockt ihre Kücken, zieht mit ihnen durch den Garten, hat aber keinen Sichtkontakt zu ihnen. Sie dreht sich nur um, wenn ein Kücken piepst, also Hilfe anfordert. Dann kehrt sie um.

Nun gibt es verletzte Kücken. Oft ist eine solche Verletzung ausgelöst durch eine Angstreaktion der Mutter. Wenn die Ente mit Kücken im Gatter eingesperrt ist und eine Gefahr kommt, dann achtet sie nicht mehr auf ihre Kinder, sondern versucht – vergeblich – zu fliehen. Die Kücken suchen Schutz bei der Mutter. Aber diese ist in Panik und achtet gar nicht mehr auf ihren Nachwuchs. So kann es zu Verletzungen bei den Kücken kommen. Sie können tot getrampelt werden. Von der Natur ist eben das Eingesperrtsein nicht vorgesehen.

Einmal hatten wir ein auf diese Weise geschädigtes Kücken, das hinkte und dadurch seinen Geschwistern nicht schnell genug nachlaufen konnte. Wir haben die Mutter dann immer wieder zurückgetrieben. Nach zwei Tagen hatte sie gelernt, wenn auch begrenzt, auch dieses Kücken in ihre Fürsorge mit einzubeziehen. Es hat auf die Dauer dann aber doch nicht überlebt.


Das Verhältnis von Mensch zu Tier
Enten sind keine Streicheltiere für Kinder. Dennoch haben besonders Kinder Freude daran, die Enten im Garten zu beobachten. Diese Freude potenziert sich, wenn Kücken da sind. Auch Erwachsene schauen gerne einer Entenfamilie zu, wie sie durch den Garten zieht. Sind Erwachsene weiblichen Geschlechtes hier völlig gleichgültig, ist der Verdacht auf eine psychische Störung gegeben. Ich erinnere mich gerne an eine Entenfamilie, die eine Dorfstraße überquert hat. Die Autofahrer von beiden Seiten haben mit Geduld gewartet. Wie hätten sie sich geärgert, wenn ein alter an einem Stock gehender Mann sie aufgehalten hätte!

Was denken Enten von uns Menschen, wie können sie sich mitteilen? Sie nehmen mit uns Kontakt auf, wenn kein Futter da ist, oder wenn im Winter das Wasser im Napf eingefroren ist. Sie schreien laut, wenn sie morgens nicht rechtzeitig aus dem Stall dürfen. Sitzen wir am Sonntagnachmittag im Garten, lassen sie sich gerne in der Nähe von uns im Schatten eines Baumes nieder. Aber eine Distanz bleibt immer. Sie möchten nicht angefasst werden.
 



Junge Kücken haben weniger Scheu vor den Menschen. Diese wird ihnen erst anerzogen.

Haben sie gelernt, in welchem Gefäß sie von mir Futter bekommen, dann laufen sie lieber mir nach als der lockenden und warnenden Ente. Das geht aber nur kurze Zeit so, dann folgen die Kücken wieder der Mutter.

Und wer soll sich nun Enten zulegen?

Wem an einem guten Verhältnis von Mensch und Tier gelegen ist, dem kann man die Anschaffung von Schneckenenten empfehlen. Cicero hätte gesagt: „Wenn du einen Garten und ein Pärchen Schneckenenten hast, so wird dir nichts fehlen.“

 


Text: Walter Ebner
Zeichnungen: Veit Müller